Close
About
FAQ
Home
Collections
Login
USC Login
Register
0
Selected
Invert selection
Deselect all
Deselect all
Click here to refresh results
Click here to refresh results
USC
/
Digital Library
/
University of Southern California Dissertations and Theses
/
Der Spanische Burgerkrieg Und Die Deutsche Exil-Literatur. (German Text)
(USC Thesis Other)
Der Spanische Burgerkrieg Und Die Deutsche Exil-Literatur. (German Text)
PDF
Download
Share
Open document
Flip pages
Copy asset link
Request this asset
Request accessible transcript
Transcript (if available)
Content
DER SPANISCHE BURGERKRIEG UND DIE DEUTSCHE EXIL-LITERATUR by Gerhard Georg Mack A Dissertation Presented to the FACULTY OF THE GRADUATE SCHOOL UNIVERSITY OF SOUTHERN CALIFORNIA In Partial Fulfillment of the Requirements for the Degree ! DOCTOR OF PHILOSOPHY (German) February 1972 72-17,486 MACK, Gerhard Georg, 1939- DER SPANISCHE BURGERKRIEG UND DIE DEUTSCHE EXIL-LITERATUR. [German Text]. University of Southern California, Ph.D. , 1972 Language and Literature, modern University Microfilms, A XERQKCompany, Ann Arbor, Michigan Copyright © by GERHARD GEORG MACK 1972 THIS DISSERTATION HAS BEEN MICROFILMED EXACTLY AS RECEIVED UNIVERSITY OF SOUTHERN CALIFORNIA T H E G R A DU A TE S C H O O L U N IV E R S IT Y PARK LOS A N G E LE S . C A L IF O R N IA 9 0 0 0 7 T h is dissertation, w ritten by Gerhar(i_G_eorg__M .............. under the direction of h .is ... D issertation C om m ittee, and approved by a ll its members, has been presented to and accepted by T h e G ra d u ate School, in p a rtia l fu lfillm e n t of req u ire ments of the degree of D O C T O R O F P H I L O S O P H Y T Dean D a te.. DISSERTATION COMMIT/TEE 'luiirman $ iti f \ I iffc “ fry fllr if /^t f ^ PLEASE NOTE: Some pages may have indistinet print. Filmed as received. University Microfilms, A Xerox Education Company ACKNOWLEDGMENTS My initial interest in the subject matter of this work was sparked by Professor John M. Spalek* who acted as mid wife in the gestation and birth of this manuscript. In addition* the correspondence with Ludwig Renn contributed I greatly to my understanding of those writers who partici pated in the Spanish Civil War. ! I should like to express my gratitude to the disserta- [ jtion committee* particularly to Professors Harold von Hofe* iCornelius Schnauber* and Rene Belle* and to Werner Bertolt of the Deutsche Bibliothek for his efficiency and coopera tion in locating the more obscure works. I wish also to express my appreciation to my parents ifor their unstinted material support during my years of j ’ undergraduate and graduate study. i j Lastly* I dedicate this manuscript to my wife Jane in grateful acknowledgment of that moral support which only a wife can give. ii INHALTSVERZEICHNIS Seite ACKNOWLEDGMENTS......................................... ii VORWORT.................................................. 1 Kapitel I. DIE KONGRESSE DER SCHRIFTSTELLER.......... 27 II. HILFSAKTIONEN FUR SPAN IE N ................... 47 Anhang: Record of the Lectures of Ludwig Renn III. DIE JOURNALISTISCHE UND PUBLIZISTISCHE TATIGKEIT DER EXILAUTOREN ANL&SSLICH DES SPANIENKRIEGES.......................... 96 IV. DAS DRAMA......................................... 149 V. DIE LYRIK DES SPANIENKRIEGES.....................192 Epische Dichtungen Sammelwerke Sonstige poetische Beitrage VI. KLEINE P R O S A .....................................257 VII. GROSSE P R O S A .....................................318 Tagebucher und berichtartige Werke zum Spanienkrieg Romane iii Kapitel Seite NACHWORT.................................................. 434 BIBLIOGRAPHIE ........................................... 453 iv ! VORWORT i i ' Wohl selten hat ein Ereignis in der Weltgeschichte ein ; i !so starkes Engagement der Schriftsteller ausgelost, wie im | jFalle des Spanischen Biirgerkrieges (1936-1939) . Im franzo- ; I ; ! i isischen Sprachkreis wurde die weltweite Stellungnahme der j Geistesschaffenden zugunsten der spanischen Republik ange- jfuhrt von Autoren wie Andre Malraux, Georges Bernanos, j jSimone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre, wahrend sich auf ! ;dem Gebiete der englischen und amerikanischen Literatur namhafte Schriftsteller wie Ernest Hemingway, George Orwell,j i j jStephen Spender und John Conford mit dem Thema Spanien i |auseinandersetzten. Der Widerhall des Biirgerkr ieges auf der ; i jlberischen Halbinsel bei den deutschen literarisch Schaffen-j den aber, auf den sich meine weiteren Ausfiihrungen im Rahmen der Themenstellung beschranken, war von nicht zu uberschat- zender Dimension. Sie stellten sowohl das grofite Kontingent |unter den nach Spanien geeilten Freiwilligen dar, die sich in die zur Verteidigung der Republik aufgestellten Internationalen Brigaden einreihten, als auch uberwogen sie an der Zahl derer, die nicht personlich am Kampf teilnehmen I Ikonnten, sich aber trotzdem mit der Sache identifizierten jund tiefen Anteil an dem Geschehen nahmen. Auf der Suche jnach genaueren statistischen Angaben iiber die aktive Be- jteiligung deutscher Schriftsteller in Spanien nennt uns iWalter A. Berendsohn in seiner Einfuhrung in die deutsche i -Emigrantenliteratur mit dem Titel Die humanistische Front ; die Zahl neunundzwanzig.^ Siebenundzwanzig direkt am Kampf ibeteiligte deutsche Schriftsteller und Mitglieder des SDS erwahnt Alfred Kantorowicz in seinen Ausfuhrungen anlafilich 2 von "Fiinf Jahre deutscher Schutzverband im Exil." Und Hildegard Brenner im Handbuch der deutschen Geqenwarts- ! ' literatur unter dem Abschnitt "Deutsche Literatur im Exil" ivermerkt ebenfalls siebenundzwanzig deutsche Dichter, die in den Reihen der Internationalen Brigaden auf Seiten der 3 Republik standen. Die Zahl derer, die nicht m ^Die humanistische Front. Einfuhrung in die deutsche l Emigrantenliteratur. Erster Teil: von 1933 bis zum Krieqs- l ausbruch 1939 (Zurich: Europa Verlag, 1946), S. 177. i ! ^Das Wort, 12 (Dezember 1938), 71. Nach Kantorowicz waren alle Mitglieder des SDS direkte oder indirekte Mit- kampfer in Spanien. i - ^ Handbuch der deutschen Geqenwarts literatur , hrsg . 3 Spanien kampften, sich aber veranlafit fiihlten, ihr Schaffen in den Dienst des antifaschistischen Widerstandes zu stel- len3 entzieht sich einer mathematischen Erfassung und soil hier auch gar nicht weiter verfolgt werden. Bevor ich aber zu einer Beleuchtung dieser deutschen Exilautoren fortschreite, ware es vielleicht hier am Platze, in aller Kurze einen Blick auf die geschichtlichen Vorgange in Spanien wahrend der Jahre 1936-1939 zu werfen, da eine eingehendere Kenntnis dieses Konfliktes beim Leser nicht immer mit Sicherheit vorausgesetzt werden kann. Die Frage, wie es zu diesem Krieg uberhaupt gekommen war, erklart Alfred Kantorowicz folgendermaSen: i Die geschichtliche Wahrheit ist: Am 16. February 1936 fanden unter einer rechtsgerichteten burgerlichen Re- gierung in Spanien allgemeine Wahlen statt. Der Gro6- teil der Presse, die Aristokratie, der in Spanien uber- machtige hohe Klerus, Finanzmagnaten, GroSgrundbesitzer, alle vorherrschenden Gewalten im Staat waren rechts; aber das spanische Volk wahlte in diesen freien Wahlen | demokratisch. Es sandte eine Zwei-Drittel-Mehrheit von j liberalen, demokratischen, unabhangigen, einigen links- sozialistischen und kommunistischen Abgeordneten in die Cartes . . . Diese Regierung, vergleichbar etwa den ersten Regierungen der Republik von Weimar, versuchte zaghaft einige langst uberfallige soziale Reformen zu verwirklichen und das spanische Volk aus anachronistisch gewordenen, noch halbfeudalen Banden zu losen. Dagegen schlugen die verschworenen MSchte der Beharrung los, Hermann Kunisch (Miinchen: Nymphenburger Verlagsbuchhand- lung, 19692), S. 677-694. 4 gewift der Hilfestellung der antidemokratischen faschi- stischen Diktatoren.^ Durch das Eingreifen Hitlers und Mussolinis zugunsten Francos mit Truppen und logistischer Unterstiitzung kam dem innerspanischen Konflikt alsbald internationale Bedeutung zu. In England hatte sich ein aus Vertretern vielen Staaten zusammengesetztes Nichteinmischungskomitee gebildet, das den |Krieg in Spanien lokalisieren wollte. Seine Beschliisse wur- den jedoch nur einseitig zum Nachteil des republikanischen I Spanien befolgt, dessen legalen Regierung neben der mehr isymbolisch als tatsachlichen Hilfe durch die Sowjetunion und Mexiko nur schlecht ausgebildete und unerfahrene Volksmili- zen zur Verfugung standen. Die einzige wirkliche Unter- i stiitzung kam von Freiwilligen, die aus aller Welt nach Spanien geeilt waren, um'in spontan aufgestellten Inter nationalen Brigaden fur die Republik zu kampfen. Dafi dabei jVertreter aus Deutschland und Italien besonders groSen Anteil hatten, erklart sich ohne weiteres daraus, dafi in deren beiden Heimatlandern mit der Machtvibernahme Hitlers und Mussolinis die Machtherrschaft des Faschismus regierte. Nach zweieinhalb Jahren zahen Aushaltens gegen den materiell 4 Spanisches Krieqstagebuch (Koln: Wissenschaft und Politik, 1966), S. 20. 5 und rein zahlenmaBig uberlegenen Feind endete der spanische Burgerkrieg militarisch am 1. April 1939 mit dem Sieg Francos. Wer aber von den Internationalen den Konflikt uberlebt hatte, wurde zwangsweise in franzosischen Lagern interniert und fiel, wenn nicht rechtzeitig die Flucht ge- lang, der deutschen Gestapo in die Hande, denn fiinf Monate nach dem Zusammenbruch der Republik begann der Zweite Welt- krieg. Dieser in groBen Zugen nachgezeichnete geschicht- liche Vorgang beansprucht natiirlich keineswegs, im Sinne des 5 Geschichtsschreibers Hugh Thomas die Zusammenhange des Spanischen Biirgerkrieges zu erhellen. Er laBt uns jedoch in groBen Umrissen die Bedeutung Spaniens fur die zahlreichen deutschen Exulanten erkennen, die nach der Machtiibernahme Hitlers gezwungen waren, ihr Vaterland zu verlassen und in sogenannten Gastlandern voriibergehend Zuflucht zu suchen. Die Hoffnung, die der Kampf in Spanien gegen den Faschismus mit sich brachte, war von ungeheurer Bedeutung fiir die exilierten Schriftsteller* die nun endlich eine Chance sahen, ^Fiir denjenigen Leser, der sich mit den historischen Zusammenhangen des Biirgerkrieges naher vertraut machen mQchtej empfehle ich das Studium der in Fachkreisen aner- kannten Spanienuntersuchung von Hugh Thomas, The Spanish Civil War (New York: Harper, 1961). 'a**.- - - 6 wirkungsvoll ihrem Widersacher mit Waffe und Feder entgegen- zutreten. Dieser Umstand erklart, daB an der Front selbst als Soldaten, Offiziere, Arzte und politische Komissare Autoren standen wie Alfred Kantorowicz* Ludwig Renn, Gustav Regler, i l Bodo Uhse, Willi Bredel, Hans Marchwitsa, Erich Arendt, Eduard Claudius und Theodor Balk, um die prominentesten unter ihnen zu nennen. Andere wie zura Beispiel Erich Wei- I | j nert und Egon Erwin Kisch hatten es sich zur Aufgabe ge- | macht, als Kombattanten in Zivil den kampfenden republikani- schen Einheiten beizustehen, indem sie die Moral der Truppe trotz aller Mangel und Widerwartigkeiten aufrechterhielten. Wiederum andere Schriftsteller wie beispielsweise Arthur Kostler, Rudolf Leonhard, Erika Mann, Klaus Mann, Anna Seghers, Ernst Toller und Bruno Frei statteten dem kriegs- jbedrangten Spanien einen nur voriibergehenden Besuch ab. In ;Vortragen, Rundfunkansprachen, publizistischen Beitragen und Reportagen bekundeten sie ihre Solidaritat mit den Kampfenden und versuchten der Weltoffentlichkeit die Situa tion in Spanien klarzumachen. Gleichzeitig wurden Hilfs- aktionen kleineren und groBeren AusmaBes zugunsten der not- leidenden spanischen Bevolkerung eingeleitet. Nicht minder groB war der Anteil der Exilautoren, die nicht auf der 7 Iberischen Halbinsel waren, sich aber leidenschaftlich zu den Zielen der Republik bekannten und ebenfalls in Wort und Schrift ihre Sache und die der Freiheit iiberhaupt verfoch- ten. Zu ihnen gehoren Verfasser wie Bertolt Brecht, Thomas Mann, Hermann Kesten, Franz Werfel, Franz C. Weiskopf, Johannes R- Becher, Friedrich Wolf, Ernst Sommer, Karl Otten, Alfred Kurella, Max Zimmering, Manfred Georg, Klara Blum, Stefan Heym und viele andere. Beriicks ichtigt man nun, daft die Kampfenden neben ihrer Funktion als Soldaten auch alle ausnahmslos gleichzeitig Schriftsteller blieben,6 so ergibt sich in Verbindung mit den in ihrem Exil-Land Tatigen eine erstaunliche Produkti- vitat der Exilschriftsteller zum Thema des Spanischen Bur- gerkrieges. Unmittelbar wahrend des Krieges, oft im Ge- schiitzfeuer, in Kampfpausen, im Exil-Land und auch nach Beendigung des Konfliktes entstanden Bataillonsgeschichten, Reportagen, Tagebiicher, autobiographische Darstellungen, Kurzgeschichte, Erzahlungen, Aufsatze und Essays, infor- mierende Artikel, Romane, Biihnenwerke und poetische Dich- tunge, ganz zu schweigen von Ubertragungen aus alien 6 Vgl. hierzu: Kantorowicz, "Fiinf Jahre Schutzverband," S . 72 . 8 Sprachen ins Deutsche. Dazu kamen Reden, die von deutschen Exilautoren anlaGlich des "Zweiten Internationalen Schrift- stellerkongresses zur Verteidigung der Kultur gegen Krieg und Faschismus, " der im Sommer 1937 im kriegsiiberzogenem Land zusammengetreten war. Nicht zuletzt muG an dieser Stelle auch die Tatigkeit der Autoren erwahnt werden, die zugunsten der Republik Hilfsaktionen einleiteten. Nicht alies im Zusammenhang mit dem zu Spanien Geschaffenen ist jedoch erhalten. Leider ist ein betrachtlicher Teil des Materials durch Einwirkungen des Krieges verlorengegangen, beziehungsweise noch nicht aufgefunden worden. Ein groGer Teil der Spanienliteratur kam auch erst nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges, der unmittelbar dem spanischen Konflikt gefolgt war, zur Veroffentlichung und noch heute ist be- sonders in der Deutschen Demokratischen Republik der lite- rarische Nachhall des Spanischen Biirgerkrieges zu spiiren. Die Uberlieferung der Originalarbeiten aber zu diesem Thema, die unmittelbar wahrend der Auseinandersetzung publiziert wurden, verdanken wir indessen den Zeitschriften der Emigra tion uns insbesondere Das Wort, Die Neue Weltbuhne, Das Neue 7 Tagebuch, Die Zukunft, Neuer Vorwarts, und auch den ^AusmaG und Schwierigkeiten dieser Emigrationszeit- 9 Emigrationsverlagen. Zu den wichtigsten der letzteren zahlen in Spanien der Verlag Diana, Madrid, Impr. La Semana Grafica, Valencia, in Zurich die Verlage Stauffacher, Europa und Jean Christoph, in Paris Eds . Promethee, Eds. Nouvelles Internationales, Eds. du 10 mai, Eds. du Phenix, Eds. Carre- four, in Amsterdam der Verlag Albert de Lange, in Mexiko El Libro Libre, in London das Verlagshaus Gollancz und nicht 8 zuletzt m New York Green & Co. Wie nun nach uber dreifligjahriger Beendigung einer der- artigen Auseinandersetzung zu erwarten ist, haben sich in der Zwischenzeit eine nicht geringe Reihe von Arbeiten in Ost und West naher mit dem Engagement der exilierten ! Schriftsteller im Zusammenhang mit dem Spanischen Burger krieg befaftt. Der eigentlichen Aufgabenstellung meiner Untersuchung erachte ich es aus diesem Grunde fur unerlafi- lich, in der Form eines Forschungsberichtes die bisher erschienenen Darstellung zum Gesamtthema Spanien voranzu- stellen. Eine derartige Ubersicht wird uns die schriften wahrend der Herrschaft des Faschismus erlautert Walter Sternfeld ausfuhrlich in seinem Artikel "Die Emigran- tenpresse," Deutsche Rundschau, 76 (1950), 250-259. ^Weitere Details finden wir bei Berendsohn und bei Franz Carl Weiskopf, Unter fremden Himmeln (Berlin: Dietz - Verlag, 1948) . 10 Notwendigkeit einer eingehenderen Behandlung des gestellten Themas unter Beweis stellen und gleichzeitig den einzu- schlagenden Weg weisen. Betrachten wir zuerst die Sekundarliteratur zum Spa- nienthema vor 1945, so stellen wir mit Uberraschung fest, daB sich in diesem Zeitraum als einzige erwahnenswerte zu- sammenfassende Ubersicht nur der Artikel "Funf Jahre Schutz- verband deutscher Schriftsteller" (1939) von Alfred Kantoro wicz auffinden laBt. Dies ist wohl darauf hin zuriickzu- fiihren, daB das Erlebnis des heraufziehenden Zweiten Welt- krieges die Aktualitat des Spanienkampfes zunachst uber- schattete und man sich lebenswichtigeren Fragen zuwandte. Kantorowicz gibt uns als erster Auskunft uber das eigent- liche AusmaB der Beteiligung der Exilschriftsteller in Spanien, die fiir Freiheit und Kultur direkte und indirekte Mitkampfer waren. Eine wesentliche Erfullung des Kampfes aber sieht. er in den entstehenden Biichern, an denen heim- gekehrte Mitglieder des SDS arbeiteten. Und er schlieBt seinen Beitrag mit den in die Zukunft weisenden Worten: Aber kein neues Buch von uns wird erscheinen, ohne daB darin nicht das machtige Erlebnis des spanischen Frei- heitskampfes spurbar ware, dieses Erlebnis, das uns alle mit neuer Kraft, neuer Zuversicht erfiillt hat, uns entschadigt hat fur die schwersten Stunden der Emigra tion und uns wappnet fur alle schweren Stunden, die noch kommen werden. ("Funf Jahre Schutzverband," S. 73) 11 Zweifellos fehlt Kantorowicz die notwendige Distanz in sei- nen Bemerkungen zum Kampf in Spanien* da diese Worte ge- schrieben wurden, als der Burgerkrieg noch in vollem Gange war. Seine Worte spiegeln aber wider, welch bedeutende Einwirkung die Auseinandersetzung auf der Iberischen Halb- insel auf die im Exil lebenden Autoren hatte. Wenden wir uns nun den Darstellungen nach 1945 zu, so liegt es nahe, infolge der Fulle der in Mitteldeutschland aufkommenden Spanienliteratur der sogenannten ostlichen Einschatzung dieses Kapitels der deutschen Literaturge- schichte Prioritat einzuraumen. Rein chronologisch am An- fang steht Franz C. Weiskopf mit seinem Spanienabschnitt in seinem Band Unter fremden Himmeln (1948) (S. 86-88). Weiskopf schlieftt sich im groBen und ganzen den Ausfuhrungen von Kantorowicz an und erganzt ihn aber dadurch, daB er uns eine knappe aber sachliche Einteilung der zum Spanienkampf entstandenen Werke nach den Gattungen Lyrik, Drama und Prosa gibt. Parteiischer hingegen ist Erich Weinert in seinem Vorwort zu dem von ihm herausgegebenen Sammelband Die Fahne 9 der Solidaritat (1953). Er beschrankt sich auf die von der Wirklichkeit ausgehenden Werke uber Spanien und sieht ihren ^(Berlin: Aufbau-Verlag, 1953), S. 9-17. 12 dokumentarischen Wert darin, daS sie alien antifaschisti- schen Deutschen eine Lehre seij vor dem Anschlag des im- perialistischen Feindes immer auf der Hut zu sein. Getreu der kommunistischen Parteilinie folgend behandelt auch Edgar Kirsch das Thema unter der Titelbezeichnung "Der spanische Freiheitskampf (1936-1939) im Spiegel der antifaschistischen deutschen Literatur" (1954).'*'^ Besonders fiir die Entwick- lung der Arbeiterklasse halt er die dichterische Gestaltung des spanischen Kampfes fiir wertvoll. Sie sei ein grofier Schritt zur Darstellungsweise des sozialistischen Realismus. Trotz einseitiger Auswahl der Werke fiir die Herauffiihrung einer neuen Gesellschaftsordnung im Sinne einer marxistisch- leninistischen Weltanschauung arbeitet Kirsch als erster eine Reihe von Motiven heraus, die in dieser Literatur immer wieder auftreten. Unter diesen beinahe leitmotivisch wie- derkehrenden Themen sind der internationale Klassenkampf, die Solidaritat der Arbeiterklasse an der Front und zu Hause, das Motiv des Schreibenlernens * die Emporung iiber den Luftterror und viele andere. Obwohl Kirsch in seiner Be- handlung von sogenannten burgerlichen Autoren wie Hermann •^Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther- Universitat Halie-Wittenberg, 4 (26. Dezember 1954), 99-119. 13 Kesten nicht ohne Vorurteile istj stellt seine Untersuchung dennoch einen ersten groBen Schritt zu einer weitumfassenden Analyse des Spanienthemas, wenn auch aus kommunistischer Sicht, dar. Ahnlich wie bei Edgar Kirsch werden auch die Spanienwerke in dem vom Institut fiir Marxismus-Leninismus i herausgegebenen Band Der Freiheitskampf des spanischen Volkes und die internationale Solidaritat (1956) interpre- tiert.'^'*' Allerdings steht in dieser Arbeit der politische Aspekt des Kampfes im Vordergrund und ordnet der literari- j schen Wertung eine zweitrangige Rolle zu. Tiefgehender in ! seiner kritischen Beleuchtung hingegen ist der vom Kollek- tiv fiir Literaturgeschichte herausgegebene Bodo Uhse. Edu- i i ard Claudius. AbnB der Spanienliteratur (1961) . Neben einer tiefgehenden Darstellung der geschichtlichen Verhalt- nisse, die zu diesem Krieg fiihrten* finden wir in diesem Werk eine iiberraschend detaillierte Studie der Einwirkung | des Burgerkrieges auf die deutschen Exilautoren. Man be- schrankt sich nicht nur darauf., die Rolle der beiden Schriftsteller Uhse und Claudius in Spanien zu analysieren, sondern behandelt ebenso innerhalb einer Unterteilung nach literarischen Gattungen eingehend die Beitrage anderer '^Berlin: Dietz -Ver lag., 1956. 14 Autoren uber Spanien. Hier finden wir auch zum ersten Mai eine Definition des Begriffes Spanienliteratur, die wie folgt konzipiert wird: Wir verstehen darunter die Widerspiegelung des national- revolutionaren Krieges des spanischen VoIkes 1936-1939 in den Werken antifaschistischer Schriftsteller. die t y sich entweder selbst am Kampf beteiligten oder aus lei- denschaftlicher Anteilnahme am Ringen und am Schicksal des tapferen spanischen Volkes und der unzahligen Frei- willigen aus vielen Landern der Erde fruher oder spater dieses weltbedeutende Ereignis literarisch verarbeite- ten.12 ! Dariiber hinaus ordnet man die Spanienliteratur, die gegen den Faschismus gerichtet ist* in den welthistorischen jKlassenkampf des Proletariats gegen die kapitalistische jAusbeuteordnung ein und miSt ihre politische und literari- sche Bedeutung mit den MaSstaben der sozialistischen Litera- turkritik. Ungeachtet dieser Perspektive aber bietet wohl diese Darstellung die vollstandigste Ubersicht im ost- Ideutschen Literaturbereich. Dem Titel nach viel verspre- j jchend aber bei naherem Studium vollig unbrauchbar fur eine | jErhellung des literarischen Schaffens zu Spanien ist Horst Eckerts Dissertation "Die Beitrage der deutschen emigrierten 12 Kollektiv fiir Literaturgeschichte im volkseigenen Verlag, Hrsg., Bodo Uhse. Eduard Claudius. Abrifi der Spanienliteratur (Berlin: Volk und Wissen, 1961), S. 167. 15 Schriftsteller in der Neuen Weltbuhne von 1934-1939" 13 (1963) . Eckerts politische Voreingenommenheit zugunsten einer Auslegung in Ubereinstimmung mit den Richtlinien der kommunistischen Partei widerspricht jeder naheren Beschafti- gung mit dieser so verheiSungsvollen Untersuchung. In die 1 gleiche Kategorie fallt die von der Militarakademie Fried rich Engels herausgegebene Darstellung Interbrigadisten 14 (1966). Interessant infolge seiner Auseinandersetzung mit dem Werturteil Georg Lukacs' ist indessen das Buch Literatur in Exil (1966) von Klaus Jarmatz. Jarmatz greift darin Lukacs heftig an, der ein Miserebild der deutschen Literatur zur Zeit des antifaschistischen Kampfes gezeichnet hatte und bittere Polemik gegen die sogenannte Literatur des "Vulgar- Antifaschismus" fuhrte. Er machte eine Unterscheidung zwischen der "wirklichen Poesie" und der "Tagesliteratur", wie sie im Kampf gegen den Feind entstanden war.15 Im Gegensatz zu Lukacs glaubt Jarmatz, dafi die antifaschisti- 13 Unveroffentlichte Diss . Humboldt Universitat Berlin, 1963 . ^ Interbrigadisten. Der Kampf deutscher Kommunisten und anderer Antifaschisten im nationalrevolutionaren Kriecr des spanischen Volkes 1936-1939 (Berlin: Deutscher Militar- verlag, 1966). ^ (Berlin: Dietz-Verlag, 1966), S. 182. 16 sche Literaturj wie auch am Beispiel der Auseinandersetzung mit Spanien demonstriert werden kann, die sozialistischen Schriftsteller zur Reife gefiihrt habe. In den Werken^ die Spanien zum Thema haben, gewinne das revolutionare Bild des deutschen Arbeiters poetische Gestalt und das Entstehen einer neuen, schonen Menschengemeinschaft werde zum Kern- motiv. Gleichzeitig kritisiert er Kesten, der in seinem Roman Die Kinder von Guernika unterlassen hatte, Antwort auf brennende Fragen der Menschheitsentwicklung zu geben- Ebenso wird jede Flucht in die Geschichte und Aufnahme vollig abseitiger Sujets abgelehnt. Der zur Zeit aber sicher aktuellste Beitrag zum Spanienthema im Osten stammt von Helga Herting und tragt den Titel "Die Widerspiegelung des Kampfes deutscher Interbrigadisten in der deutschen sozialistischen Literatur" (1966). In Form einer kurzen Diskussion beleuchtet die Kritikerin Werke zum Spanienkampf wie sie in erster Linie von Autoren aus den Reihen der KPD entstanden. Dann erhebt sie den Spanienkampf und seine Einwirkung auf die fortschrittlichen Kunstler zum grofiten Ereignis der ersten Halfte unseres Jahrhunderts. Fur die deutsche Nationalliteratur entstand nach ihrer Meinung durch die Spanienliteratur qualitativ eine neue Art von Kriegs- dichtung. Diese Dichtung propagiere nicht die 17 lebensfeindliche Romantik des Krieges, sondern spiegle den Kampf um eine neue menschliche Ordnung wider. Und sie schlieSt ihre Diskussion mit den nachstehenden Worten: Die deutschen sozialistischen Schriftsteller haben durch ihre Teilnahme am Freiheitskampf in Spanien nicht nur der Sache des internationalen Proletariats einen unschatzbaren Dienst erwiesen, sondern sie haben auch ein bedeutendes, ruhmvolles Kapitel unserer National- literatur geschrieben Dieselben Gedanken vertritt Helga Herting auch in dem Arti- kel "Spanien und die antifaschistische deutsche Literatur" 17 (1966) . Wenden wir uns nach dieser Ubersicht der ostdeutschen Arbeiten zum Spanienthema nun dem Westen zu, so greift Walter Berendsohn als erster 1946 in seinem Buch Die huma- nistische Front das Kapitel Spanien auf. In knapper, sach- licher Darstellung geht er auf die Beteiligung der Exil- schriftsteller an dem Kampf in Spanien ein und bespricht kurz deren literarisches Schaffen in diesem Zusammenhang. Wertvoll ist Berendsohns bibliographischer Anhang. Kurz und auBerst objektiv gehalten sind auch die Hinweise auf ■^"Die Widerspiegelung des Kampfes deutscher Inter- brigadisten in der deutschen sozialistischen Literatur," in Interbrigadisten. ^ Neue deutsche Literatur, 7 (1966), 13-24. 18 Spanien in Paul E. Liiths Literatur als Geschichte (1947).-*-® Einen tieferen Einblick in die Tatigkeit der Exulanten unter dem EinfluB der Vorgange auf der Iberischen Halbinsel gibt uns hingegen William K. Pfeiler in seiner Studie German 19 Literature in Exile: The Concern of the Poets (1957). Er spricht dem Schriftsteller in diesem Konflikt eine be- deutende Rolle im Kampf fiir Humanitat und Fortschritt zu. jEingehender beschaftigt sich Pfeiler auch mit den anlaBlich Ides Internationalen Kongresses in Spanien gehaltenen An- sprachen der Autoren. Neben politischer Propaganda sind sie fiir ihn auch Zeugnis der tiefen Anteilnahme der Redner j jund lassen eine neue Wirklichkeit durchscheinen, welche die herkommliche Literatur verdrange. Wertvolle Hinweise auf Quellenmaterial konnen wir im Spanienabschnitt des Handbuchs der deutschen Gegenwartsliteratur (1965) von Hildegard i i jBrenner auffinden (Kunisch, S. 690). Grundmerkmale fiir die ;Spanienliteratur sind in ihrer Ansicht die Elemente Anklage, Jwarnung und Aufruf. Im folgenden Jahr veroffentlichte Alfred Kantorowicz sein Spanisches Kriegstagebuch, dem er (Wiesbaden: Limes-Verlag* 1947), II, 523ff. •^University of Nebraska Studies, N.S. No. 16 (Lincoln: University of Nebraska Press, 1957). 19 eine ausfiihrliche Einleitung voransetzte. Er gibt uns darin eine skizzenhafte Aufstellung uber den Anteil der litera- risch Schaffenden am Spanischen Biirgerkrieg, wobei er sich jedoch bewufit auf einige wenige Schriftsteller beschrankt, die der westlichen Welt zugehoren. Ferner beklagt er das negative Bild, das man vom Spanienkampf immer noch in West- deutschland hatte. Und er schliefit mit der Feststellung, dafi die Erforschung der Spanienliteratur, das heifit die Summe der auf den Krieg bezogenen Dichtungen, Schauspiele, Erzahlungen, Reportagen und Essays von bedeutenden Schrift- stellern ein noch weifier Fleck auf unserer geistigen Land- karte geblieben sei. Wenig uber Spanien erfahren wir aus dem Buch Exil und Literatur; Deutsche Schriftsteller im 20 Ausland 1933-1945 (1967) von Matthias Wegner. Ertrag- reicher dagegen ist wiederum sein bibliographischer Anhang. Im selben Jahr erschien auch Hans-Albert Walters Studie "No pasaran! Deutsche Schriftsteller im Spanischen Burger- 21 krieg." Wenn auch in auSerst gedrangter Form, so gibt uns Walter einen guten Einblick in das Engagement deutscher Exilschriftsteller in diesem Krieg. Er durchleuchtet ^Bonn: Athenaum-Verlag, 1967. ^-^-Kurbiskern, 1 (1967), 5-27. 20 Hoffnungen und Enttauschungen, die diese Auseinandersetzung fur die Autoren mit sich brachte und stellt klar heraus, welche psychologische Bedeutung Spanien fur die Exilanten hatte, die endlich eine Moglichkeit sahen, dem Faschismus Einhalt zu bieten. Im ganzen gesehen ist Walters Artikel ein guter Ansatz zur naheren Erforschung der Literatur des Spanienkrieges, wenn er auch die geschichtlichen Aspekte zu stark hervortreten laBt. Aus der nichtostlichen Perspektive untersucht auch Frederick R. Benson den EinfluB des Krieges auf die Schriftsteller in seiner Darstellung Writers in Arms: The Literary Impact of the Spanish Civil War 22 (1967) . Im Zusammenhang mit einer Untersuchung der Ein- wirkung des Spanienkrieges auf die Autoren Hemingway, Or well, Malraux, Bernanos, Kostler und Regler geht Benson besonders Hoffnungen und Enttauschungen nach, die der Kampf der Republik mit sich brachte. Die Autoren hatten die spanische Sache zu der ihren gemacht, indem sie hofften, dort die Erfiillung ihrer humanitaren Ideale zu finden. Bald muBten sie jedoch durch die Realitat erfahren, daB ihr "Last 22 (New York & London: New York University Press, 1967), S. xxiii. Auch erschienen auf deutsch mit dem Titel Schriftsteller in Waffen. Die Literatur und der Spanische Burqerkrieq (Freiburg i/Br: Atlantis-Verlag, 1969). 21 Great Crusade" dazu verurteilt war, mit volliger Desillusion zu Ende zu gehen. Groften literarischen Wert miBt der Kri- tiker jedoch im allgemeinen dieser Spanienliteratur nicht bei: "Much of it was marred by a surfeit of emotion; much was purely sensational; and a large portion of this writing, while passionately committed in sentiment, possessed little literary quality" (S• xxiii). Wiederum von geschichtlicher Sicht dagegen schreibt Rainer Wohlfeil zur Deutung und Nach- wirkung des Spanienkonfliktes in seinem Beitrag "Der spa- 23 nische Burgerkrieg 1936-1939" (1968) . Dennoch bemuht er sich im Rahmen seiner Ausfiihrungen einen kurzen AbriB der zu diesem Thema entstandenen literarischen Werke sowohl in Amerika, England, Frankreich und Deutschland zu geben. Dariiber hinaus beklagt sich Wohlfeil uber das negative Spanienbild, das in der BRD bestehe und auf das auch die Tatsache einer relativen Unkenntnis dieser Literatur zuruck- zufiihren sei. Mit Wohlfeils Artikel ist der Forschungsbericht uber die bisher zum Spanienthema bekannte Sekundarliteratur ab- geschlossen. Angefiihrt werden konnten hier nur noch zwei ^ Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte, 2 (April 1968), 101-119. 22 Dissertationen zu diesem Thema, die zur Zeit in Deutschland im Entstehen begriffen sind. Dieter Buttjes schreibt an der Arbeit "Die deutschen Antifaschisten und ihre Literatur uber 24 den spanischen Biirgerkrieg, " wobei politische und soziale Aspekte der deutschen Antifaschisten im Mittelpunkt stehen sollen. Der Verfasser beschrankt sich allerdings auf die nur in Buchform erschienenen Zeugnisse. Weniger auf die Geschichte bezogen, als auf die Literatur zum Spanienkrieg selbst scheint jedoch die Doktorarbeit von Karin Reinecke zu seinj die den Titel "Deutsche Schriftsteller im spanischen 25 Burgerkrieg. Ein Beitrag zum deutschen Widerstand" hat. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit wird eine MateriaIsammlung fur jdie speziell Spanien betreffende Literatur sein. Als Zeit- punkt der Beendigung dieser Arbeit wurde mir das Datum Ende I I 1972 genannt. i Unter anderem zu erwahnen waren hier noch Werke, die jwichtige Hinweise in bezug auf das Quellenmaterial dar- i „ stellen. Hierunter fallen die Bio-Bibliographie von den beiden Verfassern Wilhelm Sternfeld und Eva Tiedemann ^Geplante Dissertation, Universitat Marburg/Lahn. ^^Geplante Dissertation, Universitat Freiburg i/Br. 23 26 Deutsche Exil-Literatur 1933-1945 und der Katalog Exil- Literatur 1933-1945, herausgegeben von der Deutschen Biblio- 27 thek, Sammlung Exil-Literatur. Dieser Uberblick uber die vorliegenden Arbeiten in Ost und West war mit Absicht chronologisch gehalten. Wir sahen, dafi man einerseits versucht, das Engagement deutscher Exil- schriftsteller in Spanien rein vom sozialistischen Stand- punkt auszubeuten, wenn dabei auch fur uns nicht ganz un- wertvolle Entdeckungen gemacht werden. Die andere Seite dagegen ist ernstlich bemuhtj die Einwirkung des Spanischen Burgerkrieges auf die deutschen Emigranten aufzuhellen. Dabei ist es jedoch nur zu uberwiegend fragmentarischen Ansatzen beziehungsweise Detailuntersuchungen einzelner Autoren gekommen. Das wachsende Interesse an diesem Thema, wie es sich besonders auch auf Seiten nicht-ostlicher Kriti- ker abzeichnet, lafit in meinen Augen eine Gesamtdarstellung uber die deutschen Schriftsteller im Exil und deren so ^ H e i d e l b e r g & Darmstadt: Lambert Schneider-Verlag, 1962 . 2?Werner Bertold und Christa Wilhelmi, Hrsg., Exil- Literatur 1933-1945. Eine Ausstellung aus Bestanden der Deutschen Bibliothek, Frankfurt am Main. Sammlung Exil- Literatur (Frankfurt a/M: Kommissionsverlag der Buchhand- lervereinigung^ 1966). 24 bedeutenden Antei] an dem Kampf in Spanien als vordringlich erscheinen. Im Rahmen dieser Arbeit mochte ich aus diesem Grunde dazu beitragen, diese Liicke in der deutschen Litera- turgeschichte zu schlieSen. Die Tatigkeit aller derjenigen Exilautoren soil beleuchtet werden, die sich mit Wort und Tat mit der Sache in Spanien identifizierten beziehungsweise Partei nahmen. Eine Untersuchung sowohl ihrer Werke als auch ihrer Handlungen in bezug auf den Krieg in Spanien soil die Bedeutung des Konfliktes auf der Iberischen Halbinsel fur die exilierten geistig Schaffenden herausstellen. Hoff- nungen, das Verfolgen von Idealen, das Eintreten fur eine humanitare Sache und nicht zuletzt Enttauschungen, die in- dividuellen Haltungen der Autoren an sich im Zusammenhang mit dem Blirgerkrieg gilt es, fern von einer oft zu leicht- fertigen und undifferenzierten Einstufung dieser Dichter als kommunistisch Orientierte, aufzuzeigen. Personlichen Be- kenntnissen der Schriftsteller als auch der Widerspiegelung des Krieges selbst werde ich in ihren Werken nachgehen. Obwohl nun der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit mehr auf einer thematischen und inhaltlichen Beleuchtung des ge- stellten Themas als auf eine stilistische Untersuchung aus- gerichtet ist, soil gleichzeitig die erstaunliche Produkti- vitat der Autoren anlafllich des Spanienkrieges darauf hin 25 durchleuchtet werden, ob sie infolge des immanent politi- schen Hintergrundes als reine Propaganda und Dichtung fur den Tag abgetan werden kann, oder ob die Autoren ihr dich- terisches Talent in den Dienst einer Sache stellten. Ent- standen dabei Werke von Rang, oder interessiert uns das dichterische Schaffen zum Spanienkrieg nur insofern, als es sich um die Werke namhafter Schriftsteller handelt? Mit einer Antwort auf diese Fragen hoffe ich der Aufhellung eines meiner Ansicht nach leider zu Unrecht vernachlassigtes Kapitel in der deutschen Literatur gerecht zu werden. In der Losung meiner gestellten Aufgabe halte ich die' folgende Kapiteleinteilung fur dienlich: "Kongresse der i iSchriftsteller ", "Hilfsaktionen fur Spanien", "Die journa list is che und publizistische Tatigkeit der Exilautoren an- lafllich des Spanienkrieges", und nach Gattungen "Drama", "Lyrik" und "Kleine und Grofie Prosa" als Teil der soge- nannten Spanienliteratur. Den AbschluS soil sodann eine erweiterte Bibliographie zum Thema Spanien bilden. Sie enthalt sowohl angefuhrte Werke als auch andere biblio- graphische Hinweise und ist als ein Hilfsmittel fur weitere Untersuchungen zu diesem Teil der Literatur beabsichtigt. Rein vom technischen Standpunkt her habe ich mich ent- schlossen, das Pradikat "Antifaschist" alien Schrift- 26 stellern, nicht nur den vom Marxismus beeinflufiten zuzuord- nen. Im gleichen Sinne wird der Begriff Faschismus sowohl fur die totalitare Bewegung Hitlers, Mussolinis und Francos verstanden. Eine minutiose Differenzierung unter ihnen wurde eine Kompliziertheit und Umstandlichkeit der folgenden Ausfuhrungen mit sich bringen, die nicht im Geiste der vereinten Front der exilierten Autoren gegen die Unfreiheit ist. KAPITEL I DIE KONGRESSE DER SCHRIFTSTELLER Auf dem Wege einer Erhellung des Engagements deutscher ExiIschriftsteller anlaBlich des Spanischen Biirgerkrieges erscheint es mir als vordringlich, zunachst ihre Mitwirkung an Kongressen, die im Verlauf dieses Konfliktes tagten, zu beleuchten. Bereits der Umstand der Erscheinung dieses augenfalligen Zusammentretens von geistig Schaffenden nam- lich offenbart uns eine grundsatzlich veranderte Position der traditionellen Dichterexistenz. Durch die Auswirkungen des Faschismus sehen sich die Dichter gezwungen, eine neue Rolle und Aufgabe in bezug auf die Realitat des Tages anzu- nehmen. Obgleich nun die ins Exil gegangenen Autoren schon auf fruheren Kongressen ihre personliche Haltung gegeniiber der Gewaltherrschaft des Faschismus manifestierten,^ sollen ■*"Hierunter fallen der "I. Kongrefl der Internationalen Schriftstellervereinigung zur Verteidigung der Kultur" in Paris, 1935 und der "13. P.E.N. Kongrefi" in Barcelona, 27 28 im folgenden aber nur die Kongresse analysiert werden, die in unmittelbarer Beziehung mit dem Kampf in Spanien stehen. Unter ihnen ist in erster Linie der "II. KongreB der Inter- nationalen Schriftstellervereinigung zur Verteidigung der 2 Kultur" zu nennen, der im Juli 1937 m Valencia, Madrid und Barcelona tagte. Daneben beschaftigte sich ein Jahr spater in Paris auch der III. KongreB dieser internationalen Orga nisation mit der Stellung des Schriftstellers hinsichtlich 3 des Spanienkonfliktes. Die Tatsache, daB der II. KongreB seine Sitzungen in 4 einem Land abhielt, wo Krieg gefiihrt wurde, das 1935. Auf beiden Tagungen setzten sich die Teilnehmer he re its mit der neuen Aufgabe des Schriftstellers angesichts der Bedrohung der Kultur durch den Faschismus auseinander. Die Bildung einer intellektuellen "Einheitsfront" stand im Mittelpunkt der Diskussionen. Ausfiihrlich wurden diese Tagungen in der geplante Dissertation von Carol L. Paul unter dem Titel "The Relationship between the American Lib eral Press and the German Writers in Exile 1933-1945", Uni versity of Southern California, behandelt. ^"11. KongreB der Schriftsteller," Das Wort, 10 (Okto- ber 1937), 52-92. Alle Zitate aus diesen Ansprachen er- scheinen im Text unter "II. KongreB", nebst Angabe der Sei- tenzahl. 3"III. KongreB der Schriftsteller," Das Wort, 10 (Okto- ber 1938), 109-127. Alle Zitate aus diesen Ansprachen er- scheinen im Text unter "III. KongreB", nebst Angabe der Seitenzahl. ^So berichtet Willi Bredel von Bombardements wahrend der KongreBsitzungen: "Gleich am Tage der Eroffnung des 29 demonstrative Eintreten fur die Republik und der Ausdruck solidarischer Verbundenheit mit den antifaschistischen Kampfern, manifestiert nur zu eindeutig die Stellung der Schriftsteller in dieser Auseinandersetzung auf der Iberi- schen Halbinsel. Uber neunzig namhafte Autoren kamen aus achtundzwanzig Landern und unterstrichen somit den inter- nationalen Charakter dieser Kundgebung. Zu den prominen- testen Teilnehmern gehorten die Amerikaner Ernest Hemingway und Langston Hughes, die Russen IIja Ehrenburg und Michail Koljow, der Dane Martin Andersen-Nexo, der Peruaner Cesar Vallejo, der Kubaner Nicolas Guillen, die Franzosen Jean- Richard Bloch und Paul Vaillant-Coutourier, die Spanier Antonio Machado, Rafael Alberti, Ramon Jose Sender und Jose Bergamin und die Autoren deutscher Sprache Egon Erwin Kisch, Erich Weinert, Ludwig Renn, Willi Bredel, Alfred Kantoro- 5 wicz und Bodo Uhse. Andere Schriftsteller wie Bertolt ! Brecht, Lion Feuchtwanger und Heinrich Mann, die personlich Kongresses in Valencia ertonten abends die Alarmsirenen. . . . Madrid war in den Tagen der KongreBsitzungen fast allabendlich Bombardements ausgesetzt. " "Vorwort zum Kon greB in Valencia," Das Wort, 9 (September 1937), 5. ^Diese Aufstellung stiitzt sich sowohl auf das Verzeich- nis der auf den KongreB gehaltenen Reden, als auch auf die Aufstellung von Hans-Albert Walter in seinem Beitrag "No pasaran. Deutsche Exilschriftsteller im Spanischen Biirger- krieg," 23f. 30 nicht zugegen sein konnten, sandten GruBbotschaften oder den Text ihrer geplanten Ansprachen. So bedauert Heinrich Mann in seinem Schreiben: Wenn ich nicht mit Ihnen nach Spanien ging, so bitte ich Sie, dieses unfreiwillige Versaumnis nicht als ein Ausreifien zu betrachten. In keinem Augenblick habe ich unterlassen, die GroBe Spaniens und seines bewunderungs- wurdigen Volkes zu unterstreichen. Indem ich die durch das republikanische Spanien verteidigte menschliche Frei- heit preise, und durch meine Anstrengungen versuche, all diejenigen, die meine Worte lesen, fur unsere Sache zu gewinnen, habe ich nur ein einziges Bedauern: nicht mehr dreiBig Jahre alt zu sein. Und ich versichere Sie, es ist das erste Mai in meinem Leben, daB ich einige meiner Kollegen beneide. Es sind diejenigen unter ihnen, welche das Schicksal ausersehen hat, die Waffe der Freiheit zu tragen. ("II. KongreB," S. 75) Wenn auch der III. KongreB unter weniger dramatischen Umstanden tagte, so steht er in seiner unverhiillten Kampf- ansage gegen die faschistische Machtpolitik keineswegs nach. Von besonderer Gewichtigkeit ist dabei die am 25. Juli 1938 abgehaltene auBerordentlich Konferenz uber die besonderen Aufgaben des Schriftstellers angesichts der verstarkten faschistischen Aggression. Auf dieser Tagung sprachen Autoren wie die Franzosen Louis Aragon und Jean Cassou, der Italiener Amedeo Ugolini und die Deutschen Thomas. Mann, Ernst Toller und nicht zuletzt Anna Seghers . Unterziehen wir nun diese beiden Schriftstellerkon- gresse einer eingehenderen Betrachtung, so konnen innerhalb 31 der gegebenen Themenstellung nur die Ansprachen der deut schen Autoren beriicks ichtigt werden. Alle KongreBteilnehmer waren einmutig in ihrer Anklage gegen die Aggression des Faschismus und bekundeten ihre Solidaritat mit der Sache der spanischen Republik. In aller Eindeutigkeit stellte Egon Erwin Kisch fest, worum es in diesem Kampf ging: Klarer als alles bietet sich die Lagerung des spanischen Burgerkrieges dem offentlichen Blick dar. Mit der sim- plen Feststellung der Sachlage mufite die S tel lungs nahme jedes anstandigen Menschen gegeben sein, welchem politi- schen Lager er auch angehort. Auf der einen Seite steht die vom Volk gewahlte und, da sie bedroht wurde, vom Volk spontan mit Blut und Leben verteidigte Regierung— auf der anderen Seite stehen ein oder mehrere Generale mit Teilen eines Heeres, das ihnen die Republik anver- traut hatte; diese Generale wollten zunachst durch Staatstreich und wollen nunmehr durch Burgerkrieg zur Macht gelangen und eine ihnen und ihren Helfershelfern genehme Herrschaftsform aufrichten. ("II. KongreB," S. 67) Und Thomas Mann bekundet seine Sympathie fur das bedrangte spanische Volk in den folgenden Worten: Unsere Blicke sind heute auf Spanien gerichtet, und dies ist die Stunde, das Bekenntnis meiner tiefen Sympathie fur den Freiheitskampf des spanischen Volkes zu wieder- holen, diesen beispielhaften und ergreifenden Kampf, der moralisch gewonnen ist, selbst wenn er ausgehen sollte, wie die Dinge dieser Welt auszugehen pflegen: tragisch und gegen die Wunsche des Geistes und der Menschlichkeit. ("III. KongreB," S. 110) Dariiber hinaus erklart Willi Bredel mit Nachdruck, daB die in Spanien anwesenden deutschen Dichter Vertreter des 32 wahren Deutschlands seien: Wir deutschen Schriftsteller sind nach Madrid gekommen, urn dem spanischen Volk zu sagen: Hilfe in dem Krieg gegen euch leisten der Hitlerfaschismus, die deutschen Militars, die Rustungsindustrielien, nicht aber das deutsche Volk. Dies wiinscht mit euch in Frieden zu leben, wie mit alien anderen Volkern. ("II. KongreB," S . 60) Wie schon in der Namensgebung der zwei Kongresse zum Ausdruck kommt, war ihr Hauptanliegen die "Verteidigung der Kultur gegen Krieg und Faschismus", die beide als "Erzfeinde der Kultur" denunziert wurden. Besonders deutlich wird dies in den Ausfiihrungen von Bodo Uhse. Kultur bedeutet fur ihn die Gestalt gewordenen Traume der Volker. Der Faschismus war darauf aus, die kulturerzeugende Kraft der Volker zu zerstoren, jene optimistische Fantasie, aus der die groBen Traume geboren werden, die Utopien, die gefahrlich sind fur die Reaktion, weil sie Wissenschaft werden und dann Wirklichkeit. ("II. KongreB," S. 84) So glaubt Uhse, daB alle groBen Epen der Volker mit dieser optimistischen revolutionaren Gewalt erfullt sind und inter- nationales Gut wurden. Am Beispiel von Thomas Manns Be- trachtung "Don Quichotte" demonstriert er sodann, daB eine faschistische Kultur einfach undenkbar ist. Mann hatte diesen Ritter mit seiner optimistischen Weltanschauung ins "Finstere" gekehrt. Er glaubt nicht mehr an die 33 Wesentlichkeit des Menschen, sondern ist von seiner Nichtig- keit uberzeugt. Seine Phantasie richtet sich nur auf das Unedle und Gemeine. GroBe Dichtungen konnen nach Uhse vor dem Faschismus schlechthin nicht bestehen: Die grofien Epen der Volker sind realistisch und opti- mistisch zugleich. Betrachten wir sie, messen wir sie am faschistischen MaB, so sehen wir., was mit diesen MaB ist: es ist zu eng fur das Leben, zu eng fur die Vol ker, zu eng fur die Kultur. ("II. KongreB," S . 84) Denn wie sahe ein Tyll Ulenspiegel oder gar ein Simplicius Simplizissimus aus, wenn er faschistisch geschrieben ware? "Er lieBe sich gewiB nicht so gutmutig tolpelhaft betrvigen, er ware der listigste Betriiger, ein Gangster, ein SA Fuhrer" (S . 84) . Fur Bertolt Brecht stellt die Bedrohung durch die faschistische Gewaltherrschaft einen Generalangriff auf die Kultur uberhaupt dar. Dabei stehen, wie man nur allmahlich erkannte, die Vorgange in Spanien im engen Zusammenhang mit den faschistischen Umtrieben in Deutschland. Nicht sofort, nicht unmittelbar setzte man die Zer- storung der Gewerkschaften der Zerstorung von Kathedra- len und anderen Kulturdenkmalern gleich. Und doch er- folgte hier der Angriff auf das Zentrum der Kultur. ("II. KongreB," S. 59) Kulturelles Schaffen ist abhangig von politischer und wirtschaftlicher Freiheit und kann nach Brecht von der 34 gesamten Produktivitat der Volker nicht getrennt werden. Wenn deshalb das spanische Volk seine politischen und oko- nomischen Positionen verteidigt, erobert und verteidigt es seine Kultur: "Mit jedem Hektar Boden einen Quadratzenti- meter Pradoleinwand" (S. 59). Und er kommt zu der Schlufi- folgerung: Die Kultur, lange, allzu lange nur mit geistigen Waffen verteidigt, angegriffen aber mit materiellen Waffen, selber nicht nur eine geistige, sondern und besonders eine materielle Sache, mufi mit materiellen Waffen ver teidigt werden. (S. 59) Wie Brecht sah auch Lion Feuchtwanger kulturelles Schaffen in unmittelbarer Abhangigkeit von wirtschaftlicher und politischer Freiheit. Fur die Schriftsteller ist in der Ansicht Feuchtwangers die Teilnahme am Kampf gegen den Faschismus die Voraussetzung seiner dichterischen Existenz: Wofur man in Spanien kampft, die Freiheit von der wirt- schaftlichen Ausbeutung durch die faschistischen Unter- drucker, das ist, scheint mir, auch die Basis der wahren Freiheitdes Schriftstellers. . . . Die wahre Freiheit des Schriftstellers kann nur dort gedeihen, wo jene andere Freiheit, die wirtschaftliche der gesamten Gesell- schaft, gewahrleistet ist. Jede andere Freiheit bleibt zufallig. Wo also um die wirtschaftliche und politische Unabhangigkeit vom Kapitalismus gekampft wird, dort wird auch um die echte Freiheit der Schriftsteller gekampft, und dort hat der echte Schriftsteller seinen Mann zu stehen. ("II. Kongrefi," S. 63) Damit fallt, bedingt durch den Faschismus, dem 35 Schriftsteller eine vollkommen neue Rolle zu. In der Ver- teidigung der Kultur findet er eine neue Verantwortung und Aufgabe. Der Dichter mufl in Erich Weinerts Worten aus seiner traditionell isolierten Stellung heraustreten und im Hinblick auf die Gegenwart Stellung nehmen. Es gab eine Zeit, wo der Dichter glaubte, daB er ein Wesen sein miisse, losgelost von jeder Bindung an die Gesellschaft, daB er nur die Aufgabe habe, seine Ge- fiihle und Gedanken der Welt mitzuteilen. ("II. Kon greB," S. 91) i Um die Ehre der Menschheit zu bewahren muB er jedoch von nun an seine politische Parteinahme nicht mehr als erniedrigend und banal betrachten, denn seine neue Berufung ist, "die Wahrheit und das Recht zu verkunden" (S. 91). Niemand an- ders als der Schriftsteller kann diese Aufgabe besser er- fiillen. Schon in friiheren Zeiten haben niemals die Befiir- worter ruckstandiger und ungerechter Zustande die Menschen fur sich gewinnen konnen, sondern diejenigen wurden begei- stert aufgenommen, welche die Ungerechtigkeiten anklagten und uns den Weg zu einer besseren Welt zeigten. GroBe Au toren der Vergangenheit haben es nicht unter ihrer Wurde befunden als Agitatoren an der Realitat teilzunehmen: Sind denn die groBten dichterischen Manifestationen der Geschichte etwas anderes als leidenschaftliche Anrufe, Armut, Demut und Gehorsam nicht als gottliche Gebote anzuerkennen, sondern Wohlstand, Wiirde und Freiheit 36 als das Naturgegebene zu fordern? ("II. KongreB," S. 92) Zu derselben Loslosung des Kunstlers aus seiner tradi- tionellen Isoiiertheit vom Leben ringt sich Thomas Mann durch: Ich leugne den vielbeschriebenen Widerspruch nicht ganz, welcher besteht zwischen der Existenz und Lebensbestim- mung des Kunstlers und seiner bekennenden, aber auch werdenden Parteinahme in politischen Dingen. Ich leugne nicht, daft ein solches Auftreten der kiinstler ischen Be- scheidenheit abgewogen werden muB; ich gebe das zu und begebe es in jedes politisches Bekenntnis, das ich ab- lege, stillschweigend ein. Aber eine solche Selbstuber- windung scheint mir heute geboten. . . . Die Grenzen zwischen Kunst und Leben, die Grenzen uberhaupt zwischen den Bezirken des Menschentums sind flieBend geworden.^ Die Frage nach der Gesamtheit der Humanitat gestattet es dem geistig Schaffenden nicht mehr, von den politischen Ereig- nissen abgesondert sich im Hintergrund zu halten. Das Politisch-Soziale ist als ein unverauBerliches und nicht zu verleugnendes Teilgebiet des Gesamt-Mensch- lichen erkannt, als eine Seite des humanen Problems, der humanen Aufgabe, die niemand vernachlassigt, ohne es im Menschlichen selbst, das er dem Politischen als das Eigentliche und Entscheidende gegenuberstellen mochte, bis zur Erbarmlichkeit fehlen zu lassen. ("III. KongreB," S. 109) Aus diesem Grunde fordern die das Menschentum in Frage 6"III. KongreB," S. 109. Vgl. hierzu auch Manns Essay "Spanien," in Reden und Aufsatze (Frankfurt a/M: Fischer Verlag, 1960), XII, 794. 37 stellenden inhumanen Vorgange in Spanien vom Dichter, dem exponiertesten Reprasentanten der Menschheit eine eindeutige Entscheidung. Nicht minder bekraftigte Ernst Toller die neue Verant- wortung des Schriftstellers. Schon nach dem grofien Krieg hat nach Toller nicht die Schonheit, sondern die Not ihn in eine neue Stellung gedrangt. Er begriff, daB es gait, diese Not in seinen Werken darzustellen und dadurch die Wirklich- keit von ihr freizumachen. "Der junge Schriftsteller wollte nicht langer im elfenbeinernen Turm leben, der fur Jahr- zehnte das Ideal des Kunstlers gewesen war" ("III. KongreB," jS. 123). Ob der falsche Romantizismus des Krieges zu ent- i hiillen war, ob die Liigen und Untaten im Hitler-Deutschland aufzuzeigen sind oder ob die Unwahrheiten uber das republi- kanische Spanien entlarvt werden sollen, immer ist es die besondere Aufgabe des Schriftstellers, die Liigen zu zer- storen und den richtigen Weg zu zeigen. Die Verantwortung, die unser Beruf uns verleiht, zwingt uns, wo immer wir ihnen begegnen, die groBen und klei- nen, die groben und feinen Liigen zu zerstoren und die Wahrheit zu verkiinden. — Denn wir werden nichts bewirken ohne den Willen und den Mut zur Wahrheit. (S. 123) Der Dichter muB sein Zeitalter richten, ihm menschliche Wege weisen, wenn das Zeitalter den Geist verrat, wie es einst 38 Sophokles, Shakespeare, Voltaire, Schiller, Lessing und andere getan haben. Nur in der zeitlichen Auseinanderset- zung dringt er namlich zum wahren Menschentum vor. Um das jetzige Zeitalter von der Not zu befreien, muB diese Not, die nicht als ein Teil des unentrinnbaren Schicksals ange- sehen werden kann, sondern rein menschlich und sozial be- dingt ist, in seinen Werken zur Darstellung kommen. Die Funktion, Wahrheit zu verkiinden, schreibt auch Willi Bredel dem Dichter zu: . . . wir treten diesen faschistischen Geschichts- falschern entgegen und zeigen, daB alle diese Theorien | des Faschismus auf Knechtung und Verdummung des VoIkes I und auf die Vorbereitung eines imperialistischen Erobe- j rungskrieges hinauslaufen. ("III. KongreB," S. 61) j Die deutschen Autoren im Exil sind die rechtmaBigen Vertre- ter des groBen kulturellen Erbes des deutschen Volkes. Durch die Aufrechterhaltung des humanistischen Geistes, der ] |dieser Kultur innewohnt, wird der Sieg uber die "Dschungel- jmoral des Faschismus" herbeigefuhrt werden. Und so fordert i jBredel die iibrigen Schriftsteller auf, im Kampf fur die i ! Kultur Vorkampfer und Mitkampfer der Freiheit zu sein. Alle, die es auch nur passiv dulden, daB Kulturgiiter zer- stort werden und die Freiheit unterdruckt wird, machen sich derselben Verbrechen schuldig. 39 Egon Erwin Kisch hingegen wies darauf hin, daB nichts so sehr die gegnerische Seite starke, wie die publizistische Moralphantasterei. Verneinen und MiBtrauen allein genugen nicht fur eine revolutionare Haltung. Revolutionarer Non- konformist in Beziehung auf die Reaktion zu sein, ist nur ein Teil der Aufgabe des Schriftstellers, wohingegen nur bedingungsloser Konformismus mit den revolutionaren Kraften zum Ziel fuhrt. Der Dichter muB mit ruckhaltlosem Einsatz die Liigen und die Ideologie der Gegner zu zerstoren suchen und sein Publikum zur Unterstiitzung fiir die spanische Re publik gewinnen. Wir Schriftsteller aus aHer Welt konnen heute keine andere Aufgabe haben, als dieser Vernebelung durch den Euphemismus das klare Wort der Wahrheit gegeniiberzu- stellen. Wer sich Schriftsteller nennt, muB heute seine ganze Energie, seine ganze Begabung und seinen ganzen Namen in die Waagschale werfen, um seine Leser zur Hilfe fiir Spanien aufzurufen. ("II. KongreB," S. 67) Neben der Auseinandersetzung mit dem Kampf selbst, ist es in der Meinung von Kisch jedoch von nicht geringerer Bedeu- tung, die eigentliche Geschichtsschreibung uber die Vorgange in Spanien in das wahre Licht zu riicken: . . . wir miissen auch dafur sorgen, daB die Geschichts schreibung diesen heldenhaften Widerstand nicht falschen kann und ihn als das hinstellen muB, was er wirklich ist: ein Krieg um die Menschenrechte gegen die modernsten Gewaltmethoden der Reaktion, die Methoden des Faschismus! ("II. KongreB," S. 68)_____________________________ 40 Ebenso betont Heinrich Mann die Stellungnahme des Schriftstellers fiir die spanische Republik. Die Volker fiihlen sich solidarisch mit denen, die um eine gerechte Gesellschaftsordnung, van Freiheit des Menschen und den Sieg der besten erworbenen Ideen uber das dunkle und ubelwollende UnbewuBtsein kampfen. Ein kampferischer Humanismus hat, wie Mann erklart, von den Volkern unwiderstehlich Besitz er- igriffen. Da das spanische Volk darum weiB, daB die geisti- gen Wirklichkeiten einer Anderung der reellen Welt zugrunde- liegen, sieht es in seinem Kampf um Freiheit und Gerechtig- keit voller Achtung zu den nach Spanien gegangenen Schrift- j jstellern empor . Und Mann schlieBt seine Ausfiihrung mit dem \ ! j |rhetorischen Appell: "Was gibt es von nun an Natiir licheres, I als daB die Schriftsteller der Sache des Volkes mit Leib und Seele ergeben sind und daB sie ihr Blut in Spanien ver- gieBen?" ("II. KongreB," S. 76). : DaB der Schriftsteller zur Aktion bereit sein muB, daB isein Solidaritatswille sich in Taten umsetzen muB, bewies der in den Reihen der Internationalen Brigaden stehende Autor Ludwig Renn. Renn hatte das Geschehen in Spanien sehr fruh mit Anteilnahme verfolgt und war unmittelbar nach Aus- i bruch des Krieges in dem umkampften Land eingetroffen, um seine militarischen Erfahrungen in den Dienst der 41 kampfenden Republik zu stellen. Zunachst war er Koiranandeur des beruhmt gewordenen Thalmann-Bataillons, und spater wurde er Stabschef der XI. Internationalen Brigade. Mit Nachdruck verkiindet er deshalb auf dem KongreB: "Wir Schriftsteller an der Front haben die Feder aus der Hand gelegt, denn wir wollten nicht mehr Geschichte schreiben, sondern Geschichte machen" ("II. KongreB,," S. 78). Und gleichzeitig bietet er seine Feder demjenigen zum Geschenk an, der bereit ist, diese Pflicht, alles gegen den Faschismus, zu ubernehmen. Worauf es ankommt, ist die Bereitschaft zur aktiven Hilfe: "Kampft, darum bitten wir euch, fur diese Ideen, kampft mit der Feder, mit dem Wort, wie es jedem liegtl Aber kampft!" ("II. KongreB," S. 79). Diese von namhaften deutschen Exilschriftstellern ge- haltenen KongreBansprachen gemahnen uns in zumindest ge- wissen Aspekten unwillkiirlich an die Ausdrucksweise marxi- stischer Ideologie. Fest steht allerdings, daB wenigstens die Zusammenkunft der Schriftsteller auf der Iberischen . . 7 Halbxnsel von kommunistischer Seite aus organisiert wurde. Auch spiegeln die Reden, mit der Ausnahme der beiden n Hans-Albert Walter fuhrt den II. KongreB auf die Ta tigkeit Willi Miinzenbergs zuriick (S. 23) . 42 Schriftsteller Thomas Mann und Ernst Toller, unverkennbar stark linksgerichtete Tendenzen wider. Bertolt Brecht wies auf die gemeinsame Ursache der Zerstorung von Guernica und der Besetzung von deutschen Gewerkschaftshausern hin. Erich Weinert nannte leidenschaftliche Aufrufe zu sozialen Proble- men die grofiten dichterischen Manifestationen der Ge schichte, Dichtungen im edelsten Sinne. Und Bodo Uhse sah in Spanien die Symptome der Reaktion, die mit der gewalt- samen Unterdriickung der Volker und mit der sozialen Verelen- dung die Kraft der Nationen brechen will. Willi Bredel hin- gegen sah in Spanien die Auswirkungen der Kriegstreiber von Krupp. Er setzt deshalb den Feinden des Fortschritts eine I streitbare antifaschistische Volksfront entgegen. Nicht zuletzt verrat auch das Vokabular die politische Einstellung der Autoren, wie im Falie von Egon Erwin Kisch und Lion Feuchtwanger. Dem letzteren schien die Basis der wahren Freiheit des Schriftstellers durch die wirtschaftliche Aus- beutung des Kapitalismus in Frage gestellt. In utopischen Vorstellungen gefangen sah Theodor Balk in Spanien Zukunfts- programme Realitat geworden und Heinrich Mann vermerkte Zeichen der Zukunft in der Aufbauarbeit der Republik. Typisch fiir Ludwig Renn jedoch ist, daft er trotz seiner langjahrigen Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei 43 fern von parteipolitischen Sentenzen sein Hauptaugenmerk auf die Aktion selbst richtet. Auf der anderen Seite, frei von parteiorientierter Bezugnahme stehen, wie schon erwahnt, Thomas Mann und Ernst Toller. Dem Humanismus allein ver- pflichtet bekundet Mann seine tiefe Sympathie mit dem spa nischen Volk. Im Gegensatz zu seinem Bruder Heinrich ent- wirft er ein realistisches Bild der Situation in dem um- kampften Land, wenn er auch den Glauben an den letztlich ( moralischen Sieg der Sache nicht aufgibt. Um die Ideen der Menschheit zu verteidigen, um die Befreiung der Wirklichkeit von der Not geht es Toller. Durch den zeitlichen Kampf I glaubt er zum "Menschlichen" vordringen zu konnen. Berucksichtigt man nun, daft diese Ansprachen wahrend des Hohepunktes des spanischen Konfliktes gehalten wurden, so steht aufter Zweifel, daft ein Teil dieser in ihrer Mehr- zahl auf linksgerichtete Autoren zuriickgehende Aufierungen als politische Schlagworter abgetan werden konnen. Redu- zieren wir aber diese Stellungsnahmen der Schriftsteller auf ihren Grundgehalt, indem wir sowohl blofte Leidenschafts- ausbruche als auch politische und propagandistische Unter- tone zuriickstellen, so manifestieren die Kongresse doch dariiber hinausgehend grundsatzliche Haltungen der Schrift steller im Exil. Im Angesicht der Bedrohung durch den 44 Faschismus, wie er sich vor allem in dem Angriff auf die spanische Republik offenbarte, waren diese Autoren zusammen--- gekoitunen und hatten ihre solidarische Verbundenheit mit der bedrangten Nation bezeugt. Abgesehen von dem rein demon- strativen Charakter dieser Vereinigungen, stand die Frage nach der Verteidigung der Kultur im Mittelpunkt der Dis- kussionen. Im Hinblick auf die gegenwartige Lage fiel dem Schriftsteller eine neue Rolle zUj denn der Generalangriff des Faschismus hatte klare Stellungsnahme und entschiedene Handlungen gefordert. Um die Menschenwurde zu bewahren und auch die fur den dichterischen Schaffensprozefi so notwendige Freiheit zu erhalten, ist es fur den Schriftsteller gleich welcher politischen iiberzeugung eine dringende Verpflichtung geworden, seine vom Leben isolierte Stellung als Kiinstler preiszugeben und den aktiven Kampf mit dem Faschismus auf- zunehmen. "Es geniigt nicht, sich fur Wahrheit und Ge- rechtigkeit zu entscheiden— es gilt, ihren Triumpf herbei- g zufiihren, " vim die Worte Heinrich Manns zu wiederholen. Aus dieser neuen Aufgabenstellung folgt mithin eine neue Be- ziehung zur Wirklichkeit, die sich bereits in der Q Vgl. Karl Obermann, "Vorwort zvun II. Internationalen Kongrefi der Schriftsteller," Das Wort, 10 (Oktober 1937), 3. 45 Alternative "Geschiehte schreiben oder Geschichto mac'hen" manifestierte. Fur den Dichter kann dieser Sinn fur Reali- tat in vielgestaltiger Form zum Ausdruck kommen* sei es der Kampf in den Internationalen oder mit seiner eigentlichen 9 Waffe* der Feder., wie die Situation es erfordert. Die beiden Kongrefiteilnehmer Willi Bredel und Erich Weinert zum Beispiel meldeten sich nach Beendigung des II. Kongresses zum aktiven Dienst an die Front.Alle aber befaftten sich in ihrer schriftstellerischen Tatigkeit mit dem Kampf des spanischen Volkes und bemiihten sich unablassig Kraft ihres Wortes und Dichterpersonlichkeit der Welt die Wahrheit mit- zuteilen und den Kampf in Spanien zu unterstiitzen. Es be- durfte nicht der Ermahnung von Seiten der Autorin Anna Seghersj nicht bei Bekenntnissen und Gelobnissen stehenzu- bleiben: ^Dafl jedoch das Gewehr nicht immer die gefahrlichste Waffe istj hatte schon Maxim Gorki den auslandischen Schriftstellern auf dem im Jahre 1935 in Moskau s'tattfinden- den KongreS der Sowjetschriftsteller erklart: "Die Haupt- waffe des Schriftstellers muB das Wort bleiben, das Wort d.er Wahrheit und Freiheit!" Vgl. Bredel^ "Vorwort/ S. 3. ^•^Willi Bredel vermerkt diesbeziiglich in seinen Tage- buchnotizen vom 8. Juli 1937: "Berate mich mit Erich Wei- nertj wie wir es erreichen, nach Beendigung des Kongresses in die Internationale Brigade eingereiht zu werden." Willi Bredel, Dokumente seines Lebens (Berlin: Aufbau Verlag, 1961), S. 105. 46 Gerade auf Kongressen ist die Gefahr am groBten, bei Parolen stehenzubleiben, und die Notwendigkeit am groBten, in das Wesentliche zu gehen. . . . es ist wichtig, daB es mehr ist als ein Demonstrations- KongreB. ("III. KongreB," S. 126). Trotz unterschiedlicher politischer Vorzeichen, wie es be- sonders deutlich bei den beiden Brvidern Thomas und Heinrich Mann zu beobachten war, stimmen die Exilschriftsteller grundsatzlich dariiber ein, daB sie nicht langer ein vom Leben isoliertes Dasein fuhren durfen. Der aktive Kampf gegen den Faschismus im allgemeinen und der Kampf in Spanien im besonderen ist fur den Schriftsteller die neue auf die Wirklichkeit bezogene Aufgabe. KAPITEL II HILFSAKTIONEN FUR SPANIEN Zur Unterstiitzung des Kampfes in Spanien entstanden im Verlauf der kriegerischen Auseinandersetzung zahlreiche Hilfsprogramme, die zum groBen Teil auf die im Exil lebenden deutschen Schriftsteller zuriickgingen. So vereinigten sich in Paris Gustav Regler, Ludwig Renn und Leonhard Frank mit exilierten deutschen Politikern und Journalisten in dem "Hilfskomitee ehemaliger Spanienkampfer"* urn den ehemaligen deutschen und osterreichischen Kampfern in den republikani- schen Reihen beizustehen: Unterstutzt das humanitare Werk fur die deutschen Spanienkampfer. Trage jeder nach seinen finanziellen Moglichkeiten sein Scherflein bei. Lafit uns als eine 1 groBe Familie fur unsere zuriickgekehrten Bruder sorgen. Auch der Schutzverband deutscher Schriftsteller arrangierte ■''Anon, , "Antworten, " Die Neue Weltbuhne, 45 (November 1938), 1432. 47 48 zugunsten der in Spanien verwundeten Teilnehmer Sonderveran- staltungen. In Gegenwart des spanischen Auflenministers Alvarez Del Vayo und des spanischen Botschafters in Paris hielt der SDS beispielsweise im Dezember 1938 eine grofie Kundgebung ab, wobei Tausende von Biichern fiir die deutschen Freiwilligen Bataillone gespendet wurden und mehrere tausend 2 Francs fiir Weihnachtspakete zusammenkamen. Bei einem ahn- lichen Anlafi wirkte Arthur Kostler mit, wie wir Der Neuen Weltbiihne entnehmen konnen und berichtete dabei iiber "Er- 3 lebnisse m Francos Kerkern.1 1 Zur selben Zeit wurde in New jYork durch die Initiative Erika Manns ein Hilfskomitee fiir die deutschen und osterreichischen Spanienkampfer geschaf- fen.4 Zusammenfallend mit den Tatigkeiten dieser Gruppen waren die unmittelbaren Hilfsaktionen von den Autoren Ludwig Renn, Gustav Regler und Ernst Toller, die auf grofiangelegten I [vortragsreisen im Ausland Unterstiitzung fiir Spanien suchten. ^Siehe Alfred Kantorowicz, "Fiinf Jahre Schutzverband, " S. 73-74. ^Anon., "SDS," Die Neue Weltbiihne, 2 (Januar 1938), 59. 4 . Anon., "Verbitterter Leser, " Die Neue Weltbiihne, 50 (Dezember 1938), 1592. 49 Es war offenkundig, dafi die materielle und zahlenmafiige Ubermacht des Feindes letzten Endes nur den Sieg des Fa schismus in Spanien bedeuten konnte. Immer weiter waren die republikanischen Truppen zuruckgedrangt worden, und Gegen- angriffe blieben meist ohne nennenswerten Erfolg. Auf der republikanischen Seite fehlte es an fast allem. Nicht nur die Truppen hatten an der mangelhaften Verpflegung zu lei- denj sondern auch die Ernahrungslage der Zivilbevolkerung j war unertraglich geworden. Hungerepidemien brachen aus. Verzweifelt versuchte die Regierung auf diplomatischem Wege das Ausland zur Mithilfe zu bewegen und sandte deshalb be- kannte Personlichkeiten, um die ubrigen demokratischen Lan der aus ihrer passiven Haltung gegeniiber den Vorgangen in Spanien aufzuriitteln. Als erster trat Ludwig Renn, damals Stabschef der elften Internationalen Brigade, eine derartige Mission nach Nordamerika an. Von amerikanischer Seite wurde seine Vor- tragsreise von Folson, dem Sekretar der League of American Writers organisiert, wahrend Albert Einstein, Professor Franz Boas, Mrs. Untermayer und Mrs. Wiener, die Schwester von Henry Morgenthau, die Rolle der "Sponsors" iibernahmen. Am 5. Oktober 1937 kam der Autor in New York an, dem Aus- gangsort seiner Hilfsaktion. Dabei ging es ihm bei seiner 50 Aktion urn zwei Dinge, das offene Eintreten der betreffenden Nationen fur das republikanische Spanien und Unterstiitzung der Kampfenden durch Geldmittel, &rzte und Medikamente. So appelliert er, soeben in New York eingetroffen, in einem Interview mit Stefan Heym fiir das Deutsche Volksecho; Zwei Dinge sind heute wichtig. . . . Amerika sollte sein ungeheures Gewicht aIs Weltmacht in die Waagschale wer- fen und sich offen mit den Frieden erhaltenden Kraften solidarisieren. . . . Und zweitens materielle Hilfe. Es gibt Materialien und Menschen, die das arme Spanien sich allein kaum beschaffen kann. Wir brauchen Arzte, Medi kamente, Krankenhauser und Ambulanzen. Wir brauchen Geld. Wir brauchen viel, viel, um diesen Krieg, in dem auf der einen Seite die Menschlichkeit und die Freiheit stehen und auf der anderen die finsteren Machte des Faschismus, zu gewinnen— und wir kampfen damit auch fiir die Demokratie in Amerika. Helft uns!^ Wie aus den eigenen Aufzeichnungen Renns zu ersehen ist, sprach er in den folgenden Wochen und Monaten dieser Lecture Tour auf zahllosen Veranstaltungen, Pressekonferenzen und Abendgesellschaften vor allem in New York, dem Mittleren Westen und Los Angeles. Zudem richtete er sich auch iiber Radio an das Publikum. Im Laufe seiner Tatigkeit kam es unter anderem zu einem Zusammentreffen mit Albert Einstein ^Stefan Heym, "Ludwig Renn in USA," Ludwig Renn zum 70. Geburtstag (Berlin: Aufbau-Verlag, 1959), S. 31. ^Siehe Anhang, "Record of the Lecture Tour of Ludwig Renn from October 1937 on." 51 in Princeton, Professor Boas, dem "Vater der amerikanischen Anthropologie," Upton Sinclair, der Familie Guggenheim und nicht zuletzt den beiden deutschen Autoren Ernst Toller und Vicki Baum. Auch gewahrten ihm hunderte von grofleren und kleineren amerikanischen Tageszeitungen Interviews, in denen der Dichter fiir dringende Unterstiitzung der spanischen Re- publik appellierte. Zugleich bemiihte er sich auch, den im Ausland weit verbreiteten Pessimismus im Hinblick auf die bedrohliche Lage in Spanien zu entkraften, indem er auf neuerliche erfolgreiche Kampftatigkeiten der spanischen Volksarmee aufmerksam machte: Das breite Publikum der Vereinigten Staaten erfuhr die Nachrichten nicht, aus denen es die Wahrheit iiber uns schliefien konnte, und war niedergeschlagen. Ich ver- suchte in meinen Vortragen ihnen zu beweisen, daB kein Grund zum Pessimismus vorlag.^ Neben den Vereinigten Staaten bereiste Renn auch noch Kanada, wo er auf Veranstaltungen in Toronto und Montreal | zugunsten der Spanienhilfe warb. Den AbschluS seiner Vor- tragsreise bildete ein Besuch Kubas. Trotz der Diktatur, die den Inselstaat beherrschte, gab die Presse ein ausfiihr- liches und positives Bild seines Unternehmens. Ein bereits 7 Ludwig Renn, Im spanischen Krieg (Berlin: Aufbau- Verlag, 1963), S. 322. 52 angesagter Vortrag wurde jedoch von der Regierung verboten. Auch ahnte der Schriftsteller zunachst nicht, daB kubanische Gewerkschaftsfiihrer und der Professor der Literatur und Politiker Dr. Juan Marinelli, mit denen er zusammengetroffen war, nach seiner Abreise verhaftet und zwei von ihnen hin- gerichtet werden wiirden. Angeblich hatte Renn ihnen als Geheimkurier wichtige Dokumente im Auftrage der Kommunisti- schen Partei der USA ubergeben (Renn, S. 319). Und die New Yorker Zeitungen berichteten am 6. Marz, dem Tag nach seiner Rxickreise iiber New York nach Europa voreilig, daB auch der deutsche Autor sich in Haft befande. Abgesehen von diesem miBlichen AbschluB seiner Tournee laBt sich seine Spanienaktion als ein eindeutiger Erfolg verzeichnen, wenn er auch an der objektiven Situation nichts andern konnte. Renn traf groBe Sympathie fiir das republi- kanische Spanien an und erweckte uberall mit seinen Vor- tragen groBes Interesse an dem Kampf dieses Landes gegen Franco. Daruber hinaus stellte auch das finanzielle Resul- tat seiner Vortragsreise einen nicht zu unterschatzenden Beitrag angesichts der allgemeinen Notlage in der Republik dar, wie eine Betrachtung der Aufstellungen des Autors 53 g dariiber ergibt. Im selben Jahr wie Renn unternahm auch der Schrift steller Gustav Regler eine Goodwill-Tour durch die Vereinig ten Staaten, nachdem eine schwere Verwundung es ihm unmog- lich gemacht hatte, seine Tatigkeit als politischer Kommis- 9 sar der zwolften gemischten Brigade weiterhin auszuiiben. Mit dem Auftrag des damaligen sozialistischen Premiermini- sters in Spanien, Dr. Juan Negrin, finanzielle Unterstiitzung fiir die Hospitaler zu ersuchen und als Gast des amerikani schen Schriftstellers Hemingway, der selbst auch an dem Kampf teilgenommen hatte, traf Regler am 19. Dezember 1937 begleitet von seiner Frau Marie Louise in den Staaten ein. Regler sprach auf Veranstaltungen in Washington, New York, Buffalo und Detroit und fand iiberall Zuhorer, die eine auf- richtige Teilnahme an der Situation in Spanien bewiesen: Ich sprach . . . iiberall war dasselbe Volk: aufmerksam, gewillt, sich gewinnen zu lassen, den Diktaturen abge- neigt, also fiir Spanien, dem es sein Parlament gonnte und das es wieder zuriickbringen wollte zu allem, was Q Siehe Anhang. Nach seiner Riickreise aus Amerika hatte sich die militarische Lage allerdings unversehens ver- schlechtert und die republikanische Regierung war mehr an Waffenlieferungen interessiert als an Sympathie-Kundgebun- gen. ^Siehe New York Times, 16. Juni 1937, S. 2. 54 Literatur, Kino und Malerei von ihm geruhmt hatten: zu seinem Stolz und zu seiner Farbigkeit, zu seinen Passionen und Traumereien, zu seinen Stierkampfen und seinen Flamenco-Liedern, zu seinen Tanzerinnen und seinen Dichtern.^® Auch geldliche Spenden gingen reichlich ein: "Nun iiber- schiittete man mich mit Geld, man warf die Dollar auf die Buhne" (S. 420) . Auch Hans-Albert Walter stellt in seiner Untersuchung "No pasaran. Deutsche Exilschriftsteller im Spanischen Burgerkrieg" fest: "Der Erfolg der von Hemingway vorbereiteten Goodwill-Tournee mufi gut gewesen sein" (S. 25)• Trotz diesem aufieren Gelingen seiner Aktion wird je- doch in ihm eine innere Stimme starker, die Zweifel an der Aufrichtigkeit seiner Tatigkeit in ihm aufkommen lassen. Angesichts des scheinbaren Verrats von RuSland, das der spanischen Vo Iks regierung seine Unterstiitzung entzogen hatte, da es den Sozialisten und Anarchisten keine Zuge- standnisse machen wollte (Regler, S. 422), und den zahl- reichen von Rutland aus gesteuerten Verbrechen seitens der Republik fiel es Regler schwer, seinen Glauben an die ge- rechte Sache in Spanien nicht zu verlieren. So driickt sich sein Gewissenskampf in den Worten von Marie Louise aus, die "^Gustav Regler, Das Ohr des Malchus (Koln und Berlin: Kiepenheuer & Witsch, 1958), S. 420. 55 ihn zu einer Umkehr zu bewegen sucht: Ich will nicht mehr Propaganda machen! hattest du schreien miissen. Es ist eine falsche Welt, fur die ihr mich zu sprechen verfuhrt habt. Verfuhrt mit eurem Zeitungsruhm, mit dieser Reise uber den Ozean, mit den Schmeicheleien der Frauen, mit tausend Dingen, die ich im Kampf nicht sehen konnte— aber jetzt will ich sie sehen und will euch warnen. Es ist kein Verrat, es ist auch kein Zusammenbruch, es ist meine Stunde . . . (Regler, S. 423) Die weittragendste und bedeutendste Hilfsaktion fiir Spanien wurde indessen von dem Dramatiker Ernst Toller im Sommer 1938 eingeleitet. Dieser im Exil lebende Autor hatte bereits 1936/37 eine Vortragsreise durch die U.S.A. unter- nommen, urn ". . . die offentliche Meinung der Welt gegen das Hitler-Regime in Deutschland wachzurufen. Wenn nun im folgenden seine Spanienaktion naher beleuchtet werden soil, so ist dies nicht zuletzt dadurch moglich, daB uns seine Aufzeichnungen iiber dieses Unternehmen fast vollstandig 12 erhalten geblieben sind. John Spalek und Wolfgang Friihwald, "Ernst Tollers amerikanische Vortragsreise 1936/37. Mit bisher unverof- fentlichten Texten und einem Anhang," Literaturwissenschaft- liches Jahrbuch der Gorresgesellschaft, N.F. 6 (1965), 269. 12 Ich stiitze mich hxer vor allem auf zwei maschinen- geschriebene Aufzeichnungen, die dem Toller-NachlaB der Yale-University-Library entstammen: a. "Ankunft in Spanien Ende Juli 1938 ..." Stichwortaufzeichnungen. In den weiteren Ausfiihrungen 56 Mitte des Jahres 1938 hatte Toller seine Tatigkeit fiir die Filmgesellschaft Metro-Goldwyn-Mayer in Hollywood abge- brochen und war nach Frankreich gereist, urn dort an dem internationalen P.E.N.-KongreB teilzunehmen. Der Schrift steller im Exilj so hob Toller in seiner Rede auf dem dorti- gen Kongreft hervor, hat die vordringliche Pflicht, sich mit seiner ganzen Schaffenskraft dem politischen Kampf urn Frei- heit und Humanitat zuzuwenden: Auch wir lieben die Stille des Arbeitszimmers und die geduldige demiitige Arbeit am Werk. Aber eine Zeit, die die Ideen der Menschheit verrat, zwingt uns, den Verrat zu brandmarken und zu kampfen, wo immer die Freiheit bedroht ist.-^ Von Paris aus fuhr er nach Beendigung dieses Kongresses am 25. Juli nach Spanien, wo er sich von Ende Juli bis Mitte September desselben Jahres aufhielt. Schon nach erscheinen Zitate hieraus unter der Angabe "Personliche Auf zeichnungen I" nebst Seitenangabe. b. "Ende Juli 1938, nach zwei Jahren Krieg kam ich nach Spanien ..." Anfang des geplanten Buches iiber die Spanienaktion; zitiert als "Personliche Aufzeichnungen II." Vgl. hierzu auch John Spalek, "Der Nachlafi Tollers," Litera- turwissenschaftliches Jahrbuch der Gorresgesellschaft, N .F., 6 (1965), 259ff. An dieser Stelle mochte ich auch noch auf Materialien an der Columbia University aus den Archiven des Spanish Refugee Collection und die Maria M. Meloney Collection hin- weisen, die ich allerdings hier nicht beriicksichtigen werde. ■^Ernst Toller, "Zum Konqrefl," Das Wort, 10 (Oktober 1938), 126. 57 Uberschreiten der Grenze fiel dem Dichter, der das Land auch vor dem Krieg gekannt hatte, die ernste Situation der Nah- rungslage bei der Zivilbevolkerung auf. Dieser Eindruck verstarkte sich noch urn ein vielfaches in Barcelona, wo er sich die meiste Zeit aufhielt. Durch Unterhaltung mit Frauen und Mannern aller Schichten, durch systematische Fragen besonders an Kinder entrollte sich das erschutternde Bild der weit unter dem Existenzminimum lebenden Menschen in Spanien. Ein Kind nach dem anderen frage ich, Jungen und Madchen, alle geben die gleiche Antwort, niemand kann sich erin- nern, wann er Fleisch gegessen und wann er Milch ge- trunken hat. Nach zwei Jahren Burgerkrieg, nach zwei Jahren grausanier Blockade war die Not so grofi, dafl Saug- linge nur wahrend des ersten Lebensjahres Milch bekamen . . . ("Personliche Aufzeichnungen II," S . 2) Die Sterblichkeit der Kinder nahm von Woche zu Woche zu, nicht nur aus Mangel der Ernahrung, sondern sie waren auch den seelischen Belastungen des Krieges, insbesondere den pausenlosen Bombenangriffen nicht gewachsen. Angesichts dieses Elendes auf Seiten der nicht an der kriegerischen Auseinandersetzung beteiligten spanischen Zivilbevolkerung kann Toller nicht untatig bleiben. Abhilfe dieser Umstande mufite auf schne11stern Wege und grofitmoglichstem Ausmafte er- folgen. Da die bereits vereinzelt bestehende Unterstiitzung 58 durch private Komitees bei weitem nicht ausreichend war und ein eventuelles Eingreifen des Volkerbundes zu lange Zeit in Anspruch nehmen wiirde, blieb nur die Alternative einer groft angelegten internationalen Regierungsaktion. In ahnlicher Weise hatten beispielsweise die Hoover- und Nansenaktionen nach dem ersten Weltkrieg die Not der Bevolkerung in euro- paischen Landern gelindert. Und so fafite Toller ohne wei- teres Zogern den Entschluft, selbst eine derartige grofiange- legte Hilfsaktion fur Spanien einzuleiten. Sein Plan stiitzte sich dabei in erster Linie darauf, die Nahrung, die iiberall in der Welt vergeudet wurde, der notleidenden spa- i nischen Bevolkerung zukommen zu lassen. In Canada werden die Lokomotiven mit Weizen geheizt. In den Vereinigten Staaten von Amerika finden sich fiir dreihundert Biischel Getreide keine Kaufer . In England werfen die Fischer Heringsfange in den Ozean zuriick. In Norwegen und Schweden verderben hundert tausende Tonnen von Milch und Fisch. In Brasilien verdirbt Kaffee . In Neuseeland Butter. Konnte man nicht einen wesentlichen Teil dieser Nahrung retten? ("Personliche Aufzeichnungen II," S. 3) Besonders wenn es sich dabei urn ein Volk handelt, das, wie Toller in einer Diskussion mit einem hohen Geistlichen er- lauterte, sich als einziges Volk in Europa unerschrocken der Verknechtung durch Faschismus und Nazi-Deutschland wider- setzt. 59 Verlassen und verraten von den demokratischen Staaten, beraubt seines internationalen Rechts auf Schutz und Verteidigung, das einzige Volk in Europa, das die Frei- heit der Sklaverei vorzieht, den Tod erbarmlicher Sicher- heit. Und unter welchen Bedingungen fiihrt es diesen Kampf! Friedliche Stadte werden bombardiert, seine Hafen sind von faschistischen Schiffen blockiert, das Volk hungert. ("Personliche Aufzeichnungen II," S. 3) Natiirlich war der Autor sich bewuBt, daB sich ein Hilfs- programm nur dann weltweit durchsetzen konnte, wenn der hungernden Bevolkerung auf beiden Seiten "according to need" geholfen wurde. Aus politischen Grunden konnten die Regie- rungen der einzelnen Lander nicht nur die Notleidenden der spanischen Republik unterstiitzen. Ferner war seine Arbeit auch nur dann moglich, wenn alle notigen Statistiken und Ziffern uber die Hungerkatastrophe aufgezeigt werden konn ten, denn ein Appell an das menschliche Gewissen und Soli- daritatsgefuhl allein geniigten nicht. Eine solche Material- sammlung gelang Toller auch in kiirzester Zeit dank der bereitwilligen Mitarbeit des republikanischen AuBenministers Alvarez Del Vayo. Mit Sondergenehmigungen ausgestattet reiste der Dichter unter Lebensgefahr von Barcelona nach Madrid und verschaffte sich neben den erforderlichen Unter- lagen an Ort und Stelle auch Einblick fiber die wahren Zu- stande in der Hauptstadt und die Einrichtungen der Republik. Er besuchte Krankenhauser, Spitaler, Waisenhauser und 60 uberzeugte sich selbst von der menschlichen Behandlung von faschistischen Kriegsgefangenen. Immer wieder ist er aber von neuem beeindruckt von der standhaften und tapferen Haltung der Bevolkerung, deren Widerstandskraft trotz der Unbilden des Krieges nicht gebrochen ist. "Wo je hat sich in der Geschichte ein Volk so tapfer bewahrt? Madrid im Kriege, eine unvergeSliche Stadt, ein unvergeflliches Volk" ("Personliche Aufzeichnungen II," S. 20). Mittlerweile hatte Toller den Einfall, sich in einer Radioansprache an den Prasidenten der Vereinigten Staaten Franklin D. Roosevelt zu wenden, ohne dessen Mithilfe eine I umfassende Hilfsaktion fur Spanien unmoglich schien. Dieser Hilferuf liber den Ather soil im folgenden naher beleuchtet werden, da er die wesentlichen Gesichtspunkte von Tollers spateren Reden zugunsten der Spanienhilfe enthalt. Weitere Bedeutung falit dieser Ansprache auch dadurch zu, daB der Dichter sich von ihr den ersten durchschlagenden Erfolg versprach: "Hunderttausende miissen sie gehort haben, Tau- sende werden helfen" ("Personliche Aufzeichnungen II," S. 14 17) - ^In Wirklichkeit wurde seine Ansprache in Amerika nicht empfangen, obwohl er vorher Freunde in New York tele- graphisch gebeten hatte, sie sollten die New Yorker 61 Seine Eindrucke im kriegsbedrangten Spanien schildernd verweilt Toller in dieser Rede zunachst bei dem Erlebnis eines nachtlichen Luftangriffes. Obwohl er versucht ist, die den Himmel nach feindlichen Flugzeugen abtastenden Scheinwerfer aus der Perspektive eines Kunstlers zu sehen, lafit der Ernst der Situation nicht zu, sich diesem Spiel des Lichtes hinzugeben. Ware mir der Ernst der Minuten nicht klar, ich wurde das groBartige Spiel der Lichter, die jetzt sich wolben zu einem Dorn, bei dem jeder Strahl einen blaugrunen Pfeiler bildet, jetzt sich trennen und einzeln, Meteoren gleich, in schwarze Ferne streben— ich wurde dieses Spiel des Lichtes als eine theatralische Schau genossen haben.^ Der Ernst der Situation offenbart sich darin, daB nach die sem Angriff, abgesehen von der Zerstorung vieler Wohnhauser, auch zahlreiche Manner, Frauen und Kinder ihr Leben lassen muBten. Sind das noch militarische Ziele, unschuldige Menschen auf den StraBen einer Stadt? Nach der Anklage einer solchen Greueltat geht der Schriftsteller dazu iiber, Radiostation veranlassen, die mittels Kurzwelle gesendete Rede auf Langwellen zu ubertragen. Durch die BeschieBung Madrids muBte Toller jedoch seine Rede eine Stunde fruher als angesetzt halten. Eine Ubersetzung der Ansprache er- schien jedoch am 8. Oktober unter dem Titel "Madrid- Washington," in The New Statesman and Nation, S. 521. ■^Ernst Toller, "Am Sender von Madrid,1 1 Die Neue Welt- buhne, 39 (September 1938), 1219._______ _______________ ____ 62 im Aus land verbreitete Unwahrheiten iiber das republikanische 16 Spanien aufzuklaren. Wie Hubertus Prinz zu Loewenstein bezeugt er die Freiheit der Kirche und beschuldigt die an- geblichen Beschutzer der Religion als ihre eigentlichen Widersacher. Auch entlarvt Toller die Ansicht, die spani- sche Republik sei ein kommunistischer Staat als eine Liige. Die wahre Demokratie herrsche in Spanien, wo im Gegensatz zu den sogenannten faschistischen Landern die Beziehungen der Menschen frei sind, . . . von Furcht, frei zu denken, frei zu sprechen, frei zu schreiben. . . . Man mag katholisch oder Protestant, Demokrat oder Sozialist, Mitglied der freien Gewerk- schaften oder revolutionarer Syndikalist, Kommunist oder Liberaler sein: Man ist frei, sich seiner Uberzeugung zu bekennen. ("Am Sender von Madrid," S. 1220) Das Privateigentum wird geschiitzt und jeder darf dem Beruf seiner Wahl nachgehen. Diesem Volk, das im Gegensatz zu den Angreifern internationale Gesetze einhaltend, den Kriegsgefangenen humane Behandlung zukommen lafit, ist sein ^Hubertus Prinz von Loewenstein enthullte in einem reportageartigen Bericht uber die angeblich feindselige Einstellung der spanischen Volksregierung gegenuber der Kirche und dem Katholizismus als eine propagandistische Unwahrheit. Wahrend der wahre Feind des Christentums der Faschismus sei, werde aus dem Biirgerkrieg eine neue reli giose Freiheit hervorgehen. H. F. Prinz von Loewenstein, Spanienfahrt eines Christen (London: Gollancz, 1937). 63 international verbiirgtes Recht, Waffen zur Verteidigung seiner Verfassung, der Menschenrechte zu erwerben, ange- sprochen worden. Und zum Hauptanliegen seiner Ansprache koinmend, der Not der Zivilbevolkerung, die infolge des Mangels an Nahrung unter dem Krieg besonders leidet, richtet Toller im Namen der Menschenrechte seinen Appell an den Prasidenten von Amerika, zugunsten der Bevolkerung Spaniens nationale oder internationale Aktionen einzuleiten. Seinen I Beweggrund zu diesem Hilferuf noch einmal unterstreichend und auf die in der amerikanischen Verfassung verbrieften Rechte anspielend endet seine Ansprache in den Worten: Welch ein Recht habe ich, mich an Sie, Herr Prasident zu wenden? Das Recht eines Mannes, der das Elend des Krieges gesehen und gelitten hat; der in drei Wochen siebzehn Bombardierungen erlebt hat; der in zertrummer- ten Hausern und in der Morgue die Leichen gemordeter Kinder erblickte, die noch wenige Stunden vorher spiel- ten und lachten, beschiitzt von Muttern, die gehofft hatten, dafl die Zukunft ihnen bringen wiirde, worauf jedes menschliche Wesen ein Recht zu hoffen hat; das j Recht, (wie es in der amerikanischen Verfassung heifit,) auf Leben, auf Freiheit, auf Gluck. ("Am Sender von Madrid," S. 1222) Inzwischen war es Toller auch unter unendlichen Bemuhungen gelungen, sich die Unterstiitzung von spanischen Gelehrten, Arzten, fiinfundzwanzig katholischen Geistlichen, Fiihrern der protestantischen Kirche in Spanien, vom Dean von Canterbury und anderen Geistlichen in England zuzusichern (S. 1222). 64 Ausgeriistet mit ihren Empf eh lungs schreiben und den iibrigen Unterlagen trat er darauf im Oktober 1938 seine eigentliche Tournee zugunsten der vom Biirgerkrieg heimgesuchten Bevol kerung Spaniens an* die ihn durch GroSbritannien, Frank- reich, Schweden, Danemark, Norwegen und schliefilich die U.S.A. fiihren sollte . Der Zeitpunkt schien ihm giinstig, in England seine Hilfsaktion zu beginnen, da dort nach dem Miinchener Abkommen die regierungsfeindliche Stimmung des Volkes immer starker 17 wurde. Aus diesem Grunde war die Regierung bereit, be- drangten Landern wenigstens finanziell beizustehen. Sein Plan eines spanischen Hilfsprogrammes— Toller dachte dabei an eine Unterstiitzung aller demokratischer Lander von 18 10 000 000 £ — wurde auch sogleich vom Parlamentarischen Komitee fiir Spanien giinstig aufgenommen und dem Unterhaus weitergeleitet, dessen Abgeordneten die katastrophalen For- men der Nahrungssituation unbekannt waren. Daneben sagten ihm auch Vertreter der britischen und selbst der 1 n 'Das Miinchener Abkommen wurde als Verrat an der Tschechoslowakei angesehen. Die Regierung hatte ein schlechtes Gewissen. 1 P Toller wahlte den Betrag von 10 000 000 £ fiir die Spanienhilfe, da Chamberlain die gleiche Summe als Beihilfe fiir die Tschechoslowakei angekiindigt hatte. 65 19 amerikanischen Organisation der Quaker ihre Mitarbeit zu. Beide Gruppen hatten schon seit einiger Zeit ihr eigenes bescheidenes Hilfsprograimn fiir Spanien ins Werk gesetzt. Einen entscheidenden Erfolg verdankte der Autor jedoch bri- tischen Gewerkschaftfiihrern, die ihm ihre voile Unterstut- zung versprachen. Nach einem Vortrag im Trade Union Club erschienen die von Toller sehnlichst erwarteten Leitartikel in den Londoner Zeitungen und riefen die 5ffentlichkeit und die britische Regierung zur Mitwirkung an der Hilfsaktion in Spanien auf. "Der Plan ist zur offentlichen Forderung geworden . . . ", konnte der Autor schliefllich in den Auf zeichnungen notieren ("Personliche Aufzeichnungen II," S. 27) . Nicht immer war seine Arbeit ohne Fehlschlage geblie- ben. Neben rein technischen Schwierigkeiten— einmal muBte Toller wichtige Dokumente innerhalb einer Nacht vom Spani- i sehen ins Englische mit Hilfe eines Worterbuchs selbst uber- setzen, da Angestellte der spanischen Botschaft nach vier Uhr nicht mehr arbeiteten— hatte Toller auch intriguierte Widerstande gegen sein Vorhaben zu uberwinden. So war eine •^Ein glucklicher Zufall wollte es, daB sich zu dieser Zeit der fiihrende amerikanische Quaker Clarence A. Picket in London aufhielt. 66 ursprunglich angesetzte Pressekonferenz plotzlich abgesagt worden, da "sein Plan zu phantastisch sei. Man diirfe einem Mann, der auf eigene Verantwortung arbeite, nicht unbedingt vertrauen, wer wisse denn, ob ich mehr Schaden anrichte als gutes" ("Personliche Aufzeichnungen II," S. 23f). Aber auch der spanische Gesandte in London, Azcarates hatte sich ihm gegenuber abweisend verhalten und die Aufrichtigkeit seiner Aktion in Frage gestellt. Dennoch hatten Unterstellungen und Ruckschlage es nicht vermocht, Toller von dem weiteren Verfolgen seines Planes abzubringen. Bevor er sich aber nun mit seiner Spanienaktion an die britische Regierung wandte, wollte er zuerst die Unter- stiitzung der skandinavischen Lander gewinnen. Daneben war ihm auf einer kurzen Reise nach Frankreich die Mitwirkung dieses Landes an dem Programm fiir Spanien versprochen worden und ebenso hatte der Ministerprasident von Neuseeland in Form eines Telegramms seine Hilfe zugesagt. "Guarantee our giving sympathetic consideration for further assisting Spanish population]" ("Personliche Aufzeichnungen II," S. 27) . Am 24. Oktober 1938 kam Toller in Stockholm an. Neben seinem Plan, Artikeln aus englischen Zeitungen und 67 20 Unterstiitzungsbriefen brachte er diesmal auch die Kenntnis mit, daft Schweden uber 125 000 Tonnen iiberschiissigen Getrei- des verfiigte. Nach hektischen Tagen angefiillt mit Verhand- lungen, Besprechungen, Konferenzen mit Gewerkschaftsfiihrern, Vertretern der Kirche und Mitgliedern der Regierung konnte Toller ebenfalls in diesem Land ein bedeutendes Vorwarts- kommen seiner Spanienaktion buchen. Von grofter Wichtigkeit fiir sein Programm war die Befiirwortung des Erzbischofs i I Eidem von Uppsala. Obwohl er zur Veroffentlichung in der Presse zuriickhaltend nur folgende Erklarung freigab: "Erz- ! jbischof Dr. Eidem hat den Plan mit Interesse gelesen und i dafiir seine Sympathie ausgedriickt" ("Personliche Aufzeich- I I nungen II," Beilage, S. 2), unterstiitzte er ungeteilt den Plan einer gemeinsamen politischen-neutralen Regierungs- aktion fiir die leidende Zivilbevolkerung. Voraussetzung war jedoch, daft Roosevelt ein solches Unternehmen leiten ,wiirde. Daher heiftt es in seinem Empfehlungsschreiben an den Prasidenten in Bezug auf Tollers Plan: Mit warms ter Anteilnahme griifte ich . . . den Vorschlag, daft die Regierungen der verschiedenen Staaten sich diese dringende Angelegenheit annehmen mochten. ^Daneben hatte ihm auch der Erzbischof von York einen Unterstiitzungsbrief zugesagt, der Toller kurz nach seiner Ankunft erreichte. 68 Ich driicke meine innige Hoffnung aus, dafi der Herr Prasident Roosevelt Verhandlungen mit den verschiedenen Regierungen aufnehmen wollte, und dafi die Regierungen der nordischen Landern diese bedeutsame Hilfsaktion stutzen mochten Der groBte Erfolg war jedoch das Gewinnen der schwedischen Regierung, die nach Verhandlungen mit dem Aufienminister Sandler und einer Audienz beim Kronprinzen Gustav Adolf ihre Bereitwilligkeit an der Aktion in Spanien mitzuwirken be- zeugte. Die Bedingung ihrer Beteiligung war wiederum, dafi Roosevelt die Initiative ergreifen solle. Dies unterbrei- tete Toller auch sogleich dem amerikanischen Botschafter Sterling in Schweden. Aber auch die Gegenstimmen blieben nicht aus. Je mehr sein Plan Interesse und Anhanger in der Offentlichkeit ge- wann, desto lauter wurde die Opposition. Ein Stockholmer "Naziblatt" nannte ihn "einen Massenmorder, der im Solde der Kommunisten arbeitet und Gelder sammle, um sie in seine eigene Tasche zu stecken" ("Personliche Aufzeichnungen II," S. 28). Auf den StraSen verteilte man Flugblatter, in denen man ihn der schwersten Verbrechen anklagte und in Der An- griff erschien wahrend seiner Unterhandlung mit dem 2] , Zitat aus dem Empfehlungsbnef des Erzbxschofs an Roosevelt ("Personliche Aufzeichnungen II," Beilage). 69 Erzbischof von Uppsale folgender Artikel: "Ernst Tollers Schnorr-GnibH. Schwedischer Erzbischof finanziert Kirchen- brenner" ("Personliche Aufzeichnungen II," S. 28). Ahnlich kommentierte man in der Zeitschrift Die Buchbesprechung auf des Dichters Rolle wahrend den Aufstanden in Miinchen im Jahre 1919 anspielend: "Er [Erzbischof von Uppsala] empfing Ernst Toller, an dessen Handen das Blut hingemordeter Gei- 22 seln klebt." Diese Angriffe zeigen, welche Bedeutung die Gegenseite dem Gelingen seiner spanischen Hilfsaktion bei- mafl. Toller wahrenddessen war von Schweden nach Danemark gefahren und erlangte auch ohne Verzogerung den Beistand dieses Landes. Kurze Zeit darauf folgte er einer Einladung des Studentenbundes der Universitat Oslo. Nach zahlreichen Besprechungen, Versammlungen und Konferenzen gewahrte ebenso Norwegen seine Hilfsbereitschaft. Zugleich wiirde durch den Ankauf der uberschiissigen Nahrung durch die Regierung beiden Seiten gedient, den Notleidenden in Spanien und den armen Fischern im eigenen Lande. Mit diesem eindrucksvolien Resultat in den 22 Dr. Roeder, "Ernst Toller und der Erzbischof," Die Buchbesprechung, 2 (Dezember 1938), 352. 70 skandinavischen Landern konnte sich Toller nunmehr mit seinem Hilfsprogramm an die englische Regierung wenden. Am 11. November erhielt er schon vom Foreign Office die Zusage, an dem Programm fiir Spanien mitzuarbeiten. Und die Times konnte in einem Leitartikel iiber des Dichters erfolgreiche Bemiihungen wie folgt berichten: Herr Ernst Toller received yesterday a letter from the Foreign Office in which it is stated on the authority of Lord Halifax, that his Majesty's Government are in general sympathy with the aims set out in his memoran dum on international action for sending food to the civil population of Spain which he submitted to the Foreign Office. It is pointed out that his Majesty's Government will be ready at any time to consider in consultation with other governments, what further measures can be taken for the relief of the Spanish civil population.^3 Nach Unterstiitzung von Schweden, Norwegen, Danemark, Neuseeland und nun auch GroBbritannien schien Toller eine urspriinglich angesetzte Tornee nach Finnland, Belgien, Hol land und in die Schweiz unnotig. Anstatt dessen fuhr er am 12. November auf der Queen Mary in die Vereinigten Staaten, um dort den Prasidenten, dem die wichtigste Rolle in seinem Hilfsprogramm zufallen sollte, zu gewinnen. Die Mitarbeit Amerikas war in zweifacher Hinsicht unentbehrlich. Erstens 2 3 The Times (London), "Food for Civilians in Spain. Suggested International Action," 12. November 1938. 71 konnte nur dieses Land einen wesentlichen Teil der fur seinen Plan erforderlichen Mittel aufbringen— Tollers neue Zielsetzung waren 50 000 000 Dollar— und zum anderen wurden zweifellos Regierungen anderer demokratischer Lander seinem Beispiel folgen. Sein Empfang in New York war jedoch wider Erwarten aufierst kiihl: . . . my attempt to "arrive" in New York was in vain. It was not necessary for me to pay another forty pounds and to change from tourist class to first class (in America people who are travelling tourist class are nobodies, as you know). When I arrived in New York no press asked for me, but for a photogenic girl and for a giant and a midget, so I stood beside them and grew sad about the unnecessary pound paper notes which were floating in the ocean back to England's Lady Cunard.^ Weder seine Radioansprache aus Madrid war gehort worden, noch hatte die Presse seiner Spanienaktion irgendwelche Beachtung geschenkt. Eine Ansprache im Madison Square Gar den fand nur eine begrenzte Zuhorerschaft. Auch bei der Society of Friends— den Quakern— stieft er auf eine ablehnen- de Haltung, da man sie gewarnt hatte, Toller sei ein Radi- kaler, ein Roter, von dem man sich fernhalten musse. Erst nach zahllosen Verhandlungen und unter standigem Hinweis auf Aus personlichem Brief Tollers und Mr. H. N. Brails- ford vom 22. November 1938. 72 das Vertrauen, das ihm andere Lander geschenkt hatten, konnte er vereinzelt temporare Fortschritte verzeichnen. Ein durchschlagender Erfolg war jedoch zunachst nicht abzu- sehen. Die Opposition wurde indessen zeitweise so stark, daft selbst Freunde ihn von einer weiteren Ausfiihrung seines Vorhabens abzubringen versuchten. Zur gleichen Zeit ging auch die Meldung durch die Presse, dafl Franco die Ernahrung der Zivilbevolkerung als eine Einmischung auslegen konnte und sich ihr widersetzen wiirde. Ebenso erschien zu jener Zeit in den Zeitungen ein Vorschlag des Volkerbundes, sich nur mit der Ernahrung der Fluchtlinge in Katalanien zu begnugen. Dieses Ansinnen hieIt der Autor fur auSerst un- zweckmassig, da man die Einheimischen nicht zugunsten der Fluchtlinge benachteiligen durfte. Was die amerikanische Regierung selbst betraf, so war man zwar bereit, durch die Hilfe des Roten Kreuzes Weizen nach Spanien zu senden, vor einer eigentlichen Regierungsaktion schreckte man jedoch zuruck. Da beschlofi Toller als letzten Ausweg eine Kampagne auf eigene Faust ("Personliche Aufzeichnungen I," S. 7). Dazu gait es, in erster Linie eine moglichst grofie Anzahl von Zeitungen fur seinen Plan zu gewinnen. Aus diesem Grunde wandte er sich an die beiden Kolumnisten Dorothy Thompson 73 und Ludwig Lore3 die auch sogleich ihre Mitarbeit in den 25 Artikeln "Intervene with Food" und "Ernst Toller Fulfills 26 Dream to Aid Spain" in Wirklichkeit umsetzten. Gleich- zeitig waren auch seine Bemuhungen bei alien Redaktionen in New York nicht vergeblich. Uberall machten seine Ergebnisse bei den europaischen Regierungen einen nachhaltigen Eindruck und in wenigen Tagen setzte eine Zeitungskampagne fur sein Spanienprogramm ein, das sich auf insgesamt 600 Blatter er- streckte. Aus den zahlreichen Interviews und Leitartikeln seien hier nur wenige besonders typische Beispiele ange- 27 fiihrt: 1. "Humane Intervention in Spain," New York Times, 2. Dezember 1938. 2. "Food for Spanish Children," New York Times, 3. Dezember 1938. 3. "Suffering Knows No Politics," New York Post, 7. Dezember 1938. 2^Dorothy Thompson, "Intervene with Food," New York Herald Tribune, 30. November 1938, S. 21. ^Ludwig Lore, "Ernst Toller Fulfills Dream to Aid Spain," New York Post, 30. November 1938. 2?Eine erschopfende bibliographische Aufstellung uber Tollers Zeitungskampagne ist in der Tollerbibliographie von John Spalek zu finden. John M. Spalek, Ernst Toller and His Critics. A Bibliography (Charlottesville: Biblio graphical Society of the University of Virgina, 1968), S. 473-479. 74 4. "Surplus Food for Spain," New Masses (New York), 13. Dezember 1938. 5. "German Poet Asks U.S. Help for Spaniards. Toller Offers Plan for Government to Aid Civilians. Quakers Would Handle Funds for Assisting Both Sides," Baltimore Sun, 17. Dezember 1938. 6. "Expatriated German Seeks Aid for Spanish," The Washington Star (Washington, D.C.), 20. Dezember 1938. Trotz der weitverbreiteten Sympathie fur seinen Plan fehlte es aber auch in Amerika nicht an Gegenkraften. Vor allem ging dabei der Widerstand von katholischer Seite aus. Ob- wohl man nicht wagt, die Hilfsaktion zu verwerfen, mochte man doch lieber den Papst an der Spitze eines derartigen Programmes sehen. So erklarte Father Cox, auf die Not und Unterdriickung der katholischen Kirche im repub 1 ikanischen Spanien hinweisend: If this plan goes through, it is only common sense that the Catholic Church, which has been annihilated by the Red Fury in Barcelona, Spain, should be called through its international head, The Vicar of Christ, Pius XI, to administer relief for the civilian population of so- called government Spain through a commission appointed by him and under his control. Zudem hielt Father Cox Tollers Plan fur einseitig, da nur die Hungernden in der Republik unterstutzt wurden. Franco 2 8 "Cox Proposes Pope Pius as Head of Spain Relief," New York Herald Tribune, 5. Dezember 1938, S. 7. 75 hatte namlich erklart, dafi auf seiner Seite geniigend Nah- rungsmittel zur Verfiigung stunden. Dessen ungeachtet garan- tierte ihm schliefilich doch der Federal Council of Churches seine voile Unterstiitzung (siehe "Personliche Aufzeich- nungen I," S. 7). Nun war fur Toller der Zeitpunkt gekom- nienj seine Kampagne auf Washington selbst zu konzentrieren. Er brachte es auch gleich zuwege, mit Vertretern der Regie- rung in Verhandlungen zu treten, nicht ohne zuvor einen Leitartikel seines Planes mit alien Einzelheiten in der von alien hohen Beamten gelesenen Washington Post inszeniert zu 29 haben. Bei einer Emladung ins WeiBe Haus versprach ihm Frau Roosevelt, die Dokumente uber die Not in Spanien dem Prasidenten zum sorgfaltigen Studium selbst vorzulegen. Wieder in New York angelangt, erfuhr Toller am 30. Dezember durch eine Zeitungsnachricht, dafl der Prasident der Staaten ein Komitee unter dem Vorsitz des Katholiken George MacDon- 30 aid ernannt habe, um Hilfe fur Spanien einzuleiten. Be- gluckt uber das Auskommen seiner Bemuhungen fiir Spanien 2 9 "Exiled German Poet Proposes Democratic Pool to Feed Spain," The Washington Post, 20. Dezember 1938. 3°"spanish Civilians to Get U.S. Flour. Committee of Ten Is Formed at Request of Roosevelt to Ship 600,000 Bar rels," New York Times, 30. Dezember 1938. 76 notierte der Autor in seinen stichwortartigen Aufzeich- nungen: "Welche Genugtuung und Freude" ("Personliche Auf- zeichnungen 1," S. 8). Der vom Prasidenten befurwortete Plan sah eine Unterstiitzung der Bevolkerung auf beiden Sei- ten Spaniens vor . Die Regierung war bereit* aus ihrem iiber- schussigen Vorrat Weizen an das amerikanische Rote Kreuz unentgeltlich abzugeben, welches dann zusaitimen mit dem American Friends Service Verarbeitung und Verteilung des i i Getreides organisieren sollte. Zusammenfallend mit der amerikanischen H a war auch die von den europaischen Lan- dern zugesagte Mitarbeit zu koordinieren. Unglucklicherweise wahrte jedoch der Erfolg des eigent- lichen Hilfsprogrammes nur kurze Zeit. Der endgultige Zusammenbruch der spanischen Republik am 1. April 1939 be- reitete der Aktion vorzeitig ein Ende . Schon im Februar war Zentralspanien abgeschnitten worden und hatte eine Versor- gung der dortigen Bevolkerung unmoglich gemacht. Es blieb nur noch die Unterstiitzung der spanischen Fluchtlinge in Frankreich. Resigniert schlieflt Toller seine Notizen mit der Feststellung: "Traum und Wirklichkeit" ("Personliche Aufzeichnungen I," S. 8). Am 22. Mai fand man den Schrift- steller erhangt im Hotel Mayflower in New York. Ungeachtet des friihen Abbrechens des Hilfswerkes war ihm wenigstens 77 ein kurzes Bestehen beschieden. So hatten auch Schweden insgesamt anderthalb Millionen, Norwegen eine halbe Million und England 50 000£ der notleidenden Bevolkerung in Spanien zukoimnen lassen. Wie die vorausgehende Untersuchung aufzeigte, spielten deutsche Exilautoren wahrend des Kampfes eine bedeutende Rolle in dem Einleiten von Hilfsprogrammen zugunsten dieses Landes. In begrenzten Unternehmen und auf Vortragsreisen ins Ausland suchten die Exulanten die Weltoffentlichkeit auf die Vorgange in dem bedrangten Land aufmerksam zu machen und zur Hilfeleistung zu bewegen. Dabei bezeugten die beteilig- ten Schriftsteller oft fast unermeftliche Tatkraft und Be- harrlichkeit. Abgesehen von der eigentlichen Ausfiihrung der groSangelegten Missionen und ihren finanziellen Resultaten erscheint es jedoch im Rahmen dieser Untersuchung des lite- rarischen Einflusses des spanischen Krieges auf die deut- schen Exilschriftsteller unentbehrlich, deren personliche Haltung gegeniiber den Hilfsaktionen naher zu beleuchten. Obwohl ihre Teilnahme an den Aktionen an sich bereits ihre leidenschaftliche Unterstiitzung der Sache der Republik be- zeugenj scheinen in den tieferen Griinden ihrer Mitwirkung Unterschiede zu bestehen. Dies wurde besonders bei der Behandlung der Tournee Gustav Reglers deutlich. 78 Betrachtet man chronologisch jedoch zunachst das Unter- nehmen Ludwig RennSj so wurde bereits im Vorausgegangenen festgestellt, daS seine Hilfsaktion auf die Initiative der republikanischen Regierung zuriickging. In Bezug darauf be- richtet Renn in seinem Buch Im spanischen Krieq von einer Unterredung mit dem spanischen AuBenminister, der ihm er- klarte: Die spanische Regierung . . . hat bisher ihre Propaganda- Moglichkeiten im Ausland nicht ausgeniitzt. Fur unseren Kampf in Spanien gibt es viel Sympathie in alien Lan- dern. Daher mochten wir bekannte Personlichkeiten als Redner ins Ausland schicken. (S. 318-319) Und Renn fahrt in aller Kiirze fort: "So kam es, daS ich fur ein halbes Jahr von der Armee beurlaubt wurde und nach den Vereinigten Staaten, Kanada und Kuba reiste" (S. 319). Mit erstaunlicher Selbstverstandlichkeit und geradezu preu- Bischer Disziplin kommt Renn dem Auftrag nach. Jurgen Ruhle deutet bezeichnend diese Haltung des Autoren in einem Auf- satz "Offizier des Kaisers— Soldat des Komintern." Uberhaupt folgt Renn auf dem Schauplatz des spanischen Burgerkrieges derselben Disziplin und demselben Ehren- kodexj die das kaiserliche Offizierskorps auszeichneten. Dienen ohne zu murren, gehorchen ohne zu fragen, mehr sein als scheinen— nur dafi jetzt die Kommunistische Partei Befehlshaber und Treuempfanger ist.^ 31 Literatur und Revolution. Die Schriftsteller und 79 Man kann nicht umhin, dieser Feststellung beizupflichten, besonders da auch Renn selbst wiederholt seine enge Verbin- dung zur kommunistischen Partei wahrend dieser Zeit hervor- hebt und seine feste Haltung seiner Parteigenossenschaft 32 zuschreibt. Ein menschlicherer Zug im Verhalten des Schriftstellers geht jedoch daraus hervor, dafi er selbst zugibt, die Vortragsreise nicht aus eigenem Willen unter- noitimen zu haben: "Ich versuchte, die Leute in Spanien von der Idee abzubringen, mich als Redner zu verwenden, weil ich dazu kein Talent habe und nur sehr ungern offentlich auf- 33 trete. Leider gelang mir das nicht." Ebenfalls von der republikanischen Regierung beauftragt bereiste Gustav Regler die Vereinigten Staaten. Kaum von seiner schweren Verwundung genesen war er bereitwillig der Bitte des damals regierenden sozialistischen Ministerprasi- denten Negrin nachgekommen, Geld fur den durftigen der Kommunismus (Koln und Berlin: Kiepenheuer & Witsch, I960), S. 241. 32 Vgl. hxerzu Renns Interpretation der Hoffnungslosig- keit, in die Toller verfallen war. Dort heiflt es: "Nun stand er ohne Halt da, den ihm die Kommunistische Partei mit ihrer Briiderlichkeit gegeben hatte. Dahin kommt ein Schriftsteller, wenn er keine gesellschaftliche Bindung hat." Im spanischen Krieg, S. 353. Personlicher Brief von Ludwig Renn an den Verfasser vom 25. Februar 1970. 80 Sanitatsdienst der spanischen Armee zu sammeln. Im Gegen- satz zu Renn fehlte ihm jedoch der feste Glaube an seine Mission, oder dieser war zumindest stark ins Schwanken ge- raten. So wirft ihm seine Frau nach Beendigung einer seiner zahlreichen Vortrage vor, daft er fur eine falsche welt Pro paganda mache. Dafl du aufhortest, dich zu betriigen, daft du alles weg- werfen wiirdest, Ruhm und die Verehrung der anderen, die j Berechnung und die Begrundung, all den Heldenkram, der so duftet und doch stinkt. Daft du aufterhalb der Reihen trittst und ins Dunkle gehst, wo wir aliein uns finden konnen. (Regler, S. 423) Und ferner weist sie darauf hin, daft nicht nur in Spanien unschuldige Opfer Leiden ausgesetzt sind: "Aber es hungern auch Kinder in Moskau. Die Kinder Lebedews zum Beispiel. Weil der Vater erschossen wurde, um seiner abweichenden Meinung willen. Da hungert dann die Brut" (S. 422). Ver- sucht man diese Worte in ihrer eigentlichen Bedeutung zu verstehen, so gilt es zunachst Reglers tieferen Grund seiner Teilnahme in Spanien zu beleuchten. Als Anhanger der kom munistischen Partei war der Autor bei der Machtubernahme Hitlers nach Ruftland emigriert, wo er das "Paradies" zu finden hoffte. Nach kurzem Aufenthalt in diesem Land 81 34 verging ihm jedoch dieser Traum, denn er sah bald hinter die Kulissen der Partei und war desillusioniert von der Brutalitat der Parteifuhrer, insbesondere Stalins: "The year 1935 revealed to me a world of hypocrisy which left me crippled in spirit" (Benson, S. 12) . Gerade zu dem Zeit- punkt, als er im Begriff war, sich von der Partei loszu- losen, erreichte ihn die Nachricht von den Kampfen in Spa nien. "Spanien war 1936 der bedrohte Freund, nachdem Rufi- | land sich als der entartete herausgestellt hatte" (Regler, S. 363) . Unabhangig von der Partei konnte er hier das j jgleiche Ubel bekampfen, das ihn aus Deutschland vertrieben jhatte, den Faschismus. In Spanien war es moglich I l r I die neuen Grenzen zu zeigen, die alten aufzuheben. Die | Revolution der Idee. Der wahre Burgerkrieg in seiner i groSartigen Neuheit: den Feind zu zersetzen, die Phrase zu entlarven. Schopfung der Humanitat mitten im Morden. (Regler, S. 407) iSchon kurz nach seiner Ankunft in dem umkampften Land jedoch wurden seine Ideen des Freiheitskampfes als blofler Idealis- mus entlarvt. Von kommunistischer Seite ausgefiihrte Liqui- dierung von Mifibeliebigen und Verdachtigen, Furcht vor 34 Sxehe Egon Schwarz und Matthias Wegner, Hrsg., Ver- bannung. Aufzeichnunqen deutscher Schriftsteller im Exil (Hamburg: Christian Wegner Verlag, 1964), S. 284. 82 Spionerij Intoleranz in ideologischen Fragen desillusionier- ten Regler von neuexn in dem Verfolgen seiner Idee . Dazu kommt nochj daB er bei Antreten seiner Goodwill-Tournee in die Vereinigten Staaten von dem bewuBten Abbau russischer Hilfe in Spanien unterrichtet war. Aus diesen Grunden ist leicht zu erschlieBen, daB Regler seine Vortragsreise nicht mit der volligen Uberzeugung fur eine gerechte Sache zu kampfen, durchfiihren konnte. An der brutalen Wirklichkeit zerbrechen seine Ideale. Noch gelang es ihm einen KompromiB zwischen Idee und Realitat zu schlieBen, indem er mensch- liche Unzulanglichkeit fiir seine Enttauschungen verantwort- i lich hielt. Erst nach seiner Emigration nach Mexiko brach der Autor vollig mit der kommunistischen Partei. Wahrend die Missionen von Ludwig Renn und Gustav Regler von republikanischer Seite aus lanciert wurden, ging Ernst Tollers Hilfsaktion fiir Spanien auf des Schriftstellers j eigene Initiative zuruck. Trotz zahlreicher Fehlschlage lieB er nie sein Ziel aus den Augen und verwirklichte schlieBlich einen Plan von weittragendstem AusmaB. Aller- dings nahm sein Hilfswerk vorzeitig ein tragisches Ende. Es ist nun nur zu verstandlich^ wenn man versucht ist, die sen Ausgang seiner Spanienaktion mit dem unmittelbar darauf folgenden freiwilligen Ableben des Autors in engen 83 Zusammenhang zu bringen. So wirft Walter A. Berendsohn diesbeziiglich die Frage auf: Mit der ganzen Kraft seiner Personlichkeit durchbrach er iiberall die Schranken und erreichte in alien Landern das Ohr der einflu&reichsten Personlichkeiten. Die geplante Hilfe kam zu spat. Ob das seine sonst so un- beugsame, tragfahige Seele zerbrach? (Die humanistische Front, S . 178) Eine Klarung dieser Fragestellung kann uns nur ein tieferer Einblick in die Stellung des Dramatikers zu seiner Hilfs- aktion gewahren. Toller hatte seine Aktion fiir Spanien unternommen, nachdem er sich offen zu der neuen Aufgabe des Schrift- stellers bekannt hatte. Angesichts der Bedrohung durch die Machtherrschaft Hitlers im besonderen und des Faschismus im allgemeinen hatte der Autor seine ganze Kraft dem Kampf um Freiheit und Human it at zur Verfiigung gestellt (siehe An- merkung 13). Dabei ist es jedoch nicht den Tatsachen ent- sprechend, wenn Kritiker wie Emil Ludwig die Tatigkeit des Dichters als einen nach der Periode seiner friihen Erfolge fiir ihn willkommenen neuen Lebensinhalt brandmarken: "Als er vage zu irrlichtern schien, kam ihm Hitler zu Hilfe, gab ihm einen neuen Feind, eine neue Arena. Er entziindete sich 84 35 daran." In gleicher Weise kommentiert auch Georg Grosz: "Anstatt zu verschwinden und weiter Stiicke zu schreiben, 3 6 versuchte er eine Art Fuhrer zu werden." limner wollte Toller im Mittelpunkt sein, "Bei ihm muBten Telegramme ein- laufen und Reporter erscheinen; er brauchte das stete Gefiihl des Begehrt- und Benotigtwerdens" (S. 270). Und so zieht Grosz auf das Ende des Dichters anspielend den SchluB: "Leider durchschaute er den Betrieb nicht. Und als er dann im Zimmer saB und keine Reporter und Telegramme mehr kamen . . ." (S. 271). Diesen Unterstellungen der beiden Kritiker widersprechen jedoch nicht zuletzt des Schriftstellers ei- gene Worte, wenn er sich in einen Brief an Betty Franken stein uber den Mangel an Gelegenheit zu kunstlerischem Schaffen beklagte. "Denn ich habe seit dem Beginn der Ar beit fiir Spanien keine private oder literarische Existenz 37 gefiihrt." Obgleich er davon traumte, ein zweiter Fritjof 38 Nansen zu werden, tat er dies nur mit der selbstlosen 33Emil Ludwig, "Radionachricht von Tollers Tod, " Das Neue Tagebuch, 24 (10. Juni 1939), 572. 36ceorge Grosz, Ein kleines Ja und ein groBes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzahlt (Hamburg: Rowohlt, 1955), S. 269. 37Brief an Betty Frankenstein vom 22. Februar 1939. 3®Vgl. "Time-Tide Diary," Time and Tide, 20 (27. Mai 85 Zielsetzung in aller Welt, > • Verstandnis fur die Not in Spanien wachzurufen. Er war "ein Fursprecher aller Be- 39 druckten, . . . von den reinsten Gefuhlen durchdrungen, " um die Worte Kurt Kerstens anlaBlich des Todes von Ernst Toller zu zitieren. Nicht minder folgerichtig ist, daB der Zusammenbruch der spanischen Republik und somit das vor- zeitige Ende seines Hilfsprogrammes zu den Ursachen seines Freitodes zahlen. Schon vor Beginn seiner Spanienhilfe litt der Autor an einem Zustand volliger Depression wie wir den Bemerkungen Ludwig Renns nach einem Besuch an der Front entnehmen konnen. "Er schien von einem schweren Druck nicht loszukommen. Schon aus friiheren Gesprachen mit ihm wuBte ich, daB er in Hoffnungslosigkeit verfallen war" (Im spani schen Krieg, S. 353). Tollers letzter Schritt muB als das unausweichliche Ende einer langen Kette von Enttauschungen in seinem Leben interpretiert werden, wobei der Zusammenbruch in Spanien und damit seines Kampfes gegen Unrecht und fur Freiheit wohl ein letzter entscheidender Faktor war. Daruber hinaus war der 1939), 6 8 6 . OQ J^Kurt Kersten, "Zum Ende Ernst Tollers," Die Zukunft, 22 (Juni 1939), 6 . 86 40 Dichter ohne weitreichende finanzielle Mxttel, xn schlech- 41 tem Gesundhextszustand, von sexner jungen Frau getrennt, in einem Land, in dem der Exilierte als Schriftsteller keine Wurzeln fassen konnte. So meint Kurt Pinthus zu dem ver- friihten Tod des Dichters mit Recht: His life was a chain of disappointments, yet he had always remained faithful to the fight for democracy and liberty. But finally he believed that his cause was lost— the cause for which he had sacrificed his whole existence, his health, again and again his sav ings, and at times his freedom.^ War Gustav Regler in dem Verfolgen seiner Idee, in seinem Idealismus immer wieder durch die hereinbrechende brutale Wirklichkeit desillusioniert worden, so wuBte Toller um das Bestehen dieser Realitat. Trotzdem wagte er es einen Traum zu haben und zu verfolgen. In einem Brief an den Botschafter von Spanien, Azcarate, erklart Toller selbst seine Stellung in diesen Worten: On the other hand you have a great symbolic figure in the Spanish literature: "Don Quichotte" who once 40 Vgl. "Toller, Penniless Found Hanged," News Chronicle (London), 23. Mai 1939. ^•'‘ Vgl. "Ernst Toller, 46, German Exile, Hangs Himself," New York Herald Tribune, 23. Mai 1939. ^Kurt pinthus, "Life and Death of Ernst Toller," Books Abroad, 16 (Winter 1940), 5. 87 single-handed went into the world, to fight for justice and liberty. Whether I shall end as Don Quichotte can be only decided by the effect. I think that our time needs some people who see reality, and in spite of that knowledge, have not lost the strength to dream.^3 Es war jedoch nicht des Dichters Schuld, "daB die Kluft zwischen seinen Traumen und der Wirklichkeit immer groBer wurde, die Kluft zwischen der Welt, wie er sie wunschte und 44 der Welt, wie sie ist." Den emzigen Halt m dieser Situation hatte er vielleicht in der kommunistischen Partei finden konnen, der Ludwig Renn seine Standhaftigkeit ver- dankte: "Er hatte es verpaBt, in die kommunistische Partei einzutreten. . . . Nun stand er ohne den Halt da, den ihm die kommunistische Partei mit ihrer Briiderlichkeit gegeben hatte" (S. 353). Dieser Beobachtung kann jedoch die Ver- mutung entgegengehalten werden, daB der Schriftsteller in Spanien mit der "Linken" zutiefst enttauscht worden sein muB. So hatte er unter anderem nach seiner Ruckkehr aus Spanien beabsichtigt, eine "Abrechnung mit der Schande unserer Linken" zu schreiben (Walter, S. 14). Fassen wir das Engagement der Schriftsteller zugunsten 43 ~ Brief Tollers an den Botschafter Spaniens Senor Azcarate vom 7. Oktober 1938. 44 Bodo Uhse, "Zu Ernst Tollers Tod," Pariser Tages- zeitung, Nr. 1019, 10. Juni 1939, S. 4. 88 der Republik in Form von Hilfsaktionen zusammen, so ergeben sich grundsatzlich zwei verschiedene Arten des Beistandes . Einerseits waren es spontane und unmittelbare Unternehmen kleineren Ausmafies zur finanziellen und moralischen Unter- stutzung Spaniens, wahrend auf der anderen Seite groBange- legte Aktionen standen, die sich an die Weltoffentlichkeit und insbesondere Amerika richteten. In der letzteren Gruppe waren es die Autoren Renn, Regler und Toller, die entweder als Abgesandte der spanischen Republik oder vollkommen auf eigene Initiative hin, wie im Falle Tollers, das Ausland aufzuriitteln versuchten. Waren die ersteren auf ihren Goodwill-Tourneen relativ erfolgreich., so finden wir am Ende der Aktionen des letzteren Autoren ein weltweites Programm zur Unterstiitzung des notleidenden Spanien. Ungeachtet aller Opposition verfolgte Toller einen Traum, der im groben Gegensatz zur Wirklichkeit stand. Er glaubte an die Ideen der Menschheit, an die Freiheit. Aber der Sieg des Faschis- mus liefi auch dieses Wunschbild zunichte werden. Man wiirde nun dem personlichen Einsatz dieser Exilschriftsteller nicht gerecht werden, wann man versuchte, den Wert und die Bedeu- tung ihrer Unternehmen nur an deren materiellen Erfolgen zu messen. Der Untergang der Republik zeichnete sich schon vor dem Beginn ihrer Aktionen ab und nur ein gemeinsames Handeln 89 aller westlichen Demokratien hatte eine Wendung auf der Iberischen Halbinsel herbeifiihren konnen. Die eigentliche Bedeutung ihres Handelns aber ist darin zu sehen, dafi sie ihr Dichtermedium verliefien und sich nicht scheuten, fiir eine Sache mit Wort und Tat vor aller Weltoffentlichkeit einzustehen. Mit fast unermefilicher Tatkraft und zahem Ringen, wie wir besonders bei Toller sahen, wirkten sie an der Erfiillung einer Aufgabe, der sie im Dienste der Mensch- lichkeit nachgingen. Wie verschieden auch die tieferen Griinde ihres Handelns sein mogen, ihre Tatigkeit fiir die Republik., den moralischen Beistand, den sie erweckten, kann nicht zu hoch bewertet werden. ANHANG RECORD OF THE LECTURES OF LUDWIG RENN (October 8 -December 5, 1937) Date Place Occasion Attend ance Receipts 10/6 New York City- Reception dinner with the Spanish Ambassador De Los Rios, Chinese Consul Genera1, and others 300 $4,000.00 10/6 New York City Interview by World Teleqram --- --- 10/12 New York City Cocktail party, Mrs. Poore 60 600.00 10/13 New York City German People's Front 80 --- 10/19 New York City Dinner party for Guggenheim 12 --- 10/20 New York City Columbia University 150 --- 1 0 /20 New York City Reception dinne-*-, Louise Thompson 80 --- 10/23 Hollywood 15-minute broadcast --- --- 10/24 Hollywood Writers 1 discussion 60 --- 10/24 Hollywood Film star banquet 140 ? 10/25 Hollywood Dinner, Salka Viertel 100 --- 10/28 Queens German Krankenkasse 130 "0 06 Date Place Occas ion Attend ance Receipts 10/29 New York City- Speech at Public School 11 7 7 10/30 New York City Cocktail party^ Von Den Heuwil 80 7 10/31 Bronx Fiesta Espana Libre 600 p 11/2 New York City Prince George Hotel 7 7 11/4 New York City German Writers 1 League 40 8.40 11/6 New York City Inauguration of the German Liberty Library 60 7 11/7 New York City Partyj Sylvia Sidney 60 7 11/8 Washington Writers 1 banquet 150 7 11/8 Washington Party 130 170.00 11/9 Washington Luncheonj Howard University 12 7 11/9 Philadelphia North American Committee 400 781.00 11/11 Chicago La Sociedad Espanola 40 7 11/12 Chicago Artists 12 7 11/12 Chicago Theatre and speech 100 --- 11/13 Chicago American Student Union 60 --- 11/13 Chicago North Side Committee 65 68.15 11/13 Chicago Party 60 VO H Date Place Occasion Attend ance Receipts 11/14 Chicago Writers 1 Reception 25 50.00 11/15 Chicago North Side Committee 160 1 2 2 . 0 0 11/16 Milwaukee German group p p 11/17 Madison University luncheon (professors only) 50 --- 11/17 Milwaukee German meeting 350 175.02 11/18 Chicago Luncheon, Northwestern University 15 --- 11/18 Chicago German-American League for Culture 350 1 2 2 . 0 0 11/19 Chicago Party for Poor Intellectuals 25 --- 1 1 /20 Detroit 15-minute broadcast on World War I --- --- 11/20 Detroit German-American League 400 123.02 11/21 Detroit Party, North American Committee 50 80.00 11/22 Cleveland German meeting 280 170.41 11/23 Cleveland Interview for syndicate of 5 00 local newspapers --- --- 11/23 Cleveland Party 40 p 11/2 3 Cleve land Party 30 p 11/24 Cleveland Young Women's Christian Association 35 VO to Date Place Occasion Attend ance Receipts 11/24 Cleveland C.I.O. delegates 80 33 .00 11/25 Canton German meeting 30 9.00 11/26 MansfieId German Liederkranz 130 29 .00 11/27 Pittsburgh League against War and Fascism 3,000 7 11/28 Toronto German meeting 80 --- 11/29 Toronto Interview by Star Telegram --- --- 11/29 Toronto 15-minute broadcast --- --- 11/29 Kitchener German meeting 83 --- 11/29 Kitchener English meeting 150 p 11/30 Toronto English meeting 1,600 160.00 12/1 Hamilton German meeting 40 --- 12/1 Hamilton English meeting 600 7 12/2 Toronto University 250 --- 12/2 Toronto German meeting 120 14.00 12/3 Montreal Tea party 30 --- 12/3 Montreal English meeting 2 0 0 7 12/4 Montreal MacGill University 2 0 0 7 VO to Date Place Occas ion Attend ance Receipts 12/4 Montreal Dinner party 180 8 8 . 0 0 12/5 New York City Deutsche Tag 5,500 440.00 12/7 PhiladeIphia Medical banquet 420 ?,0 0 0 . 0 0 12/9 New York City Interview --- --- 12/9 New York City Party, Unterxneyer 12 --- 1 2/10 New York City City College 400 ? 1 2 /11 Newark Deutsches Arbeiterfest 450 p 12/12 New York City Delphic Studies 80 --- 12/12 New York City Town Hall Club 30 --- 12/17 New York City Norwegian Workers' Club 50 --- 12/18 New York City American Veterans of Spain 50 --- 12/18 Philadelphia Na t ur f r e unde 2 0 0 97.08 12/19 New York City Artists' and Writers 1 Colony 400 500.00 1 2/21 New York City The Group Forum 400 280.00 12/22 New York City New York University 40 --- 12/26 New York City Negro People's Art Committee 50 --- 12/26 New York City Talk of Town Hall Club ) 200 Date Place Occasion Attend ance Receipts 12/30 New York City- Science and Society 20 --- 1/22 New York City Party, Krankenkasse 50 --- 1/23 New York City German-American Club of Yorkville 8 D --- 1/30 New York City Protest 5 Years of Hitler Terror 5,000 --- 2 / 1 New York City Radio WEVD, Intervention and Teruel --- --- 2/3 New York City Farewell dinner 100 --- 2 /8 Havana Interviews --- --- 2/9 Havana Interviews --- --- 2 / 1 0 Havana Interview for Carteles --- --- 2/15 Havana Interview on Radio CMBX --- --- 2/16 Havana University of la Habana 800 --- 2 / 2 1 Havana Teatro Auditorium 3,000 --- 2/24 Havana Interview on Radio CMBX --- --- 2/27 San Antonio de los Banos Fiesta 40 --- 3/4 Havana Amigos de la Cultura Francesa 30 --- 3/5 Havana Radio CMBX, movimiento juvenil VO CJ1 KAPITEL III DIE JOURNAL1STISCHE UND PUBLIZISTISCHE TATIGKEIT DER EXILAUTOREN ANLASSLICH DES SPANIENKRIEGES Journalistische und publizistische Beitrage deutscher Exilautoren machen einen nicht geringen Anteil ihres Ein- tretens fur die spanische Republik aus. Diese Tatsache iiberrascht keineswegs, da diese Medien von Natur aus sich vorziiglich dazu eignen, politische und soziale Ideen zu propagieren. Beitrage ersehienen vor allem in Form von informierenden ArtikeIn, Reportagen, Erlebnisberichten, Tagebuchnotizen oder, bedingt durch das Zeitalter der Tech- nik, in der Form von Radioansprachen. Nicht zuletzt fallen hierunter aber auch analysierende und geistige Motivation wiedergebende Aufsatze und Essays, mit denen die Dichter dem spanischen Volk zu helfen suchten. Als wichtige Quellen fur unsere Untersuchung dienen die Zeitschriften der Emigration Das Wort (Moskau), Die Neue Weltbuhne (Prag, Brussel^ Paris) und Die Zukunft (Paris), wenn auch mitunter auf spatere 96 97 Sammelausgaben der betreffenden Dichter zuriickgegr if fen werden muft, da die ur sprung lichen Veroffentlichungen wahrend des Krieges oft verlorengegangen sind. Es ist jedoch nicht moglich, hier uber das weitumfassende Schaffen der deutschen Autoren auf diesem Gebiet erschopfend zu berichten, da einerseits ein betrachtlicher Teil des Quellenmaterials nicht mehr auffindbar ist und andererseits der Mitarbeit der Schriftsteller in den zahlreichen Brigaden-, Bataillons-, Kompanie- und Wandzeitungen eine gesonderte Behandlung ge- buhrt, die noch aussteht."1 ' Auch erscheint es mir irrele vant , im Rahmen dieser Untersuchung eine konsequente Unter- scheidung zwischen den Genren Journalismus und Publizistik vorzunehmen, da sich deren Definitionen oft willkurlich uberschneiden und in keiner Weise zu einer Weiterfiihrung unserer Aufgabenstellung beitragen. In meiner Arbeit da- gegen soil versucht werden^ die diesbeziigliche Tatigkeit der jExilautoren in ihren charakteristischen Wesensmerkmalen auf- zuzeigen und dabei individuelle Haltiongen der Dichter in ■ ' ‘ Der Schriftsteller Alfred Kantorowicz begriindete bei- spielsweise die allgemeine Frontzeitung der Internationalen Brigaden, den Volontaire de la Liberte und Franz C. Weiskopf berichtet von Beitragen in "Ze it ungen von der Front, 1 1 Die Neue Weltbuhne, 36 (1937), 1135-1139. Eine vollstandige Liste dieser sogenannten Frontzeitungen befindet sich im Anhang. 98 ihren Beitragen wenn nur moglich herauszustellen. Abhandlungen, sie sich allgemein mit dem Thema Spanien befassen und Stellung nehmen, sowie Beitrage, die bestimmte Aspekte des Spanienkampfes herausgreifen, werden einer naheren Beleuchtung der Spaniennummer des Blattes Der Deutsche Schriftsteller vorangehen. Nach dieser mit Absicht beinahe willkiirlich erscheinenden Auswahl des publizisti- schen Schaffens der Exilautoren anlaSlich des Spanischen Biirgerkrieges beschaftige ich mich naher mit den beiden Literaten Thomas und Heinrich Mann, und erwahne in diesem Zusammenhang auch die Stellungnahme der Schriftsteller- kinder Erika und Klaus Mann. Den Schlufi dieses Kapitels soil sodann ein Aufsatz von Ludwig Marcuse bilden. Diese Anordnung innerhalb meiner Untersuchung scheint mir geboten zu sein, um dem Leser auch einen Eindruck von dem weiten Themenkreis und dem vielschichtigen publizistischen Engage ment der Exilschriftsteller in ihrer Solidaritat mit Spanien zu vermitteln. Allerdings ist es nicht meine Absicht, in diese Dar- stellung Aufzeichnungen von Personlichkeiten wie Ernst Bloch, Max Werner, Bruno Frei oder Leopold Schwarzschild einzubeziehen, da ihre literarische Bedeutung in ihrer Rolle als Journalisten in keiner Weise gleichkommt. 99 Den weitaus groBten Teil in dieser Rubrik bilden Ab handlungen, die beabsichtigen, ein Bild der Geschehnisse in Spanien zu geben oder allgemein Stellung zu dem Konflikt und seiner Bedeutsamkeit zu nehmen. In diesem Zug schildert der Schriftsteller Willi Bredel die Situation des im Juli 1936 vom Feind hart bedrangten Madrids . Bredel preist dabei den heroischen Widerstand des Volkes der Hauptstadt, das in der bedrohlichen Lage keinen Schritt zuriickweicht. "viele muBten sogar ohne Gewehr ausrucken und in der Feuerlinie warten, bis den Handen gefallener oder verwundeter Kameraden 2 die Waffen entfielen." Die Initiative zur Verteidigung der Stadt fiihrt der Dichter in erster Linie auf den Zusammen- schluB von Kommunisten und Sozialisten zuriick, die im Geiste der VoIksfront und mit dem Beistand RuBlands voll Zuversicht der kommenden Entwicklung entgegensehen konnen. Lob hat Bredel auch fur die vorbildlichen Hospitaler der Interna tionalen, die er besucht hatte. Ihre beispielhafte Aus- stattung und der aufopfernde Einsatz der Arzte ist in seiner Meinung nur durch die antifaschistische Solidaritat in der 3 ganzen Welt moglich. Die internationalen Freiwilligen 2 Willi Bredel— Dokumente seines Lebens, S. 98. ■^Willi Bredel, "Die Hospitaler der Internationalen, " 100 kamen, wie er in einem Rapport des Bataillons Thalmann ver- merkt, um das spanische Volk vor der Barbarei zu beschiitzen, das ihr eigenes Land bereits heimgesucht hat. Sie wuStenj dafi in Spanien auch die Freiheit des deut- schen VoIkes verteidigt wird, dafi eine Niederlage des Faschismus in Spanien eine Niederlage des Faschismus in Deutschland und Italien und in der ganzen Welt be- deutet .4 In seinen Tagebuchnotizen sieht Bredel trotz erwiesener Differenzen diese Teilnehmer am Spanienkampf schlechthin als Trager des internationalen Klassenkampfes, die im Begriff sind eine neue Gesellschaftsordnung herbeizufiihren: Nicht so sehr einzelne, hervorragende Personlichkeiten sind es, die nach Madrid gekommen sind und die Sache des spanischen Volkes zu der ihren gemacht haben, son- dern im wesentlichen Menschen aus den Werktatigen Schichten aller Volker, Arbeiter, Handwerker, Intel- lektuelle, Bauern, Seeleute, durchweg politisch bewuSte Menschen, aber der unterschiedlichsten weltanschauli- chen Bekenntnisse, Kommunisten und Sozialdemokraten, Syndikalisten und Demokraten und auch nicht wenige christlicher Anschauung, Protestanten und Katholiken. Mir scheint das, was ich hier in Spanien erlebe, gera- dezu ein Merkmal unserer Epoche zu sein, der Epoche groBer Volksbewegungen, die, so sehr sie in sich partei- politisch und weltanschaulich auch noch zerrissen sein mogen, dennoch gemeinsam gewillt und bestrebt sind, eine neue, antikapitalistische, soziale Ordnung zu Die Neue Weltbuhne, 35 (August 1937), 1111. 4Willi Bredel, "Adelante! Pasaremos!" Der Freiheits- kampf des spanischen Volkes und die internationale Soli- daritat, S . 213. 101 schaffen. (Dokumente seines Lebens, S. 107) Zugleich erfahren wir in Bredels Aufzeichnungen auch von dem Plan des Schriftstellers Egon Erwin Kisch* eine Reportage liber die Tiere des Madrider Zoos zu schreiben. Er ver- spricht sich namlich von dem Beschreiben ihrer Leiden unter den Bombardements und dem Artillieriefeuer im Ausland mehr Erfolg* als von einer Darstellung der Not der Bevolkerung. Wenn die Menschen aber erfiihren, wie harmlose Leoparden* Hyanen, Wolfe oder auch Affen, gar nicht zu reden von den Lieblingstieren der Menschen, Elefanten und See- hunde, von Granaten zerfetzt werden und grausam verblu- ten, erschiittere das auch die sonst Gleichgiiltigsten. I (S. Ill) i i iNicht immer gelingt es den Autoren in Reportagen ihre Hoff- i nung auf den Sieg trotz Ruckschlagen an der Front aufrecht- zuerhalten. So bleibt Bredel bei seiner Beschreibung des zerstorten Stadtchens Tortosa nur der Trost, dafi beim Riick- jzug der republikanischen Truppen wenigstens versucht wird* junter alien Umstanden die Zivilbevolkerung ins Hinterland zu schaffen. Trotz der ungeheuren organisatorischen Schwie- rigkeiten unterlaSt es die ohnehin schon geschwachte Armee nichtj Frauen und Kinder aus der Kampfzone zu evakuieren. Die Faschisten dagegen hatten zu Beginn des Krieges Ein- wohner einer Stadt beniitzt, um mit ihnen einen Schutzwall 102 5 vor den republikanischen Kugeln und Granaten zu formen. Oberhaupt laflt sich wohl keine Reportage beziehungsweise Schilderung der Geschehnisse in Spanien aufzeigen, in der nicht die von faschistischer Seite begangenen Verbrechen angeklagt werden. Als eine Erscheinung des Klassenkampfes interpretiert auch Bodo Uhse den Konflikt in seinem Artikel "Uber die g spanischen Milizen." Ihre unnachgiebige Widerstandkraft und ihre heroischen Taten erklart der Schriftsteller als Zeichen der revolutionaren Befreiung von jahrelanger Ver- knechtung durch die herrschende Klasse. All die hervorragenden Tugenden, die dem spanischen Volke eigen sind* und die nur unterdriickt werden konn- ten durch die jahrhundertelang Gewaltherrschaft einer beispiellos ruckstandigen feudal-klerikalen Oberschicht: Stolz, Kiihnheit, Selbstvertrauen und ungewohnliche In- telligenz, brachen wie mit einem Schlage durch und formten Gewalt und Wesen der Milizen. (S. 104) Und Uhse kommt in seiner Glorifizierung der Armee des Volkes zu dem folgenden optimistischen Schlufi: "Ein Volk, das so schnell lernt, so enthusiastisch kampft, ist unbesiegbar" (S. 105) . ^Willi Bredel, "Tortosa," Die Neue Weltbuhne, 33 (August 1938), 1040-1043. ^Das Wort, 1 (Januar 1937), 104-105. 103 Aber auch Beitrage, die von parteipolitischer Disposi tion unabhcr^ig sind, fehlen nicht. So schopft der Autor Hans Marchwitzi; seine Zuversicht hinsichtlich eines Sieges in Spanien aliein aus der Hingabe und dem ungebrochenen Mut der Internationalen Kampfer. Neben dem generellen Wider- stand gegen den Faschismus geht es dem Dichter vor allem urn die Befreiung und das Zusammenfiihren des spanischen Volkes . "Uber zahllose Schwierigkeiten hinweg geht der Weg zur Ver- standigung und Einigung dieses schwergepriiften Volkes; es wird sich aber zusammenfinden und Franco aus dem Land 7 schlagen." Ferner beschrankt sxch ebenso eine Mehrzahl der Erlebnisberichte auf eine blofie Schilderung von Episoden und Eindriicken. Alfred Kantorowicz, um ein Beispiel zu nennen, schildert unter dem Titel "Otto Brunners Verwundung" die Rettung des Schweizer Bataillonsfiihrers der internatio nalen Brigade, der sein Leben nur dem tapferen Beistand seiner sich selbstlos einsetzenden Kameraden verdankt. Der Zufall will es, "daS es Blut seiner Landsleute war, Blut, das Schweizer Antifaschisten nach Spanien hatten senden n "Aus einem Brief von Hans Marchwitza (Spanien)," Das Wort. 7 (Juni 1937), 108. 104 g lassen." Und Ludwig Renn berichtet bei einer anderen Ge- 9 legenheit iiber einen heroischen "Handstreich bei Nacht." Betrachtungen iiber bestiinmte Aspekte des Spanienkrieges stellt der Schriftsteller Theodor Balk unter der Frage- stellung "Internationale des Faschismus?" an. Er kommt dabei zu dem nachstehenden Ergebnis: Es gibt keine faschistische Internationale* die Tragerin einer universalistischen Idee ware. Es gibt kein fried- liches faschistisches Europa. Es gibt aber eine Arbeits- gemeinschaft der faschistischen Parteien und Staaten zur Erreichung bestiramter reaktionarer und imperialistischer Ziele. Ihre Zentralen sind Berlin und Rom .'*'0 In ahnlicher Weise untersucht Balk die Folgerung aus einem Handbuch fur franzosische Offiziere der Infanterie: "L1ex perience a demontre que les forces morales jouent un rdle plus important encore que les forces materielles." Trotz der Ubermacht des Feindes und ungeachtet der sogenannten Non-Intervention ist es den Faschisten nicht gelungen, iiber die republikanischen Truppen den Sieg zu erringen, denn den Soldaten Francos fehlen die moralischen Krafte, Vorbedingung eines Sieges . Daher kann der Dichter nicht nur als 8Pie Neue Weltbuhne. 27 (Juli 1938), 851. ^Siehe Weiskopf, "Zeitungen von der Front," S. 1138. - * - ° Die Neue Weltbuhne, 47 (November 1936), 1489. 105 unverbesserlicher Optimist, sondern im vertrauen auf das Gelingen der gerechten Sache den SchluB ziehen: "Und wir siegen doch. Der Autor Walter Mehring hingegen setzt sich mit einer Erklarung des Philosophen Graf Keyserling auseinander, welcher der Meinung ist, die besondere Grausam- keit des spanischen Krieges sei auf die Phantasielosigkeit der Spanier an sich zuruckzufuhren. "Diesem Volk mangelt 12 das, was ich die Phantasie des Herzens nennen mochte." j Der Spanier ware nicht in der Lage, sich beispielsweise Leid vorzustellen, ohne es vorher gesehen zu haben. Dieser Unterstellung halt Mehring entgegen, daB die Greuel des spanischen Krieges weniger dem Mangel an Phantasie, als der Machtgier fremder Diktaturen zuzuschreiben sei. Und er schlieBt mit der satirischen Empfehlung, die gesammelten Werke des Philosophen Keyserling den spanischen Witwen und Waisen zur Ermunterung zukommen zu lassen. In Form eines Nachrufes tragt der Autor Franz C. Weis kopf zur Journalistik des Burgerkrieges bei. Der spanische Dichter Frederico Garcia Lorca war in den Worten Weiskopfs ^Theodor Balk, "Am Ebro, " Die Neue Weltbuhne, 25 (Juni 1938), 789. 1 9 - ‘ - ■ ‘ ‘ Walter Mehrxng, "Graf Keyserling und Spanien, " Die Neue Weltbuhne. 15 (April 1937), 473. 106 erschossen worden* weil unter einer faschistischen Herr- schaft kiinstlerisches Schaffen nicht fortbestehen kann. Es war einfach kein Platz fur ihn im Spanien Francos* wie im Dritten Reich Hitlers kein Platz fur Heine* Thomas Mann und Einstein ist. Wo der Faschismus lebt* kann die Kunst nicht leben; das ist das Wesentliche* und deshalb starb Garcia Lorca vor den Gewehren. - * - 3 Frederico Garcia Lorcas groBe Bedeutung liegt nach Weiskopf darin* daB er durch die Volkstumlichkeit seines Werkes wie- der zum spanischen Volk selbst sprach. Als Erzahler* Sanger und Schauspieler gewann er das Publikum* dem die Herrschaft von Adel und Kirche die Kunst des Lesens vorenthalten hatte. "Mit seinem Wandertheater zog er durch das Land* spielte Stiicke* die er selbst verfaBt* und sang Lieder* die er selbst gedichtet und vertont hatte" (S. 57) . Und das schreckliche Ereignis des zweiten Weltkrieges vorausdeutend schlieBt der deutsche Autor mit festem Glauben an das Uber- kommen der nur temporaren Macht des Faschismus: "Sein Werk wird leben* wenn von den Francos und ihren Fremdenlegionaren nichts mehr ubrig sein wird als die Erinnerung an ihre Greuel und an ihre Lacherlichkeit" (S. 60). Nicht zuletzt spielen in der Tatigkeit der deutschen 13 ✓ "Frederico Garcia Lorca*" Das Wort, 2 (Februar 1937)* 60-61. 107 Exilautoren fur die Befreiung Spaniens Ansprachen uber das Radio eine nicht zu unterschatzende Rolle. Erich Weinert, um ein Exempel anzufiihren, richtete im Marz 1938 am Sender 14 Barcelona einen "Ruf an die gesittete Welt." Sein Haupt- anliegen in dieser Ansprache liegt darin, daS die iibrige Welt von den schrecklichen Vorgangen in Spanien unberuhrt zu bleiben scheint. Nachdem das Grauen der Zerstorung Guernicas einst die ganze Welt wachgeriittelt habe, hatte man sich an solche Nachrichten jetzt gewohnt. Dieser Abstum- pfung des Herzens halt Weinert entgegen, dafl seitdem der- artig grafiliche Untaten der Faschisten sich taglich wieder- holen, eine Tatsache, die noch weiter unterstrichen wird durch seine Schilderung des fast pausenlosen Bombardements von Barcelona. Zum ersten Mai in der Geschichte des Krieges wiirde der Angriff auf Menschenzentren unternommen, denen von einem militarischen Standpunkt nicht die geringste Wichtig- keit zukomme. Und der Dichter erinnert die Welt an die beispielhaften Unternehmen proletarischer Revolutionen in der Vergangenheit. Heute, am 18. Marz, sind es neunzig Jahre, dafi in Ber lin, Dresden, Budapest und Wien die Demokraten, die •^Camaradas . Ein Spanienbuch (Berlin: Volk und Welt, 1960), S. 145-146. 108 Handwerker und Arbeiter auf die Barrikaden gingen im Kampf des Rechts gegen das Unrecht. Heute sind es siebenundsechzig Jahre her, daB die Demokraten, die Arbeiter und Soldaten von Paris die groBe Commune pro- klamierten. (S. 145) Ferner weist Weinert seine Zuhorer in aller Welt mit Recht darauf hin, daB nicht nur Spanien bedroht sei, sondern ganz Europa grauenvollste Zerstorung bevorstehe, wenn der fa- schistischen Aggression nicht Einhalt geboten werde. Aus diesem Grunde schlieBt er seine Ansprache mit dem aufrut- i telnden Appell an die moralisch verantwortungsbewuSte Menschheit, aktiv zu dem Geschehen in Spanien Stellung zu nehmen: Ich richte meinen Ruf an die ganze gesittete Welt. Ich habe euch ein furchtbares Erlebnis mitgeteilt. An euch Millionen, an euch alle, wende ich mich. In wenigen diirren Worten will ich euch mit diesem Bericht eine Vor- stellung geben, was euch alien bevorsteht, wenn ihr nicht begreift, daB das Mittel des Protestes unzureichend geworden ist. Die Stunde drangt zu Aktioneni Heute ist es Barcelona! Morgen ist es Paris und London! Aber ubermorgen ist es Berlin! (S. 148) Mit dem beschlossenen Abzug der Internationalen Brigaden im Herbst des Jahres 1938 jedoch gibt auch Weinert jede Hoff- nung auf, den bevorstehenden Zusammenbruch der Republik noch aufhalten zu konnen. So vermerkt er in einer Notiz: Uberall in der Welt, wo redliche Menschen wohnen, wird man in jenen Tagen schmerzlich bewegt gewesen sein und sich die Zweifelsfrage vorgelegt haben, ob das grofle 109 Opfer, das die spanische Regierung gebracht hat, nicht doch umsonst gewesen sei.-*-^ Nur ein die Umstande mildernder Trost bleibt dem Dichter, die Tatsache, daB durch das Eingreifen der deutschen Inter nationalen die Haltung des wahren Deutschland zum Ausdruck kam. "Uber den Schmerz um ihre getoteten Kinder, wissend, daB deutsche Bomben es waren, die sie toteten, haben sie nicht vergessen, daB es ein anderes Deutschland gibt, das mit ihnen solidarisch ist" (S. 273). Eine besondere Hervorhebung in der Beleuchtung der journalistischen und publizistischen Tatigkeit der deutschen Exilautoren fur Spanien gebiihrt der Spanien-Nummer des Blattes Der deutsche Schriftsteller,^ die im Juli 1937 vom Schutzverband deutscher Schriftsteller (SDS) herausgegeben wurde und zum Versand nach Deutschland kam. Der represen tative Charakter dieser Zeitschrift ergibt sich dadurch, daB an ihr dreizehn namhafte Autoren mitarbeiteten, wobei sieben Namen den Zusatz "Zur Zeit an der republikanischen Front in Erich Weinert, "Notiz," Rote Zitadellen. Der spa nische Freiheitskampf 1936-1939, hrsg. Hans Marquardt (Ber lin: Neues Leben, 1961), S. 273. Per deutsche Schriftsteller (Paris), Sonderheft Spanien (Juli 1937). 110 Spanien" tragen. Wie die folgende Untersuchung zeigen wird* sind die Beitrage in ihrer auSeren Form von unterschied- lichem Charakter, wahrend sie jedoch durch ihre Grundstim- mung, dem Aufruf zum Kampf gegen die faschistische Bedrohung der Welt eng miteinander zusammenhangen. In diesem Sinne erfahrt der Leser "Zum Geleit" die Funktion und Aufgaben- stellung des Schriftstellers anlaSlich des Spanienkampfes, wenn er in den folgenden Worten zum Widerstand aufgerufen wird: Wir Schriftsteller stehen mitten in diesem Kampf. Wir haben nicht nur die Feder, wir haben Film, Funk und alle Mittel der Presse. Wir sind stolz, Gewehr, Flugzeug und Tank zu bedienen, wenn es gilt, das Recht und die Frei- heit zu verteidigen. Wir helfen, die Freiheit mobili- sieren mit alien Mitteln, mit alien Kraften, aus der tiefsten Verpflichtung unseres Gewissens. Unsere Stimme dringt durch die Mauern. Stvirzt die Mauern! Die erste Bastion ist Spanien. In Spanien kampfen wir auch fur die Befreiung Deutschlands, fur den Sieg des Friedens in der Welt. (S. 1-2) iUnd die an der republikanischen Front in Spanien kampfenden deutschen Mitglieder des SDS weisen auf die innige Verbin- dung hin, die zwischen dem Kampf fur die Verteidigung kul- tureller und sozialer Interessen besteht. In Spanien wird nicht zuletzt die Kultur selbst verteidigt, nachdem, wie die Biicherverbrennungen in Deutschland manifes tier ten, der Kul tur an sich durch den Faschismus Vernichtung droht. Ill Wir stehen hier als Soldaten im Kampf* weil wir wissen, daS die Sache der Kultur und Literatur, fur die wir bisher mit intellektuellen Waffen gefochten haben, gegenwartig vielleicht am wirksamsten mit Gewehr und Maschinengewehr verteidigt wird. Wir verteidigen die Kultur an der Front von Madrid. (S. 10) An erster Stelle der Spanien-Nummer steht der Aufsatz von Thomas Mann "Fiir das republikanische Spanien." Mann geht es in dieser Abhandlung vor allem darum, das deutsche Volk, das nur der Hitler Propaganda ausgesetzt ist, iiber die wahre Situation in Spanien zu informieren: Ein niedergehaltenes, im iiberlebtesten, ruckstandigsten Stile ausgebeutetes Volk trachtet nach einem helleren, menschenwiirdigeren Dasein, nach einer sozialen Ordnung, mit der es besser als bisher vor dem Angesicht der Ge- sittung zu bestehen gedenkt. (S. 1) Daher bezeichnet er das Niederringen dieses Bestrebens um Freiheit und Fortschritt als das schandlichste und skan- daloste Verbrechen, das im Namen von "national," das heiSt Gott, Ordnung und Schonheit im Laufe der Geschichte begangen wurde. Der aus moralischen Kraften geschopfte Lowenmut, mit dem das spanische Volk sein Leben und seine Unabhangigkeit verteidige, widerlege die Behauptung der interessierten europaischen Presse, da!3 die Kampfer marxistisches Lumpen- pack oder rotes Gesindel seien und beweise die RechtmaSig- keit ihres Handels. Was Franco und seine Anhanger als 112 "Marxistische Bewegung" bezeichnen, ist in Manns Ansicht nichts anderes als das Streben nach Menschlichkeit und einer besseren und gerechteren GeselIschaftsordnung in Uberein- stimmung mit dem Selbstbestimmungsrecht der Volker. Sum- marisch zusammengefafit, die Unterdriickung des Volkes in Spanien durch die faschistische Gewaltherrschaft "ist gar zu emporend, verbrecherisch und widerwartig" (S. 2). Im Gegensatz zu seinem Bruder Thomas glaubte Heinrich Mann an ein organisiertes Vorgehen gegen den gemeinsamen Feind. Ermutigt durch die Erfolge der spanischen Volks - frontbewegung fordert er die Schaffung einer deutschen Volksfrontj deren Hauptaufgabe darin bestehen solle, die faschistischen Kriegsvorbereitungen in Deutschland zu be- kampfen und Frieden und Freiheit herbeizufuhren. "Es ist moglich, den Frieden zu erhalten und Millionen Menschen das unermeSliche Leid des Krieges zu ersparen, wenn Hitler ge- stiirzt wird, bevor er die Brandfackel entzunden kannI" (S. 10). Eine Starkung der internationalen Friedenskrafte und weitere militarische Erfolge der spanischen Volksarmee wur- den den Ausbruch eines weltweiten Krieges retardieren und die Moglichkeit schaffen^ den Volksfeind Hitler zu beseiti- gen. Heinrich Manns Plan fur Deutschland ist sodann die Grundung einer demokratischen VoIksrepublik, in der das 113 deutsche Volk selbst frei iiber seine Zukunft ohne Faschismus entscheiden konne. Sah Thomas Mann im Faschismus eine Ge- walt, welche die Menschlichkeit an sich in Frage stellt, so interpretierte Heinrich Mann hingegen seine Erscheinung als eine brutale und blinde Kraft, und Hitler, Franco und Musso- 17 lim als deren Vollstrecker. Diese blmde und schadliche Kraft hasse vor allem die Intelligenz. In Bezug auf den Krieg in Spanien jedoch vermag diese Kraft nicht Heinrich Manns Optimismus iiber einen Sieg Abbruch zu tun, denn "wer sich eines durchaus schlechten Instrumentes, wie der spani schen Revolte bedient, kann zerstoren, aber nicht siegen; er schwacht zuletzt seine eigene Geltung, die militarische und die moralische" (S. 12). Infolgedessen stunden die Schriftsteller und Intellektuellen aller zivilisierten Lan der geschlossen hinter der Republik, auch in Situationen, wenn ihre Sache mitunter schwanke und verzweifelt scheint. Einen geschichtlichen Ruckblick iiber die Beziehungen zwischen Deutschland und Spanien stellt der Autor Kurt Kersten in seinem Artikel fiir das Sonderheft Spanien an. 17 Heinrich Manns Interpretation des Faschismus als eine blinde und brutale Kraft scheint auf den Einflufi des spani schen Dichters Unamuno zuruckzugehen. Siehe H. Mann, "SchluSwort," Der deutsche Schriftsteller, S . 12. 114 Er widerlegt dabei die faschistische Geschichtsschreibung* die das Zeitalter Karls V als musterhaftes Beispiel einer Zusanrmenarbeit der beiden Lander glorifizierte und deutet statt dessen die deutsch-spanischen Konnexionen im Sinne der marxistischen Geschichtsinterpretation. In Wahrheit sei das Zeitalter Karls V. ein fortwahrender Kampf des Volkes gegen die reaktionaren Krafte des Feudalismus gewesen. Auch fiihrt Kersten das Fehlen einer biirger lichen Revolution., das Fort- bestehen feudalistischer Institutionen und jetzt die Er- scheinung des Faschismus selbst auf jene Zeit zuriickj die faschistische Geschichtssehreiber als Vorbild hinstellen. I Deutsche hatten jedoch in der jahrhundertelangen Auseinan- dersetzung der Spanier mit dem Hochadel und Grundbesitz eine bedeutende Rolle gespielt, wie ihre wiederholte Teilnahme an den Freiheitskampfen spanischer Revolutionare beweist. Und so schliefit der Autor mit der Manifestation: Wenn heute wieder deutsche Emigranten ihr Leben fiir die Freiheit einsetzen_, setzen sie eine grofie ruhmreiche Tradition fort und kampfen gegen Franco, wie einst west- falische, hessische, brandenburgische, sachsische Bauern- sohne gegen Alba und spater gegen die Karlisten gekampft. (S. 4) Die weiteren Beitrage der deutschen Exilautoren fiir die Zeitschrift des SDS setzen sich aus weniger scharfsichtigen Durchleuchtungen der Verhaltnisse in Spanien zusammen, als 115 die bereits angefuhrten. Dennoch stehen sie in ihrer Aus- sagekraft keineswegs nach. So berichtet Gustav Regler von der beispiellosen Kampfmoral der Soldaten der spanischen Volksarmee. "Sie werden vorstiirmen mit der Wut religioser Krieger" (S. 5). Die Hauptstadt Madrid ist ihnen aber alien das Herz ihres Kampfes, mit dem ihr Leben aufs engste ver- bunden ist. Egon Erwin Kisch zeichnet ein beinahe utopi- sches Bild im Zusammenhang mit den Internationalen, die im Gegensatz zu den sogenannten Freiwilligen auf Francos Seite nationale Zeichen eines internationalen Kampfeswillen sind. Ein Bild der Zukunft erscheint mir in den Internatio nalen Brigaden. Diese Manner aus vierzig Nationen, die von alien Enden der Welt herbeigeeilt sind und sich hier getroffen haben, wie Briider, die zusammen fur die Freiheit kampfen, schaffen eine starkere Bindung zwi- schen den Volkern als alle Regierungsbiindnisse es ver- mogen. (S. 6) Artur Kostler hingegen schildert reportageartig die Belage- rung der Festung Alcazar, in der die Faschisten vierhundert Frauen und Kinder als Geiseln hielten. Und er kontrastiert die vor Volk und Geschichte verantwortungsbewuftte Haltung der Madrider Regierung mit der "totalen Kriegsfuhrung" der Gegenseite. Ihre Niedertracht vor aller Welt anklagend stellt Kostler fest: "Es liegt im Wesen einer Generals- clique, daft die jede Rucksicht auf die Zivilbevolkerung dem 116 'strategischen Ziel' unterordnet; ihre Skrupellosigkeit tragt professionellen Charakter" (S. 6). Deutschland scheine jedoch mit diesen Untaten in volligem Einverstandnis zu sein, wie ein Gliickwunschtellegram nach dem Entsatz von Alcazar durch Francos Truppen und der Totung der Gefangen- gehaltenen bezeuge. In Form eines Tagebuchs beschreibt Alfred Kantorowicz das Leben in dem belagerten Madrid. Ob- wohl nicht selten die Verteidiger unter dem entnervenden Bombardierungen zusammenzubrechen drohen, halt sie der Geist der "Internationale" aufrecht. Daruber hinaus bedeutet aber fiir Kantorowicz die Teilnahme am Kampf auf Seiten der Re pub lik vor allem eine Chance, die entarteten Handlungen Hitler-Deutschlands wettzumachen . "Wie dankbar miissen wir sein, dafi wir hier mit unserer Arbeit, mit dem Leben unserer Besten diese Schande unseres Volkes gutmachen diirfen" (S . 8). Eindrucksvoll is aber auch Bodo Uhses "Grabrede auf den Gefreiten Franke." Franke, der sich durch Fallschirmab- sprung gerettet hatte, erfahrt plotzlich am eigenen Leibe den wahren Charakter des Faschismus. Laut einem Befehl muft namlich jeder Kamerad der Legion Condor getotet werden, der aus irgendwelchen Umstanden in die Gefahr gerat, lebend in die Hande der Republikaner zu fallen. 117 Der Sturz Frankes aus den Wolken auf die Erde war ein Sturz aus der Luge in die Wahrheit. Er erkannte, daB die Sache, die ihre Trager zu solcher Schandlichkeit trieb, nicht gut sein konnte, er begriff, daB er das Opfer eines vorbeugenden Fememordes war. (S. 9) Als ein Nachruf gedacht ist ebenso Anna Seghers Artikel iiber den ehemaligen Reichstagsabgeordneten und Mitglied der Zen- tralkomitees der Kommunistischen Partei Deutschlands Hans Beimler, der an der republikanischen Front in Spanien fiel. Die Dichterin Seghers sieht in ihm einen von jenen, "die de Coster in seinem Ulenspiegel,— dieser Chronik einer harten und wilden Zeit gleich der unsren— unverwustlichen Witz, unbestechlichen Verstand, untotbares Herz ihres Volkes ge- ahnt hat" (S. 3). Dieser dem Volk so nahe Held war aus dem deutschen Konzentrationslager geflohen und hatte Spanien sein neugewonnenes Leben fiir den Kampf des Volkes gegen die Unterdriickung eingesetzt. Wenn man ihn auch einen "Gott- losen" nannte, so zogerte er nicht, sich fiir die spanische Sache aufzuopfern. Nicht zuletzt unter den Arbeiten zur Spanien-Nummer verdient aber auch das Gedicht Renns Erwah- nung, das der Autor schlicht "Spanien" nannte. Er driickt in ihm das Solidaritatsgefuhl aller Internationalen mit dem Freiheitskampf in Spanien aus, das selbst durch Riickschlage nicht beeintrachtigt werden kann. Die typische Standhaftig- keit Renns wiederspiegelnd endet das Gedicht wie folgt: 118 Blutig sank er dahin doch in unserm Sinn gibts und gab es nie ein Wanken. Auf die Freiheit hin auf die Freiheit hin, zielen alle die Gedanken. (S. 5) Als eine letzte Gruppe des Schaffens deutscher Schrift steller im Exil unter dem Einflufi der spanischen Ereignisse seien hier noch die Arbeiten angefiihrt, die sich durch ihren vorwiegend essayistischen Charakter auszeichnen. Hierunter fallen in erster Linie die Bemiihungen zugunsten der Republik von Thomas Mann und seinem Bruder Heinrich, wobei es nahe- liegt, ihre Haltung mit den Eindriicken der beiden Geschwi- ster Erika und Klaus Mann bei ihrem Besuch des kriegsuber- zogenen Spaniens in Beziehung zu setzen. Der Schriftsteller Thomas Mann hatte mit seinem Be- 18 kenntnis "I stand with the Spanish people" und dem im vorausgegangenen Abschnitt behandelten Artikel "Fiir das re- publikanische Spanien" bereits eindeutig Stellung zu dem Thema Spanien genommen und das in diesem Land begangene Unrecht und die Gewalttat des Faschismus vor aller Welt als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit an sich angeklagt. 1 f t °Alfred Kantorowicz, Spanisches Kriegstagebuch, S. 22. 119 19 Zudem erschien von xhm der Essay "Spanxen," der aIs Bex- trag fur ein Sonderheft "Spanien in Not" der Zeitschrift Frauenrecht gedacht war und zu dem der Dichter Romain Rol- land das Vorwort schrieb. Obwohl "Fiir das republikanische Spanien" gewissermafien einen wortwortlichen Auszug aus dem Essay "Spanien" darstellt, lohnt sich doch eine genauere Beschaftigung mit dem letzteren Aufsatz, insofern er die eigentliche Stellungsnahme des Dichters zur Politik und zu Spanien begriindet. Mann glaubt, dafi die politische Situa tion, wie sie auf der Iberischen Halbinsel zutage tritt, im Namen der Humanitat, des Menschentums von jedermann fordert, I sie zu seiner Sache zu machen. Keinem ist es mehr erlaubt, sich aufs Unpolitische herauszureden, denn das Politisch-Soziale ist als ein unveraufierliches und nicht zu verleugnendes Teilgebiet des Gesamtmenschlichen erkannt, als eine Seite des humanen Problems, der huma- nen Aufgabe, die niemand vernachlassigt, ohne es im Menschlichen selbst, das er dem Politischen als das Eigentliche und Entscheidende gegenuberstellen mochte, bis zur Erbarmlichkeit fehlen zu lassen. Ja3 es ist das Eigentliche und Entscheidende: In der Gewalt des Politischen ist uns heute die Frage des Menschen selbst mit einem letzten und lebensgefahrlichen Ernste gestelltj die fruhere Zeiten nicht kannten. (S. 794) Besonders der Dichter in seiner exponierten Situation als ■^Thomas Mann3 "Spanien, " Gesammelte Werke, XII, 794- 798. 12 0 Reprasentant der Menschheit musse es als seine unabdingbare Pflicht sehen, in die Auseinandersetzung seiner Zeit gegen das Wiiten des Interesses einzugreifen. Wessen Sache sollte es sein als des Dichters, des Men- schen freien Gefiihls, der pomposen und doch so mesquinen Niedertracht des Interesses das menschliche Gewissen entgegenzustellen und Verwahrung einzulegen gegen die alles Menschentum verfalschende restlose Verwechslung von Politik und Schurkerei? (S. 793) Jeder Mensch ist nach Mann anlaSlich der Bedrohung durch den Faschismus dazu aufgerufen, die Sache des Geistes gegen die Sache des Interesses zu verteidigen. Besonders dem Dichter gehe es dabei urn seine geistige Rettung, sein Seelenheil. Und Mann ist davon uberzeugt, dafi "der Dichter, der heute in Dingen menschlicher Gesinnung vor der politisch gestell- ten Frage des Menschen versagt, ein geistig verlorener Mann ist" (S. 794). Mit dem Begriff "Geist" greift der Schrift- steller auf eine bereits zuvor in dem mahnenden Essay "Ach- tung Europal" (Gesammelte Werke, XII, 766-779) eingefuhrte Konzeption zuriick. Unter dem "Geistigen" versteht der Schriftsteller in diesem Zusammenhang "das Begehren der Volker nach besseren, gerechteren, glucklicheren, dem Stande des menschlichen Selbstbewufitseins richtiger angepafiten Lebensbedingungen" ("Spanien," S. 795). Diesem Verlangen ist das "Interesse" polar entgegengesetzt, indem es sich 121 einem solchen Wandel, aus Furcht gewisse Privilegien und Vorteile zu verlieren, mit alien Mitteln, auch verbrecheri- schen widersetzt. Dennoch ist Mann davon uberzeugt., daft zu guter Letzt das "Geistige" das " Inter ess e ,v' i ^Si^^ommen wird, wenn dieses auch noch Jahrzehnte aushalten kann. ■V» Aus diesem Grunde verfolgt der Dichter mit groftem In- teresse die weiteren Entwicklungen in Spanien und ist jeder- zeit dazu bereit, die Sache der Republik zu verteidigen. In i seiner Korrespondenz mit Boiko von Hahn zum Exempel verur- teilt er scharfstens dessen Stellungsnahme fur Franco- Spanien: Glauben Sie mir, die Anstiftung und Hinfristung dieses Burgerkrieges ist eines der groftten Verbrechen der Ge- schichte. Wenn Sie dort kampften--welcher Unsinn ware es, wenn Sie es nicht auf der Seite des VoIkes taten, das seit zwei Jahren seine Freiheit mit solchem Lowen- mut verte idigt. ^ ® Und optimistisch iiber das Auskommen des Kampfes weist er auf die Eindriicke seiner beiden altesten Kinder Erika und Klaus hin, die voller Bewunderung fiir den Widerstandskampf des spanischen Volkes erfullt aus diesem Land zuriickkamen. Die Genugtuung bestehe darin, daft dort die einzige Stelle sei. o n Thomas Mann, Briefe 1937-1947 (Frankfurt a/M: Fischer-Verlag, 1963), S. 1125. 122 wo auf den niedertrachtigen Weltverderber, der Faschismus heiSt, geschossen wird. Aber selbst nach dem militarischen Zusammenbruch der spanischen Republik gibt Thomas Mann seine Hoffnung auf den Sieg des Geistes uber das Interesse nicht auf. AnlaSlich einer Ansprache auf der "Massenversammlung 21 Rally Agaxnst Franco m New York" zu Begmn des zweiten Weltkrieges verhiillt er zwar seine Enttauschung iiber den offensichtlich schwerwiegenden Riickschlag nicht, ist jedoch gewiS, daS Hitler-Deutschland und der Faschismus am Ende unterliegen werden. Der Erfolg des Feindes miisse dazu be- nutzt werden, sich Rechenschaft iiber den wahren Sinn dieses Krieges zu geben, der nicht in der Eroberung neuer Gebiete und Reichtiimer bestehe, sondern in der Bewahrung des Men- schenrechtes und der Freiheit der Volker. Auch klagt der Autor die iibrigen demokratischen Lander an, nicht recht- zeitig gegen den Faschismus eingeschritten zu sein, obwohl sein wahrer Charakter schon von Anfang an offenbar war: "die bosartigste, giftigste, dem Verbrechen ergebenste Er- scheinungsform der Gegenrevolution und der Antihumanitat, die die Geschichte kennt" (S. 1125) . In Spanien ware zum 21 Thomas Mann, "Ansprache auf der Massenversammlung— Rally Against Franco in New York," Gesammelte Werke, S . 1124-1126. 123 ersten Male der wahre aggressive Charakter der faschisti- schen Machtbestrebung sichtbar geworden^ erklart er in einer seinem Bruder Heinrich nahekommenden Ausdrucksweise: "Dort probten die Machte des Bosen^ moralisch und waffentechnisch, ihren Angriffskrieg auf die Sache der Menschheit aus" (S. 1125). Um aber der Weltkatastrophe des Krieges Einhalt zu gebieten, ist nach Mann mehr erforderlich als manpower, Waffen und technical skill. Zu einem Sieg gehoren "ein | Glaube, ein Wille und die uberwaltigende Macht der Idee" (S. 1126). Nur dann konnten die Vereinigten Staaten der gestellten militarischen Aufgabe nachkommen. So kann aus der Beleuchtung der Stellung Thomas Manns in Bezug auf die Geschehnisse in Spanien gefolgert werden, daft der Dichter in diesem Kampf die Sache der gesamten Menschheit bedroht sah. Die Grauen in Spanien standen stellvertretend fur die Folgen der vor allem durch Hitler- Deutschland propagierten weltweiten Aggression. Die Be- schaftigung mit der Politik war fur den Dichter durch diese Umstande eine moralische Pflicht geworden und er forderte, daft sich der Kiinstler nicht der politischen Wirklichkeit verschliefien diirfe (Wegner, Exil und Literatur, S. 130). Dennoch hielt er in seinem Einstehen fur die spanische Re publik Distanz von parteipolitischen Konzeptionen und 124 erklarte selbst, er ware nicht zura Politiker, "das heifit zum geist.ig durch den Willen gebundenen und eingeschrankten Menschen geboren" ("Spanien," S. 793). Wenn er auch den EinfluB des Marxismus in Spanien akzeptiert, so ist es mehr in dem Glauben, daB er dem unterdriickten Volk wenigstens eine bessere Welt eroffnen wiirde, als die Bereitschaft Manns sich einer politischen Doktrin zu unterwerfen. Zu Recht stellt deshalb Matthias Wegner diesbeziiglich fest: Der radikalen Form des Sozialismus, die sein Bruder Heinrich befiirwortete, zeigte Thomas Mann sich immer abgeneigt. Dennoch beeintrachtigte die Distanz zum Kommunismus nicht seine Meinung iiber die positive politische Kraft, die er ihm im Kampf gegen den Fa schismus zusprach. (S. 129) Im Grunde geht es dem Schriftsteller urn den Sieg des Gei- stigen iiber das Interesse und damit urn eine Welt, die durch das Prinzip der Humanitat regiert wird. Trotz aller Ent- tauschungen zweifelt er nicht an dem endgiiltigen Auskommen des Konfliktes. Wenden wir uns nun der Tatigkeit Heinrich Manns zu, so fallt uns sogleich die Vielzahl seiner Artikel zugunsten des republikanischen Spanien auf, die vor allem in Exilzeit- schriften wie Die Neue Weltbiihne erschienen Oder daneben auch in seinem im Jahre 1939 in Frankreich veroffentlichten 125 22 Werk Der Mut Niederschlag fanden . Schon wenige Tage nach dem Militarputsch Francos vom 18. Juli 1936 hatte er sich heftig gegen die "faschistische Interventionspolitik" ge- wandt und dem spanischen Volk seine Sympathie iibermitteln lassen. Gleichzeitig hatte er sich in Flugblattern an die deutsche Bevolkerung gerichtet und sie iiber die wahren Vor- gange in Spanien aufgeklart. Keine Zeit verlor der Schrift- steller auch, sich in essayistischen Darstellungen mit dem Spanienkrieg auseinanderzusetzen. So erschien schon im Oktober des Jahres 1936 ein Artikel von Heinrich Mann, der 23 die "Rettung der Zivilisation" zum Gegenstand hatte. Fiihrte der Dichter die Erscheinungsform des Faschismus in seinem Beitrag zur Spaniennummer des SDS auf die Wirksamkeit einer brutalen Macht zuriick, so nimmt er hier diesen Grund- gedanken wieder auf. Mann verurteilt die Fiihrer der fa- schistischen Machte als geistige und sittliche Wiistlinge, I 22 Hexnrxch Mann, Der Mut (Parxs : Verlag 10 Max 1939), S. 52-69. Hier sei noch darauf verwiesen, daB seine Artikel in Der Neuen Weltbuhne bereits ausfiihrlich in der Disserta tion von Horst Eckert, "Beitrage der deutschen Schriftstel ler in der Neuen Weltbuhne von 1934-1939," untersucht wur- den. Es soli jedoch auf diese Arbeit hier nicht weiter ein- gegangen werden, weil sie den Stoff vom Standpunkt des "Sozialistischen Realismus" aus behandelt. 23Pie Neue Weltbuhne. 43 (Oktober 1936), 1345-1348. 126 die darauf aus sind, das Land und die Menschen zu verwil- dern. Dabei sei kein Unterschied zwischen den deutschen und den spanischen Machthabern festzustellen, denn beide arbei- ten als Feind ihrer Nation Hand in Hand. Auf den Aufruf der Madrider Anwaltskammer, in dem gefordert wurde, die Auf- standischen in Spanien wie Wahnsinnige und Verwilderte aus der menschlichen Gemeinschaft zu entfernenj antwortet er jedoch bedanklich: Wenn es so einfach lage! Diese Wahnsinnigen sind nur ein Gipfel, und sie treten nicht grundlos auf, wie man wohl weifl . . . es wankt der Verstand einer Welt. Die Welt des Kapitals, sie ist es, die jetzt den Verstand verliert. Von vollendet Wahnsinnigen erwartet sie ihre Rettung, die Rettung einer verfallenden Wirtschafts- ordnung. (S. 1346) Auf Grund dieser Tatsache beschuldigt Heinrich Mann die kapitalistische Wirtschaftsordnung als den eigentlichen Ur- heber der Untaten in Deutschland und Spanien. "Daher die ganze Anarchie dieser Tage, die Aufgabe des Rechts, MiBach- tung alles Menschlichen, die Ehrlosigkeit der Machthaber, ihre Kauflichkeit und Mordgesinnung" (S. 1347). Und er ent- larvt das Vorgehen der Angreifer in Spanien unter dem Vor- wand der "Rettung der Zivilisation" gegen die Bedrohung des Bolschewismus als eine grobe Unwahrheit. In Wirklichkeit schaffe der Kapitalismus Sklaverei schlechthin, wohingegen 127 das republikanische Spanien urn eine bessere Ordnung kampfe. Eine eigentliche Rettung der Zivilisation sieht der Dichter in der Revolution gegen die kapitalistische Gesellschafts- ordnung, die ohnehin schon in ihrem letzten Stadium sei. Anstatt des Kapitals, Verkehrs und technischen Wirtschaft ist in den Worten Manns das Ziel seiner Revolution ein neuer Humanismus: Der neue Humanismus wird sozialistisch sein. Er wird natiirlich zuerst darum sozialistisch sein, weil sein geschworener Feind das Kapital war, die gemeine Besitz- gier, die den Menschen bis dorthin erniedrigte, wo man ihn heute antrifft. Eine neue Ordnung der Wirtschaft ist notig, damit der Mensch die Besinnung wiederfindet. . . . Was wollen wir? Uber den Zusammenklang der Dinge, Tatsachen, Instrumente soil sich nochmals beherrschend unsere Stimme erheben: vox humana. (S. 1348) Hierauf wendet sich Heinrich Mann in seinem nachsten 24 Artikel "Es ist Zeit" direkt an das deutsche Volk. Ein- gangs hebt er hervor, dafi Hitler, nicht Deutschland sich mitten im Krieg befindet. Unkenntnis uber die wahren Vor- gange und Passivitat der Deutschen hatten es einigen Aben- teurern ermoglicht, Deutschland in den schandlichen Krieg in Spanien hineinzuziehen. Das Blut, das die deutschen Soldaten dort vergossen, sei das gleiche, das von den ^ Die Neue Weltbuhne, 3 (Januar 1937), 72-75. 128 Richtblocken der Heimat fliefte. Da es nicht reiche, sich nur gegen diese Vorgange auszusprechen, fordert Mann zum Widerstand auf: "Kann man denn mit euch alles machen? Redet, Deutsche! Erhebt euch! Es ist Zeit" (S. 72). Ebenso weist er auf die Schande hin, die den Deutschen in- folge ihres Abseitsstehens widerfahre. In Spanien sinkt ihr zu verachteten Landsknechten herab. Ihr ladet auf euch den Fluch der Volker. . . . Wenn euch noch moglich ware, fur alle Falle ahnungslos zu tun. Auch das ist iiberholt. Ihr wifit, und schweigt ihr., spricht euer Gewissen. (S. 73) Zugleich weist Mann auch auf den wachsenden Widerstand hin, den zahlreichen Sabotierungen in Deutschland und vor allem die Teilnahme Deutscher in den Internationalen Brigaden. Urn Deutschland zu retten, um seine Ehre vor den andern Volkern nicht blofizustellen und nicht zuletzt, um ihre Selbstachtung zuruckzuerlangen, sollen sie ihrem Gewissen folgend dem Treiben dieser moralisch Irren ein Ende machen. "Geht den Weg der Ehre. Deutsche! Erhebt euch, sprecht euer Machtwort. Es ist Zeit" (S. 75). In anderen Artikeln appelliert Heinrich Mann unmittel- bar an bestimmte Schichten oder Gruppen in Deutschland, wie 129 25 in "Die Herrn vom Militar." Er richtet sich hauptsachlich an die hoheren Offiziere, die Intellektuellen in der Wehr- macht und macht sich dabei geschickt die Uneinigkeit dieser Fiihrungskrafte zu nutze. Es ist ein Konflikt, den sie aus mannigfaltigen Grunden nicht befiirworten konnten und der vor allem gegen konventionelle Ehrbegriffe verstoftt. Die Bom- bardierung volkreicher Stadtviertel wie anderer nichtmili- tarischer Objekte in Spanien entspricht nicht dem von Helmut von Moltke gesetzten Ehrenkodex. "Es ist falsch, die Idee eines intellektuellen Berufes an gemeine, volks- und men- schenwidrige Interessen zu verraten, und die Soldatenehre an das dritte Reich" (S. 325). Nur die Armee selbst konne Deutschland noch vor seinem Untergang bewahren. Uberdies fordere ihre Stellung und ihre Verantwortung gegeniiber dem deutschen Volk ein entschiedenes Handeln gegen das national- sozialistische Regime: Ihre eigene Berufung, wenn sie denn berufen sind, wird einzig gerechtfertigt vom Volk, und nur aus ihm kommen Sie wirklich. Hohe Berufungen wurzeln tief, wie tief, das ahnt kein Fuhrer, den eine habsiichtige Minderheit angestellt hat, damit er sie erhoht mit grofl "Macht und viel List." Es ist das Volk, das seine Soldaten und Henker hat. Beide sind groB in dem Mafie, als sie ihr Volk frei und wahr machen. (S. 326) ^ Die Neue Weltbuhne, 11 (Marz 1937), 321-326 . 130 Ebenso ruft Mann "Deutsche Mutter" auf (Der Mut, S. 54- 56), sich gegen das System in Deutschland, das ihre Sohne nach Spanien verschickt, zu erheben. Beauftragt von spani- schen Miittern klart er sie uber die Wahrheit des Kampfes in Spanien auf und schildert ihnen die schandliche Rolle, die ihre Sohne dabei spielen. Das spanische Volk verteidige seine Freiheit gegen aufstandische Generale, wohingegen ihre Sohne gedingt sind, die Freiheit fremder Volker zu vernich- ten. Zudem sei in diesem Geschaft der Machthaber keine Ehre davonzutragen, sondern sie wiirden im Gegenteil dazu ange- halten, die grauenvollsten Gewalttaten nicht nur im Kampf, sondern auch hinter der Front zu veruben. Aus diesen Grun- den und nicht zuletzt auch im Interesse ihrer Mutter.liebe, die zu allererst die Erhaltung des Lebens ihrer Sohne postu- liert, sollten sie der Mahnung der spanischen Mutter Gehor schenken, die ihnen zurufen: "Es ist an uns, die Verrater und Henker zu zwingen, damit der Massenmord junger Deutscher und Spanier aufhort, zum Wohle Eures Vaterlandes und unserer Heimat" (S. 56). Als Sprecher fur das "andere Deutschland" fuhlt sich der Schriftsteller berufen, nachdem die baskische Stadt Guernica von der deutschen Luftwaffe total zerstort wurde und ein grofler Teil seiner Bevolkerung in den Flammen umkam. 131 Entriistet beginnt Mann seine Anklage "Guernica. Eine Schan- dung des deutschen Namens" mit den verurteilenden Worten: "Die Zerstorung der Stadt Guernica und des baskischen Landes ist keine Kriegshandlung, sie ist ein gemeines niedertrach- tiges Verbrechen. Wir schamen uns der Deutschen, die es begangen haben" (Der Mut, S. 57). Mit Millionen von ehren- werten Deutschen distanziert er sich vor einer solch ab- scheulichen Tat, eine ekelerregende Grausamkeit. Sodann I mahnt der Dichter die freie Welt, daft die Flammen von Guer nica auch die Not und Unterdriickung in Deutschland selbst mitbeleuchteten. Und er schlieftt mit dem Appell, daft alle freiheitlich Denkenden den Deutschen in ihrem Freiheitskampf beistiinden, denn nur dann wurde auch die ubrige Welt von der Bedrohung mit dem "totalen Krieg" befreit: Wollt Ihr den Frieden? Freie Volker der ganzen Welt, zwingt die Machthaber Deutschlands abzutreten! Ihr konnt es, denn Deutschland will den Frieden. Glaubt uns! Die Deutschen sind Freunde des Friedens und sehnen sich danach, der Welt befreundet zu sein. Vereinigt Euch gegen den Kriegstreiber! Er hat sich die Herrschaft iiber Deutschland angemaftt, ist aber nicht deutsch. Wir sind es . (S. 59) Fiir ein Gelingen des deutschen Widerstandskampfes sah Mann die Bewegung der Volksfront von unabdingbarer Voraus- setzung, ein Gedanke, der auch in der Spanien-Nummer des Deutschen Schriftstellers Niederschlag gefunden hatte. So 132 26 wendet er sich in dem Artikel "Die deutsche VoIksfront" an alle freiheitliche Krafte in Deutschland und fordert sie zum gemeinsamen Kampf auf^ den Frieden zu retten. Der zu bekampfende Gegner ist in seinen Worten "der Egoismus der profithungrigen Kapitalmachte, der im Bunde mit der aller- deutschen Herrschsucht des Nationalsozialismus zur Eroberung fremder Gebiete treibt" (S. 551). Das Beispiel der spani- schen Volksfront habe gezeigt, daJS ein vereintes Eintreten aller Parteien gegen den Faschismus Erfolg verspreche. Spanien, das ist heute die kriegfuhrende Macht der europaischen Linken. Die spanische Republik kampft fur uns alle, das spanische Volk gibt auch dem deut schen das grofie Beispiel, das nicht vergeblich sein wird. Vergeblich ist nichts, weder Leiden, noch Muh und Arbeit, noch das sieghafte Beispiel. (S. 552) Nach diesem Vorbild Spaniens hofft Heinrich Mann auch in Deutschland Proletariat, Bauern, Mittelstand und auch die Sozialdemokratie nebst den Kommunisten zusammenzuschlieften, und so eine vereinte Widerstandsfront zu bilden. Voller Zuversicht verfolgt der Schriftsteller die all- gemeine Entwicklung des Krieges auf der Iberischen Halb- insel. So beschaftigt er sich in seinem Aufsatz "Spanische 26Pie Neue Weltbuhne. 22 (Mai 1937), 549-552. 133 Lehren" vom April des Jahres 1937 mit den Lehren, die aus dem Erfolg des Vorgehens der Republik gezogen werden konnen. Mann stellt dabei fest, daB in der Konfrontierung unifor- mierte Arbeiter und Bauern der faschistischen Armeen gelei- tet durch ihre Vernunft immer wieder ohne Verzogerung er- kennen, auf welcher Seite Wahrheit und Menschlichkeit zu finden sei. Der Faschismus dagegen enthiille sich in Spanien als "eine besonders abstoBende Form des Irrsinns" (S. 451). Ferner lehre Spanien, daB "fur die Freiheit zu kampfen groBer und besser macht" (S. 452). Dies komme vor allem darin zum Ausdruck, daB die republikanischen Soldaten stand- haft fur die Freiheit kampften, wohingegen die feindlichen Truppen nur unter Zwang handelten und deshalb bei Gelegen- heit regimenterweise iiberliefen. DaB gegen die Freiheit niemand Krieg fuhren sollte, zeigt sich in der Meinung Manns auch in der Tatsache, daB die Waffen der Gegner den eigenen bei weitem unterlegen waren. Zugleich fuhre Spanien den Demokratien Europas die wahren Tatsachen vor Augen. Viele von ihnen wxirden es jetzt bereuen, nicht der republikani- schen Losung "No Pasaran" gefolgt zu sein. Als das groBte ^ Die Neue Weltbuhne, 15 (April 1937), 449-453. 134 Vorbild jedoch fiihrt der Dichter RuBland an., das auf die Unmoglichkeit einer politischen Umwalzung hingewiesen habe, insofern diese nicht mit einem sozialen Umbau zusammenfalle. Und er pflichtet mit ganzem Herzen der Interpretation des spanischen Botschafters bei, der den Biirgerkrieg als einen Teil des internationalen Klassenkampfes mit dem Sowjetstaat als Wegweiser deutet: Was in Spanien geschieht, ist kein spanisches Problem. Es ist vielmehr der Aufstieg der Arbeiter in aller Welt zur politischen und wirtschaftlichen Macht. Die uns mit dem kommunistischen Schreckensgespenst kommen, halten noch immer bei 1917. Zwanzig Jahre sind vergangen, Rut land sieht ganz anders aus, man lese seine neue Verfas- sung. Von der Erfahrung und den Leiden RuGlands soil den Nutzen die Menschheit haben, und mu8 den Weg nicht immer von vorn beschreiten. (S. 452) Die dritte Lehre jedoch heifle, "... zugreifen und arbeiten fur kiinftig, nicht warten, bis iiber Sein und Nichtsein ent- schieden ist" (S. 453). Ein Land, das der Welt so grofle Lehren erteile, schlieSt Mann seinen Aufsatz, konne mit Sicherheit der Sympathie und Unterstutzung aller freiheits- liebenden Volker entgegenblicken. War der Dichter zu Beginn voll Hoffnung auf den Sieg iiber die internationalen Feinde durch internationale Soli- 28 daritat aller freiheitlich gesinnten Frauen und Manner, 28 Vgl. Heinrich Mann, "Spanien. So begann es," Der 135 so verdusterte sich dieser Optimismus des Dichters im Jahre 1938. In der "Zwei Jahre" (Der Mut, S. 61-64) betitelten Riickschau gibt er zwar seiner Uberzeugung Ausdruck, der heldenhafte Widerstand in Spanien habe vielen in alien Lan- dern den Glauben an eine bessere Zukunft gelehrt, seiner Versicherung "Ein Volk, das nicht besiegt werden will, ist unbesiegbar" (S. 62), fehlt jedoch der notige Nachdruck. Ebenso wirkungslos verhallt die Drohung, republikanische Boitibenge schwa der konnten in naher Zukunft auch die Metro- polen der faschistischen Lander verwusten. Damit gesteht der Dichter nur die Hoffnungslosigkeit der eigenen Situation ein. Zu Recht klagt er jedoch die Unmenschlichkeit der Gegenseite an, deren Aufgabe jeder Bindung an eine Moral die Auswirkungen des zweiten Weltkrieges vorausdeuten: "Die Gefahr ist, daft die Nationen sich gewohnen konnten, ganze Bevolkerungen mitsamt ihren Stadten augenblicks vom Erdboden verschwinden zu sehen" (S. 63). Dieser Sittenlosigkeit der "Geldmachte" schreibt Mann die scheinbare Uberlegenheit des Feindes zu, laftt aber gleichzeitig durchblicken, daft letzten Endes die Sittlichkeit den Sieg davontragen miisse: Mut, S . 54. 136 Sie glauben: der Uberlegene wird man unbedingt, sobald man fur seinen Teil die sittlichen Gesetze beseitigt hat. Was fur ein kindisches MiBverstandnisI Die sitt lichen Gesetze sind die Bewahrer der Menschheit, ohne die sittlichen Gesetze ware sie langst nicht mehr. Die spanische Republik ist sehr groB, nach zwei Jahren ihres heldenmiitigen Kampfes warnt sie Europa, und seht! — die Volker lieben sie dafur noch mehr. (S. 63-64) In ahnlicher Weise kommentiert Mann auch in dem Artikel 29 "Ruckblxck," der xm Januar 1939 xn der Zextschrxft Dxe Zukunft erschien. Obwohl die Verwiistungen in Spanien von Tag zu Tag zunehmen und die faschistische Fuhrung angekun- digt hat, alie Stadte der Republik wie Guernica in Schutt zu verwandeln, schreckten die Regierungen zuriick, zugunsten Spaniens zu interventionieren, da man den bestehenden Kriegszustand nicht eingestehen wolle. Anklagend driickt er diesen Gedanken in den folgenden Worten aus: "Die einen erhalten den Frieden, wenn sie die Bomben uber Spanien ab- werfen lassen, die anderen, indem sie ruhig zusehen. 'Es ist ja nicht Krieg' raunt das Publikum, geteilt zwischen Abscheu und Angst" (S. 6) . Wenn wir die publizistische Tatigkeit des Autoren Heinrich Mann anlaBlich des Krieges in Spanien zusammen- fassen, so konnen wir feststellen, daB er im Vergleich zu Dxe Zukunft, 1 (Januar 1939), 6. 137 seinem Bruder Thomas in einem bedeutend aktiveren Mafie in die Geschehnisse eingriff. Anstelle einer Erklarung des Konfliktes auf einer hoheren Ebene als Konfrontierung von "Interesse" und "Geist" interpretiert Heinrich die faschi- stische Bewegung als das zerstorende Wirken einer blinden und brutalen Kraft in der menschlichen Gemeinschaft, der wie im Falle der Deserteure, die Vernunft gegenuberzustellen ist. Als den eigentlichen Urheber des Ubels sieht er jedoch die Wirtschaftsform des Kapitalismus, die Geldmachte. Ihnen setzt er die proletarische Revolution und einen sozialisti- schen Humanismus nach dem Vorbilde RuSlands entgegen. Nur eine neue Ordnung der Lebensbedingungen, wie sie sich in dem Sowjetstaat ausgepragt hat, kann seiner Meinung nach den Frieden in Spanien und auch Deutschland garantieren. Damit wird der Krieg in Spanien ein Teil des internationalen Kampfes des revolutionaren Proletariats gegen die kapita- i l listische Staatsform und dem kapitalistischen Imperialismus. Schreckte Thomas Mann vor jeder parteipolitischen Stellungs- nahme oder Einmischung in seinem Eintreten gegen den Fa schismus zuriick, so glaubt sein Bruder in der Vo Iks front- bewegung den Weg eines vereinten Widerstandes gegen den internationalen Feind gefunden zu haben. Dabei zeichnet er nur ein idealistisches Bild dieser Bewegung und iibersieht 138 die Differenzen der verschiedenen in ihr zu vereinigenden Parteien, die der Politik der Volksfront ein fruhes und 30 wenig ruhmreiches Ende bereiten sollten. Nicht der Wirk- lichkeit entsprechend und damit Ausdruck eines propagan- distischen Effektes ist auch seine Einschatzung des Wider- standskampfes in Hitler-Deutschland und die Beurteilung der Kampfesstarke der republikanischen Truppen. Mit dem wei- teren Verlauf des Krieges jedoch enthullt sich sein ekla- tanter Optimismus als unwahr und er kann seine pessimisti- sche Haltung nicht mehr niederhalten. Dennoch ist er nicht bereit einzugestehen, daft die gerechte Sache einem Feind, der von unsittlichen Prinzipien regiert wird, gegen die internationale Solidaritat aller Freiheitsliebender unter- liegen soil. Beschaftigten sich Thomas und Heinrich Mann mit dem Spanienthema aus der distanzierten Perspektive ihres Exil- aufenthaltes, so war es hingegen den beiden Geschwistern Erika und Klaus Mann moglich, im Juli 1938 an Ort und Stelle Einblick in die wahre Situation in Spanien zu gewinnen. DaS die Ausfiihrung ihrer Funktion als Beobachter und 30 Matthias Wegner fuhrt die kurze Lebensdauer der Volksfront auf den Fuhrungsanspruch der kommunistischen Partei zuriick. Vgl. Wegner, S. 65. 139 Berichterstatter im Auftrage von Zeitungen nicht immer ohne Lebensgefahr verlief, beweist das absonderliche Verkehrs- mittel des Unterseebootes, das die beiden in die vom Feind 31 umschlossene Stadt Valencia brachte . Daneben waren sie auch den fast ununterbrochenen Bombardements Madrids und Barcelonas ausgesetzt. Nach ihrer Riickkehr veroffentlichten 32 sie ihre Eindriicke in dem Aufsatz "Zuriick von Spanien" in der Zeitschrift Das Wort. Darin stellen sie eingangs fest, daB trotz Heranziehung aller Nachrichtenmittel und Biichern ihre Vorstellungskraft ein vollig falsches Bild von dem Biirgerkrieg geschaf fen hatte . Weder iiber die Leiden, noch iiber die GroBe des spani- schen Volkes hatte sie uns die voile Wahrheit gesagt. Zweierlei hatte sie uns nicht deutlich machen konnen: erstens, wie furchtbar es ist in Spanien, wie grauen- voll, wie unmenschlich, wie zermiirbend und wie unsagbar traurig. Zweitens, wie schon es ist, wie liebenswert, wie beispielhaft, und wie hoffnungsvoll. (S. 39) Ungeachtet der taglichen Not und der entsetzlichen Zer- storungen durch den Feind, vor allem der brutalen Infamie O * | ''xVgl. den Brxef Thomas Manns an Agnes E. Meyer vom 18. Juli 1938. voll Erwartung ihrer Eindriicke sieht Mann der Riickkehr seiner Kinder entgegen. Gleichzeitig ist es aber auch eine Erleichterung, sie wieder in Frankreich zu wissen. Thomas Mann, Briefe 1937-1947, S. 50-51. ~^Das Wort, 10 (Oktober 1938), 39-43. 140 der Fliegerangriffe auf offene Stadte, sei das spanische Volk einig in seinem heroischen Widerstandskampf gegen die faschistische Invasion. Der gemeine Mann auf der StraBe, der Ministerprasident, Soldaten an der Front und ihre Be- fehlshaber, Sozialisten und Kommunisten wiirden aber nicht nur ein gewaltiges Beispiel des Widerstandes geben, sondern waren auch vollkommen davon uberzeugt, daB ihre Sache trium- phieren wird. Daneben bewundern Erika und Klaus Mann die uber die kriegerische Leistung hinausgehende Tatkraft der spanischen Republik. Wenn auch das aufiere Leben unter den jetzigen Umstanden armer sei, ware es innerlich reicher und erfullter geworden. So wurde das dort noch weit verbreitete Analphabetentum bekampft und Kunstschatze vor den Bombarde- ments in Sicherheit gebracht oder restauriert. Auch nehme das geistige Leben einen Aufschwung, wie junge Dichter mit Theaterstucken beweisen, die sie fur die Front schaffen: | Das Volk hat begriffen, daB dieser Krieg nicht nur mit Flinte und mit dem Flugzeug zu gewinnen ist* sondern auch mit den Gedanken, mit dem Buch. Die Antifaschisten haben sich vielfach zu bewahren: zuerst in einem Kampf, zu dem man sie gezwungen hat; dann aber auch, positiv durch humanitare Taten durch die padagogische Bemiihung, durch den Geist. (S. 42-43) Zugleich weisen die beiden ebenso die Unterstellung zuruck, die Republik ware mit der Herrschaft "roter Barbarei" 141 gleichzusetzen. In Wirklichkeit stelle das republikanische Spanien mit seinen Institutionen das dem Volk eigenste und von ihm sehnlichst verlangte Bild einer Lebensform dar. Auf Grund dieser positiven und zukunftstrachtigen Haltung Spa- niens, das an den Wert und Sinn dieses Kampfes glaubt und iiber sein erfolgreiches Auskommen keine Zweifel aufkommen laftt, schopfen die beiden Dichter neue Hoffnung. Nach den langen Jahren der Verbannung fuhlen sie zum ersten Mai, dafi sie in ihrem Widerstand gegen den Faschismus erfolgreich sein konnten. Die Begegnung mit dem kampfenden spanischen Volk bezeichnen sie deshalb als das bisher schonste Erlebnis jdes Exils : I Spanien ist Beispiel. Die Reise, von der wir zuriick- kehren, hat in unseren Herzen ihre Spuren hinterlassen. Es war keine erheiternde Reise— wir haben ein Grauen kennengelernt, das uns noch fremd war— dem Elend und der Verwiistung sind wir begegnet. Trotzdem, und dies ist die Wahrheit: zum ersten Mai seit dem Tage unserer | Emigration haben wir gefiihlt, dafi wir siegen konnen. | Dies Erlebnis, das spanische Volk im Kampf zu sehen gegen die Feinde seiner Freiheit, die die unseren sind, — dies Erlebnis ist unaustilgbar und es ist das schon- ste, was uns in der Verbannung begegnet ist. (S. 42) j | Die psychologische Bedeutung dieser Schluftfolgerung Erika und Klaus Manns muB wohl fur die ubrigen Exilschriftsteller und auch andere Emigranten ungeheuer gewesen sein, wie schon Thomas Manns Stellungnahme hierzu andeutete. Fur 142 viele bedeutete es nach fast fiinf Jahren des Herumgeworfen- seins in fremden Landern, finanzieller Not, Zerrissenheit von Familien und Freunden den ersten Hoffnungsschimmer. In dem siegreichen Ausgang des spanischen Biirgerkrieges sahen sie eine Chance auch in Deutschland eine Wende auszulosen. Von Interesse in Bezug auf die Tour durch Spanien der beiden Schriftsteller-Geschwister ist auch ihre Konfrontie- rung mit deutschen Kriegsgefangenen der sogenannten Legion Condor, den Truppen Hitlers. Klaus Mann berichtet von einer solchen Gegeniiberstellung mit zwei abgeschossenen Piloten, die sich ihm gegeniiber auSerst unterwiirfig und redefreudig benahmen. Auf seine Frage jedoch, warum sie nach Spanien gekommen waren, hatten sie alle Schuld von sich gewiesen und sich auf typische Vorwande wie Pflicht, Befehl, Disziplin, des Fiihrers Wille berufen. Sarkastisch kommentiert der Dichter in seiner autobiographischen Darstellung Der Wende- punkt deshalb riickblickend: Wie oft ich noch dergleichen horen werde, sechs, sieben Jahre spater. . . . Immer die gleiche Forme1, der gleiche larmoyante Ton! "Ich kann nichts dafiir . . . Befehl von oben, von noch hoher, von der hochsten Spitze! Befehl vom Fuhrer. . . . Womit das Schuldproblem erledigt ist.33 33 (Frankfurt a/M: Fischer-Verlag, 1958), S. 410. 143 AbschlieBend verdient noch die publizistische Tatigkeit von Ludwig Marcuse besondere Beachtung. In dem Aufsatz 34 "Miguel de Unamuno. Der zweite Don Quichotte" warnt er indirekt davor, dem vermeintlich Verbiindeten ihrer Sache voreiliges Vertrauen zu schenken. Wie in dem Fall Gerhart Hauptmanns und Bernard Shaws sei jetzt die Fraternisierung des spanischen Philosophen Miguel de Unamuno mit der fa- schistischen Partei nicht als ein unerwarteter Wandel zu deuten, sondern musse auf das falsche Bild, das viele seiner Anhanger von ihm hatten, zuriickgefuhrt werden. Obgleich er mit seinen Lehren den Anschein erweckt, ein Streiter fur die Sache des Volkes gegen die Unterdruckung der GroBgrund- besitzer und Bankiers zu sein, entlarvt Marcuse den Philo sophen als einen weltfremden Idealisten, der ohnmachtig ist, das ins Werk zu setzen, was er gepredigt hatte. Seine Sehn- sucht und sein Glauben an ein besseres Dasein allein loschen das schlechte bestehende nicht aus. Statt einer dem Zeit- alter der Technik angepaBten neuen Gesellschaftsordnung sieht Unamuno die Zukunft Spaniens namlich in einem fruheren Jahrhunderten nachgebildeten Agrarstaat. Daher formuliert Marcuse polemisch: ^ Das Wort. 5 (November 1936), 65-70. 144 Wahrscheinlich ist der zweite Don Quichotte nur ein gelehrter und enthusiastischer Narr, der vor allem deshalb der groBte Philosoph Spaniens geworden ist, weil er das Niitzliche, welches fur die Mehrzahl das Schadliche ist, so kraus vorbringt, daB man es fur den abgelegensten Tiefsinn halten muB. Aber dieser sinnlose ExzeB eines bodenlosen Idealismus, diese Schwarmerei fur eine Heimat, die hinter dem Wall der Pyrenaen das Zeitalter der Technik verschlafen und einem kommenden Mittelalter entgegentraumen soli — dieses scheinbar Absurdeste reiht sich wiirdig ein in die lange, bunte Front a Her jener Helden, welche die Zukunft furchten. Der Narr in Don Quichotte, der von Primo de Rivera seines Amtes enthoben wurde, ist jetzt von Primos Erbe in eben dieses Amt eingesetzt worden. Unamunos Leben hat die Logik des alten Kam- pfers gegen die Windmuhlen. (S. 69) Unamunos leerem Idealismus halt Marcuse indessen den Marxis- mus entgegen, der allein in Spanien dem unterdriickten Volk Abhilfe leisten konne. Nur durch ihn ware es moglich, mit nachhaltigem Erfolg in Spanien die Machtherrschaft der Kapitelmachte zu brechen und neue menschenwiirdigere Lebens- bedingungen herbeizufuhren. Diese untersuchende Darstellung des umfangreichen journalistischen und publizistischen Engagements deutscher Exilschriftsteller zugunsten des spanischen Volkes zeigte uns Beitrage, die von informierenden ArtikeIn, Reportagen, Erlebnisberichten und Aufrufen bis zu Aufsatzen und Essays von tieferem durchleuchtenden Charakter reichten. Aus ihrer Perspektive in der nichtfaschistischen Welt bemiihen sie sich in ihrer Stellung als Autoren dem deutschen Volk und auch 145 den ubrigen Nationen die mit dem Kampf in Spanien aufge- worfenen Fragestellung in drastischer Weise vor Augen zu fiihren. Es ging namlich nicht nur um die Freiheit des spanischen Volkes, sondern auch um die Niederringung der Hitlerschen Machtausiibung in Deutschland, um die Erhaltung des Menschentums und nicht zuletzt der Kultur. Wenn der Sieg iiber den Faschismus auf der Iberischen Halbinsel nicht errungen werden konnte, wiirde dies nicht nur die vollige Entmutigung der antifaschistischen Exilanten bedeuten, son dern ebenso eine Katastrophe fur das gesamte Menschentum. Aus diesem Grunde entlarven die Autoren schonungslos die wahren Vorgange in Spanien in alien ihren Aspekten, stellen Wesen und Funktion des Kampfes dar und appellieren schlieS- lich fiir eine internationale Solidaritat zur Brechung der faschistischen Machtherrschaft mit alien Mitteln. Dabei liberrascht es keineswegs, wenn mitunter wie beispielsweise im Falle Thomas Manns, ihre Stellungsnahmen in einen ent- setzten Aufschrei und Hilferuf an die freie Welt miindete, die in ihnen Sprecher fiir ein anderes Deutschland sehen sollten. Zudem spiegelt sich in dem journalistischen und publizistischen Schaffen der Dichter auch die individuelle Stimmung im Einklang mit dem Fortschreiten des spanischen Biirgerkrieges . Sie reicht vom aufiersten Optimismus infolge 146 der anfanglichen militarischen Erfolge und gestiitzt auf den Sieg der moralisch gerechten Sache, bis zu nur schlecht verhaltenem Pessimismus mit den zunehmenden Verlusten der republikanischen Truppen und insbesondere mit dem beschlos- senen Abzug der Internationalen. Am bedeutendsten fur die Moral der im Exil lebenden Autoren war jedoch die Hoffnung, ein siegreiches Auskommen des Spanienkampfes konne auch eine Anderung in Deutschland herbeifuhren. Deshalb muB auch der optimistischen Stimmung Erika und Klaus Manns anlaBlich ihrer Tour durch das kriegsuberzogene Land weittragende Wirkung zugeschrieben werden. In welchem MaBe indessen ihre personlichen Eindriicke der reellen Situation entsprachen^ soil hier dahingestellt sein. Mangels ihrer begrenzten Perspektive sprachen sie ohne Zweifel Einzelerfahrungen eine zu starke Bewertung zu. Dies spiegelt sich ebenfalls in ihrer Uberschatzung der von der Republik geleisteten Aufbau- arbeit auf dem Gebiet des geistigen Lebens wider. Ungeach- tet der Beitrage, die sich auf eine blofie Schilderung oder Feststellung der Tatsachen beschranken, interpretierten die Schriftsteller in einer Mehrzahl der Falle die Vorgange in Spanien aus marxistischer oder zumindest stark linksge- richteter Sicht. DaB dabei nicht selten das Thema Spaniens im parteipolitischen Sinne ausgebeutet wird, ist zu 147 erwarten. Der Kampf in Spanien bedeutet fiir sie einen Teil des internationalen Klassenkampfes des Proletariats gegen die iiberkommene kapitalistische Gesellschaftsordnung. In oft einseitiger Schwarz-Weifi-Zeichnung, verbunden mit blin- den Idealismusj wird die Sowjetunion aIs das grofie Vorbild einer neuen Ordnung in Spanien und in aller Welt angeprie- sen. Auf die gleiche Quelle ist auch der immer wieder zu horende Ausruf "und wir siegen doch!" zuruckzufuhren. Wenn auch die Abhangigkeit der Schriftsteller von parteipoliti- schen Dogmen mit unverkennbarer Bestimmtheit bei den je- weiligen Autoren variiert, so sieht man doch allgemein im Marxismus eine Moglichkeit, Abhilfe in Spanien zu schaffen und den Faschismus niederzuwerfen. Neben erklarten Kommu- nisten wie Willi Bredel, Bodo Uhse, Egon Erwin Kisch^ Erich We inert und Anna Seghers hoffen auch Heinrich Mann und Lud wig Marcuse auf eine Rettung durch den Marxismus. Thomas Mann hingegen glaubt zwar an die Notwendigkeit einer neuen Gesellschaftsordnung^ betrachtet aber den Kampf in Spanien nicht aIs einen Teil des sogenannten internationalen Klas senkampfes oder als eine proletarische Revolution nach dem Muster der Sowjetunion. In seiner Verteidigung der Men- schenrechte und der Humanitat an sich zieht er indessen die Lebensform der "roten Barbarei" einer faschistischen 148 Herrschaft vor. Die Frage nach der propagandistischen und publizisti- schen Zielsetzung dieser journalistischen und publizisti- schen Tatigkeit der exilierten Schriftsteller schlieftt eine Beantwortung von vornherein aus, da ihre Hauptabsicht un- verhiillt darin bestand, durch diese Beitrage die Sache Spa- niens und der antifaschistischen Bewegung zu propagieren. Dem Propagandaeffekt zugeschrieben werden kann in gewissem Mafte auch das immer wiederkehrende Motiv der von deutschen Bomben getoteten Kinder und die detaillierte Darstellung des Leidens der Zivilbevolkerung. Daft indessen ihre Beweis- fuhrung nicht immer den Tatsachen entsprach, konnte bei Heinrich Mann beobachtet werden, dem es nicht immer gelang, die wahre Situation durch seinen vorgegebenen Optimismus glaubhaft zu vertuschen und der dem Ausmaft der Widerstands- bewegung in Deutschland voreilig eine zu grofte Bedeutung zumiftt. Was aber eine literarische Wertung dieser in Bezug auf Spanien entstandenen Werke anlangt, so steht aufler Zwei- fel, daft insbesondere den Essays von Thomas Mann und seinem Bruder Heinrich kunstlerische Beachtung gebiihrt. Eine separate Untersuchung diesbeziiglich ware erwiinschenswert. Nicht zuletzt wird auch der Zeitfaktor bei den ubrigen hier angefiihrten Beitragen ihre potentiale literarische Einstu- fung mitbestimmen. KAPITEL IV DAS DRAMA Obwohl das Theater als ein literarisches Mittel wohl am besten dazu geeignet ist, soziale und politische Ideen dar- zustellen, iiberrascht es uns nicht, daft die Dramatik, die sich mit dem Kampf in Spanien befafit, nur mit verhaltnis- mafiig wenigen Werken vertreten ist. Fehlte doch dem ins Ausland gegangenen deutschen Schriftsteller in jeder Bezie- hung die Moglichkeit, mit seinem Buhnenwerk Zugang zu einem breiteren Publikum zu haben.'1 ' Nur an kleineren Biihnen ■'"Agnes Hufner verweist in einer Darstellung der Auf- fuhrungen von Brechts Stucken in Frankreich auf die beson- deren Merkmale dieser Inszenierungen im Exil hin: "die Mit- wirkung fast ausschlieSlich deutscher Schauspieler, die be- grenzte Auffuhrungszahl, die geringe offentliche Wirkung. . . . Der Charakter der bewuSt antifaschistischen Demonstra tion, zum Teil auch die Deutschsprachigkeit der Auffuhrungen machten diese Veranstaltungen zu den Internen Versammlungen der Exilierten, an denen einige franzosische Intellektuelle teilnahmen. Nur wenige franzosische Zeitungen brachten An- kundigungen oder Rezensionen." Agnes Hufner, Brecht in Frankreich 1930-1963; Verbreitung, Aufnahme und Wirkung (Stuttgart: Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 1968), S. 11. 149 150 konnten Versuche unternommen werden, die Schwierigkeiten zu iiberwinden und deutschsprachige Stiicke zu inszenieren. Trotz diesen fiir die Dramenproduktion widerwartigen Um- standen entstanden eine Reihe von Stiicken uber den spani schen Biirgerkrieg, die auf namhafte deutsche Exilautoren zuriickgehen. Das wohl bekannteste Werk schuf Bertolt Brecht mit seinem Einakter Die Gewehre der Frau Carrar (1937). Daneben findet sich das Spanienthema auch in seiner Szenen- folge Furcht und Elend des Dritten Reiches (1938). Ludwig Renn schrieb wahrend einer langeren Krankheit ein Stuck, welches den Titel "Mein Maultier, meine Frau und meine Ziege" (1938) tragt und Friedrich Wolf verfaBte drei Spanienszenen unter dem Titel "Wir sind mit euchl" (1937), nachdem er schon zuvor in dem Drama Das trojanische Pferd (1936) den Konflikt auf der Iberischen Halbinsel beriihrt hatte. Nicht zuletzt sind hier auch die dramatischen Bei- trage von Erich Weinert zu erwahnen, den der Dichter Zwie- gesprach im Morgengrauen und Denen ist gar nichts heilig (1938) betitelte. 2 Bertolt Brechts Einakter Die Gewehre der Frau Carrar Gesammelte Werke, Bd. VII: Stiicke aus dem Exil (Ber lin und Frankfurt: Suhrkamp, 1957). Samtliche Zitate aus diesem Stuck werden unter Angabe der Seitenzahl im Text an- gefuhrt. __________________________ _______________________ ________ 151 wurde fur eine Truppe in Paris geschrieben. Die Anregung fur dieses Stuck stammte von John Millington Synges Tragodie 3 Riders to the Sea, sowie der Blockade von Bilboa . Hinzu kamen die Aufzeichnungen von Brechts Mitarbeiterin Margarete Steffin, die nach Spanien gegangen war, um dort an Ort und Stelle Material zu sammeln. Zeit und Ort des Stuckes be- schreibt der Dichter eingangs folgendermafien: Eine der Nachte des April 1937 in einem anaalusischen Fischerhaus. In einer Ecke der geweiflneten Stube ein grofies schwarzes Kruzifix. Eine vierzigjahrige Fischer- frau, Teresa Carrar, beim Brotbacken. Am offenen Fen- ster ihr funfjahriger Sohn Jose, einen Netzpflock schnitzend. Ferner Kanonendonner. (S. 7) Die Fabel des Schauspiels schildert die Wandlung der Frau Carrar, die glaubt, den Krieg mit ihren beiden Sohnen uber- stehen zu konnen, wenn sie sich gegenuber den kampfenden Parteien neutral verhielte. Der Dichter umreiBt selbst den Handlungsablauf der acht Szenen wie folgt: 1. Szene: Teresa Carrar, Witwe eines bei einem Aufstand gefallenen Fischers, liberwacht beim Brotbacken und Netzflicken ihre zwei Sohne, die zur Front wollen, um gegen die Faschisten zu kampfen. 3 Ursprunglich nannte Brecht sein Schauspiel Generale uber Bilbao. Erst kurz vor der Urauffuhrung des Werkes erhielt es den Titel Die Gewehre der Frau Carrar. 152 2 . Szene: Ein Arbeiter, Pedro Jaqueras, kommt von einem Frontab- schnitt, wo gegen Francos Generale gekampft wird. Seine Schwester Teresa empfangt ihn mit MiStrauen. 3 . Szene: Eine Miliz-Soldatin, Manuela, Freundin von Teresa Carrars altestem Sohn Juan, beschuldigt Frau Carrar, sie sei fur Francos Generale, weil sie Juan von der Front abhalt. 4 . Szene: Pedro Jaqueras sucht Carlo Carrars Gewehre, wird aber unterbrochen durch die Ankunft des Dorfpfarrers, den Frau Carrar in der Hoffnung geholt hat, er konnte ihren Bruder und ihren Sohn uberzeugen, dafi die verschont werden, die nicht kampfen. Der Pfarrer enttauscht Frau Carrar. Pedro bringt ihn zum Schweigen. 5 . Szene: Der Arbeiter findet und priift Carlo Carrars Gewehre. Frau Carrar verlangt ihr Eigentum zuriick und versteckt die Gewehre wieder. Die Zerreifiung der roten Fahne. 6 . Szene: Frau Perez, deren Tochter gegen Franco gekampft hat und gefallen ist, will Frau Carrar trosten, wird aber von ihr beleidigt. 7 . Szene: Mit List und Gewalt sucht Frau Carrar ihren Sohn von der Front zuruckzuhalten. 8 . Szene: Fischerleute bringen Frau Carrar ihren Sohn in ihre Stube: Er ist beim Fischen von den Faschisten abge- schossen worden. Frau Carrar fordert jetzt ihren Bruder und ihren Sohn auf, die Gewehre herauszunehmen. Sie geht anstelle Juans mit an die Front In der Zeit, die notig ist, um ein Brot zu backen, erfahrt 4 • • Zitiert aus Werner Mittenzwei, Bertolt Brecht (Berlin: Aufbau-Verlag, 1962), S. 223-224. 153 die Hauptgestalt dieses Stiickes, Frau Carrar, daB es un- moglich ist, angesichts der Gewaltherrschaft neutral zu bleiben. Ihre Haltung der Nichteinmischung schiitzte sie nicht davor, auch noch ihren altesten Sohn Juan zu verlie- ren. Wenn sie sich und ihre Sohne retten will, gibt es nur einen Ausweg und eine letzte Hoffnung, namlich den Kampf mit der Waffe. Mit dieser Aufforderung, zu den Waffen zu greifen, nimmt Brecht den Bereits auf dem II. Internationa- len SchriftstellerkongreB vertretenen Gedanken wieder auf, "Die Kultur, angegriffen mit materiellen Waffen, muB mit materiellen Waffen verteidigt werden" ("II. KongreB," S. 59). Es besteht keine Moglichkeit, sich aus der Auseinan- dersetzung mit dem Faschismus, wie es sich am Beispiel des Spanienkampfes zeigt, herauszuhalten. Nur aktives Eintre- ten, Gewalt, kann den Weg zur Freiheit und besseren Lebens- bedingungen ebnen. Unterzieht man den Charakter der Frau Carrar einer naheren Betrachtung, so lafit sich leicht erkennen, daB sie in ihrer Haltung keineswegs eine idealistische Pazifistin 5 ist. Nicht aus religiosen oder weltanschaulichen Griinden 5 . . . . . . Siehe Henning Rischbieter, Brecht I, Friedrichs Drama- tiker des Welttheaters, Bd. 13 (Hannover: Friedrich Verlag, 1966), S. 142. 154 hat sie sich von jeglicher Einmischung in den Konflikt zuriickgezogen, sondern aus dem reinen Willen zu iiber leben. Nach dem Tod ihres Mannes, der im Kampf gegen Franco und die Faschisten gefallen war, ist sie nur noch darauf bedacht, unter alien Umstanden die Ihrigen aus dem Krieg herauszu- halten. Diese Grundhaltung auBert Frau Carrar in der Aus- einandersetzung mit Pedro in den Worten: Wir haben es nicht so gut, und es ist nicht so leicht, dieses Leben zu ertragen. Aber es geht nicht mit dem Gewehr. Das sah ich, als sie ihn hereinbrachten und ihn mir auf den Boden legten. Ich bin nicht fiir die Generale, und es ist eine Schande, das von mir zu sagen. Aber wenn ich mich still verhalte und meine Heftigkeit bekampfe, dann lassen sie uns vielleicht verschont. Das ist eine einfache Rechnung. (S. 45) Obwohl sie vim die Unterdriickung weiB, ist sie nicht von der Notwendigkeit einer eindeutigen Stellungsnahme gegen den Faschismus iiberzeugt, denn: "Wir sind arme Leute, und arme jbeute konnen nicht Krieg fiihren" (S. 11). Aber sie fiihlt i selbst, daB sie mitunter in der Verteidigung ihren passiven Haltung zu weit geht. So meint sie nach einem Streit mit der alten Frau Perez, bei dem sie sich zu Beleidigungen hinreiBen lieB, schuldbewuBt: "Das schlimmste ist, daB sie einen mit ihrer Hartnackigkeit dahin bringen, daB man lauter Dinge sagt, die man gar nicht meint" (S. 51). Uberhaupt stelIt die alte Frau Perez in ihrer Haltung eine 155 Gegengestalt zu Frau Carrar dar- Trotz dem Verlust ihrer Tochter, die als Lehrerin nicht mehr langer lehren konnte, daB "zwei mal zwei fiinf und der General Franco von Gott geschickt sei" (S. 49) und deshalb den Kampfenden gefolgt war, halt die alte Frau an ihrem Glauben an dem Widerstand fest. Die groBte Beschamung ist fiir sie indessen, daft ihr Sohn Fernando auf Seiten Francos kampft. Sich nicht einmischen wollte auch der Padre, dessen neutrale Stellung zum Konflikt auf seine religiose Bindung zuriickgeht. In der auf die Frau Carrar gezielten Unter- redung zwischen ihm und dem Arbeiter Pedro zeigt er zwar Sympathie fiir die Sache der republikanischen Regierung, schreckt jedoch vor einer aktiven Parteinahme zuriick. "Fiir mich gilt das Wort unseres Herrn: Du sollst nicht totenl Ich bin kein reicher Mann. Ich besitze kein Kloster und teile mit meiner Gemeinde das Wenige" (S. 32). Wie leicht diese Haltung der Nichteinmischung zu unmenschlichen Gewalt- taten fiihren kann, deutet der Arbeiter an, wenn er dem Priester klarmacht, daB er infolgedessen im Grunde jedes Blutbad der spanischen Generale billige. Und er ermahnt ihn, als dieser abwehrend seine Hande erhebt: "Lassen Sie Ihre Hande einen Augenblick oben. In dieser Haltung sollen funftausend von uns in Badajoz aus den belagerten Hausern 156 getreten sein. Sie wurden in eben dieser Haltung nieder- geschossen" (S. 34). Dennoch gelingt es Pedro nicht* ihn von der Unrichtigkeit seines Verhaltens zu uberzeugen. Auch versagt der Priester* Frau Carrar in ihrer neutralen Haltung zu bestarken, denn er kann keine Garantie dafiir iibernehmen* daft sie und ihre Sohne absolut sicher sind* solange sie fiir Gewaltlosigkeit einstehen. Den richtigen Weg von Anfang an hat dagegen der Arbei ter Pedro Jaqueras eingeschlagen* fiir den kein Zweifel herrscht, daft die Macht der Faschisten nur mit Gewalt zu brechen ist. Die Front hat er nur verlassen* um seine Schwester Carrar zur Herausgabe der dringend benotigten Gewehre zu bewegen. Aus diesem Grunde betont er auch wie- derholt gegeniiber der Carrar die schwerwiegenden Konsequen- zen ihres Beschlusses* neutral zu bleiben. Ein bezeich- nendes Beispiel hierfiir ist seine zornige Anklage in Bezug auf Inez: Ja* du bist gegen Inez! Indem du ihr nicht geholfen hast, warst du gegen sie! Du sagst ja auch* du bist nicht' fiir die Generale. Und das ist ebenso unwahr* ob du es weiftt oder nicht. Indem du uns nicht gegen sie hilfst* bist du fiir sie. Du kannst nicht neutral blei ben* Teresa! (S. 51) Auf diese Weise exponiert Brecht die Haltung seiner Frau Carrar. In nicht selten zugespitzter Dialogfiihrung 157 lafit er ihre Einstellung und Verhaltensweise in der Aus- einandersetzung mit ihrer Umwelt zutage treten. Wenn sie sich dabei auch nach auften immer mehr gegenuber alien Gegen- stimmen zu verharten scheint, wachst im Innern doch die wahre Einsicht, dafl sie durch ihre Kapitulation vor der Gewalt den falschen Weg eingeschlagen hatte. Dies zeigt sich besonders deutlich in der Szene, als sie die von ihr im Streit zerrissene Fahne wieder aufsammelt. "Sie geht still zu der kleinen Fahne, nimmt sie hoch und zerreiftt sie. Dann, sogleich, biickt sie sich und sammelt die Fetzen wieder auf, sie in die Tasche steckend" (S. 45). Daher kann ihr plotzlicher Umschlag am Ende des Stiickes nicht als vollig unmotiviert bemangelt werden, wie es beispielsweise von dem danischen Schriftsteller Martin Andersen-Nexo geschehen war. Dieser gestand zwar zu, dafi die plotzliche Wandlung im Lese- drama von groSerer Wirksamkeit war im Vergleich zum aufge- fuhrten Schauspiel: Nimmt man in der Lekture die letzten Worte der Mutter in sich auf, dann wirkt dies "Ja fiir Juan" der Frau Carrar, die ungeheure Wandlung erlebt, erschiitternd. Die Lyrik des Endes schwingt lange im Leser nach. . . . Aber das Spieldrama, gesehen und aufgefafit vom Zuschauer, den optische und akustische Effekte der Buhne mitreifien sollen (im Zusammenhang mit den undefinierbar stimmungs- gemaflen der jeweiligen Szene), entbehrt— nach beschei- dener Auffassung, die indes bei den iibrigen Betrachtern Anklang findet— des zugkraftigen (in guten Sinne) Ab- schlusses, welcher Ende und neuen Anfang aufzeigt— wie 158 eine "neutrale" Mutter zur politischen Kampferin heranwachst Auch der Dichter selbst schien in dem abrupten SchluB eine Schwache zu sehen. Um ihn auf der Buhne wirksamer zu ma- chen, empfahl er deshalb jeden Einwand in der Diskussion als StoB darzustellen, der die Carrar erschiittert, so daB sie sich mehr und mehr verhartet und bei dem letzten, dem Tod 7 Juans, plotzlxch zusammenbrxcht. Ruth Berlau charakteri- siert den Umschlag der Frau Carrar treffend mit dem folgen- den Bild: "Es ist . . . als hatten wir einen Becher auf der Buhne und wir horten deutlich, wie ein Tropfen nach dem 0 anderen hereintropft— bis das MaB voll ist." Es uberrascht einen nicht, wenn wiederholt im Zusammen- hang mit dem Stuck Die Gewehre der Frau Carrar auf seine Verwandtschaft mit Mutter Courage und der Hauptfigur in dem Lehrstiick Die Mutter hingewiesen wird. Wie Teresa ist auch Anna Fierling standig bemiiht, den Krieg mit ihren Kindern sicher zu uberstehen. Dies gelingt ihr jedoch nicht. Der 6Zitiert aus Mittenzweij S. 239. 7Bertolt Brecht, "Die Dialektik auf dem Theater," Ver- suche. 15 (1957), 96f. Q °Sxehe Edgar Kxrsch, "Der spanxsche Freiheitskampf (1936-1939) im Spiegel der antifaschistischen deutschen Literatur," S. 118. 159 Unterschied zwischen den beiden Werken liegt nach Henning Rischbieters Ansicht darin, daft der Dreiftigjahrige Krieg in der Ansicht Brechts und der Courage nur ein nutzloses Blut- bad ist, in dem es sich nicht lohnt Partei zu ergreifen. Dagegen zeichnen sich im spanischen Biirgerkrieg die Fronten klar ab und es ist sinnvoll gegen die Faschisten zu den Waffen zu greifen (Rischbieter, S. 141). Was die Gestalt |der beiden Titelheldinnen anbetrifft, so sieht die Courage I zwar gelegentlich die Sinnlosigkeit des Krieges ein, gibt jedoch nie ganz die Hoffnung auf, am Krieg zu verdienen. Selbst der Verlust ihrer drei Kinder vermag sie nicht zu I wandeln. Frau Carrar hingegen erfahrt die Konsequenzen ihres Abseitsstehens und trifft die richtige Entscheidung, indem sie sich bedingungslos den Kampfenden anschlieftt. So stellt Martin Esslin diesbezuglich kennzeichnend fest: i . . . in "Mother Courage" where the mother image is overlaid by the camp follower's greed for profit and ! her war guilt yet breaks through to the audience with | elemental force; in "Senora Carrar's Rifles," where mother-love emerges from the selfishness with the readiness to sacrifice even one's children in the fight against the class enemy." Ahnlich in der Ausgangssituation ist auch das Drama Die Q Brecht. The Man and His Work (Garden City, N.Y.: Doubleday and Co., 1961), S. 251. 160 Mutter, das auf das friihe Schaffen Brechts zuriickgeht und zu den sogenannten Lehrstucken zahlt. Auch hier versucht die Hauptfigur Pelagea Wlassowa sich und ihren Sohn aus politischen Ereignissen herauszuhalten. Allmahlich muft sie aber einsehen, welche abwegigen Folgerungen ihre Haltung mit sich bringt. So wird sie schlieftlich Revolutionarin mit Leib und Seele. Wenn sie dennoch ihren Sohn verliert, so weift sie wenigstens, daft er fur eine gute Sache sein Leben gegeben hat. ^ Brecht griff in seinem Schauspiel uber Spanien eigen- tiimlicherweise auf die aristotelische Technik zuruck. Er vermerkt selbst in seiner Anmerkung zu diesem Drama: "Es ist aristotelische (Einfiihlungs-) Dramatik" (S. 60) und erklarte bei einer anderen Gelegenheit, daft es unexperimen- telles, altesj handfestes Theater sei. Der Beweggrund diese traditionelle Form zu benutzen liegt wahrscheinlich weniger darin, daft der Dichter auf experimentellem Wege nach neuen Wirkungsmoglichkeiten suchte, wie zum Beispiel der Kritiker Werner Mittenzwei meinte (S. 233). Vielmehr ist anzunehmen, daft er mit seinem Werk eine unmittelbare Reaktion und " * ’^Siehe Anna Seghers, "Helene Weigel spielt in Paris," Internationale Literatur, 4 (1938), 126. 161 direktes Handeln anstrebte . Daher ist die Wirkung des Dramas auch auf den gefiihlsgeladenen Effekt des Schlusses aufgebaut, als Frau Carrar Verwiinschungen auf ihren Sohn ausstoBt, von dem sie glaubt, daB er ihrem Gebot des Neu- tralseins zuwidergehandeIt hatte: Wenn er mir das angetan hat und zur Miliz gegangen ist., dann soil er verflucht sein! Mit ihren Fliegerbomben, Sollen sie ihn treffen! Mit ihren Tanks sollen sie ihn niederfahren! . . . Ich werde ihm sagen, daB ich niemand in meinem Haus haben will, der sich mit Blut befleckt hat. Ich werde ihn mir abhauen wie einen kranken FuB. Das werde ich. Sie haben mir schon einen gebracht. Der meinte auch, er werde schon Gluck haben. Aber wir haben kein Gluck. Das werdet ihr vielleicht noch begreifen, bevor die Generale mit uns fertig sind. Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen. (S. 56) Da bringt man den toten Juan. Aber auch in anderen Szenen wird der Zuschauer konform mit dem aristotelischen Theater in die Aktion verwickelt, wie beispielsweise am SchluB der Unterredung mit der alten Frau und noch ausgepragter, als der Padre auf die Frage nach der Sicherheit der Carrars infolge ihrer Neutralitat ohnmachtig schweigt. DaB Brecht dennoch Zweifel hatte an der Wirksamkeit dieses Stiickes in der traditionellen Darstellungsweise druckt seine Anmerkung ■^Siehe Frederic Ewen, Bertold Brecht. His Life, His Art and His Times (New York: The Citadel Press, 1967), S. 319 . 162 aus : Die Nachteile dieser Technik konnen bis zu einem ge- wissen MaBe ausgeglichen werden, wenn man das Stuck zusammen mit einem Dokumenten-Film, der die vorgange in Spanien zeigt, oder irgendeiner propagandistischen Veranstaltung auffiihrt. (S. 60) Durch dieses technische Mittel kommt dem individuellen Schicksal der Frau Carrar eine allgemeinere Bedeutung zu. Einen weiteren epischen Zug erhielt das Drama durch das Vor- und Nachspiel, die anlaBlich einer schwedischen Auffiihrung entstanden. Der Prolog findet in einem franzosischem Kon- zentrationslager statt, in dem Frau Carrar, ihr Sohn und der Arbeiter Pedro interniert sind. Auf die skeptische Frage eines franzosischen Wachpostens, ob es sich liberhaupt ge- lohnt hatte zu kampfen, nachdem die TsChechen auch vergeb- lich Widerstand geleistet hatten, erklart Pedro auf seine Schwester deutend: Sie stellte ebenfalls die Frage: Wozu kampfen? Sie fragte das nicht bis zuletzt, aber sehr lange, fast bis zuletzt, und wie sie stellten diese Frage— wozu kampfen?— viele ihresgleichen sehr lange, fast bis zuletzt. Und daB sie diese Frage so lange stellten, das war einer der Griinde dafiir, daB wir geschlagen wurden, seht ihr. Und wenn ihr diese Frage einmal stellen werdet, wie sie, dann werdet auch ihr geschla- 19 gen werden.^ 12 . Zitxert aus Mxttenzwex, S. 226. 163 So verliert das Drama sowohl durch die Anmerkung Brechts, als auch durch die spatere Erweiterung seinen rein aristo- telischen Charakter. Gleichzeitig verleihen diese epischen Ziige jedoch der politischen Aussagekraft der Gewehre der Frau Carrar grofieren Nachdruck. Der Erfolg dieses Biihnenwerkes blieb nicht aus . Nach seiner Urauffiihrung im Jahre 1937 in Paris folgten weitere Inszenierungen in Kopenhagen und Prag. Mit der hervorragen- den Schauspielerin Helene Weigel in der Hauptrolle und Ama- teuren in den ubrigen Rollen wurde vor allem fur ein Publi- kum gespielt., das sich aus deutschen Emigranten zusammen- setzte. Tief beeindruckt berichtete Anna Seghers nach der Pariser Auffiihrung: "An diesem Abend in Paris haben wir gemerktj was ein deutsches Theater bedeuten kann" (S. 127). Und sie fiigt hinzu, dafi die Vorstellung von vielen deutsch- sprechenden Exilanten besucht wurde, die gewohnlich ahnli- chen Veranstaltungen fernblieben. Ebenso enthusiastisch schreibt Martin Andersen-Nexo: "Der Abend wurde ein grolbes Erlebnis. . . . Brechts Stuck ist einfach und geradezu wie ein Marchen von H. C. Andersen. Es enthalt auf die gleiche Weise all das Wesentliche— das ganze Dasein* wie wir es 164 13 heute erleben." Und nicht zuletzt Maximilian Scheer nennt in der Neuen Weltbiihne Brechts Stuck einen aktuellen und auf riittelnden Einakter, der demonstriert, das man nicht im Niemandsland leben kann.14 So leistete Brecht mit seinem Drama Die Gewehre der Frau Carrar einen nicht unwe sent lichen Beitrag fiir die Sache der spanischen Republik. Maximilian Scheer schreibt dariiber in Der Neuen Weltbiihne: "Uberall war es eine Demonstration fiir den Befreiungskampf des spanischen Volkes" (S. 1431). Es ginge in diesem Zusammenhang indessen zu weit, das Werk an sich als das Nachkommen einer politischen Pflicht abzu- tun, wie es wiederholt geschehen ist. Martin Esslin zum Beispiel stellt kritisch fest: To do his duty in the Spanish Civil War, Brecht wrote another play in the conventional dramatic form he so despised,"Die Gewehre der Frau Carrar." . . . This is effective theatre, but is rather oversimplified politi cally and clearly a potboiler. (S. 65-66) In gleicher Weise halt Henning Rischbieter das Schauspiel fur ein Zeitstuck im unmittelbarsten Sinne des Wortes" 13 "Die Gewehre der Frau Carrar. Ein deutscher Emigran- tendichter iiber den spanischen Volkskampf," Das Wort, 6 (Juni 1938), 141-142. 14"Der neue Brecht," Die Neue Weltbiihne, 45 (November 1937), 1430-1431. 165 (S. 141). Sicher steht es aufter allem Zweifel, daJS Brecht mit dem Schreiben dieses Biihnenwerkes ein politisches Ziel verfolgte. Ohne diesen Hintergedankgen hatte er nicht an- lafilich seiner Inszenierung in Kopenhagen den Darstellern sein Lob in den folgenden Worten ausgesprochen: "... den groften Ernst, auch den Humor, den Ihr zeigt, vor allem die Wurde, mit der Ihr Eure Aufgabe als eine politische Aufgabe 15 gelost habt." Auch lassen sich die klar ausgepragten Merkmale von Brechts politisch stark links gerichteter Hal tung nicht leugnen, wie zum Beispiel die rote Fahne und der Kampf der Arbeiter gegen ihre Unterdriicker . Daruber hinaus kann das Stuck jedoch inhaltlich und thematisch mehr vor- stellen, als die enge marxistische Auslegung, die der Kri- tiker Andersen-Nexo ihm zubestimmte: In imponierender Kiirze ist hier, in einer armen Fischerhiitte, eingefangen, was fiir den groSten Teil der Menschen heute das groBte Problem bedeutet: der Kampf zwischen den aufbauenden Kraften des Friedens und den niederreiSenden des Raubkrieges, zwischen der Arbeit und ihren blutigen Schmarotzern. . . . So ein- fach und gradlinig es aufgebaut ist mit seinen schlich- ten Werktagsworten und Werktagsmenschen, seinem einem Akt und seinen wenigen Personen, zeigt es die ganze Misere der Demokratie im Kampf gegen die Reaktion: ihren aufgeweichten Humanismus. (S. 141) 15 . . Zitiert aus Mittenzwei, S. 222. 166 Die von Andersen Nexo richtig erkannte Schlichtheit der Handlung und die unkomplizierte Anlage der Charaktere lassen vereint mit dem Typischen der Situation, die vor allem auch durch die Anmerkung des Dichters herausgestellt wurde, eine freiere Deutung zu. Das Stuck zeigt die Konsequenzen jeder Art eines Abseitsstehens und Nichteinmischens, gesetzt den Fall, daft es in der Hoffnung geschieht, dadurch dem Zugriff gewalttatiger Krafte zu entgehen. Nur in dem aktiven Ein- treten fiir die gerechte Sache kann die Moglichkeit einer befreienden Rettung liegen. Dabei ist die schabige Miitze, der Anlaft zur Ermordung Juans, nur als ein aufieres Symbol einer Zugehorigkeit zu einer bestimmten Standesgruppe oder Ideenrichtung aufzufassen und darf nicht nur als Zeichen der Arbeiterklasse interpretiert werden. Zudem verleiht Brechts kunstvoller Gebrauch der Sprache, die bereits eine umfas- sende Untersuchung erfahren hat,'*’ ^ dem Stuck seinen Eigen- 4- 1 7 wert. Das Spanienthema taucht, wie schon erwahnt, wieder in der Szenenfolge Furcht und Elend des Dritten Reiches auf. ^Hier sei nur verwiesen auf die diesbeziigliche Unter suchung von Mittenzwei, S. 242-245. 17 Zum letzten Mai wurde das Stuck 1952 in Ostberlin aufgefuhrt. 167 In den Jahren 1933-1938 hatte der im Exil lebende Autor Brecht, gestiitzt auf Augenzeugenberichten, Zeitungsnotizen und Radiosendungen uber die Vorgange im Dritten Reich un- gefahr dreiBig Kurz-Szenen verfaBt. Siebenundzwanzig davon wurden 1938 fiir den Malik-Verlag in Prag gedruckt, konnten aber infolge des Hitlerschen Uberfalls nicht mehr verbreitet werden. Es handelt sich um struktureli von einander unter - schiedliche Szenen, die jedoch in ihrem Grundthema mitein- ander zusammenhangen. Wie schon der Titel Furcht und Elend im Dritten Reich besagt, steht in dem Mittelpunkt dieser Szenenfolge die Darstellung aller Bereiche des Lebens in dem von Hitler beherrschten Deutschland. Den Kampf in Spa nien an sich und den EinfluB dieses Konfliktes auf die deutsche Bevolkerung gestaltete Brecht dabei in zwei Szenen, der Szene 22 und 23. Die erstere tragt die Uberschrift "In den Kasernen wird die BeschieBung von Almeria bekannt" und spielt in Berlin, Februar 1937. "Gang in einer Kaserne. Zwei proletarische Jungens tragen, scheu um sich blickend, etwas in Packpapier 18 Verpacktes weg." Zwei Jungens sind gerade beim 1 f t Bertolt Brecht, Gesammelte Werke, Bd. Ill: Stiicke (Frankfurt a/M: Suhrkamp, 1967), 1177ff. Alle folgenden Zitate im Text beziehen sich auf diese Ausgabe. 168 heimlichen Verlassen der Unterkunfte, wo sie dank einiger ihnen gutgesinnten Soldaten taglich Lebensmittel empfangen. Im Hitlerdeutschland steht es namlich nicht gut mit der Nahrungslage. "Meine Alte kriegt nur zehn Marker in der Woche, und wir sind drei. Das gibt nur Kartoffeln." Sie unterhalten sich uber ihre Eindriicke in der Kaserne, wo nach dem Zwischenfall in Spanien panikhafte Stimmung ausgebrochen ist. Allerdings ist die Verpflegung dort plotzlich beson- ders vorziiglich: "Aber die kriegen feines Futter. Heute sind Bouletten." Der zweite Junge hat sogar ausnahmsweise einen zweiten Schlag bekoramen, worauf sich folgender poin- tierter Dialog zwischen den beiden entspinnt: Der erste Junge: Hast du ihnen was gesagt? Der zweite Junge: Nein. Guten Morgen, ganz wie immer. Der erste Junge: Das verstehe ich nicht. Ich habe auch wie immer gesagt. Heil Hitler. Der zweite Junge: Das ist komisch. Ich hab zwei Schlag gekriegt. Der erste Junge: Wieso plotzlich? Das versteh ich nicht. Der zweite Junge: Ich auch nicht. — Jetzt ist die Luft rein. (Sie laufen schnell weg .) Damit endet die Szene. Mit dieser Szene unterstrich der Dichter das Solidari- tatsgefuhl der Gegner des Faschismus. Kleine Gesten be- weisen, daB der Einzelne gegenuber dem gewalttatigen Regime 169 nicht allein ist. Daneben stellt Brecht auch die Taktik Hitlers in Bezug auf sein Militar in ein kritisch-ironisches Licht, wie er als Losung zu Beginn der Szene schon andeu- tete: Es koirauen die Soldaten. Mit Suppen und mit Braten Werden sie traktiert DaB sie sich fiir ihn schlagen Und ihn nicht lange fragen Fur wen er seinen Krieg fiihrt. Die zweite Szene, in welcher der Kampf in Spanien be- ruhrt wird, heiBt "Arbeitsbeschaffung" und spielt in Span- dau, 1937. Ein Arbeiter, der nach langer Arbeitslosigkeit endlich eine Stelle in einer Flugzeugfabrik gefunden hatte, muB feststellen, daB er indirekt am Tod seines Schwagers schuldig ist. Dieser ist namlich in Spanien als Flieger abgeschossen worden oder gemaB offizieller Meldung auf dem Truppeniibungsplatz Stettin todlich verungliickt. Aufgebracht klagt die Nachbarin den Arbeiter an, der um nichts in der Welt seinen Arbeitsplatz verlieren will: "Ja, jetzt sind Sie aber still, heiBt es! Weil Sie eine Stelle bekommen haben! Aber Ihr Schwager hat auch eine bekommen! Der ist grad mit so einem Ding 'verungliickt1, wie Sie es in den Motorenwerken machen!" (S. 1181). Aber er wehrt nur ohn- machtig ab und meint resigniert, daB es keine Arbeit mehr 170 gibtj die nicht mit der Kriegsvorbereitung zusammenhangt: "Herrgott, es gibt doch nichts mehr, was nicht fur den Krieg ist! Wo soli ich denn Arbeit finden, wenn ich mir sage: Nicht fiir den Krieg! Soil ich verhungern." Als er aber auch noch seiner Frau verbieten willj Trauerkleidung anzu- legen, verliert sie ihre Beherrschung und verwiinscht die passive und feige Haltung ihres Mannes- Wenn er glaubt durch Stillschweigen iiberleben zu konnen, fuhre er erst recht ihren Untergang herbei, wie das Schicksal von Franz deutlich gezeigt habe. "Dem haben sie ja auch eine Stelle verschafft. Einen Meter unter dem Boden." Und die Szene schlieBt mit ihrem verzweifelten Versuch, die Widerstands- losigkeit ihres Mannes zu uberkommen. Seinem immerwahrenden "Sei doch still! Das hilft doch nicht!" halt sie entgegen "Was hilft dann? Dann macht doch, was hilft." Es ist als ob Die Gewehre der Frau Carrar eine Antwort auf diesen Appell darstellen. Der einzige Schutz vor dem Ubergreifen der Gewaltherrschaft ist der aktive Widerstand. Nichtein- mischung und Resignieren dagegen fuhren in der Meinung des Dichters zum sicheren Verderben. Zugleich entlarvt Brecht in dieser kurzen Szene jedoch auch die Haltung des gewohn- lichen Menschen und kritisiert dessen Tragheit, Stellung gegen das System zu nehmen. Wie das Drama Die Gewehre der 171 Frau Carrar sind die Szenen aus Furcht und Elend des Dritten Reiches in der aristotelischen Form gestaltet, urn unmittel- bare Wirkung beim Publikum zu erreichen. Anstatt einer eigentlichen Handlung finden wir den Dialog, der sich auf den Schluft zu verdichtet und in einer Aussage gipfelt. Daft diese beiden Szenen und die Szenenfolge selbst einen wirkungsvollen Beitrag im Widerstand gegen den Fa- schismus darstellten, reflektiert ihre erfolgreich Auffuh- 19 rung. In Paris, London und Stockholm fanden sie bei den Emigranten begeisterte Aufnahme. Und Werner Mittenzwei beschreibt ihre Wirkung in den folgenden Worten: "Die Auf- fuhrungen waren iiberall ein politisches Ereignis und halfen, die antifaschistischen Krafte in der Emigration zu sammeln und zu formieren" (S. 202). In gleicher Weise urteilt die Deutsche Vo Iks zei tuner in Paris, wenn sie die aufgefuhrte Szenenfolge als eine antifaschistische Kundgebung im Sinne der Volksfront charaktiersiert. "Die Versammelten— man hat seit langem nicht eine solche Zusammenfassung der Krafte verschiedenster Gruppierungen in Paris erlebt. Sie waren sich einig in ihrer Stellung gegen den Nationalsozialis- 19 In den meisten Fallen kam nur eine Szenenauswahl zur Auffiihrung, wie z.B. in Paris, wo acht Szenen unter dem Titel "99%" aufgefuhrt warden. 172 20 mus." Begeisterte Aufnahme fand die Folge auch bei Mit- gliedern der Internationalen Brigade (Ewen, S. 323). Versucht man die kunstlerische Leistung der beiden Szenen, in denen der Spanienkampf eine Rolle spielt, zu beurteilen, so ware es unumganglich auch die iibrigen Szenen naher zu beleuchten. Dennoch zeigte uns der geringe Aus- schnitt der Folge, dafi es Brecht gelungen ist, ein reelles Bild des Lebens unter dem Faschismus wiederzugeben und dabei die wahre Haltung einer antifaschistischen Bewegung anzu- deuten. Wie in dem Schauspiel Die Gewehre der Frau Carrar so laftt auch hier die Einfachheit sowohl der Situationen als auch der Gestalten eine allgemeinere Auslegung des Szenen- inhaltes und deren Aussagen zu. Im Gegensatz zu dem in der Dramatik bewanderten Brecht, bedeutete fur Ludwig Renn das Schreiben seines Theater- stuckes "Mein Maultier, meine Frau und meine Ziege" eine Anwendung eines ihm wenig vertrauten Genres . Der Sketch, wie ihn Renn nannte, entstand im Mai 1938, wahrend der Major und Schriftsteller als Rekonvaleszent Gast des internatio- nalen Lazaretts war. Gewidmet ist das Stuck "fur das fliegende Feldlazarett der 45. Division zur Auffiihrung vor ^ Deutsche Volkszeitung (Paris), 29. Mai 1938. 173 Soldaten und Bauern hinter der Front des republikanischen 21 Volksheeres." Es handelt von einem einfachen und auch etwas einfaltigen spanischen Bauern Pelaqueso, der nichts anderes im Sinn hat, als den Wunsch, so schnell wie moglich nach Hause zu konunen, zu seinem Maultier, seiner Frau und seiner Ziege. Aber der an seiner Seite stehende verstandi- gere Juanrazos versucht ihm klarzumachen, daB ihnen zunachst eine dringendere Aufgabe bevorsteht, namlich der Kampf gegen die Faschisten. Dabei laBt Renn die beiden den General Franco belauschen, der in Selbstgesprachen sein wahres Wesen und politisches Ziel enthiillt: die vollkommene Unter- druckung des spanischen Volkes, der wirtschaftliche Aus- verkauf Spaniens an Deutschland und Italien fur deren Inter vention und der kunftige Krieg gegen Frankreich. Dabei kommt Pelaqueso ohne es selbst zu merken dazu, einzusehen, daB der Kampf gegen den Faschismus ein vordringliches Prob- |lem ist. Und mit umstandlichen Worten, aber nichtsdesto- weniger klarer Einsicht weist er den richtigen Weg: Es gibt doch auch eine ganz groBe Laus, die uns alien das Blut aussaugen will. Man muB auch die wegbringen: pi . * Ludwig Renn, "Mein Maultier, meine Frau und meine Ziege," Die Neue Weltbuhne, 9 (September 1938), 74. Alle weiteren Zitate aus diesem Stuck beziehen sich auf diese Ausgabe und erscheinen im Text unter Angabe der Seitenzahl. 174 den General Franco! Aber weiBt du, meine Mutter hat mir immer gesagt: Wenn du einen ganz groGen Stein weg- walzen willst, dann mu&t du andere zu Hilfe rufen, sonst bringst du ihn nicht weg. Ich kann doch auch mein Maul tier nicht allein schutzen. Da brauche ich Hilfe dazu, und da fallt mir was ein. In der Villa unterwarts von dem Brunnen, in den meine Mutter gefallen ist, da sitzt das Volksfront Komitee. Und da sind wir immer hinge- gangen, wenn wir was wollten. (S. 80) Darauf endet der Sketch mit einem echt propagandistischem Zug: Fahnen werden auf der Buhne aufgestellt, und die Teil- nehmer singen gemeinsam das Lied der Volksfront. Deutlich ist die politische Absicht des Dichters in seinem kleinen Theaterstiick. Er will auf eine volkstumliche Art zeigen, wie notwendig es ist, gegen Franco zu kampfen. Ein dramatisches Mittel, diese Zielsetzung wirkungsvoll zu gestalten ist die Einbeziehung des Publikums in das Spiel. So klagt eine Frau aus den Zuhorern den Bauern wegen seiner passiven Haltung an und appelliert: "Ein Wille einige das ganze Volk!" (S. 80). Sie ist es auch, die am SchluG des Stiickes die Initiative ergreift, Fahnen der Volksfront auf- zustellen. Denselben Zweck verfolgt Renn mit der Selbst- entlarvung Francos in Form einer bissigen Satire. Von herrlichen Zeiten traumend schwarmt der General beispiels- weise: Eine Zeit neuer Blute wird heraufsteigen. Aber jetzt. ans Werk! Es kommt eine Zeit, wo man mit Staunen und 175 Abscheu in Biichern von einer unbegreiflichen Verirrung des menschlichen Geistes lesen wird, die glaubte, die Armen konnten einmal genug zu essen haben. Und auf dafl Spanien lebe, sei vernichtet der Mensch des marxisti- schen Siindenfalls, sei erschossen, gehangt und zu Tode gequalt! Seien enteignet seine Frau und seine Kinder. (S. 79) Der volkstumliche Humor des Stiickes iiberhaupt erhoht seinen didaktischen Effekt und macht das Gesehen dem Publikum ver- standlicher. Franco erscheint nur in Begleitung seines Hundes, denn er ist das einzige Wesen, auf das er sich noch verlassen kann. Im Gegensatz zu den Menschen stellt er namlich keine Forderungen und ist zufrieden mit dem Pfund Fleisch, das man ihm gibt. Ergotzlich ist aber vor allem auch das Auftreten der beiden Spanier und Juanrazos, deren charakterisierende Namensgebung Kaseschaler beziehungsweise Hans Verstand bereits den Verlauf des Dialogs ahnen laftt. Die einfaltigen und oft mit alten Dorfgeschichten weit- ausholenden Beobachtungen stehen auf eine lustspielhafte Weise den wortkargen und niichternen Feststellungen von Juanrazos gegeniiber, wofur das nachstehende Gesprach ein bezeichnendes Beispiel ist: Pelaqueso: . . . Meine Mutter hat immer gesagt, wenn sie davon gesprochen hat, wie sie da unten im Brunnen steckte: "Es ist nicht hubsch zu sterben," Aber Franco sagt, 's war hubsch!— und da ist mir noch was andres nicht klar. Franco hat doch gesagt: Spanien wurde es schon verstehen, in— wie hat er gesagt?— 176 "spartanischer Weise" unterzugehen. Das ist mir nicht klar. Wie kann denn Spanien sterben? Das ist doch kein Maultier, das du beim Aufstehen am Morgen plotzlich tot im Stalle findest. Juanrazos: Wenn er vom Untergang Spaniens spricht, so meint er natiirlich nur, dafi die ganze Armee bis zum letzten Mann wie ein Held sterben soli. . . . Pelaqueso. Nee, das ist nicht hubsch, das ist nicht hubsch! Aber du, das geht nicht so! Spanien ist namlich was anders . Ich bin ja ein einfacher Mann, aber ich weifi doch besser, was Weizen ist, als so ein Professor, der mal aus Madrid zu uns gekommen war . . . (S. 76-77) Ebenso amusant wirkt der leitmotivartige Gebrauch des Ti- tels. Pelaqueso vermag nicht einen Gedanken auszudrucken, ohne nicht sein Maultier, seine Frau und seine Ziege mit- einzuschlieflen. "Mein Maultier, meine Frau und meine Ziege" wurde nur einmal aufgefiihrt und zwar in Spanisch in der kleinen Stadt 22 Montroig. Die Zuschauer konnten nicht internationaler sein, wie Gunter Caspar berichtet. Verwundete und Leichtkranke, Spanier, Franzosen, Itali- ener, Deutsche, Tschechen und Bulgaren, Schwestern aus Kowno, aus Madrid und Amsterdam, . . . Soldaten, Bauern, Arbeiter, Frauen und Madchen im sonntaglichen Staat, Op Renn selbst erklart diesen Umstand wie folgt: "Ich hatte das Stuck zunachst auf deutsch geschrieben. Da mich alle aufforderten, es ins Spanische zu ubersetzen, um es aufzufiihren, setzte ich micht mehrere Tage lang mit einem sehr intelligenten Katalanen hin, und wir brachten es in ein gutes Spanisch. Im Spanischen Krieg, S. 330. 177 alte Mutter und kleine Kinder fiillten den froGen Kino- saal der kleinen Stadt, und Hunderte drangten sich vor den Turen.23 Uber den Erfolg der Auffuhrung koiranentiert der Schrift- steller selbst, daG er ihn mehr gefreut hatte, als alle sonstigen literarischen Erfolge (Im Spanischen Krieg, S. 330) . Wenn die ostdeutsche Kritikerin Helga Herting in ihrer Untersuchung uber die Spanienliteratur dieses Werk von Lud- 24 wig Renn als ein Agitationsstiick bezeichnet, und schon zuvor Gunter Caspar es als Agitprop-Theater charaktieri- sierte (S. 81), so diirfte es schwer sein, diese Beurtei- lungen zu widerlegen. Hatte der Dichter doch selbst wahrend des Kongresses appelliert: "Kampft, darum bitten wir euch, fur diese Ideen, kampft mit der Feder und mit dem Wort, wie es jedem liegt, aber kampft! ("II. KongreG," S. 79). Und in dem Stuck selbst* ist es bezeichnenderweise die Volks- front, bei der der arme Bauer Pelaqueso sich Hilfe ver- spricht. So stellt "Mein Maultier, meine Frau und meine Ziege" trotz seiner kunstvoll gestalteten lustspielhaften 23 "Kursorisches uber Ludwig Renn," Ludwig Renn zum 70. Geburtstag, S. 81. on * Spanien und die antifaschistische deutsche Litera- tur, " S . 14 . 178 Ziige reine Propaganda dar und beansprucht nicht mehr als ein interessantes Zeitstiick zu sein. Als Literatur fur den Tag mufi auch der literarische Beitrag zum Spanienkrieg von Friedrich Wolf angesehen wer- den. Wahrend seiner Emigration in Rufiland schrieb er 1936 das Schauspiel Das trojanische Pferd fur die sowjetische Biihne. Darin schildert er als erster deutscher Dramatiker den innerdeutschen Widerstandkampf, der nach der Taktik der 25 Griechen gefuhrt wird. Jungarbeiter aus einem Riistung- betrieb nehmen an der Auffiihrung eines "patriotischen Theaterstiickes" teil, werden Mitglieder des Reichsluft- schutzbundes oder treten nationalsozialistischen Biinden bei. Indem sie in dieser Weise von innen her gegen den Gegner vorgehen, gelingt es ihnen, neue Verbundete in ihrem Wider- stand zu gewinnen. Der Kampf in Spanien taucht in diesem Stuck jedoch nur als ein Nebenmotiv auf. Nachtliche Luft- schutzubungen werden dazu ausgeniitzt, Losungen gegen die ^Angeregt wurde Friedrich Wolf zu dieser Thematik von den Beschlussen des VII. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale zum antifaschistischen Kampf und zur Volks front, bei dem der Referent Georgi Dimitroff die Losung von der "Taktik des trojanischen Pferdes" formulierte. Werner Jehser, Friedrich Wolf. Leben und Werk, Schriftsteller der Gegenwart, Bd. 17 (Berlin: Volk und Wissen, 1955), S. 83. 179 faschistische Aggression in Spanien an Hauserwande zu malen und im Betrieb kommen Flugblatter zur Verteilung, die zum Widerstand und Sabotage aufrufen: Arbeiter! Kollegen! Ihr fullt Gasgranaten und Bomber! Fur wen? Fur die faschistischen Generale in Spanien, fur die weiBen Morder von Madrid? — Ihr ladet die Gra- naten mit Sprengstoff und Kugeln! Arbeiter, Kollegen, gegen wen? — Gegen die Kinder, Frauen und Mutter eurer spanischen Arbeitsbriider, gegen die heroischen Kampfer Zieht man in Betracht, daB Das trojanische Pferd fur ein russisches Publikum geschaffen wurde, so tritt die politi- sche Zielsetzung dieses Stuckes unverkennbar zutage. Wolf wollte in dem Trojanischen Pferd sichtbar machen, auf welche Weise und in welchem AusmaB der Widerstandskampf gegen den Faschismus Form angenommen hatte . Spanien zum zentralen Gegenstand haben indessen drei Szenen, die Wolf 1937 fur sowjetische Laienspielgruppen schrieb und die er unter dem Titel "Wir sind mit euch!" vereinte 2 6 Friedrich Wolf, Gesammelte Dramen (Berlin: Aufbau- Verlag, 1955), V, 215. 27Friedrich Wolf, Ausgewahlte Werke, Bd. X: Horspiele und Laienspiele (Berlin: Aufbau-Verlag, 1955). Alle wei- tere Zitate aus dieser Szenensammlung erscheinen im Text unter Angabe der Seitenzahl. 180 In der ersten Szene, benannt "In Alicante," erleben wir die Ankunft des russischen Schiffes Newa, das Lebensmittel fur die notleidende Bevolkerung Madrids bringt, denn die Sowjetunion unterstiitzt den Kampf der Republik, wie der Bootsmann bekundet: "Wir lieben alle, die fiir die Freiheit kampfen; und ihr kampft jetzt besonders tapfer" (S. 111). Die Handlung konzentriert sich auf die Ankunft des Dampfers in Alicante. Die Matrosen sind eifrig bemuht, die kostbare Ladung sicher am Land zu bringen: ". . . es ist wunderbar frische Butter, und bei dieser Hitze hier . . . wir brauchen Kuhlautos, minus sieben Grad . . ." (S. 306), wahrend die Bevolkerung ihre Freude und Dankbarkeit uber diese soli- darische Hilfe zum Ausdruck bringt: "Viva Russia! Viva Stalin! Viva Russia!" (S. 306). Solidarisch neben den Spaniern stehen auch die Internationalen, die gekommen sind, urn ihren zuvor geheimen Widerstand gegen den Faschismus in Spanien offen auszutragen. Und die Frauen ruhmen sich ihrer neuen Rolle, mit dem Bajonett in der Hand die Ge- schichte ihres Landes zu schreiben. Aber diese Gruppe ver- biindeter Menschen wird bedroht von Verrat. Ein fremder Matrose versucht sich in ihren Kreis einzudrangen und pro- voziert sie zur Uneinigkeit und zur Preisgabe militarischer Geheimnisse. Doch dank ihrer Wachsamkeit gelingt es ihnen, 180 In der ersten Szene, benannt "in Alicante," erleben wir die Ankunft des russischen Schiffes Newa, das Lebensmittel fur die notleidende Bevolkerung Madrids bringt, denn die Sowjetunion unterstiitzt den Kampf der Republik, wie der Bootsraann bekundet: "Wir lieben alle, die fur die Freiheit kampfen; und ihr kampft jetzt besonders tapfer" (S. 111). Die Handlung konzentriert sich auf die Ankunft des Dampfers in Alicante. Die Matrosen sind eifrig bemiiht, die kostbare Ladung sicher am Land zu bringen: ". . . es ist wunderbar frische Butter, und bei dieser Hitze hier . . . wir brauchen Kiihlautos, minus sieben Grad . . ." (S. 306), wahrend die Bevolkerung ihre Freude und Dankbarkeit iiber diese soli- darische Hilfe zum Ausdruck bringt: "Viva Russia! Viva Stalin! Viva Russia!" (S. 306). Solidarisch neben den Spaniern stehen auch die Internationalen, die gekommen sind, um ihren zuvor geheimen Widerstand gegen den Faschismus in Spanien of fen auszutragen. Und die Frauen riihmen sich ihrer neuen Rolle, mit dem Bajonett in der Hand die Ge- schichte ihres Landes zu schreiben. Aber diese Gruppe ver- biindeter Menschen wird bedroht von Verrat. Ein fremder Matrose versucht sich in ihren Kreis einzudrangen und pro- voziert sie zur Uneinigkeit und zur Preisgabe militarischer Geheimnisse. Doch dank ihrer Wachsamkeit gelingt es ihnen, 181 die Gefahr abzuwenden. Mit einem typisch propagandistischem Effekt schlieBt die Szene. Eine zuruckbleibende Mutter "hebt langsam die Faust zum RotfrontgruB: man hort das Lied der Abmarschierenden verklingen, wahrend der Vorhang fallt" (S . 319) . Das Motiv der Wachsamkeit riickt in der zweiten Szene, betitelt "Vor Madrid," in den Mittelpunkt des Geschehens. In einer Gartenwirtschaft wird der Verrater, diesmal in der Verkleidung eines Chauffeurs nebst einem illegaler Betati- gung beschuldigten Konsul von einer wachsamen Spanierin festgenommen, als er gerade im Begriffe ist, wichtige In- formationen auszukundschaften. Ein weiteres wiederkehrendes Motiv in dieser Szene ist die Rolle der Internationalen. Trotz ihrer Liebe zum Vaterland, "wie kann man das Land vergessen, wo man geboren wurde, wo man die ersten Worte sprach, die ersten Freunde hatte" (S. 319), kampfen sie in Spanien mit unvermindeter Leidenschaft: "In Spanien, da kampfen die Genossen gegen diese Morderbande, Auge in Auge, mit der Waffe in der Hand . . (S. 320) . Und wie die erste Szene, finden wir hier am Ende eine ausdrucksvolle Geste. "Die Soldaten bringen die beiden zum Wagen; Lucia pruft schnell das Magazin ihres Revolvers und folgt" (S. 330) . 182 Das Geschehen der letzten Szene endlich spielt sich an der Front selbst ab. In Schiitzengraben vor Madrid liegen sich "deutsche Interventionisten" und Angehorige des soge- nannten Thalmannbataillons gegeniiber. Da die Moglichkeit besteht, dafi sich unter den Faschisten "Gleichgesinnte1 1 be- finden, versuchen einige der Republikaner diese vor einem vernichtenden Angriff zum Uberlaufen zu bewegen. I i i I I j Deutsche Arbeiter und Bauern im Waffenrock . . . man hat euch hierher gegen Madrid geschickt, war das euer Wille? Euer zu morden, zu kampfen? Gegen wen? . . . Fur wen flihrt ihr Krieg, deutsche Soldaten . . . Wir Deutsche vom Bataillon Thalmann reichen euch liber die Feuerlinie hinweg die Bruderhand. (S. 340) Obgleich die Soldaten Hitlers den Befehl haben, auf die i I Propaganda des Feindes mit Feuer aus ihren Waffen zu ant- worten, sabotieren sie seine Ausfiihrung. Ihre Zuwiderhand- 1 lung wird entdeckt und es kommt zur offenen Revolte. Mit umgekehrten Gewehrkolben als Zeichen der Verbriiderung laufen i jsie zu den republikanischen Truppen liber. Es stellt sich obendrein heraus, daB ehemalige Schulfreunde aufeinander geschossen hatten. Mit dem demonstrativen "Wir sind mit euch!" (S. 344) schlieftt die Szenenfolge. Betrachtet man rlickschauend die drei Spanienszenen, so j scheinen sie nur lose miteinander verbunden zu sein, das heifit, ihre Reihenfolge konnte beinahe beliebig geandert 183 werden und man hat den Eindruck, daB es moglich ware, die Szenen auch einzeln zur Auffiihrung zu bringen. Diese Beo- bachtung wird weiter durch die Tatsache bestarkt, daB die erste Szene der Folge "wir sind mit euchI" unabhangig unter dem Titel "Die Newa kommt" erschien und selbst von Litera- 28 turkritikern als ein abgeschlossenes Werk behandelt wurde. Den Szenen gemeinsam ist jedoch die Grundstimmung der Soli- daritat im Kampf gegen den Faschismus, die im Titel "Wir sind mit euch!" pragnant zum Ausdruck kommt. Eine zusammen- haltende Wirkung ubt ferner auch die Gestaltung durchgehen- der Rollen beziehungsweise von Doppelrollen in den Szenen aus, wobei einige Personen sogar in das Schauspiel Das trojanische Pferd zuriickverfolgt werden konnen. Wie bei dem Stuck iiber den innerdeutschen Widerstand geht der Wert der drei Szenen jedoch nicht uber eine aktu- elle Behandlung des Stoffes hinaus. Obwohl Wolf bedeutsame Themen wie die internationale Solidaritat mit den Spaniern, die Wachsamkeit gegen zersetzenden Verrat, das Desertieren fur die wahre Sache und nicht zuletzt die neue Rolle der Frau aufgriff, ist deren Gestaltung zu vereinfacht. Dies ^Friedrich Wolf, "Die Newa kommt! " Das Wort, 11 (No vember 1937), 110-117. Siehe auch Volk und Wissen, Hrsg., Bodo Uhse. Eduard Claudius. AbriB der Spanienliteratur, S. 186 . _______ 184 diirfte wohl darauf zuriickzufuhren sein* daB der Dichter 29 selbst nicht in Spanien sein konnte und daher in seiner dramatischen Arbeit auf indirekte Berichte uber die Kampfe zuriickgreifen mufite . Auch sind die auftretenden Personen zu schematisiert und verraogen durch ihre Einteilung in rein positive Figuren auf der spanischen Seite und nur negative Figuren auf der Gegenpartei keine glaubhafte Wirkung aus- zustrahlen. Dadurch tritt der politisch-propagandistische Wesenszug der Szenen ungeschmuckt hervor. Notiert man fer- ner die Einlagen revolutionarer Lieder an Hohepunkten der Handlung und nicht zuletzt die von Parolen und vora Wort- schatz des Kommunismus durchdrungene Ausdrucksweise der Personen, so bestehen keine Zweifel, das Stuck "Wir sind mit euchI" der engen Parteimitgliedschaft des Dichters zu- zuschreiben. Der marxistischen Ideologie entsprechend sind die positiven Figuren des Stiickes Angehorige der Arbeiterklasse. Lucia ist Arbeiterin in einer Zigarettenfabrik, wahrend Max, der tragende mannliche Held vor seiner Teilnahme am Spanien- kampf in einer Munitionsfabrik angestellt war. Es ist nur 29 Wolf traf Ende Januar 1938 in Frankreich ein. Sein Grenziiber tritt nach Spanien wurde ihm jedoch von den fran- zbsischen Behorden verwehrt. 185 zu verstandlich, daB der Sowjetstaat als das Paradies der Arbeiter, als die wahre Demokratie geschildert wird und sogar Kommissare treten in den Szenen auf, die den Kampfen- den Beschlusse des Zentralkomitees der kommunistischen Par- tei verkiinden. So ermahnt der spanische Kommissar die Internati onalen: Dieser Kampf ist fur uns Spanier nicht leicht, Kamerad, du weiBt, unsere Partei hat bei der letzten Sitzung ; unseres ZK durch den Genossen Jose Diaz scharfsten An- griffsgeist unserer jungen Armee gefordert gegen die Truppen der verraterischen Generale und Intervention!- sten . . . (S. 338) Der Kritiker Walter Pollatschek stellt in seiner ausfuhr- ! j lichen Arbeit iiber Friedrich Wolf mit Recht fest, daB dessen 30 Werk nach der Devise "Kunst ist Waffe" gepragt ist. Was seinen dramatischen Beitrag zur Spanienliteratur anbetrifft, so muB eingestanden werden, daB seine Schauspiele offen- sichtlich aufrichtig und aus tiefem Herzen kommend gestaltet jsind, diejenigen zu groBeren Taten anzuspornen, die die Denkweise des Autors teilen. Jedoch ist es unwahrschein- lichj daB er damit Uniiberzeugte belehrte oder das Interesse Abseitsstehender gewann. 30 Walter Pollatschek, Das Biihnenwerk Friedrich Wolfs . Ein Spiegel der Geschichte des Volkes (Berlin: Henschel- verlag, 1958), S. 229. 186 In enger Verbindung mit der Partei stehen auch die kurzen Sketche Zwieqesprach im Morgenqrauen und Denen ist gar nichts heiligl (1938) von Erich Weinert, dem "Urtypus 31 des politischen Dichters," wie Friedrich Wolf ihn nannte. Weinert war nach dem Internationalen KongreB der Schrift- steller Mitarbeiter des Kriegskommissariats geworden und hatte sich die Aufgabe gesetzt, sich "der taglichen Propa- gandaarbeit fur Front und Hinterland zu widmen und dem grofien Erlebnis dieses Freiheitskampfes dichterischen Aus- druck zu geben" (Camaradas, S. 10)• Im Rahmen dieser "Kul- turarbeit" schrieb der Dichter neben zahlreichen Liedern, Gedichten und Ubersetzungen auch die Spanienszenen. Zwie qesprach im Morgenqrauen handelt von zwei Internationale, den Kommunisten Max und den Sozialdemokraten Artur, die am Morgen eines Januartages des Jahres 1938 in einem Maschinen- gewehrstand vor Teruel liegen. Das kameradschaftliche Ge- sprach der beiden Arbeiter kreist um das Zusammengehorig- keitsgefuhl, das hier an der Front im gemeinsamen Kampf angesichts des imminenten Todes ihre friihere Uneinigkeit iiberbruckt. Sie sehen jetzt ein, daB sie schon in der 31 Friedrich Wolf, Gesamme11e Werke, Bd. XIV: Aufsatze (Berlin: Aufbau Verlag, 1960), S. 106. 187 Weimarer Zeit ihre politischen Differenzen hatten beilegen miissen, anstatt sich im Betrieb zu bekampfen. So bedauert Max: Weiftt du3 wir haben fruher immer den Fehler gemacht, daB wir bloB das gesehen haben, was uns trennt, und nicht das, was uns zusammenhalt. Wenn ich noch denke, wie du mich damals im Betrieb immer Moskauer Hetzer genannt hast! . . . Und heute, heute liegen wir mitsammen im selben Dreck; heute sind wir miteinander einverstanden wie die besten Briider. (S. 114) Gestarkt durch ihr Einheitsgefuhl konnen sie nun dem mor- derischten Feindfeuer widerstehen, wie das einpragsame Ende der Szene bildlich veranschaulicht. Im Hagel von Kugeln, der auf die Erde rasselt reichen sie sich bruderlich die Hande und fiihlen sich so vereint, daB sie nicht mehr unter- scheiden konnen, wer von ihnen getroffen wurde. Artur: Max, mir lauft was HeiBes den Arm runter. Max: Artur, dir ist ja ein Ding durch die Schulter gegangen. Artur: Du, dein Armel ist ja aufgerissen. Du blutest ja auch. Max: Das ist doch dein Blut, Artur. Artur: Ich merk doch gar nichts, Max. Das muB dein Blut sein. Max: Nein, du blutest, Artur. Schnell die Verband- packchen heraus. Artur: Wie das Blut weglauft, Max! Ist das dein Blut, ist das mein Blut? Max: Ruhig, Artur! Das ist nicht mein Blut, das ist nicht dein Blut. Das ist ein Blut, unser Blut Artur! (S. 116) Oft ist es unfair, nur kurz den Inhalt einer Szene 188 wiederzugeben, da man dadurch den Feinheiten und der Viel- schichtigkeit eines Werkes nicht gerecht wird. In Weinerts Zwieqesprach im Morgenqrauen besteht diese Gefahr nicht. Originalitat im Ausdruck Oder eine komplizierte Gestaltungs- weise fehlen. Die Moral des Stuckes ist schlicht: Der Geist der Solidaritat macht unuberwindlich. Damit ist auch die propagandistische Absicht, Zuversicht unter den Kampfen- den zu erhalten und die allgemeine Kampfmoral zu starken, erreicht. Indem der Schriftsteller den in Spanien Kampfen- den ihren eigenen sich taglich bewahrenden Geist vor Augen 32 halt* ermutigt er sie an sich selbst. Ebenso unkompli- ziert in Aufbau und Gehalt ist der zweite Sketch Denen ist gar nichts heiliq! Ort der Handlung ist eine Bar in einem aragonischen Stadtchen, zwei Tage nach dessen Besetzung durch die Faschisten. Ein westlicher Berichterstatter soil uber die Greueltaten der Roten unterrichtet werden, erfahrt aber statt dessen die Wahrheit. Der angebliche Augenzeuge berichtet von der bruderlichen Aufnahme, als er von der anderen Seite gefangen genommen wurde und beschuldigt die Faschisten, die Klosterkirche zerstort zu haben. Als er ^Siehe: uwe Berger in Die Deutsche Akademie der Kiinste zu Berlin, Hrsg., Erich Weinert. Dichter und Tribun 1890-1953 (Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag, 1965), S. 24. 189 deswegen am SchluB exekutiert werden soli, meint der Jour nalist betreten: Horen Sie, ich mische mich nicht in militarische Dinge. Aber einen Menschen fiisilieren, ist doch immerhin eine schwere Verantwortung. Sehen Sie, die Roten haben ihm das Leben gelassen, von denen Sie mir doch immer sagen: Denen ist gar nichts heilig. Zumindest scheint ihnen doch das Leben dieses einfaltigen Menschen heilig ge- wesen zu sein. (Camaradas, S. 117) Wie im vorhergehenden Sketch scheint mir eine weitere Er- lauterung des Stuckes entbehrlich. Die kurze Episode ist eindeutig fur politische Agitation und Propaganda geschrie- ben und soil Kommunisten und Nichtkommunisten in einer Schwarz -We iB -Zeichnung die impertinenten Liigen der Faschi- sten vor Augen fuhren. Was die Rolle des Dichters angeht, so hat Weinert mit diesen Spanienszenen sein auf dem KongreB gegebenes Bekennt- nis wahrgemacht und als "Agitator in das Leben seiner Zeit eingegrif fen. " Die Szenen diirften wohl an bunten Abenden oder Propagandaveranstaltungen mit Erfolg aufgefiihrt worden sein und auch als Lesestucke ein verhaltnismaBig breites Publikum angesprochen haben. Mehr als eine historische Bedeutung kommt ihnen jedoch nicht zu. Ruckblickend konnen wir feststellen, daB die Biihnen- werke deutscher Exilautoren, in denen das Thema des 190 Spanischen Burgerkrieges gestaltet wurde, ausnahmslos von links gerichteten Schriftstellern stammten. Abgesehen von dem dramatischen Schaffen Brechts, das eine enge marxisti- sche Auslegungsweise sprengt, stehen die Werke zum Spanien- krieg im unmittelbaren Zusammenhang mit der Parteizugehorig- keit der Autoren. Dies tut sich nicht zuletzt darin kund, dafi alle positiven Figuren einfache Menschen sind, bezie- hungsweise der Arbeiterklasse angehoren. In Ubereinstimmung mit den Losungen der Linken sind sie es, die den iibrigen den Weg zur Freiheit im Kampf gegen die faschistische Unter- druckung zeigen. Es ist dabei nur zu verstandlich, wenn die Autoren in dem Verfolgen ihrer politischen Zielsetzung die propagandistischen und agitatorischen Ziige der Stucke be- sonders stark hervortreten lassen. Um einen direkten Effekt zu erzielen und sofortige Aktion zu bewirken, stiitzten sich die Dichter auf dramatische Kurzformen, wie den Einakter, eine Szenenfolge oder einfach den Sketch. Verbunden mit einer Unkompliziertheit der Gestalten, Geradlinigkeit der Handlung und Einfachheit der Sprache ermoglichte diese kleinere Form die Auffiihrung der Werke auf provisorischen Laienbuhnen, wodurch ihr Propagandawert noch bedeutend ge- steigert wurde . Aufnahme und Wirkung dieser Biihnenwerke uber den Spanienkrieg konnten wir nur bei Bertolt Brecht 191 und Ludwig Renn nachweisen. Sicher diirften aber die anderen Werkej bedingt durch ihren eindeutig parteipolitischen Charakter ein nur beschranktes Publikum erreicht haben. Ungeachtet der politischen Vorzeichen sprechen jedoch die Werke von innerer Teilnahme am Schicksal Spaniens und driicken das leidenschaftliche Verlangen aus, der Sache der Republik, dem Kampf gegen den Faschismus, zum Sieg zu ver- helfen. Wenn auch nur Brechts dramatisches Schaffen in diesem Zusammenhang einen literarischen Anspruch erhebt, so ist die Dramatik der iibrigen Autoren dennoch von grofiem Interesse fur uns, weil sie ihre Haltung anlaBlich der Auseinandersetzung mit dem Faschismus verdeutlicht. KAPITEL V DIE LYRIK DES SPANIENKRIEGES Wie wir von diesem Genre richtig annehmen diirfen, gibt uns das lyrische Schaffen anlaftlich des spanischen Biirger- krieges rein vom Umfang her gesehen ein Problem auf, das nur durch eine skizzenhafte Darstellung der Werke gelost werden kann. Der unmittelbare Eindruck der kampfenden Autoren in Spanien, das Identifizieren anderer Exilschriftsteller, die nicht nach Spanien kommen konnten, mit der Sache der Repub lik und der Ruckblick am Ende des zweiten Weltkrieges auf die Anfange der faschistischen Aggression auf der Iberischen Halbinsel liefien eine Vielzahl von Gedichten entstehen, deren umfassende Gesamtdarstellung eine gesonderte umfang- reiche literarische Untersuchung erforderte. Eine weitere Schwierigkeit fur eine Erfassung der zum Spanienkrieg ent- standenen Exil-Lyrik ist in dem Umstande begriindet, daft viele der wahrend der Kampfe geschriebenen Gedichte in den Wirren der Kampfhandlungen und dem letztlichen Zusammenbruch 192 193 der republikanischen Fronten verloren gingen. Waren sie in ihrer Gesamtheit erhalten und gesammelt worden, so wurden sie zweifellos, wie Franz C. Weiskopf bemerkt, mehrere Bande fiillen (Unter fremden HimmeIn, S. 87) . Wenn ich nun im folgenden dennoch versuchen werde, die Spanienlyrik wenigstens in ihren grobsten Umrissen zu skiz- zieren, so ist die Auswahl der zitierten Gedichte bestimmt durch ihren reprasentativen und beispielhaften Charakter in Bezug auf den literarischen Ertrag dieser Epoche. Dabei bietet das vorhandene Material die folgende Einteilung in drei Gruppen ein: Durch die Form auffallend ist die "Fahrt nach Teruel" aus den Romanen in Versen von Johannes R. Becher (1938), eine Zwischengattung von Epik und Lyrik, und Die spanische Hochzeit (1948) von Louis Furnberg, die durch den Reichtum ihres Inhalts und Umfangs die eigentliche Balladenform sprengt.'*’ Diesen beiden sogenannten epischen Dichtungen lasse ich die Gedichte derjenigen Exilautoren folgen, die in mehr oder weniger umfangreichen Sammlungen oder Gruppierungen dem Thema Spanien lyrischen Ausdruck gaben. Zu ihnen gehoren die Gedichte, die Erich Weinert in ■''Der Dichter selbst nannte sein Werk Die spanische Hochzeit eine Ballade. Vgl. hierzu: Edgar Kirsch, "Der spanische Freiheitskampf," S. 118. 194 seinem Spanienbuch Camaradas (1951) aufnahm, Rudolf Leon hards Spanische Gedichte und Tagebuchblatter (1938), Johan nes R. Bechers Beitrage in der Sammlung Der Glucksucher und seine Las ten (1938), Erich Arendts Ber cfwindba 1 lade (1952) und nicht zuletzt lyrische Gesfcaltungen aus der Gedichte- sammlung Im herben Morqenwind (1953) von Max Zimmering. Als letzte Gruppe sollen sodann die Spaniengedichte angefiihrt werden, die einzeln in den Exilzeitschriften wie Das Wort, Die Neue Weltbiihne und Das Neue Tagebuch erschienen oder als verstreute Beitrage Aufnahme fanden in den allgemeinen Spa- niensammelbanden Die Fahne der Solidaritat (1953) von Erich Weinert, Rote Zitadellen. Der spanische Freiheitskampf (1961) und anderen derartigen Anthologien. Unter ihnen verdienen Erwahnung Ernst Busch, Ulrich Fuchs, Hertha Riese, Karl Ernst, Stefan Heym, Walter Fischer, Ludwig Adam, Ludwig Detsinyi, Hugo Huppert, Walter Mehring, Bertolt Brecht, Klara Blum, Berthold Viertel und Walter Freudmann. Epische Dichtunqen Unterziehen wir nun zunachst die "epische Dichtung" einer eingehenderen Betrachtung und wenden uns Bechers Werk "Die Fahrt nach Teruel" aus seinem Band Romane in Versen 195 2 zu. Bereits die aufiere Form des in Terzmen gehaltenen Verseposes des Dichters laflt seine Vertrautheit mit der Literatur der Sowjetunion durchblicken, wo diese Zwischen- gattung ofters zu finden ist. Den Schlussel zur eigent- lichen Handlung bietet uns Becher in seinem Nachspruch, der wie folgt lautet: Ich hab fur dieses Lied die Form gewahlt, Darin die Reime dreimal sich entgegen Bewegen und begegnen. Es erzahlt Euch das in sich verschlungene Lied, weswegen Ein Mann nach Teruel fuhr: allzuviel War auferlegt ihm, und sie abzulegen. Die Last, war dieser Fahrt ersehntes Ziel— 0 Sturm-Zeit, wenn sich solche Last entladt! Bei Teruel war's., wo gar mancher fiel . . . (Romane in Versen, S. 71) "Die Fahrt nach Teruel" erzahlt von einem Bauern Kilian aus Bayrisch-Zell und dessen Entwicklung zu dinem politisch denkenden und handelnden Menschen. Sein anfangliches inne- res Aufbaumen gegen die bedruckende Not und die Herrschaft des Faschismus geht in einen offenen Hafi gegen die Macht- haber iiber und fiihrt ihn schlieBlich ins Konzentrationslager Dachau. Dort wird er in seinem Entschluft fur eine andere 2 Johannes R. Becher, Romane in Versen (Berlin: Aufbau- Verlag, 1946). Zitate aus diesem Werk erscheinen im Text nur unter Angabe der Seitenzahl. 196 neue Welt zu kampfen, bestarkt und schlieBt sich deshalb nach seiner Freilassung den Genossen an, die in Spanien eine Chance sehen, dem Feind endlich mit Waffen gegenuber zu stehen. Vor der Uberschreitung der Grenze zum umkampften Land macht er noch in Paris den Jahrestag der franzosischen Revolution mit, eine erhebende Demonstration gegen alle Unterdrucker der Freiheit. Nachdem er in Spanien viele seiner Gegner getotet hat, stirbt er mit dem festen Glauben, i fur eine sinnvolle Sache eingestanden zu haben und mit dem Ausblick auf eine gerechtere Gesellschaftsordnung: Ich lieg, tief in den Boden eingepreBt. Ich laB mich nicht mehr aus dem Boden reiBen. ReiBt ihr mich weg, so bleibt euch nur ein Rest, Mit ganzer Kraft werd ich mich drin verbeiBen . . . Klagt, Briider nicht! Ich tu euch nimmer leid. Ich habe Land. Ihr sollt mich glucklich preisen. (XXV. Gesang) Der Bauer Kilian ist jedoch nicht vollig ohne Schuld an dem Ungluck, das iiber Europa hereingebrochen ist, wie er selbst bekennt: Ich, eines Volkes Sohn, das schwer geschlagen Von seinen Feinden ist, die innen drin Im Volke sind: auch mich muB ich verklagen, DaB ich nachgab und mittat, ja, ich bin Mitschuldiger, und selbst mich freizusprechen Ist nicht mein Amt— und hatt auch keinen Sinn. 197 Zeitalter ungeheurer Verbrechen! Auch ich nahm daran teil, und war versucht Die eigene Schuld und Mitschuld abzuschworen. (XIV. Gesang) Kilian hatte namlich seinen Sohn Schorsch in der Armee Hit lers nach Spanien gehen lassen, wo ihn alsbald der Tod ereilte. Diese Schuld hat er nun mit seiner eigenen Opfe- rung fiir die Freiheit des bedrangten Spaniens und auch Europas wieder wettgemacht. Dafi das Problem der Schuld im Mittelpunkt dieser Dichtung steht, geht auch aus Bechers Vorspruch hervor . Dort lesen wir: Schuld bleibt. Auch wenn von deinen Feinden sie Dir aufgetragen wird und dies bedingt Durch Zeit und Umstand ist. Ja, so wie nie Empfind ich Schuld, und jede Stunde bringt Die Schuld mir nah, doch will ich nicht verzagen Und tragen meine Schuld . . . (Romane in Versen, S. 45) Fiir den Autor aber bedeutet dieser dichterische Beitrag zum Spanienkrieg eine Moglichkeit, seine eigene Schuld an dem Geschehen zu mindern, nachdem es ihm selbst nicht ver- gonnt war, denen beizustehen, die an der Front dem Feind direkt entgegentraten. In diesem Sinne endet sein Vor spruch : . . . vielleicht gelingt Es mir, die Schuld allmahlich abzutragen Dadurch, dafi aus der Ferne ich versuch — ich, dem es nicht gewahrt war, mehr zu wagen— 198 Bescheiden mitzuschreiben an dem Buch, Darin ihr ewig lebt als Heldenlied. Ich weiB, nur so entgehe ich dem Fluch: DaS ich, der Dichter, mitzukampfen mied. (S. 45) "Die Fahrt nach Teruel" darf jedoch nicht nur als ein Denkmal der politischen Einstellung Bechers zur Zeit des Spanienkampfes angesehen werden, eine Stufe des Klassen- kampfes, sondern beansprucht auch durch ihre Form Eigen- standigkeit. Die Romanform in Versen bietet den Vorteil, den Entwicklungsgang des Bauern Kilian in aufierster Konzen- tration aufzuzeigen, ohne daS wir von Nebenhandlungen oder undramatischen Ausfuhrungen von dem im Mittelpunkt stehenden Helden abgelenkt werden. Jede Stufe seiner Erkenntnis und seines Entschlusses zum Handeln konnen wir schrittweise in den fiinfundzwanzig in Terzinen gehaltenen Gesangen zu je acht Strophen nachverfolgen. Mit Absicht schildert der Dichter in den ersten dreizehn Gesangen das politische BewuBtwerden Kilians, wobei in der mathematischen Mitte der Gesange der endgiiltige Umschlag erfolgt. In den restlichen Gesangen wird sodann die Fahrt nach Spanien und sein Tod im Kampf dargestellt. Dieser bewufit streng gehaltene Aufbau des Versromansj das GleichmaB zwischen den beiden Halften, beziehungsweise den Epochen des im Mittelpunkt Stehenden, 199 unterstreicht die Konzentration des Dargestellten. Der literarische Wert dieser Dichtung spiegelt sich auch in der Kunst des Dichters, einzelne Szenen realistisch einzufangen. Hierzu sei nur die Ankunft des einfachen Bauern Kilian in der Weltstadt Paris angefuhrt: Ich komm herab den groften Boulevard, Der wie in flussig-buntem Feuer steht, In Spiegeln werd ich meines Bilds gewahr, Das sich vor mir nach alien Seiten dreht. (XVIII. Gesang) Auch das Gefiihl des Heimwehs, ein immer wieder auftauchendes Thema in der Dichtung aller Exilautoren, regt Becher zu echt kunstlerischer Ausdrucksweise an: Begib dich auf die Flucht, Entflieh dir selbst: so lockt's. Unaufgespiirt Kannst du dich in der Einsamkeit verlieren. Und dochj versuch'sl Durch das Vergessen fuhrt Ein Pfad unmerklich, um dich zu verfiihren, Schon spiirst du, wie es in dir schmerzt und bangt, Und es beginnt dich machtig aufzuruhren: Du bist in deiner Heimat angelangt. (XX. Gesang) Wie Bechers epische Dichtung "Die Fahrt nach Teruel" 3 ennnert uns das balladeske Gedicht Die spanische Hochzeit 3 Berlin: Aufbau-Verlag, 1956. Zitate aus diesem Werk 200 von Louis Fiirnberg an ein Versepos . Gewidmet ist es dem spanischen Dichter Federico Garcia Lorca, der "spanischen Nachtigall," welcher als Sanger der spanischen Freiheit 1936 4 den Falangisten zum Opfer fiel. Im Vorwort zur ersten Auflage erfahren wir, daS die Dichtung im Dezember 1944 begonnen und im April 1945 vollendet wurde, zu einer Zeit, da "die Sowjetunion fur die ganze Menschheit geblutet, ge- opfert und gesiegt hatte" (Spanische Hochzeit, S. 7). Dem Werk vorangestellt ist eine Meldung der Zeitungs-Agentur Reuter, die am 16. Dezember 1944 von der groftten koniglichen Hochzeit in Spanien berichtet, welche mit "marchenhafter Pracht" gefeiert wurde. Ihr gegeniiber stellt der Autor die Reportage von Konstantin Simonow, der zur gleichen Zeit die entsetzliche Entdeckung der vorgefundenen Grauen bei der Besetzung des Konzentrationslagers Auschwitz schildert. Angeregt von diesem Kontrast von Fe^t und Mord, Hochzeit und Tod versucht nun Fiirnberg den inneren Zusammenhang zwischen den beiden gleichzeitig stattfindenden Ereignissen aufzu<- decken. Er will dem Leser demonstrieren, wie die Gaste der Hochzeit und die Morder von Auschwitz im tieferen Sinne erscheinen im Text nur unter Angabe der Seitenzahl. ^Vgl. hierzu auch den Nachruf von Franz C. Weiskopf, "Federico Garcia Lorca," S. 59-60. 201 Produkt ein- und derselben Gese11schaftsform sind, denn der Sieg des Faschismus in Spanien und die Grauentaten in den Vernichtungslagern, sowie die Unterdruckung zahlloser Volker in der Welt, lassen sich auf einen Nenner zuriickf iihren. Auf insgesamt zwolf Gesange erstreckt sich die Hand- lung. Die ersten fiinf haben den eigentlichen Kampf in Spa nien und das Schicksal Garcia Lorcas zum Inhalt. Wie der Ruf der Nachtigallen verkiindet der Dichter, der darum weiB, daS es nicht immer so bleiben muft, denen Freiheit, die in Unterdruckung und Elend ihr Leben karglich fristen. Und sein Lied bleibt nicht unerhort, wie gliihende Lavastrome brodelt es aus der Seele Spaniens und ergieftt sich unge- achtet der drohenden Ubermacht des Gegners in die Welt: Noch posaunte die Apokalypse kommende Schrecken, triumphierten die Fratzen feister Candillos . . . bellten des Nachts die himmlischen Hollenhunde. Nicht ergeben! Prometheus Schrei in Aoneni . . . Uber Europas schlummernde Herzmillionen schlug dies wachende, blutende Herz Triiampfl Oh, es fuhlte, daf?> es auserwahlt war, und es brach nicht in die Knie und des Dichters Herz, das ihm vermahlt war, sang sein Lied und sang es so wie nie. (IV. Gesang) Auch die Ermordung des Dichters vermag dessen Verkiindung einer neuen Ordnung nicht zu lahmen. Die Nachtigall drauBen in den Zweigen fahrt fort mit dem Lied der gemordeten 202 Nachtigall — "mit ewigem Munde . " Blutige Nebel ziehen iiber Madrid, der eiternden Wunde des Weltherzens. Ein Widerstand aller freiheitlich gesinnten Krafte— no pasaran— no surren der— bahnt sich an. Warnend richtet sich der Dichter an den Gegner: Oh, den fliegenden mordenden Toren dammert noch lang nicht, was gegen sie schwillt. Sehen nichts als ein Schwindelschild von Banken und eisernen Tresoren. Sehen die Wo Ike nicht, die sich ballt, nicht die drohenden Sonnenflecken— ziehen Spiralen von Angst und Schrecken auf der gleitenden Blutbahn ihrer Gewalt. (V. Gesang) Madrid, Spanien ist jedoch nur das erste Ziel der faschi- stischen Todbringer. So fiihrt uns Fiirnberg mit Beginn des sechsten Gesanges auf den Schauplatz des zweiten Weltkrieges und weitet somit den Raum von der spanischen Hauptstadt iiber England, Polen, Frankreich und Jugoslavien bis nach Stalin grad. Aber gleichzeitig wachst auch in ganz Europa der Widerstand und das Aufbaumen der vom Faschismus unter- driickten Volker . Getragen von der Sowjetunion ziindet der Gedanke der Resistance, weshalb der Dichter in einen Lobge- sang auf Stalin ausbricht: Singt den Granaten und singt dem Stahl und dem Tode der Bestie millionenmal, der Bestie, der als Menschen Verkleideten! 203 Singt dem Bezwinger, der ihr erstand, dem menschlichsten Menschen, dem menschlichsten Land. (VII. Gesang) Die endlich befreite Heimat aber ist fur ihn ein neues Land, ohne die Launen der Reichen und frei von leerer Popanz: HEIMAT WAR ANDERS UND VATERLAND . . . lag entmachtet und lag in Fessein, war Schneewittchen im glasernen Sarg. Oh, wie wachgekiiSt die Lider hob und keines PrinzenkuS konnte sufter sein als dieser war und keiri Erwachen holder. Wie war die See so klar, nie glanzten so die Scharen— . (IX. Gesang) Im elften Gesang wird an der Unterwerfung des schon vom 5 Faschismus befreiten Griechenlands gezeigt, dafi alle Volker erst dann wahrhaft befreit sind, wenn der internationale Klassenkampf zu seinem siegreichen Ende gekommen ist. Der letzte Gesang rundet die weltgeschichtliche Darstellung des antifaschistischen Widerstandes ab, indem er uns wieder zuruck nach Spanien zum marchenhaften Hochzeitsfest fiihrt. Dort tauchen plotzlich die wahrend des Krieges hingemordeten Kinder auf und verkiinden in einem Art Todesgesang den C , . JIn seinem Vorwort zur Spanischen Hochzeit wirft Fiirn- berg vor allem dem britischen General Scobie unter dem Oberbefehl Winston Churchills die Hinmordung von griechi- schen Freiheitskampfern im Dezember 1944 in Athen vor. 204 Untergang dieser hier noch Herrschenden: Und die Nacht wird groB und ein Tanzen geht los unter den Baumen im Park. Das sind die Kinder. Was tragen sie bloB? Und jedes tragt einen Sarg Was machen die toten Kinder da? Was sind denn das fiir Gast? Die Kinder von Guernica Beim frohen Hochzeitsfest? Da nutzt kein Fluch und kein Bespruch, das ist ein Besuchj der nicht geht. DER KOMMT ZU BESUCH UND BLEIBT ZU BESUCH, UND STEHT, SOLANGE IHR STEHT. (XII. Gesang) Die "spanische Nachtigall" stimmt in ihr Lied ein: Und ist einer Nachtigall schmetterndes Lied., das drauBen im Garten erklang. Ach Volk von Sevilla, ach Volk von Madrid! Das ist Garcia Lorcas Gesang! Der steigt aus der Zeit in die Ewigkeit, die kein Abgrund des Todes verschlingt. Und hieIt ihn ein langer Winter verschneit, jetzt holt ihn der Friihling ans Licht mit Gelaut und singt und singt und singt! (XII. Gesang) Mahnend stellt Fiirnberg gegen Ende der Dichtung die rheto- rische Frage, wer die Hochzeit bezahle und sie ausstatte. Wer sperrt das Volk von der Hochzeit aus? Wer schiitzt den Candillo vom Fall? Und er schlieBt, erinnernd an den immer noch gegenwartigen Feind die Spanische Hochzeit mit dem Aufruf: 205 ERST WENN VOM LETZTEN SCHATTEN BEFREIT ALLEM EIN MORGEN ERGLUHT SEGNET DIE WAFFE UND SEGNET DIE ZEIT DIE EUCH DEN SIEG BESCHIED! (XII. Gesang) Unverhullt trat uns der propagandistisch-politische Gehalt dieses Werkes entgegen. Der Dichter rollte die Ge- schichte Europas zwischen 1936 und 194-5 auf und deutete aus einer marxistischen Perspektive innerhalb des weiten Rahmens des Weltgeschehens den inneren Zusammenhang der beiden zu Beginn angefuhrten Pres seme ldungen an. Fiirnberg sind die Verse, wie er sie anlaBlich des Todes von Garcia Lorca schrieb, nicht fremd. Dort lesen wir: Ach, es war nicht Irrtum und Verblendung* als ein Dichter unter Kugeln fiel, seine Waffe war sein Saitenspiel, Hafi und Liebe waren seine Sendung. (IV. Gesang) An einer anderen Stelle formuliert er selbst die dichteri- sche Aufgabe in der Gesellschaft. In einer Widmung zu dem Gedichtband Holle, Hafi und Liebe lautet sein Bekenntnis: Ihr meine Verse seid nicht geschaffen wie schone Blumen in kostbaren Kriigen stilvolle Schwarmer zu vergniigen, Ihr meine Verse seid nicht geschaffen wie die Seifenblasen zu fliegen, bunte, glitzernde Lebenslugen— 2 06 6 Ihr mexne Verse seid meine Waffen! Dem reinen Dichtertum hat er bedingt durch die Umstande der Zeit abgesagt, urn seine poetische Schaffenskraft in den Dienst der marxistischen Ideologie zu stellen. Im Partei- sinn spiegelt Fiirnberg gegen den weltgeschichtlichen Hinter- grund die Gesellschaft wider und demonstriert, wie unter der Fiihrung Ruftlands eine bessere und gerechtere Ordnung her- beigefiihrt werden kann. In seinen Worten ist die Zeit noch nicht gekommen, wo diese Art der Dichtung nur historischer Wert zugemessen werden darf. Aktuelle Ereignisse beweisen, daft der Feind noch nicht endgiiltig vernichtet ist. Die Tatsache, daft in Der spanischen Hochzeit der propagan- distisch-agitatorische Charakter der Dichtung in den Vorder- grund riickt, driickt sich auch darin aus, daft bei ihm das Kindermotiv eine grofte Rolle spielt, ein Motiv, dem zudem sein bekanntes Gedicht "Spanisches Wiegenlied" (Holle, Haft und Liebe, S. 9) gewidmet ist. Zeichnet er dort in ein- facher aber emotioneller Sprache die standige Bedrohung der spanischen Kinder durch die unaufhorlichen Bombenangriffe, so stehen sie in seiner sogenannten Ballade symbolisch fur Holle, Haft und Liebe (Berlin: Dietz-Verlag, 1960), S . 7. 207 das schreckliche AusmaB der faschistischen Grauentaten und dem mahnenden Aufruf zum Widerstand. Nach dem Nieder- schlagen des Aufstandes in Griechenland schreibt er bei- spielsweise: Die Sonne kam mit Tau. Der helle Tag schien auf die StraBen, wo die Kinder lagen. Es kamen Leute, urn sie fortzutragen. Die Kinder aber muBten liegenbleiben. Das Pflaster hielt sie fest mit Riesenkraft. Man stieB hinein. Spaten und Hacke brach. Das Pflaster stohnte, doch es gab nicht nach. Man brachte Tucher, um sie zu verstecken. Sie aber lagen plotzlich auf den Decken. Man brachte Kalk. Er loschte sie nicht aus. Sie brannten lodernd in das Land hinaus. (XI. Gesang) Betrachten wir die problematische Form der Dichtung Die spanische Hochzeit, so darf ich an dieser Stelle auf die ausfuhrliche Arbeit von Ursula Wertheim hinweisen, die in ihrer Arbeit "Balladeske Motive in Louis Fiirnbergs Dichtung Die spanische Hochzeit" die Ubereinstimmung dieser Dichtung in alien ihren Elementen mit dem Genre der Ballade aufzeigt. Auch ist die Kritikerin dem auBeren Aufbau bis ins kleinste Detail nachgegangen, wovon ich hier zum besseren Verstandnis der Form des Werkes einen kleinen Auszug geben mochte: Die Gesange sind von unterschiedlicher Lange: der kiirzeste umfaBt 18, der langste 159 Verszeilen, die ubrigen bewegen sich zwischen 38 uber 53 und 87 bis zu 135 Versen. Die Versbehandlung ist souveran; sie wechselt zwischen strengem Gebrauch von Paarreim, 208 Kreuzreim, umarmenden Reim, scheut aber auch Reim- losigkeit nicht. Die strophische Gliederung ist man- nigfaltig . . . Der zehnte Gesang wirkt am einheitlich- sten: seine vier Strophen haben wechselnd je zweimal vier und fiinf Verse. Auch der letzte, zwolfte Gesang ist formal noch relativ geschlossen: von 28 Strophen haben 19 durchweg je vier Verse mit Kreuzreim, wahrend die ubrigen 9 Strophen sich an diese Strenge nicht halten.? Ich mochte jedoch Ursula Wertheims Untersuchung dahingegen korrigieren, dafi Louis Fiirnberg meiner Ansicht nach die eigentliche Balladenform durch die liberaus grofie Fiille des Inhalts, der weitumfassenden zyklischen Darstellung und die Anpassung der aufieren Gestaltung an die jeweilige Aussage gesprengt hat. Wie Bechers Werk "Die Fahrt nach Teruel" nimmt Die spanische Hochzeit in der Lyrik eine Sonderstel- lung ein. Der "langen Ballade" ist in Verbindung mit ihrer mitreiflenden durch die jeweilige Situation differenzierten Sprache der Wert einer bemerkenswerten politischen Dichtung mit marxistischem Vorzeichen zuzusprechen. Fiir die Spanien- literatur aber macht Fiirnberg bewufit, welche Bedeutung das 8 Gesamtthema dieser Literatur hatte. 7 Ursula Wertheim, "Balladeske Motive in Louis Fiirnbergs Dichtung Die spanische Hochzeit," Neue Deutsche Literatur, 11 (1963), 74. ^Vgl. hierzu: Edgar Kirsch, S. 119. 2 09 Sammelwerke Wenden wir uns nun nach dieser Beleuchtung der beiden durch ihre Form interessanten epischen Dichtungswerke dem umfangreichen lyrischen Schaffen von Erich Weinert zu. Wie bereits schon in den vorangestellten Kapiteln ausgefiihrt wurde, war der Dichter 1937 nach seiner Teilnahme am Inter - nationalen Schriftsteller Kongreft in Madrid in die Inter- nationalen Brigaden eingetreten. Dort oblag ihm als soge- nan. ;en Kulturarbeiter, die Moral der Truppe angesichts aller Fehlschlage aufrechtzuerhalten. Lieder und Gedichte, nebst Ubertragungen von Dichtungen aus dem Spanischen, Russischen, Franzosischen und Englischen waren dazu be- stimmt, unter seinen Kameraden den Geist der Solidaritat und der Zuversicht auf einen Sieg in Spanien zu erhalten. 9 In seinem Buch Cameradas fmden wir diesen poetischen Er- trag seines Beitrages zum Spanienkampf- Mit welcher Spon- taneitat oft diese Lyrik entstand, schildert uns Uwe Berger in einem Aufsatz iiber den Dichter und Tribun Erich Weinert: "Einer der Manner sagt ihm etwas Nachdenkliches, und er: 'Das reimt sich. Man konnte sogar ein Lied daraus machen 9 . Zitate aus diesem Werk erschemen im Text nur unter Angabe der Seitenzahl. 210 . . . 1 und beginnt die Satze umzuformen, die Gedanken weiterzudenken. 'Mach weiter! 1 sagt darauf der andere" (S . 23) . Am bekanntesten unter diesem mit einer bestimmten Auf- gabe verbundenem dichterischen Schaffen ist unbestritten Weinerts "Lied der Internationalen Brigade" (1936), das auch in alle Sprachen ubersetzt wurde. Seine erste Strophe lau- tet wie folgt: Wir, im fernen Vaterland geboren, nahmen nichts als Hafi im Herzen mit. Doch wir haben die Heimat nicht verloren, unsere Heimat ist heute vor Madrid. Spaniens Bruder stehn auf der Barrikade, Unsre Bruder sind Bauer und Prolet. Vorwarts Internationale Brigade! Hoch die Fahne der Solidaritat! (S. 23) Den gleichen Geist der Solidaritat und Kampfeswillen unter dem Vorzeichen eines internationalen Widerstandes gegen den Faschismus spiegeln seine Kampflieder wider, wie das "Lied der elften Brigade," das "Lied der Tankisten" und das "Lied des Bataillons Edgar Andre." Im letzteren hat der Gedanke der Verteidigung der Freiheit Menschen aus der ganzen Welt nach Spanien gebracht, urn fiir eine gliickliche Welt den Weg zu bereiten: Als Franco die Welt iiberfiel, Da stand die Freiheit auf dem Spiel, 211 Die unser aller ist. Drum setzte sich die Welt zur Wehr. Wir kamen iiber Land und Wehr. Pack dein Gepack, Faschist! Die Freiheit ist unser Gefahrte . . . Und ist erst Spaniens Erde frei, Dann kommt auch Deutschland an die Reih. Und gliick 1 ich wird die Welt . . . (S. 108) Im "Thalmann-Lied" weckt Weinert das Vorbild des groSen Kommunisten wach, der den Antifaschisten den einzuschlagen- den Weg germarkt hat: Ernst Thalmann, der ging uns voran, Die Faust geballt zum Schlagen. Kolonnen wuchsen, Mann an Mann, Den Kampf voranzutragen. Er ging voran, wo die Fahne braust; Fiir den Kameraden Thalmann: Hoch die Faust. (S. 151) Das Lied des "Roten Spanien" hingegen erzahlt von der Ge- schichte der Erhebung des spanischen Volkes gegen die Gran- den und der Geburt der Republik, dem Mittelpunkt des Kon- fliktes auf der Iberischen Halbinsel. Und nicht zuletzt das "Lied der Stahlbataillone," eine Ubertragung aus dem Spani schen, schildert uns, wie spanische Bauern, Proleten und Soldaten vereint fiir Freiheit und Brot in hartem Ringen den Sieg erzwingen werden: Wir sind die Stahlbataillone Und ziehn mit Gesang zum Kampf. 212 In hartem Ringen Den Sieg zu erzwingen Fiir Freiheit und Brot. Wir sind die Stahlbataillone Und ziehn mit Gesang zum Kampf. Wir sind die Stahlbataillone, Wir tragen die Fahne voran, Zum Siege voran. (S. 33) Neben diesen in schlichter aber ausdrucksstarker Sprache gehaltenen Kampfliedern, die noch heute in ent- sprechenden Kreisen Anklang f inden^*"* steht die Gruppe der Gedichte Weinerts, die sich mit den verschiedenen Aspekten des Kampfes befassen. In diesem Sinne wird in "Die Fahne von Oviedo" die beispielhafte Haltung der letzten Eisen- bahner dieses Stadtchens beschrieben, die sich bewuftt op- fern, um diese Stadt nicht in die Hande der vorruckenden Faschisten fallen zu lassen. Das Gedicht endet mit der folgenden ergreifenden Strophe: Und als die Mauern niedergebrannt, Noch eine Fahne am Bahnhof stand, Eine rote Fahne, in Trauer gesenkt. Die hatten mit ihrem Blute getrankt Oviedos Eisenbahner . (S. 20) Das Gedicht "Die Sohne" stellt in Balladenform eine riihrende Szene der Verbriiderung eines Chinesen aus Korea, eines "^Ludwig Renn, personliche Brief an den Verfasser vom 11. Januar 1970. 213 Franzosen und eines Negers aus Connecticut mit einem alten spanischen Miitterchen dar . Trotz aller auSeren nationalen Unterschiede sind sie sich in ihrem Herzen, ihrer Emporung gegen die Versklavung verwandt und so ersetzen die drei Internationalen der Spanierin ihre verlorenen Kinder: Sind wir nicht alle, alle deine Sohne? Ich reich ihr meinen Becher. "Mutter, trinke. Wer wir auch sind, wir sind doch deine Kinder." (S. 81) Den Geist der internationalen Solidaritat hat auch die Uber- tragung aus dem Chinesischen "Das Unendliche Vaterland" zum Thema. Die Soldaten der "Vereinigten Nationalen Antijapa- nischen Front Chinas" haben der Gruppe der chinesischen Kampfer in den Internationalen Brigaden Spaniens e: e Fahne iiberreicht, auf die ein Gedicht mit dem folgenden Text ge- malt ist: Hier an den Wassern der Morgenrote Ist unser Krieg. Dort an den Wassern der Abendrote Ist euer Krieg. Ober die vielen Tausende Kilometer Konnen wir uns die Hande nicht reichen. Aber von euch wie von uns, Von alien uns beiden jetzt Wird vorgezeichnet mit Blut das Schicksal Der Menschheit und ihrer Gesittung. (S. 193) Im Freiheitskampf gegen den Faschismus steht die ganze 214 Menschheit auf, fest vertrauend auf den Sieg. Deshalb richtet sich der Autor auch unter dem Titel "Fiir wen" an Deutschland, dessen Sohne an Franco verschachert werden. Die Schande des Verkaufs deutscher Soldaten durch einen Fiirsten von Hessen an einen fremden General, urn als Soldner- bande gegen den Freiheitskampf Amerikas teilzunehmen, darf sich nicht langer in Spanien wiederholen. Das spanische Volk hat gezeigt, wie man den Reichen die Macht aus ihren Klauen reifien kann. Und so endet Weinerts Gedicht mit dem Appell: Ihr seht: Nicht unbesiegbar sind die Schinder. Ein einiges Volk zerreifit ihr Privileg. Deutschland, es geht urns Leben deiner Kinder! Deutschland erwache! Spanien geht den Weg. (S. 36) Sein Ruf gellt "tiber die Graben" zu den deutschen Soldaten der Condor-Legion und fordert sie auf, im Sinne des Klassen- kampfes fiir Deutschlands Ehre, Freiheit und Gliick aufzu- stehen. "Fiir Deutschlands Befreiung" schildert uns sodann das Uberlaufen einiger Mitglieder der Besatzung eines deutschen Torpedobootes im Hafen von Alicante, urn Spanien in seinem Freiheitskampf zu unterstutzen. Im "Aufruf an die deutschen Kameraden" darf Weinert dagegen den deutschen Spanienteilnehmern seinen Dank fiir die standhafte Haltung 215 in den schweren Tagen des April 1938 aussprechen. Der Kampf in Spanien, dem nicht nur nationale, sondern auch inter national Bedeutung zukommt, steht an seinem Hohepunkt: Hort ihr Europas Feuerglocken schlagen? Wird nicht dem Taubsten schreckenvoll gewiB: Aus ihrer Festung bricht in diesen Tagen Zum Generalangriff die Finsternis! Die Deutschlands Freiheit ehrlos niedertraten, Die streckten auch den Stiefel nach Madrid. Ihr gingt zum Sturm. Ihr schlugt ihn weg, Soldaten, DaB er die Freiheit Spaniens nicht zertritt. Und er schlieBt mit dem Appell: Es geht urn Spaniens wie urn Deutschlands Ehre . Denn hier wie dort ist euer Vaterland. Hier sind wir frei, hier haben wir Gewehrel Es geht um alies, Bruder! Haltet stand! (S . 150) "Der Ruf der Pasionaria," der Stimme der ersten Frau unter den Mitkampferinnen im Kampf fiir die Freiheit, begleitet die republikanischen Soldaten in der Ausfiihrung ihrer schweren Aufgabe. Sie weiB, daB es besser ist zu sterben, als weiter den Granden untergeben und ausgeliefert an Leib und Seele, das heiBt, auf den Knien zu leben. Die Welt muB anders werden, eine neue Zukunft steht bevor: Mein Volk, laB uns den Ruf erheben, Der soviel Kraft verliehn! Jawohl, wir wollen stehend leben, Und nicht als Sklaven knien! (S. 109) 216 Das unbeirrbare Einstehen fur eine Sache und den unzer- storbaren Lebenswillen des spanischen Volkes zeigt der Dichter in den folgenden zwei Gedichten "Der Urlauber*" eine Ballade nach einer wahren Begebenheit und "Madrid." Erfahren wir in der Ballade von der Ruckkehr eines republi- kanischen Soldaten an die Front, nachdem er sein Haus zer- stort und seine Familie von den Bomben getotet vorfindet, so zeigt uns das zweite Gedicht die Standhaftigkeit der spanischen Bevolkerung in der bedrohten Hauptstadt: Das ist ein strahlend Herz im Leib des Landes, Aus frischen Wunden blutend jeden Tag, Doch jeden Tag, mit ungeschwachtem Schlag, Loscht es mit seinem Blut die Wut des Brandes. Es wurde stark von der Blut, die starben, Es wurde hart von seinen tausend Narben. Voller Optimismus endet sodann die letzte Strophe dieses Gedichts: Ich schreibe dies Gedicht urn Mitternacht Und hor Geheul und Einschlag der Haubitzen. Doch wenn auch rings die heiften Splitter spritzen— Im Neberihaus wird noch Musik gemacht: No pasaran! Das ganze Haus singt mit. Uniiberwindlich herrliches Madrid! (S. 63) Trotz der erschiitternden Szene in "Kinderspiel von Madrid, " in der von Kindern berichtet wird, die durch Bombenangriffe zu Kriippeln wurden, "Maria hat nur ein Bein und Pedro hat keine Augen mehr," ist ihr Lebenswille nicht zerstort: 217 Und wo auch der Tod seinen Hammer schwingt, Das unbesiegbare Leben singt: Maria sitzt auf dem Stein. Maria, bist du allein? Komm doch in meinen Garten zu miri Wo ist die Tiir? Ach, such sie dir! (S. 40) Der Melodie nach knupft es an das bekannte deutsche Lied "Maria sitzt auf einem Stein" an, was seine ergreifende Wirkung noch steigert. Zahlenmafiig grofl ist, wie vorauszusehen, auch die Reihe der Gedichte, die sich mit der Rolle der Sowjetunion im Spanienkrieg befassen. "Salud, Union Sovietica" wurde am 20. Jahrestag der Oktoberrevolution geschrieben und druckt den Dank aus fiir die Unterstutzung, die RuBland dem spani schen Volk in seinem Ringen mit dem Faschismus zukommen lieS. Materieller und moralischer Beistand aus der Sowjet union haben in Weinerts Worten den aus alien Nationen her- beigeeilten Kampfenden immer wieder Kraft gegeben, dem Feind zu widerstehen: Und schlagt es heut sich auf der Barrikade, So nahm es seine Kraft aus deiner Kraft; So nahrt aus deiner Kraft sich die Brigade Der internationalen Kampferschaft. (S. Ill) In tJbereinstimmung mit seinem festen Glauben an den Kommu- nismus nennt Weinert den Jahrestag der Revolution auch die 218 Wendestunde der Menschheit. Den Sowjetfrauen gewidmet ist das gleichlautende Gedicht, das anlafllich der Ankunft des russischen Hilfsschiffes Newa entstand: 0 Sowjetfrauen Ihr habt uns euer Herz gebracht. Von Menschengiite und Vertrauen Zeugt euer "Newa" reiche Fracht. Das Traumgesicht der Zeit Gewinnt Gestalt Hier spricht der Menschenheit Zusaramenhalt I (S . 31) Stalins hilfreiche Gegenwart in Spanien ist dem Dichter auch selbst dann fiihlbar, wenn er in entfernten verscheiten Waldern wohnt, wie wir aus dem Gedicht "Ist er noch so weit, er ist d©eh—h±er! " erfahren. Seine Ratschlage gelten fur alle Lebenslagen. Und unter der Bezeichnung "Die Welt der Untat und die Welt der Tat" stellt der Dichter in propa- gandistischer Schwarz-Weifi-Zeichnung die Errungenschaften RuBlands in Gegensatz zu den faschistischen Grauentaten. Wahrend Hitlers Bomber friedliche spanische Stadte und Dorfer vernichten, landet ein sowjetisches Forschungsflug- zeug zum ersten Mai auf dem Nordpol: Wann waren je so sichtbar ausgestellt Der Menschheit Schande und der Menschheit Ehre? Und: wie die Untat ist, ist die Lehre; Und: wie die Tat ist, ist auch ihre Welt. Wer zweifelt noch, wie die Entscheidung fallt? (S. 22) 219 Aber auch Weinert bleiben die Ruckschlage auf alien Fronten trotz absolutem Optimismus nicht verborgen. Sei es, dafi er in Gelegenheitsgedichten das beispielhafte Leben der im Kampf gefallenen Genossen verweigt, wie zum Beispiel in dem dichterischen Nachruf "Hans Beimler," Oder sei es in Appellen im Rundfunk wie unter dem Titel "Achtzehnter Juli,11 der drohende Zusammenbruch der Republik lafit sich selbst fur Weinert immer schwerer verleugnen. Verrat, Lugen und Ruckschlage auf alien Fronten sind allgegenwartig. "Die Zeit ist ernst" (S. 197). Das Ziel ihrer Sache wird jedoch zu keinem Zeitpunkt preisgegeben. Auch der Beschlufl des Internationalen Komitees, die aus aHer Welt gekommenen Spanienteilnehmer zu neutralisieren* kann ihrem Idealismus, dem Geist der Bruderschaft und Entschlossenheit im Kampf fur eine Veranderung der Welt keinen Abbruch tun: Wir gehn zuriick in eine andre Welt, Als Partisanen, nicht als Veteranen. Wir bleiben weiter unter unsren Fahnen. Und wo der Feind sich auch entgegenstellt: Der Kampf geht weiter: Bis die Festung fallt! (S . 203) Immer werden sie eng verbunden mit dem um seine Freiheit ringenden spanischen VoIke bleiben, wie es in dem ab- schlieSenden Gedicht Weinerts heiflt: 220 Wo wir in der Welt auch wandern, Einer weltenfern dem andern, Nirgends werden wir aliein, Spaniens Geist wird mit uns sein. Nie wird dich vergessen, Schone, Der fur deine Freiheit stritt. All die Liebe deiner Sohne Tragen wir im Herzen mit. (S. 182) Resumieren wir Erich Weinerts lyrischen Beitrag zum Spanienkrieg, wie er in seinem Sammelband Cameradas zum Ausdruck kam, so erscheint uns der Dichter als das Vorbild des "poeta militans" (Berger, S. 23), dessen Dichtungen einen ganz bestimmten Zweck verfolgen. Im Geist des inter- nationalen Klassenkampfes sollen die spanische Republik und ihre Verteidiger unterstiitzt werden, damit eine neue Zukunft im Sinne der marxistischen Bestrebungen nicht nur fur dieses Land, sondern fur die ganze Welt herbeigefuhrt werden kann. Eine besondere Bedeutung fiel dabei den fur die Interna- tionalen gedichteten Liedern zu, iiber die Weinert selbst in einem Artikel schrieb: "Eine starke Waffe ist das Lied. Wenn Manifeste und Proklamationen aus der Erinnerung der Massen verschwinden— das revolutionare Lied bleibt in ihrem HerzenI" (Interbrigadisten, S. 403). Aber auch die ubrigen Gedichte sind angefullt von propagandistischem Gehalt und darauf abgestimmt, unmittelbar die Sache in Spanien und in weiterem Sinne die Sache des kommunistischen Welterneuerungs- 221 gedankens zu propagieren. In ihrer Ausdrucksweise paBt sich diese Lyrik im Volke bekannten Formen an, so dafi es keines- wegs uberraschtj wenn Volkslieder und auch Kinderlieder eine grofie Rolle spielen. Auch eignet sich die Balladenform vor- ziiglich dazu, den epischen Charakter dieser Spaniendichtung wiederzugeben. Rudolf Leonhard hingegen war es nicht wie Erich Weinert moglichj in Spanien selbst dem Faschismus entgegenzutreten. Sein angegriffener Gesundheitszustand hatte es ihm kaum er- laubt* eine kurze Tour durch das umkampfte Land zu machen, ein Erlebnis, das in seinem schon zum Teil besprochenen knappen Band Spanische Gedichte und Tagebuchblatter^ Nie- derschlag fand. Gingen die Tagebuchblatter, wie wir gesehen habenj auf seine Reiseeindriicke zuriick, so entstanden seine spanischen Gedichte im Krankenbett, wo sein Herz aufs tiefste mit den Kampfenden verbunden war. Mit groBem Be- dauern, diesem Krieg fernbleiben zu miissen, schreibt der Autor in seinem ersten Gedicht "Spanien": War ich in Spanien, hatt ich ein Gewehr, mit alien meinen spanischen Genossen; das ware mir nicht wie im Weltkrieg schwer, nicht wie im Weltkrieg trxig ich es verdrossen. (S. 3) "'■■''Paris : Eds. Prometheej 1938. Zitate aus diesem Werk erscheinen im Text nur unter Angabe der Seitenzahl. 222 "Die Landkarte," die iiber seinem Krankenlager hangt, macht ihm nur zu deutlich, dafi der Brand nicht nur auf Spanien begrenzt ist, sondern der ganzen Welt Gefahr bringt. Deutschlands Schicksal aber ist besonders eng verwandt mit Spanien, da dieselbe Knechtschaft, die dem spanischen Volke droht, in dem Heimatland des Dichters schon fest Wurzel ge- faftt hat. Das deutsche Volk, so glaubt Leonhard voreilig, werde diese Unterdruckung durch den Faschismus nicht langer ertragen und sei zum baldigen Aufstand entschlossen: "Was deutsch ist, Spanienfreunde, steht zu Euch" (S. 20). Dem Kapitalismus, den "Herrn" schreibt er es zu, dafl Deutsche gegen Deutsche stehen: "Deutsche gegen Deutsche vor Madrid in der Schlacht / die Freiheit gegen die Niedertracht" (S . 9) . Anklagen, Aufriitteln, Werben fur die Sache in Spanien, das ist sodann die Grundabsicht seiner Spaniengedichte. Ganz Furopa ist in seinen Augen durch seine Gleichgiiltigkeit mitschuldig an dem Untergang der spanischen Stadt Irun. Ware es gemeinsam aufgestanden, so hatte der Faschismus diese Grauentat nicht vollbringen konnen: Unsre Mitschuld ist ihr Vermachtnisj Wann sturzt Europa ein? Treibt uns nicht ihr Gedachtnis— verflucht sollen wir seinl (S. 9) 223 Apathisch reagiert die Weltoffentlichkeit auf den Mord von Kindern, wie Leonhard in seinem Gedicht "Das Kind von Mos- querela" anklagend verdeutlicht. Ein Mensch, der noch das ganze Leben mit seinen Leiden und Freuden vor sich hat, wird von einer Bombe erschlagen und am nachsten Morgen weift man in Europa schon nicht mehr, ob es ein Bub oder Madel war. Sarkastisch stellt der Dichter deshalb fest: . . . und die Zeitungen sagten im Telegramm, dafi zwar die Schlachter die Holl verdamm1, doch begriifiten sie, rings in Europa, es trauerfrei, daS gestern nur ein einziges Opfer gefallen sei. (S . 13) In einer "Londoner Ballade" stellt der Dichter Englands Apathie gegemiber der schrecklichen Vorgange auf der Iberi- schen Halbinsel blofi: Sie gehn geruhig in ihren hubschen Garten spazieren, und wollen warten, bis wirklich und ernstlich und endlich auch in den eingebrochen wird. (S. 17) Auf den Boulevards der Weltstadte aber nimmt der Strom des Lebens unbekiimmert seinen normalen Gang, als gabe es keine Bombennachte in den Stadten Spaniens, nicht Tod und Leichen. Die grauenhaften Nachrichten aus Spanien bleiben im Hinblick von Kinos, Geschaften und Tanzen nur tote Buchstaben und diirres Papier. Und so appelliert der Autor mit aller Kraft 224 an die Welt, ihre Apathie zu uberwinden und sich dem hoff- nungsvollen Widerstand gegen den Faschismus anzuschlieBen: „ Steht keiner auf und beginnt zu schrein, und beginnt die Emporung einzuweihn, bleibt jeder Schrei in der Kehle verschlossen, und jeder mit seinem Herz allein? Und sind doch alie, alie Genossen in Leid und Hoffnung, auch die verdrossen und miide und schwach sind und ohne Mut; und ist doch alles Blut, das vergossen, und alles Fleisch, das gefoltert ist, Blut und Fleisch von ihrem. Die Luft ist gut im Fruhling, die Hoffnung ist riesengrofi, die Menschen schlieBen sich fest in Reihn, ein Schrei in die Masse, dann geht es los, ein Herz, eine Hoffnung, ein Mut, ein Schrei, und Madrid ist gerettet und Thalmann ist frei! (S. 26) Keiner darf nach Leonhard in diesem Krieg unparteiisch bleiben, denn von dem Konflikt in Spanien ist die ganze Welt betroffen. Aufgabe eines jeden ist es, angesichts der Vor- gange auf der Iberischen Halbinsel, den Geist der Kampfenden mit alien Mitteln zu propagieren: Wenn Du die Zeitungen gelesen hast und Du zitterst vor Wut, dann geh und sage den Freunden alien und sage der Welt, sage— die Sache ist auch auf Dich gestellt! sage— hast Du auch wirklich alles, alles getan?— sage alien, was dort die Helden sagen: no pasaran! (S. 6) Den zu befolgenden Weg zeigen die Spanier, deren tapfere Haltung der Barbarismus der faschistischen Armee nicht zu 225 brechen verraag. "Die Manner aus Lerida," um ein Beispiel zu nennen, verlieren ihren Optimismus sogar dann nicht, als ihre Stadt von einem Flammenmeer vollkommen zerstort wird: Lerida? Die Stadt ist wie unsre Haut. Sie ist Augen und Herzen aufs tieftste vertraut. Die Starke der Herzen ist wundersam. Lerida wird wieder aufgebaut! (S. 11) Ein Volk, das angesichts der schwierigen Lage soviel Opti mismus aufbringt, kann GewiGheit auf eine bessere Zukunft blicken. Wahrend noch die Kanonen larmen, hallt von druben der heiGe Schrei nach Biichern, Tinte, Papier und Blei. "Die wollen marschierend lernen und lehren; / die buchstabieren mit ihren Gewehren" (S. 17). Und im Vertrauen auf ein moralisch siegreiches Auskommen des Krieges in Spanien schlie&t der Dichter seine Gedichtsammlung mit dem bezeich- nenden Gedicht "Licht im Westen." Was in Spanien geschieht, ist in seinen Augen ein groGer Gewinn im Kampf gegen die faschistische Niedertracht und fur die Sache der Freiheit: Was auch in Spanien wird, das bleibt bestehn: Wir sahn ein Volk mit nackten starken Handen sein Schicksal fassen und sein Schicksal wenden, wir sahn ein groGes Volk aufstehn und stehn . . . Ein Volk trat einig in die Volker ein, sein Land zu schaffen und sich zu befreinl Da es aufstand und stand, kam schon Erfolg. Erstlich und endlich nach brutalen Kriegen 226 sahn Freiheit wir Partei sein, kampfen, siegenj und das, das bleibt bestehn: Freiheit und Volk. (S. 27) Wenn wir nun in einer Rezension dieses Bandes von Al fred Wolfenstein lesen, dafi die spanischen Gedichte Rudolf 12 Leonhards Natur seien, so kann man mit dieser Beobachtung insofern ubereinstimmen, dafi sie ohne Zweifel Ausdruck seiner innersten Uberzeugung sind. Im Krankenbett verhin- dert, an den tatsachlichen Kampfen teilzunehmen, macht es sich der Schriftsteller zur Aufgabe, wenigstens mit seiner Dichtkunst dem spanischen Volk beizustehen. Sein Haupt- thema ist immer wieder das Hinweisen auf die Kampfenden und das Werben fur die Sache der Republik gegen den Faschismus. Wie andere Dichter erkennt er die iiber die nationale Bedeu- tung hinausgehende Rolle des Spanienkrieges und versucht durch das Aufzeigen seiner internationalen Aspekte die Weltoffentlichkeit aus ihrer Apathie wachzuriitteln. Unver- hiillt aber tritt im Einklang mit seiner politischen Ein- stellung der propagandistisch-agitatorische Ton seiner Ge dichte zutage. Nicht selten auch fiihrt sein Idealismus zu einer blinden Schwarz-WeiB-Zeichnung in der Darstellung des 12 "Spanische Gedichte. Rudolf Leonhard," Die Neue Weltbuhne, 1 (Januar 1939), 26. 227 Konfliktes, wie besonders in seinem Gedicht "Die Welt muS wissen" deutlich wird. Hier stellt er Francos Soldaten denen der Republik gegeniiber, den Morder und den kinder- liebenden getreuen Republikaner. Was die dichterische Leistung iiber die unmittelbare Unterstxirzung des Spanien- kampfes selbst anbelangt, so steht, durch seine Themen be- dingt, das epische Element in seinen Gedichten im Vorder- grund. Seine spanischen Gedichte sind in erster Linie Ge- brauchsdichtung mit einer politischen Absicht. Doch wieder- holt bricht der Lyriker an sich hervor, sei es in der Vereinigung politischer Aussage und dichterischer Darstel- lungskraft oder nicht zuletzt in seinem anlafilich seines Heimfluges nach seiner Tour durch Spanien entstandenen Ge- dichts "Flug xiber die Pyrenaen." Frei von politischem Ge- halt beschreibt Leonhard die Erfahrung des Fluges uber die Gebirgskette: Der Motor schreit. Das Schiff gleitet ganz leise auf einem. Meer aus weifi geflochtenem Eise und scheint zu stehn und uberholt die Reise. Da werfen Wolken auf die Wolken Schatten, wie Gipfel zwischen Taler gatten, die an den Pyrenaen jah ermatten. Wir fxihlen uns in gleicher Sonne glimmenj und uns Land, Luft, Licht und Schnee verschwimmen, singen uns Lungen, Muskeln, Augen auf wie Stimmen. (S. 28) 228 Rein vom Thema her gesehen, durfte dieses Gedicht ohne Zweifel einen bedeutenden Beitrag zur deutschen Dichtkunst darstellen. Dadurch, daB die Endreime in den einzelnen Strophen gleich tauten, unterstreicht der Dichter das un- beschwerte Dahingleiten des Flugzeugs, das im effektvollen Kontrast steht zu dem Sturm der Gefuhle des Reisenden und dem Larm des Motors. Auch erreicht er mit seinem Spiel der Alliteration und seiner Sprache uberhaupt eine Musikalitat des Gedichts, die ihm eine unnachahmbare Magie verleiht. Dem spanischen Kriegsschauplatz fernbleiben wie Rudolf Leonhard muBte auch Johannes R. Becher, der aus Deutschland durch Hitler vertrieben in Moskau Zuflucht nahm. Obwohl er durch verschiedene Umstande verhindert war, am Krieg per- sonlich teilzunehmen, gait seine riickhaltlose Anteilnahme der spanischen Republik, wie wir schon am Beispiel seiner epischen Dichtung "Die Fahrt nach Teruel" aufzeigten. Eine Anzahl seiner spanischen Gedichte sind bereits in dem Band 13 Der Gliicksucher und die sieben Lasten (1938) enthalten. Mehr Gedichte zu diesem Thema finden wir sodann in den 14 spateren Gesammelten Werken oder anderen Anthologien aus 13 Berlin: Aufbau-Verlag, 1958. ^ B d . IV (Berlin & Weimar: Aufbau-Ver lag, 1966), 727. 229 dieser Zeit. Wie Rudolf Leonhard driickt auch Becher sein aufrichti- ges Bedauern aus, nicht unmittelbar mitkampfen zu konnen. Demzufolge stellt er seinem Gedicht "Madrid" die nach- stehenden Worte voran: Das ist das Schwerste: wenn in einem Land Der Aufstand losbricht, und du liest nun taglich Die Meldungen, und mit den Fingern fahrst Du auf und ab die Karte, suchst die Orte, Die oft genannten— und du selbst bist weit, Weit weg von dort . . „ Es ist wie eine Schande, Die qualt dich Tag und Nacht. Das ist das Schwerste. . . . (Gesammelte Werke, IV, 133) Wenn auch Tausende von Genossen nicht direkt in Spanien am Kampf teilnehmen konnen, meint er, so bezeugt doch ihr Geist Solidaritat mit der Republik und wird dies Land stark und frei machen. Vor allem sind es nun durch ihre Unmenschlichkeit be- sonders anklagende Themen, die den Schriftsteller anregen, sie in dichterischer Form zu verewigen. In diesem Sinne erzahlt er uns in dem Gedicht "Der Kindermord" von dem tapferen Sterben alter Frauen und Kinder, die sich vor den Faschisten in ihre Kirche gerettet hatten. Als diese das Gebaude mit Benzin iibergiefien und in Brand setzen, erschallt von ihrem Innern die Internationale. Die gerechte Strafe wird aber auch die Morder ereilen, wie Becher in der 230 Schlufistrophe ankundet: [Marokkaner] Und Carlisten zogen weiter. In dem Wind, der neben ihnen herlief, sang es: "Immer ist das Volk* und auch die Toten Werden Volk, und alles Volk, das racht sich." (Gesammelte Werke, IV, 128) Unter dem Titel "Barcelona" beklagt Becher das Schicksal dieser Stadt und fuhrt ihren Fall auf den Verrat der Regie- rungen in London und Paris zuruck. Voller Haftgefuhle schreibt er: Barcelona, Trummer, blutige Pfiitzen. Henker in den roten Baskenmiitzen. Fremder Soldnerknecht als Mordgeselle. Francos Fahne auf der Zitadelle. (Gliicksucher, S. 153) Den qualvollen Tod eines in die Gefangenschaft der Fa- schisten geratenen republikanischen Soldaten, der gezwungen wird, an Stelle eines Stiers in der Arena aufzutreten, verewigt Becher in dem Gedicht "Stierkampf in Badajoz." In seiner auSeren Form ist das Gedicht dem Fortschreiten der Handlung entsprechend in fiinf Teile gegliedert. Der erste Teil schildert uns expositionsartig die Vorbereitungen fur den schrecklichen Akt des menschlichen Stierkampfes. Bewegt von Sensations lust lauscht die Menge auf die Ankundigung des "roten Stiers" durch den grofien General. Im zweiten Teil 231 erleben wir den Einzug des Gefangenen und dessen Bespickung mit Speeren auf Brustj Bauch und Riicken. Trotz seiner ent- setzlichen physischen Qualen konnen die Faschisten seiner innerlichen Haltung keinen Abbruch tun. "Er wachst und wird zum Bild: ein Mann stirbt und wird leben." Visionen des Gefolterten erfiillen den dritten Teil des Gedichtes . Wir erfahren, dafl er sein Heim und seine Familie verlassen hat* da das Volk ihn brauchte . Im vierten Teil, der nur zwei Strophen im Gegensatz zu den vorausgehenden vierstrophigen Versen Teilen enthalt, wird der "Stier" vom Matador fachge- recht abgestochen. "Ein Tusch. Den Degen zieht der Matador zuruck / Und streckt die Arme weit, die sich mit Blumen fullen." Der ebenso kurz gehaltene letzte Teil des Gedich tes zeigt uns sodann die Vergeltung, die den Mordschuldigen ereilt. Als hatte sich der Tote erhoben, so schlagt am folgenden Tage die Bombe eines republikanischen Flugzeugs nieder: Salut, Herr General! Die Offiziere riefen Kommandos. Doch umsonst. Die Bombe traf genau Ins Hauptquartier. Salut! . . . Als glanzte in den Tiefen Am Tage auch die Nacht, so war der Himmel blau. (Gesammelte Werke, IV, 123) Die Unmenschlichkeit der Faschisten, wie sie sich insbe- sondere in der Figur des Generals reflektiert, wird noch 232 deutlicher vor Augen gefiihrt in dem Gedicht "Der Flug ins Volk." Ein junger spanischer Flieger, der von Franco zwangsrekrutiert wurde, wird sich plotzlich seiner Mitschuld an den begangenen Verbrechen am spanischen Volk bewufit und totet wahrend des Fluges den General, den er zum Haupt- guartier bringen sollte . Dabei verkorpert der General die Absolutheit der Inhumanitat, des Bosen. Korperlich ein hagerer Greis, ist er dadurch bekannt, Dorfer mitsamt Grei- sen, Frauen und Kindern niederbrennen zu lassen, um so das Volk zu bandigen: . . . ein Mensch, nur welke Haut, Die Augen so wie Spitzen, Lippen kaum, Ein Schnitt nur uberm Kinn. Als war gemacht Er eigens dazu, vim zu erschieSen Und zu verbrennen und zu foltern und Das Volk zu hassen. (Gesammelte Werke, IV, 131) Um die Inhumanitat des Faschismus, wie sie sich in einem General Francos verdeutlicht, geht es auch in dem Sonett "General Mola," das bereits in der Reihe "Schriftsteller der 15 Gegenwart" ausfiihrlich behandelt wurde, und als Inbxld grauenhafter Unmenschlichkeit seine Klassifizierung fand. 15 Johannes R. Becher. Leben und Werk, Schrxftsteller der Gegenwart (Berlin: Aufbau-Verlag, 1958), S. 65. 233 Das einzige Kennzeichen Molas von seiner Zugehorigkeit zu den Menschen ist sein Rock, er allein bleibt nocb mensch- lich. Als eines Tages ein Flugzeug unbekannt abstiirzte und verbrannte, ist es wiederum nur dieser Rock, wodurch man ihn identifizieren konnte: Bis man ein Stuck von einem Rocke fand, Woran man ihn, den General erkannte— ^ Das einzige, was menschlich an ihm war. Bechers kiinstler ische Gestaltung des Spanienthemas, wie wir aus den vorangegangenen Gedichten schliefien konnen, stellt eine Art Zyklus der Unmenschlichkeit dar. Indem er besonders drastische Beispiele herausgreift, versucht er den wahren barbarischen Charakter des Faschismus, wie er sich besonders in Spanien offenbart, aufzudecken. Durch den Umstand jedoch, daS er in Verbindung mit seiner Konzentra- tion auf die faschistische Inhumanitat sensationelle Themen aus politischer Sicht bearbeitet, begibt sich Becher mit seinen Spanien-Gedichten in die Gefahr, sie zu "pornography of violence" ausarten zu lassen, ein Eindruck, den seine 17 haflgeladene Sprache nicht abschwachen kann. •^Ausgewahlte Dichtung aus der Zeit der Verbannuncr 1933-1945 (Berlin: Aufbau-Verlag, 1946), S. 119. • * - 7Vgl. hierzu: Benson, S. 222-243. 2 34 An der spanischen Front selbst nahm der Schriftsteller Erich Arendt teil, nachdem er zuvor aus Hitler-Deutschland in die Schweiz geflohen war. Erst im Jahre 1952 erschien 18 seine Sammlung Bergwindballade, in der er d- -5 ' Erlebnis des Spanienkrieges bannte. Insgesamt vier Teile lassen sich in dieser Sammlung unterscheiden mit den Titeln "Die Heimat ist weit . . . ", "Wir haben im Riicken einen Freund," "Leidendes ILand" und abschlieSend "Das Lied des Widerstandes." Der erste Abschnitt befaSt sich zunachst mit Gedichten um die Gestalt Goyas und dessen revolutionaren Bildern. "Vom Glanz der Herren" prangert, wie Arendt feststellt, die Welt der GroBen und deren Laster an. Nach drei vierzeiligen Strophen, die diese Welt des Lugs und Trugs beschreiben, endet das Gedicht mit der folgenden zweizeiligen Strophe: "Er zeigt die Grofte Welt, der Hohlheit kalte Prunkgebarde; / mit Harte, Bosheit, Gier und Trug beugen sie dich zur Erde" (S. 9). Im auBeren Aufbau und dem gezielten SchluB gleichen sich auch die beiden anderen Gedichte um Goya "Von der Dumm- heit" und "Von Volkes Leid." Ihnen schlieBen sich Gedichte an, die Themen aus den Jahren 1936-1939 zum Inhalt haben. 18 Bergwindballaden: Gedichte des spanischen Burger- krieges (Berlin: Dietz-Verlag, 1952) . Zitate aus diesem Werk erscheinen im Text nur unter Angabe der Seitenzahl. 235 Am aufschluflreichsten fiir die personliche Haltung des Auto- ren in dieser Zeit ist sein Sonett "An den Dichter." Ange- sichts des Freiheitskampfes der Volker Iberiens sieht er es als seine Aufgabe, ihnen mit seiner ganzen Person beizu- stehen. Was er bisher nur in Worten ausgedriickt hat, mufi jetzt in Tat umgesetzt werden: Nun ist es Zeit, die Feder fortzutunj der Mensch kampft mit den letzten Waffen! Die Helden, die dein Herz im Trotz erschaffen, sie fordern Rechenschaft von Deinem Tun. Du Dichter mufit vor ihm durch die Tat bestehen; sie fordern dich, den sie nicht missen konnten. Jetzt zeig, ob das, was du geschrieben, gilt! (S. 15) In dem weiten Umkreis der Themen zum Spanienkrieg hebt sich sodann thematisch und der Form nach das Doppelsonett "Die Arena" ab, wo ahnlich wie in Bechers "Stierkampf" die Qua- lereien der Faschisten in Badajcz zum Hauptgegenstand wer den. Daneben nimmt bei Arendt auch das Kindermotiv eine vordringliche Rolle ein. Im Sonett "Das Blut der Kinder komme ..." schildert der Dichter in typisch expressioni- stischen Sprachbildern eine Bombennacht in Barcelona: Aufseufzt die Nacht. Ein schwarzer Meteor fallt plotzlich aus den kalten Sternenraumen. Die Dacher heben sich in Angst empor, und die Mutter fahren schreiend aus den Traumen. (S. 23) 236 Wahrend die Morder wieder uber Wolken entfliehen, tropft das schuldlose Blut der Kinder von dunklen Balken. Ebenso blut- runstig ist das "Lied der Mutter von Madrid," das einem Wiegenlied nachgebildet ist. In Spanien wird aber auch fur die Zukunft Deutschlands gekampft, wie der Dichter in dem Sonett "An die Mutter" klarmacht. Um sich der Knechtschaft zu wehren, ging der Sohn nach Spanien. Doch einmal wird er wieder in die be- freite Heimat zuriickkehren. Ein anderes fur den Spanien- kampf wichtiges Thema wird in dem Sonett "Ein Bauer schreibt aus dem Schutzengraben" aufgegriffen. Schreiben und Lesen, das sind Errungenschaften, welche die Republik dem bisher in Unwissenheit gehaltenen Volk gebracht hat. Deshalb beendet jetzt der Bauernsohn seinen Brief stolz mit der folgenden Mitteilung: Steht noch der Feigenbaum im Hof vor unsrem Haus? Jetzt schieSt der Feind. Ich mufi nun, Mutter, schnell hinaus. Nur eines noch: Ich werde nach dem Sieg . . . studieren! (S. 19) Aussagen wie diese, sind wohl mehr auf den Enthusiasmus des Autoren zuruckzufiihren, als dafi ihnen irgendein Wirklich- keitsgrad zugemessen werden kann. Besonders wirkungsvoll ist sein Sonett "Genosse," das dem Gedenken an die 237 zahllosen Kampfer gerichtet ist, die in Spanien ihr Leben lassen muBten. Das Mittel der Alliteration in den ersten beiden Zeilen unterstreicht das zahe Aushalten der an der Front Stehenden: "Der Sonne Wiiten Woch1 um Woche brannte / auf dich herab. Du lagst eng angepreBt / am Fels" (S. 29) . Die gleiche Absicht verfolgt Arendt mit seinem Gebrauch von Vokalen, wie zum Beispiel in den folgenden Versen: "Ins Aug erblindend floB vom Stirnenrande / der SchweiB" (S. 29). Durch die iiberaus ungewohnliche Anhaufung von dem Vokal "i" erreicht er, das Blenden der immerwahrenden Sonne zu ver- bildlichen. Das optimistischste Gedicht des Dichters anlaBlich des Spanienkrieges ist sein "Erntelied auf Mallorca." Zum ersten Mai in der Geschichte der Insel sind die Bauern Herr liber ihr eigenes Feld: Fest stand im Feld der Bauer. Und der Pfaffe drohte von alter Kanzel, denn der Bauern Banke blieben leer. Froh sang des Mahers Mund: Das Feld war sein. GroB lobte der Sonnenabend iiber seinem Inselmeer. Der Himmel sein, die Sonne sein, die rote! Die Bauernhande gaben auch nicht mehr den Himmel her. (S. 12) Durch den Wechsel von unbetonten und betonten Silben in der ersten Strophe des Gedichts ahmt der Dichter die Bewegungen des erntenden Bauern nach: "Im Kreis sich viele Stunden 238 drehend, sang der Bauer / inmitten seines Felds auf offenem Tennengrund" (S. 12). Musikalitat und bildnerische Kraft, die voller Uberraschung ist, vereinigen sich in der zweiten Strophe, die, um den Dichter in Arendt voll aufzudecken, hier wiedergegeben sei: Geerntet lag das Weizenfeld, das um ihn kreiste Und wie im Tanze wiegte, leis zu seinem Sang. Die Mandelbaume schwangen, und der Brunnen reiste von seinen Augen fort, kam wieder, einen Atem lang, und unter hellen Hufen Korn aus reifen Ahren sprang. (S. 12) Melancholischer in seinem Ton ist das Gedicht "Olivenhaine vor kastilischen Dorfern." Es beschreibt die Sehnsucht der in der Heimat Zuruckgebliebenen nach einem siegreichen Aus- kommen des Krieges und Frieden in Spanien: In den zerschossenen Dorfern traumen die Madchen. Kalt wehen Totengesange die Winde der Ebene uber ihr weilies Gestein. Unter Oliven Mutter und Vater zum Feinde nachts spahen: Wann kehrt das Gliick mit siegenden Sohnen, das Gluck bei uns ein? (S. 28) Nicht so sehr kampferisch, sondern eher elegisch klingt auch sein Gedicht "Don Quijote," in dem der Weg dieses Ritters mit der Situation derer verglichen wird, die fur eine bes- sere Welt kampfen. Unbeirrt durch Enttauschungen verfolgen sie einen Menschentraum: 239 So reiten sie im Staub gliicklosen Erdenraumes und finden, wenn die Welt umsturzt und uns verheert, kampft doch, von keinem Staub und Grauen je versehrt, kampft unser Lacheln, durch die Zeiten, die es muhsam andert. (S. 13) Als leuchtendes Vorbild in diesem Kampf aber dient der heroische Widerstand Madrids. Allen Verzagenden zwischen Berlin und Rom ist die Stadt ein Beispiel kiihner Haltung im Dunkel der Angst. Dem Tod zum Hohn lacht Madrid aus wunder Kehle: "ein Lachen stahlern, grofi, das Panzer beben macht. / Dort recken noch die toten Fauste sich aus Steinen" (S. 31) . War der erste Teil der Sammlung Bergwindballade Goyas revolutionaren Bildern und Themen aus den Jahren 1936-1939 gewidmet, so findet im zweiten Teil "Wir haben im Rucken einen Freund" nach dem Muster Weinerts die Solidaritat mit RuSland und der Dank fur dessen Unterstiitzung im Spanien- krieg seinen dichterischen Ausdruck. Geschrieben wurde dieses Hohelied auf die Sowjetunion "zwischen aragonischen Bauern und den Kumpeln des spanischen Volksheeres in der Sierra von Alcubiere und Tardienta zum XX. Jahrestag des Siegreichen Oktober" (S. 37). Arendt vergleicht in diesem langen Gedicht den Kampf der spanischen Republik mit der Entstehung der U.d.S.S.R., die ebenfalls gigantische Schwierigkeiten zu uberwinden hatte. Heifl und tief wird 240 wird RuBland von Arendt geliebt und vor allem ist es Stalin* dem sein abschliefiender Lobgesang gilt: Sein Name ist in unsre Herzen eingegangen. und wir* wenn nicht er ware und seine Sicherheit* Weisheit und Kraft* seine Unbestechlichkeit und Giite! Zwanzig Jahre habt ihr das Leben* das wunderbare* euch erbaut unter viel Gefahr* mit Opfern und unmenschlichen Kraften. Wir aber stehen ein Jahr erst im Kampf. Vieles liegt vor uns. Und Schweres bleibt zu bestehen. Dieses aber wissen wir* Und es gibt den Mut uns zum Letzten und AuBersten: Wir haben im Riicken einen Freund! (S. 55) Es bedarf keiner naheren Untersuchung* vim den unmiBver- standlich propagandistischen Charakter dieses Gedichts auf- zudecken. Arendt* selbst seit 1926 der kommunistischen Partei angehorig* stimmt* strikt der Parteilinie folgend* in den Lobgesang der Solidaritat mit RuBland ein und laBt sich in seinem Gedicht zu einer Glorifizierung dieses Landes und seiner Rolle im Spanienkrieg hinreiBen* die sicherlich der Realitat nicht vollkommen entsprach. Dieses Werk ist Propaganda in ihrer unverhiilltesten Form und widerspricht jeder weiteren Wertung. Den dritten Teil seines Spanienbandes bildet der Ab- schnitt "Leidendes Land" und schildert uns Spanien nach dem 241 Zusammenbruch der Republik und unter der Herrschaft Francos . "Saragossa 1941" beispielsweise erzahlt von den Ruckerin- nerungen des Dichters angesichts der einst so umkampften Statte und lafit die einzelnen Etappen der Schlacht wieder aufsteigen. Begleitet vom Rauschen des Ebros schwillt das spontane Sich Erheben der unterdruckten Spanier zu einem bewuftten allgemeinen Auf stand gegen die Unterdriicker der Freiheit: Der Ebro rauscht . . . Sie stiirmen wehrhaft mit dem Heer der Bauern zur Hilf dem Stadtvolk, das dort kampft, herbei. Der Domplatz faflt die Menschen nicht mit seinen Mauern, auf dem mit breiter Brust die Freiheit singt, da frei der Ebro rauscht und rauscht! (S. 61) Die Guardia Civil beherrscht jetzt, wie das Gedicht "Cadiz" zeigen soil, die spanischen Stadte und nimmt mit ihren Eisenruten Rache an dem Volk. Resignation und Elegie klingen auch in dem Gedicht "Wiedersehen Aragonischer Berge" an: Er tritt in Hauser, die wie Armensarge am Ufer stehen, wo die Pappel klagt; die Flammende wuchs hell aus unsrem Kampf, die klagend nun ins tote Mondlicht ragt. Die Freunde suchend, all die toten Bauern, mein Schatten irrt im tranenlosen Wind durchs Nachtfeld, wo kein Korn aufwachst, weil Bauernhande drin begraben sind. (S. 71) 242 "Das Lied des Widerstandes, 1 1 der letzte Teil von Erich Arendts Sammlung geht uber den nach Arendt sogenannten Scheinsieg Francos hinaus und hat den Partisanenkampf im faschistischen Spanien zum Hauptthema. Spaniens bevor- stehenden Befreiung wird in diesem Sinne im "Partisanentanz" gefeiert. Aus den Waldern, die sie vorm Zugriff des Todes schutzen, kommen die Guerillas herunter, um ihre Solidaritat mit den Bauern zu bekraftigen. Bald werden Spaniens Raume vom Schrecken Francos befreit sein. Unter dem Zeichen der "Pasionaria," der spanischen Freiheitsheldin, wird der Widerstand gegen die Tyrannei fortgesetzt und "die grofie Zukunft ist schon Gegenwart, / da alle kampfend unter deinem Zeichen gehen" (S. 85). Die bedeutendste Dichtung des letzten Teiles aber ist die "Bergwindballade," die dem Sammelband seinen Namen verliehen hat. Symbolisch steht der Bergwind fur die Widerstandskampfer in Francos Spanien: Mit offener Brust marschiert der Wind; er riihrt an Dinge schwer, ob sie entgegenstehen, ob fliehn zum aufgetiimten Meer . Aus Feuer und Granit entsprang der Partisanen Wind; Sturmfauste trommeln seinen Sang vom Sieg, wo wir auch sind. (S. 8 6 ) Er halt Gericht uber die Feinde des Volkes, uber Verrater 243 und Heifer der Faschisten. Alle freiheitlich Gesinnten aber in Spanien vertrauen auf den "Bergwind," der den Verfolgten zur Seite steht und sogar die Kinder lobpreisen ihn: Sie singen gern vom Heldenwind, von Baumen, Mond und Tier: "Wenn wir dereinst die Manner sind, dann lebt auf Erden nur der Wind., das Gluck, der Wind und wir!" (S. 90) Daft der Kampf in Spanien kein Ende haben wird, bis die Frei- heit des Volkes wiederhergestellt ist, driickt Arendts Ge- dicht "Brot und Wein" aus, das erst im Jahre 1950 entstand. "Nach Blut schmeckt das Brot, / nach Blut schmeckt der Wein," sagen die Bewohner der Dorfer spanischer Provinzen und gedenken der zahllosen erschossenen Bauern: Offen halten wir unserer geschandeten Erde die Wunde. Doch wie gut schmecken Brot und Wein, gegessen, getrunken wieder auf freiem lebendigem Grunde . (S. 97) Der Widerstand wird fortdauern, denn schon tragt die junge Generation die Idee des Freiheitskampfes nach vorn: "Die Heimat ist weit ..." singt das Erinnern in uns; wir kehrten ins Vaterland wieder. Beriihrt nun vom Tag, dem verwandten, streun wir zura Grund das unendliche Korn. Meerblaue Wolken durchwogen die Stadte, draus wehn junge Hande den hellen Flieder der Freude empor. Das Lied unseres Kampfes, schon tragen es Kinder nach vorn . . . 244 Lied, das harter tont im siegenden Fels: ihr Herzen der Partisanen! Dich grufien die Volker, kastilischer Morgen mit deinen aufrollenden Fahnen, du leidendes Land, erhoben im Zorn. (S. 101) Fur den Dichter Erich Arendt bedeutete der Spanienkampf ein Einstehen fur die Sache mit Wort und Tat. Seine Ge- dichtsammlung Bergwindballade setzt sich mit einern weiten Themenkreis zum Kampf auf der Iberischen Halbinsel auseinan- der und spiegelt gleichzeitig seine individuelle Haltung wahrend der verschiedenen Phasen der Geschehnisse wider. Arendt glaubt fest an eine Veranderung der Welt im Sinne der kommunistischen Ideologie und glorifiziert seinem Idealismus folgend besonders Stalins Rolle in einem der Wirklichkeit weniger entsprechendem Mafie . Mit den militarischen Riick- schlagen nimmt auch seine Lyrik einen melancholischen und eher resignierenden aIs kampferischen Ton an, der jedoch wieder verwandelt wird von seinem festen Glauben an die Partisanentatigkeit im von Franco besetzten Land. Die poetische Gestaltung und insbesondere seine Sprachkunst nehmen bei ihm, abgesehen von Ausnahmen wie "Wir haben im Riicken einen Freund," einen entscheidenden Platz ein. Wenn die ostdeutsche Literaturkritik behauptet, die Jahre des Kampfes in Spanien bedeuteten eine entscheidende Etappe fur die kiinstlerische Entwicklung des vom Expressionismus 245 kommenden Schriftstellers, so kann diesem Urteil jedoch nur bedingt zugestimmt werden. Zwar wurde er durch die spanische Kultur dadurch bereichert, dafi er die volkstiim- lichen Strophen des Flamencos fur seine Balladen als kunst- lerisches Ausdrucksmittel verwendet, das heifit das Mittel der Wiederholung und dem Spiel von Pausen in seiner Dich- tung, am gelungendsten aber ist seine poetische Gestaltung, wenn er sich von der politischen Aussage abkehrt. Als ein uberzeugendes Beispiel hierfiir sei nur noch auf sein Sonett "Aragonesischer Abend" verwiesen: Lehmhauser recken aus der Hitze ihr Gesicht. Der Sommerbrand des Himmels loschte uber kahlen endlosen Feldern aus. Ein gruner Glanz von fahlem hauchdiinnem Glas, spielt fernhin das vergangne Licht. Leis rinnt die abendschwarze Ader eines Flusses tief eingegraben durch das violette Land. Die Maher legen ihre Kleider auf den Sand; braun stehen wie wie Leiber eines Bronzegusses! Vom Dorf herunter schallen heiBerregte Rufe; Maultiere wogen wild, in dichtgedrangten Haufen zum Flusse donnernd, tagesglutberauscht. Die Tiere walzen sich. Die dunklen Nustern schnaufen. Du legst dich auf den Bruckenrand. Die Erde lauscht: Auf zu den Sternen klingt der Silberschlag der Hufe. (S. 14) 19 Bodo Uhse. Eduard Claudius. Abrifi der Spanien- literatur, S. 184. 246 Nicht zuletzt aber beweist die Tatsache, daB Arendt 1952 von der DDR der Nationalpreis fur Literatur verliehen wurde, Aufnahme und Wirkung seiner Dichtung uber Spanien zumindest in Ostdeutschland. Die bedingungslose Unterstiitzung der Republik propa- giert auch der Exilautor Max Zimmering, dessen Spanienge- 20 dichte in seinem Band Im herben Morgenwind Aufnahme fanden. Wenn es wie im Beispiel Spaniens gilt, die Welt zu verandern und neu zu formen, dann darf nach Zimmering auch der Kiinst- ler nicht auf seinem Elfenbeinturm verharren: Du sollst dich nicht auf eine Insel retten, in jenen Turm aus blankem Elfenbein— auch dort wird nicht das Reich der Freiheit seinj nur unsichtbarer wurden deine Ketten. (S. 7) Im Hinblick auf die faschistischen Untaten darf man nicht langer unbeteiligt abseits stehen. Die Zeit fordert aktive Anteilnahme, sich mit seinem ganzen Leben in die Gefahr zu stellen, "als Pflug und Pfliiger, Samen, Wasser, Erde, / damit er selbst ein Teil des Bildes werde" (S. 9). Daft man aber auch durch "Neutralitat" schuldig werden kann, fuhrt Zimmering in seiner "Ballade vom Aufstieg eines deutschen Piloten" vor Augen. Die Ballade stellt dar, wie ein junger ^Berlin: Dietz -Ver lag, 1953. 247 Mensch in Deutschland infolge der politischen Passivitat seiner Eltern nach und nach dem Hitler-Nazismus verfallt und schliefilich in Spanien als Flieger am Hinmorden der Zivil- bevolkerung teilnimmt. Sein verdientes Schicksal erreicht ihn, nachdem er uber einer spanischen Stadt seine tod- bringende Bombenlast abgeworfen hatte: Der Apparat stieg in die Luft empor. Ein Stocken plotzlich. Hielten ihn die Toten? Ein hartes Knirschen vorne im Motor— Das Flugzeug sturzte und zerbarst am Boden. (S. 35) Parteipolitische Sentenzen treten in Zimmerings Spanienlyrik zugunsten einer echten Anteilnahme an dem Schicksal dieser Nation zuriick. Sonstige poetische Beitrage An dieser Stelle Erwahnung verdienen zudem auch die zahlreichen spontan entstandenen lyrischen Beitrage der Exilautoren zum Spanienkrieg, die sich einer systematischen Erfassung entziehen. Zu ihnen zahlen in erster Linie die Werke, die in dem von dem bekannten proletarischen Sanger 1938 herausgegebenen Liederbuch der Internationalen Briqaden 21 Nxederschlag fanden. Neben Freihextsliedern von den 21 Ernst Busch, Hrsg., Kampflieder (Madrid: Diana, 248 spanischen Dichtern Rafael Alberti, Garcia Lorca und Luis de Tapia ist auch der Anteil deutscher Lieder betrachtlich. Viele uberlieferte Lieder wurden thematisch auf den Biirger- krieg zugeschnitten Oder entsprechend erweitert, wie zum Beispiel Ludwig Uhlands "Ich hatt einen Kameraden," das auf den Tod Hans Beimlers umgedichtet wurde (Marquardt, Rote Zitadellen, S. 103). AuBerhalb dieser Liedersaitimlung ver- ifafite Ulrich Fuchs, alias Walter Ulrich das die Sowjetunion ! ! 2 2 glorifizierende "Lied des Bataillons Tschapajew," und Karl Ernst das weitbekannt gewordene Lied "Die Thalmann-Kolonne," dessen erste Strophe wie folgt lautet: Spaniens Himmel breitet seine Sterne fiber unsre Schiitzengraben aus . Und der Morgen griiBt schon aus der Feme, Balt geht es zum neuen Kampf hinaus. Wir kampfen und siegen fur dich: Freiheit! j (Bodo Uhse. Eduard Claudius, S. 195) j |Unter den bezeichnenden Titel "Nichts Neues in Spanien" jschildert Hertha Riese den Tod eines Familienvater und kommentiert ironisch: "In Spanien war Besondres heut nicht 1937). Trotz aller Bemiihungen ist es mir nicht gelungen, eine Kopie dieser Liedersammlung aufzufinden. Die einzige Kopie in der Harvard Music Library scheint verlorengegangen zu sein. 22 Alfred Kantorowicz, Hrsg., Tschapajew. Das Bataillon der 21 Nationen (Berlin: Verlag des Ministeriums fur na- tionale Verteidigung, 1956), S. 25. 249 2 3 los." Und Stefan Heym schuf die jeder weiteren Erlaute- rung eriibrigenden Gedichte "Spanien, Dem Andenken von Hans Beimler," "Sturmfiihrer Kaleike," "Das Opfer" und "Interna- 24 tionale Brigade." Walter Fischer berichtet in dem Gedicht "Der Wassertank" von dem selbstlosen Einsatz eines Ange- horigen der Internationalen: "Die boys haben Durst, die Front braucht Wasser" (Marquardt, S. 206). Ludwig Adam ver- kiindet seinen HaB gegen den Faschismus in drei Gedichten. "Hort ihr" ist an alie die Menschen gerichtet, die noch in der Welt unter fremden Herren dienen miissen. Ihnen ruft er zu: Hort ihr die Batterien von Madrid? Hort ihr das Drohnen unserer Dreimotore? Hort ihr, Verdammte dieser Erde, Uns unser Lied der groBen Hoffnung singen, ^5 Wenn wir aus unseren Schutzengraben steigen? "Jack Shirai" (S. 304) ist einem gefallenen japanischen Genossen gewidmet, der dem Militarhospital entflohen war, um wieder dem spanischen Volk im Kampf um das Menschenrecht 23Pie Neue Weltbiihne, 26 (Juni 1938), 821. Stefan Heym, "Spanien— Sturmfiihrer Kale ike— Das Opfer— Internationale Brigade," Das Wort, 4-5 (April-Mai 1937), 8 6-8 8 . 25Weinert, Die Fahne der Solidaritat. S. 64. 250 helfen zu konnen. Und nicht zuletzt in dem Gedicht "Blinder Genosse" spricht Ludwig Adeim von der neuen Kraft, die ihm die Untat der Faschisten einfloflt: Wenn du aus dem Fenster blickst, ohne die Berge zu sehen, blinder Genosse— hassen unsere Herzen den Feind und werden furchtlos . (Marquardt, S . 2 0) Das tragische Ende internationaler Kampfer ist auch das An- liegen von Ludwig Detsinyi in seinem Gedicht "Fiinfzehn ge- 26 2 7 fallene Genossen." Unter dem Titel "Die Italiener" be- schreibt er sodann, wie die falschen Vorstellungen der Mussolini-Truppen an der Realitat in Spanien brechen. Won- nen in Spanien finden auch die zwangsrekrutierten Marokkaner nicht in Hugo Hupperts Gedicht "Der Hundertste." Nachdem neunundneunzig seiner Glaubensbriider gefallen sind, deser- tiert der einzig Ubrigbleibende zum Feind, wo er als Genosse aufgenommen wird: Sprach der Mann: "Komm mit Fellach; Landarbeiter bin ich auch. Sind vom gleichen Feld und Fach, Feind ist uns der gleiche GauchI (Marquardt, S. 55) 26Pie Neue Weltbuhne. 23 (Juni 1937), 727. 27Pie Neue Weltbuhne, 21 (Juni 1937), 665. 251 Walter Mehring klagt in seiner "Hymne auf den Sieger von Guernica" die Barbarei der faschistischen Angreifer an und warnt die Welt vor einer Wiederholung dieses Verbrechens: Pragt sie Euch ein, Ihr tragen Zeitgenossen! Denn diese Truimner sind der Meilenstein — Hier haben die Barbaren sich eingeschossen Auf ihrem Flug . . . Wo wird der nachste sein? Zu den bekannteren der Spaniengedichte gehort ohne Zweifel Bertolt Brechts Werk "Mein Bruder war ein Flieger." Seiner Schlichtheit und pragnanten Aussageweise wegen mochte ich es hier in seiner Gesamtheit wiedergeben: Mein Bruder war ein Flieger, eines Tags bekara er eine Kart, er hat seine Kiste eingepackt, und siidwarts ging die Fahrt. Mein Bruder ist ein Eroberer, unserem VoIke fehlt's an Raum, und Grund und Boden zu kriegen, ist bei uns ein alter Traum. Der Raum, den mein Bruder eroberte, liegt im Quadaramassiv, er ist lang einen Meter achtzig und einen Meter fiinfzig tief. (Marquardt, S. 113) Klara Blum hingegen gestaltete in einem kurzen Gedicht die 28 Das Neue Tagebuch, 19 (8. Mai 1937), 453. 252 bereits von Alfred Kurella dargestellte Geschichte "Rosi- 29 na." In einem Appell gerettet und geracht zu werden endet 30 Berthold Viertels Gedicht "Denn Spanien." Und Walter Freudmann schliefilich schreibt resigniert nach dem Zusammen- bruch der Republik in seinem Gedicht "Vorbei an Spanien" von der Enttauschung aller Hoffnungen auf eine neue Zukunft: Ach dann schmerzt so frisch die Wunde, und die Heimat jener Jahre sehen wir voriiber ziehen, jener Jahre, da wir lebten, kampfend, hoffend in dem Lande, das wir kampfend mufiten lassen auf der neuen grofien Fahrt. (Mar quar dt, S. 291) Diese bewuftt willkiirlich gehaltene Auswahl der einzelnen dichterischen Beitrage zum Spanienkrieg zeigte uns, welche Bedeutung der Spanienkrieg bei den Autoren einnahm. Neben Kampfszenen spiegeln sich Hoffnungen und auch Enttauschung der Dichter in den Werken wieder. Spanien bot die Moglich- keit einer neuen Wende, die jedoch nur am Horizont auf- tauchte, um dann wieder aus dem Blickfeld zu verschwinden. In dem wenn auch nur fragmentarischen Uberblick der Exil-Lyrik anlafilich des Spanienkrieges sahen wir Dichter, 29 "Letzte Fahrt," Das Wort, 1 (Januar 1938), 16. ~^Die Neue Weltbuhne, 37 (September 1937), 1163. 253 die trotz unterschiedlicher politischer Einstellung in ihren Werken aufs tiefste mit dem Schicksal des spanischen Volkes verbunden waren und echte Anteilnahme an den Vorgangen der Iberischen Halbinsel bewiesen. Dem traditionellen Abseits- stehen der Kiinstler vor politischen Entscheidungen absagend, verlassen sie ihren Elfenbeinturm und unterstutzen mit Wort und Tat den Kampf der Republik gegen den Faschismus. Ihre Verse werden Waffen. Somit fallt dem Genre der Lyrik in groSerem Mafle als den anderen Gattungen die Aufgabe zu, fur die Sache in Spanien vor aller Welt zu propagieren, Bekun- dung der Solidaritat, Anklage, Warnung, Aufriitteln und Wer- bung, das ist in diesem Kampf der Freiheit gegen die Nieder- tracht die Grundabsicht dieser Dichtung, der man auch die Bezeichnung Gebrauchslyrik geben konnte. Aber auch andere Elemente treten hinzu und alie wesentlichen Aspekte des Spanienkampfes kommen zur Behandlung, vom bloften Regi- strieren des sich Ereignenden in dichterischer Form, iiber Betrachtungen der nationalen und internationalen Bedeutung des Kampfes, der Glorifizierung RuBlands und Stalins, und der Mitverantwortung des Einzelnen und ganz Europas am Werdegang des Freiheitsbestrebens der Republik. Uberein- stimmend glauben die Dichter an die Moglichkeit, in Spanien dem Vormarsch des Faschismus Einhalt zu gebieten. Eine 254 gemeinsame Aktion aller Freiheitsliebender konnte der faschistischen Barbarei ein Ende setzen. Unverhullt treten die politischen Absichten, oft getragen von unverkennbar kommunistisch-marxistischem Ideengehalt und Propaganda in den Gedichten zutage. Wiederholt wird der Kampf Spaniens mit der russischen Oktoberrevolution und deren Folgen paral lel gesetzt. Nicht alle Dichter jedoch betonen den klassen- kampferischen Aspekt dieses Konfliktes und raumen dem all- gemeinen Kampf gegen den Faschismus eine groSere Rangordnung ein, als dem Herbeifuhren einer neuen Gesellschaftsordnung. Optimismus in der individuellen Haltung der Dichter in Bezug auf die Entwicklungen in Spanien weicht nicht selten Melan- cholie und mitunter Resignation angesichts des sich ab- zeichnenden Untergangs der Republik. Dennoch geben besonders die blind den Richtlinien der Partei folgenden Schrift- steller die Hoffnung nie vollkommen auf, am Ende doch den Sieg davonzutragen. Selbst der Sieg Francos kann sie von ihrem Ziel nicht abbringen und der Glaube an den Widerstand lebt noch heute fort. Die poetischen Formen als Ausdrucksmittel ihres Kampfes sind zwar vieIfaItig, besonders heben sich dabei aber die beiden epischen Dichtungen von Becher und Fiirnberg ab, die herkommliche Formen sprengen. Ihre Beeinflussung durch die 255 sowjetische Literatur liegt nahe. In den meisten Fallen aber stiitzen sich die Dichter auf traditionelle Formen, unter denen das Sonett, die Ballade und die Liedform einen groften Raum einnehmen. Neu fur die deutsche Lyrik tritt die Form des spanischen Volksliedes, der Flamenco hinzu, die jedoch an keine feste Regeln gebunden ist und sich haupt- sachlich in der Wiedergabe von Wiederholungen und ent- sprechenden Pausen augenfallig macht. Obwohl die poetische Gestaltung des Spanienthemas in erster Linie politische Kampfdichtung ist, stellen einige wenige Werke uber ihre historische Kuriositat hinausgehend bedeutende Beitrage zur deutschen Dichtkunst dar . In vereinzelten Fallen gehen die Dichter sogar uber den politischen Gehalt hinaus und be- weisen mit ihrem dichterischen Schaffen anlaSlich des spa nischen Biirgerkrieges ihr reines Dichtertum. Ein Groflteil dieses poetischen Schaffens zum Spanienkrieg allerdings ist als Zeitliteratur nur fur den historisch Interessierten von bleibendem Wert. Versuchen wir die Wirkung dieser politischen Lyrik ab- zuschatzen, so diirfte den eigentlichen Kampfliedern ohne Zweifel die grofite und wichtigste Rolle einzugestehen sein. Sie bezeugte die Solidaritat unter den fur ihre Sache Kampfenden und gab ihnen Mut angesichts der zu iiberwindenden 256 Schwierigkeiten. Die Lieder, die damals im Zusammenhang mit dem Biirgerkrieg entstanden, werden in Ostdeutschland unter 31 entsprechenden Kreisen auch heute noch gesungen. Welchen Einflufi die ubrige Spanienlyrik auf ihre Zeitgenossen hat, entzieht sich unserem Urteil. Fest steht aber, dafi sie als spontaner Ausdruck der Haltung der Spanienteilnehmer in effektvoller Weise deren innerste Gefuhle im Kampf gegen den Faschismus offenbart. 31 Renn, personlicher Brief an den Verfasser vom 11. Januar 1970. KAPITEL VI KLEINE PROSA Was Gattungen und Genres in der deutschen Spanien- literatur anbetrifft, so kommt es keineswegs unerwartet, daB die erzahlende Prosa den Vorrang einnimmt. Hierunter lassen sich grundsatzlich zwei Hauptgruppen erkennen, die wir als "Kleine Prosa" und "GroBe Prosa" klassifizieren wollen. Unter "Kleine Prosa" fallen Reportagen, Erzahlun- gen5 Kurzgeschichten und Anekdoten, wahrend "GroBe Prosa" Berichte, Tagebucher und Romane umfaBt. Richten wir unser Augenmerk in der weiteren Ausfiihrung zunachst auf die erstere Gruppe der erzahlenden Prosa, so beanspruchen die herangezogenen Werke wiederum nicht Voll- standigkeit, sondern beabsichtigen reprasentativ den Charac ter des literarischen Schaffens anlaBlich des Kampfes in Spanien wiederzugeben und individuelle Haltungen der be- treffenden Autoren aufzuzeigen. Viele der Erzahlungen, die nicht selten unmittelbar im Feuer der Gefechte entstanden, 257 258 sind iiberdies in den Wirren des Zusammenbruchs der Republik verlorengegangen, beziehungsweise sind bis heute noch nicht aufgefunden worden. Neben Beitragen namhafter deutscher Schriftsteller entstanden auch Dichtungen von einfachen Teilnehmern an der Auseinandersetzung, die zuvor und danach nicht literarisch tatig waren und aus diesem Grund im fol- genden nicht beriicksichtigt werdenZum Niederschlag kamen die Werke der sogenannten kleinen Prosa in erster Linie in den bereits erwahnten Exilzeitschriften oder wurden zum Teil auch in Sammlungen aufgenommen, wie Die Fahne der Solidari- tat und Camaradas von Erich Weinert, Der Tod des Don Qui- chote von Rudolf Leonhard und Rote Zitadellen. Der spani- sche Freiheitskampf 1936-1939, herausgegeben von Hans Mar- quardt. Nicht zuletzt finden sich erzahlende Werke ebenso in dem von Alfred Kantorowicz redigierten Buch Tschapajew. Das Bataillon der 21 Nationen. das nicht die Arbeit eines Dichters ist, sondern die Zusammenarbeit eines ganzen Ba ta illons . Mehr als 60 Kameraden haben weit uber 100 Beitrage zugesteuert, die in ihrer Komposition ein wahrhaftiges ^Vgl. hierzu Kirsch, "Der spanische Freiheitskampf," S. 100. Ebenso berichtet Franz C . Weiskopf (Unter fremden Himmeln) uber das Erwachsen neuer Schriftsteller in den Reihen der "Freiwilligen." 259 Bild von den Kampfen, von dem politischen Leben, von der Zusammenarbeit der vielen Nationalitaten geben. (S. 41) Eine nahere Betrachtung zuerst des Schaffens der Auto- renj die dem spanischen Volk tatkraftig zu Hilfe geeilt waren, zeigt, daft eine Mehrzahl ihrer Werke sich mit der unmittelbaren Schilderung des Kampf es und damit verkniipften Erlebnissen beziehungsweise Episoden befassen. Als einer der ersten Berichte von den Vorgangen in Spanien kann Bodo 2 Uhses Erzahlung "Das erste Gefecht" angesehen werden. Wie viele emigrierte Schriftsteller hatte sich der im Exil lebende Autor Uhse im Herbst 1936 nach Spanien begeben und dort in den Reihen der Internationalen Brigaden gegen Franco gekampft. Im folgenden Jahr wirkte er an Sendungen des republikanischen Rundfunks mit, schrieb Beitrage fur die Soldatenzeitung La Volontaire de la Liberte und war als Kriegskomissar im Stab der 17. Division tatig. Ende 1937 erkrankt, schrieb er sodann in dieser unfreiwilligen Ruhe- pause "Das erste Gefecht," auch "Die erste Schlacht" ge- nannt, das unter der Tarnung als Schulausgabe von Wallen steins Lager nach Deutschland geschleust wurde. Wie bereits ^Das Wort, 4 (April 1938), 5-13. 260 der Titel andeutet, steht im Mittelpunkt der Erzahlung der erste Einsatz der aus aller Welt kommenden Freiwilligen zur uberstiirzten Verteidigung Madrids im Herbst des ersten Kriegsjahres . In diesem Zusammenhang beschreibt Uhse die Peuertaufe des Bataillons Edgar Andre, so bezeichnet. im An- denken an den von Hitler hingerichteten Fiihrer des Roten Frontkampferbundes, dessen Heroismus und Standhaftigkeit. Zugleich gibt er uns ein naturgetreues Bild von der Front, dem waghalsigen Vorgehen der noch unerfahrenen Kampfer, den vorhandenen organisatorischen Mangeln und der Schwierigkeit des Sprachgewirrs unter den Internationalen. Trotz der materiellen Ubermacht des Feindes, die vor allem in pausen- losen Bombardements und dem unaufhorlichen Trommeln des Artillieriefeuers zu Ausdruck kommt, halten die Verteidiger die Stadt und wagen sogar vereinzelt Ausfalle. Sie wissen, dafi es in Spanien um ihre Sache geht: In der Verteidigung Madrids gewohnen die Kameraden sich an den Krieg, den sie hassen. Sie wissen, gelingt es ihnen mit ihren armseligen Waffen, denn was zahlen jetzt noch ihre Gewehre gegen Artillerie, Minen und Flieger- bomben des Gegners?— gelingt es ihnen, die Stadt zu halten, so wird ein Stuck Freiheit verteidigt und die Hoffnung auf Frieden bewahrt. ("Das erste Gefecht," S. 12) Madrid muB das Grab des Faschismus werden, ein Schlagwort, das immer wieder im Zusammenhang mit der Verteidigung der 261 Hauptstadt auftaucht. Von einem letztlichen Sieg kann sie auch die betriigerische Parole der Nichteinmischung der ubrigen Weltmachte nicht zuriickhalten, denn das Wissen um die internationale Solidaritat macht sie in diesem Kampf uniiberwindlich. Unverhullt tritt die agitatorische Absicht zutage, die der Schriftsteller mit seiner Erzahlung ver- folgte. Im Widerstand gegen den Faschismus zeigt in den Worten Uhses der sich fur die Rechte der Arbeiter geopferte Fuhrer des Hamburger Roten Frontkampferbundes den einzu- schlagenden Weg. In seinem Geiste gilt es, die Arbeiter aller Nationen zum Kampf fur Freiheit und Gerechtigkeit zu vereinen. Wie Uhse mit Enthusiasmus betont, haben von ihm die Antifaschisten auch gelernt, mit der erhobenen Faust zu griiBen, denn so griiBte dieser zum erstenmal einen toten Kameraden, der zu Grabe getragen wurde. Der politische Charakter dieser Erzahlung bleibt jedoch nicht ungeschmiickt. Wiederholt bricht wahrend der dokumentarischen Schilderung der Vorgange des Dichters kunstlerische Gestaltung hervor, wenn er beispielsweise die feindlichen Flugzeuge als schwarze Totenvogel am Himmel deutet, die ihre mordende Saat herabstreuen und ebenso jagen Flugzeuge den Tod in die iiber- nachtigte fiebernde Stadt ("Das erste Gefecht," S. 11). Weniger dokumentarisch, jedoch gepragt von der 262 gleichen politischen Propagande ist auch Bodo Uhses zweite 3 Erzahlung "Spanische Episode," die zugleich des Schrift- stellers literarisches Konnen in einem grofieren MaJSe offen- bart. In einem kleinen spanischen Dorf, das die Milizen unter dem Druck der faschistischen Armeen hatten verlassen miissen, sind die zuriickgebliebenen Frauen und Kinder den Ubergriffen und Greueltaten der Soldaten machtlos ausge- liefert. Das Versprechen der Manner, in Kurze mit Ver- starkung i. :us den Bergen wiederzukommen, verliert bald an Glaubenswurdigkeit und im Dorfe nimmt die Apathie von Tag zu Tag zu. Hatten die Frauen anfangs noch hoffnungsvoll ihre Blicke zu den Bergen erhoben, die jedoch fern am Horizont standen und schwiegen, so verlieren sie allmahlich den Glauben an eine Befreiung. "Es schien ihnen, als riickten die Berge im Suden immer weiter fort" ("Spanische Episode," S. 9)• Allein die Kinder haben die Hoffnung nicht aufge- geben und vertreiben sich damit die Zeit, Geschichten iiber die Heimkehr ihrer Vater zu erfinden. In diesem Spiel mit der Phantasie zeichnet sich besonders Marguerita aus, "ein mageres Madchen von zwolf Jahren mit iibergrofien, stets offenstehendem Mund im schmalen Gesicht und kleinen, aber 3Pas Wort, 6 (Dezember 1936), 8-12. 263 brennend schwarzen Augen" (S. 9), die ihren beiden Ziegen jene Geschichten erzahlt, um sie zu unterhalten. Der Vater wiirde eines Tages in Riesenschritten mit einer groBen Schar Bewaffneter zuriickkommen und sie befreien. Fur die beiden Tiere wiirde er natiirlich saftige Brennessel mitbringen und fur Marguerita als Geschenk ein groBes Gewehr. Dazu singt das Madchen mehrfach das Lied "Proletarische Lieder verei- nigt euch." Ein Franco-Soldat, der sie bei ihrem kindlichen Spiel iiberrascht, beschlieBt mehr aus Scherz als aus Ernst, ihr eine Ziege wegzunehmen, was jedoch zu Handgreiflich- keiten fiihrt, da sie mit alien Mitteln das Tier zu be- schiitzen sucht. In ihrer Not erinnert die Kleine sich an eine List, die sie schon oft im Spiel mit anderen Kindern erfolgreich angewandt hatte und ruft, mit ihrer kleinen Hand nach der Bergkette hinweisend: "Da kommt der Vater doch!", worauf tatsachlich ein Flugzeug der Republikaner am Horizont auftaucht. "Es ist ja viel schoner, als alle Geschichten, er kommt mit einem Flugzeug!" (S. 11). Durch diese Uber- tolpelung gelingt es ihr, die beiden Ziegen wegzulocken, aber schon nach wenigen Schritten bricht sie durch die Kugel des erbosten Soldaten zusammen. Das Flugzeug indessen gibt das Signal zum Gegenangriff der Republikaner. Kunst und politischen Gehalt versucht der Schriftsteller Bodo Uhse in 264 dieser Schilderung eines episodenhaften Geschehens zu ver- einen. Dies wird nicht nur mittels eines kunstvollen In- einanderwirkens von Phantasie und Wirklichkeit erreicht, sondern auch durch die geschickte Anwendung der Perspektiv- gestaltung. So bringt Uhse uns eingangs teleskopartig der eigentlichen Handlung naher. Sieht der Leser das spanische Dorf zunachst nur aus der Sichtweite der Berge, so ruckt dieses durch den Feldstecher naher und schliefilich befindet man sich inmitten der menschlichen Ansiedlung. In gleicher Weise verfahrt der Autor mit-der Einfuhrung der Person Marguerita. Auch berucksichtigt er die Stellung des kleinen Madchens zu dem ihr notwendigerweise ungewohnlich grofi er- scheinenden Soldaten, indem sie immer nur dessen Fiifie be- merkt. "Sie waren plump und schorfig und hatten merkwurdig grofie Zehen, so daS sie Angst bekam for diesen FiiSen! " (S . 10). Im Endeffekt wirkt diese Geschichte dennoch zu sche- matisiert. Charakteristisch fur die aus aller Welt nach Spanien gekommenen Freiwilligen und deren Bereitschaft, sich fur ihre Sache bedingungslos einzusetzen, ist die Erzahlung "Das 4 Opfer" von E. Brendt, der auch unter dem Pseudonym Eduard 4Pas Wort, 2 (Februar 1938), 56-63. 265 Claudius schrieb und dessen wirklicher Name Eduard Schmidt ist. In seiner 1938 in der Zeitschrift Das Wort veroffent- lichten Erzahlung steht die unerbittliche Schlacht um Madrid, die er als Angehoriger des Bataillons Edgar Andre in den vordersten Linien selbst miterlebt hatte, im Mittel- punkt. Die Ausgangssituation bildet der Versuch eines jun- gen republikanischen Soldaten, sich an ein feindliches Maschinengewehrnest heranzuarbeiten, das ihren Angriff zum Stehen gebracht hatte. Er weift darum, daft nur seine selbst- lose Aufopferung ein groftes Blutbad unter seinen Kameraden abwenden kann. Des Schriftstellers kiinstlerische Leistung besteht nun darin, daft er, ahnlich wie bei der Technik des Films, fetzenartig den bisherigen Lebensweg des jungen Republikaners in die eigentliche Handlung einblendet. Wah- rend seines Vorgehens steigt in ihm die Erinnerung an seine armselige Jugendzeit auf, einem Diebstahl aus Hunger, seine offentliche Auspeitschung auf Geheift des Gutsherrn und sein Suchen nach einer besseren Welt. Auch in einer grofleren Stadt, in die er schlieftlich gewandert war, fand er den Zwiespalt von reich und arm, Besitzenden und Arbeitern, Schonheit und Haftlichkeit. Das Meer ist schon. Die Stadte sind voll Licht und Leben. Freude, die man hat, ist bitter und schmeckt 266 salzig. Da sitzen in blinkenden Cafes Manner und Frauen, die schmal sind und leuchtendrote Lippen haben. Er sieht die Frauen seiner Bruder, die mit ihm auf dem Bau arbeiten: sie haben vom Gebaren vorgewolbte Bauche, im Gesicht Runzeln wie Schnitte . . . er muSte an die Rinde der Olivenbaume denken. Sie essen den Salat rob und ungewiirzt. Die Manner und Frauen in den Cafes trinken Kaffee mit Milch. Ihm und seinen Kameraden bleibt das betaubende Vergessen in herbem Wein. Wenn sie Frauen wollen, miissen sie in die Hauser gehen. Er geht auch, Madchen, ehrlich, anstandige . . ., die muB man heiraten. Dazu war er zu jung. ("Das Opfer," S. 60) Schon friih hatte er erkannt, dafi er Gesetzen seiner Zeit unterworfen war, in die er nicht paSte, in der er nicht langer leben wollte und deren Menschen er nicht langer die- nen konnte. "Er begann traumend ein Morgen zu erleben, machte kindische qualvolle Versucbe, sich vom Heute zu lo- sen. Doch wie eine Barriere stand die Zeit vor ihm ..." (S. 61). Im Marxismus fand er schliefilich die rettende Losung auf sein Suchen nach einer gerechteren Gesellschafts- ordnung. Und wahrend er vom Lied der Internationale neue Kraft schopft, unterbricht die Wirklichkeit wieder seine Gedankengange. Das Sterben eines Genossen ermahnt ihn er- neut an die Notwendigkeit seines Opfertodes. Obwohl er mit Wehmut von der Welt Abschied nimmt, lafit das Wissen um die Herbeifiihrung einer neuen Ordnung seine Unruhe angesichts des bevorstehenden Todes verfliegen. Er weiS, sein Opfer wird nicht umsonst sein: 267 Es ware schon, die Erde und ihre Menschen zu formen, sich selbst bilden, zu wissen: das Heute ist die Er- fullung. Jetzt, da er daran denkt, dafi dieser Kampf gegen das Maschinengewehr schon das Heute, der dam- mernde Morgen des groflen helien Tages ist, steigt Freude in ihm auf. Er mufl noch weiter vor . . . noch we iter . Das Vertrauen der Genossen fordert es. (S. 62) So ist es E. Brendt, alias Eduard Schmidt, trotz unverhullt politischer Propagande in einer packenden Szene gelungen, die fur alle Teilnehmer am Kampfe in Spanien immanente Fragestellung nach dem Sinn des hochsten Opfers in positivem Sinne zu beantworten. Es lohnt sich, in der Ansicht des Dichters, fur die Freiheit, fur eine Ordnung im Sinne der marxistischen Weltanschauung zu sterben. Gleichfalls von der erbitterten Verteidigung Madrids erfahren wir in der Erzahlung "Araganda" von Hans March- 5 witza, der sich auch unter den ersten Freiwilligen in Spanien befand, aber schon im Dezember 1936 schwer verwundet wurde . Die Erzahlung berichtet von der heroischen Stand- haftigkeit der Internationalen, die sich trotz Unterlegen- heit vor den in pausenlosen Wellen angreifenden marokkani- schen Truppen Francos zah behaupten. Neben der umsichtigen Fuhrung des legendaren General Lukacz zeichnet sich unter ^Das Wort, 8 (August 1938), 64-69. 268 den Verteidigern der spanischen Hauptstadt besonders der Araber Selim aus, der sich als Bergarbeiter in franzosischen Gruben hatte abschinden miissen. Seine Glaubensbriider, die Marokkaner, lernen seine Feuerkunst, seinen HaB und Mut kennen,und nicht selten gelingt es ihm auch, sie mit herz- haft derben Worten zum Uberlaufen zu veranlassen. Nach heldenhaftem Aushalten auf einem fiir Madrid lebenswichtigen Abschnitt gibt Selim sein Leben fur den Freiheitskampf zu dem Zeitpunkt, als endlich die Internationalen zum Gegen- stoB ansetzen. "In breiter Welle fluten Polen und Italiener des GaribaIdi-Batailions iiber die toten Kumpels, iiber den sterbenden Adamowitsch, iiber die totenbleichen Legionare hinweg, unaufhaltsam, gewaltig" ("Araganda," S. 69). Hans Marchwitza kam es in dieser episodenhaften Erzahlung darauf an, den Heroismus der Spanienkampfer zu gestalten. Daneben klingt aber auch das Thema der internationalen Solidaritat der Antifaschisten auf, wie beispielsweise aus dem folgenden Zitat hervorgeht: "Die Front hat sich wieder geschlossen; die 11. Brigade hat durch die internationalen Brigaden, die 12. und 14. Hilfe bekommen. Uber dreiftig Nationen liegen in einer Linie, Europaer, Amerikaner und Asiaten" (S. 66). Dieses Gemeinschaftsgefiihl fiir eine Sache schien alle Bar- rieren zu iiberwinden. Beschrankt sich der Autor weitgehend 269 auf eine realistische Darstellung, so fehlt es doch nicht an einer packenden Gestaltungsweise des Geschehens . Ebenso wirkungsvoll sind seine knapp gehaltenen Beschreibungen, sei es des Kampfvorganges oder auch der Natur. Die Schlacht brxillt, Hauser krachen und schiitteln sich, wahrend die Sonne grofi und rot wird und langsam hinter die westlichen Berge s inkt. In ahnlicher Weise behandelt Hans Marchwitza das Spa- nienthema in seiner zweiten Erzahlung "Vor Teruel,die deshalb stark biographische Ziige tragt, da der Autor selbst an diesem Abschnitt wahrend der Kampfe schwer verwundet wurde . Neben dem Heroismus und dem Zusammengehorigkeits- gefiihl der gegen den Faschismus Kampfenden, beleuchtet der Schriftsteller hier den wahren Grund ihrer Teilnahme am Biirgerkrieg. Begeistert beschreibt er. wie sie aus aller Welt gekommen sind^ urn der faschistischen Oppression Einhalt zu gebieten, sei es aus rein ideellen Griinden, sei es, urn in i Spanien zur Befreiung Deutschlands mitzuhelfen oder sei es, den im KZ getoteten Bruder zu rachen. "Wie viele Gegen- satze! Und doch fanden sie sich hier, mitten in einem °Hans Marchwitza, Unter uns. Erzahlungen aus der Welt der Schachte (Berlin: Tribvine-Verlag, 1954), S. 299-303. 270 unbekannten Lande zusammen, um einer gemeinsamen Sache zu dienen undj wenn es sein mufite* fiir diese Sache zu sterben" (Unter uns, S . 301). Episodenhaften Charakter tragt ebenso die Erzahlung "Nix Arriba" vom Alfred Kantorowicz, die unter anderen Auf- nahme in seinem Buch Tschapajew fand. Kantorowicz berichtet darin von vier jungen Uberlaufernj Arbeiterkinder* die sich im Alter von zwolf bis vierzehn Jahren fiir das republikani- sche Spanien entscheiden. Der Titel erklart sich aus dem MiSverstandnis, dafi die "Deserteure" Truppen der Republik wegen ihrer braungebrannten Korper zuerst fiir Marokkaner hielten und deshalb sich ihnen zaghaft mit der Losung "Arriba Espana" naherten, worauf ihnen ein kraftiges "Nix arriba! Communista! Antifascista!" entgegen tonte. Einen i literarischen Anspruch erhebt diese Episode wohl nicht. Sie beschrankt sich hingegen auf einen reportageartigen, nicht johne Befangenheit dargestellten Bericht, wobei nicht zuletzt der Gegensatz zwischen Franco-Spanien und der Republik in bezug auf das Schulwesen einseitig hervorgehoben wird. Waren driiben die Schulen nur noch fiir Angehorige der Pha- langisten zuganglich^ so ist es ein vordringliches Anliegen der republikanischen Regierung, alien eine Ausbildung im Lesen und Schreiben zukommen zu lassen. 271 Daft die republikanischen Truppen und mit ihnen die Internationalen der Ubermacht des Gegners immer weniger gewachsen waren, verdeutlicht die kurze Geschichte "Der Parteiauftrag" von dem in Spanien als Propagandist tatigen Autoren Peter Kast. Spater wurde diese Geschichte auch unter dem Titel "Die Versprengten" herausgegeben. Eine Gruppe von Internationalen wird beim Riickzug von den eigenen Truppenteilen abgeschnitten, da sie ihren todlich verwunde- ten Politkomissar nicht in Stich lassen will. Bevor dieser stirbt, gibt er ihnen jedoch den parteilichen Auftrag, den Lageplan eines geheimen Munitions lagers zu uberbringen. Nur dem ausschlieftlichen Gedanken an die Ausfiihrung ihres Auf- trags verdanken sie es, daft sie ungeheuren Strapazen und Gefahren widerstehen konnen und zuletzt die eigenen Einhei- ten erreichen. Es stellt sich aber heraus, daft es kein geheimes Munitions lager gibt: "Unser Kommissar muft etwas anderes gewollt haben . . . Vielleicht war sein Parteiauf trag ein . . . ein Befehl zum Leben, Companeros . . . Wir sollten das Letzte hergeben^ um am anderen Ufer weiterzu- 7 kampfen." Mit dieser offensichtlichen Aussage des 7 Peter Kast^ "Der Parteiauftrag," Rote Zitadellen, hrsg. Hans Marquardt, S. 254-267. 2 72 Schlusses eriibrigt sich eine weitere Erlauterung der Ge schichte von Peter Kast. "Der Parteiauftrag" kann somit allein seiner Propagandaarbeit fiir die Sache der Republik zugeschrieben werden und verlangt dariiber hinaus kein Wert- urteil. Eine untergeordnete Rolle spielt die kunstlerische Gestaltungsweise auch bei Erich Weinert, der als Mitarbeiter des Kriegskomissariats der Elften Brigade tiefen Einblick in die Geschehnisse auf dem Kriegsschauplatz in Spanien hatte. In seinem Buch Cameradas, dessen Manuskript bereits 1939 druckreif war, durch die Umstande jedoch erst im Jahre 196 0 in angeanderter Form veroffentlicht wurde, findet sich neben Gedichten, Liedern, Szenen und Ubersetzungen eine nicht geringe Anzahl von Erzahlungen, die den Krieg unter den verschiedensten Gesichtswinkeln zum Thema haben. Mit dem Grund des Kommens nach Spanien., um der Republik beizustehen, befaflt sich die Erzahlung "Der stille Victor." Sein Weg in die Reihen der Internationalen fiihrte nicht wie bei vielen anderen uber die kommunistische Partei, sondern er ent- schlieSt sich allein seinem Instinkt folgend zu diesem Schritt. Als Sohn eines einfachen Chemiearbeiters ist es ihm nicht vergonnt, sein sehnsuchtsvoiles Verlangen nach dem Musikstudium zu erfiillen, weshalb er schlieftlich seinen 273 Lebensunterhalt als Sargemacher fristet. Es graut ihm vor diesen Menschenkasten, die alle zu sogenannten Lagern ge- liefert wurden, es graut ihm vor den Vorgangen in Hitler- Deutschland iiberhaupt. Eine zufallige Begegnung mit ehe- maligen Klassenkameraden, aber jetzigen SA-Leuten, die iiber ihren bevorstehenden Einsatz auf der Iberischen Halbinsel prahlen, festigt seinen EntschluB: j Das sind Deutschland Feinde. Das sind auch meine Feinde. | Das sind auch Spaniens Feinde! Also muB das spanische ! Volk mein Freund sein . . . Irgendein Instinkt sagte j mir: verschwinde! Irgend etwas muBt du tun. Aber hier i kannst du nichts machen. (Cameradas, S. 254) I | j Der Held der Erzahlung "ZweckmaBigkeit" dagegen kommt i I nicht unbelastet von parteipolitischem Ideengut nach Spa nien. Schon bei seiner Agitproparbeit im deutschen Wider- standskampf hatte er wiederholt Gelegenheit, Lenins Lehre I I juber revolutionare ZweckmaBigkeit zur Anwendung zu bringen. j ;Hatte er sich einmal sogar als Nazi ausgeben miissen, um sein i Leben zu retten, so trug dieses zweckmaBige Handeln in Spa nien erst recht weitere Frucht. Im Laufe eines Angriffs schwer verwundet und zwischen den beiden Kampflinien zuruck- gelassen iiberwindet er seine Todesangst und arbeitet sich nach einer qualvollen Nacht zu seinen Kameraden zuriick. Obwohl er sein Leben lang ein Kriippel bleiben wird, hat er 2 74 doch ihrer Sache einen nicht unwesentlichen Beitrag ge- leistet. Siehst du, das hat sich wieder bezahlt gemacht, wenn man zweckmaGig handelt. Stell dir vor* ich hatte ge- schrien, und die Kameraden waren angelaufen gekommen. Und sie waren bestimmt gekommen. Und dann waren noch ein paar draufgegangen. Und wenn sie mich weggeschleppt hatten, ich vielleicht auch noch dazu. Also doch ein einfaches Rechenexempel: Krepier ich da oben, dann geht einer tot. Schrei ich, dann konnen zwei oder mehr tot- gehen. Komm ich durch, weil sie mich rechtzeitig ge- holt haben, dann bin ich am Leben, aber einer oder mehr sind dabei totgegangen. Und bei uns heiGt es immer: sparsam mit den Menschen umgehen. (Camaradas, S. 141) Fiir den Leser von Interesse sind auch Weinerts repor- tageartige Erzahlungen wie "Quinto," wo der Schriftsteller mit groGer Wirklichkeitstreue den Fall dieses fiir unein- nehmbar geltenden Stadtchens in den einzelnen Etappen schildert und gleichzeitig auch treffend die Atmosphare des Kampfes wiedergibt. Als ein bezeichnendes Beispiel hierfiir soil der nachstehende Auszug dienen: Am nachsten Morgen ist Quinto leer, unheimlich leer. Es ist eine tote Stadt, wie sie einem zuweilen im Traum erscheint. Aus irgendwelchen Lochern fallen noch heim- tiickische Schiisse. Es stellt sich heraus, daG noch vereinzelte Faschisten in den Kellern sitzen. Verschlos- sene Tiiren werden aufgeschlagen, die letzte Sauberung wird vorgenommen. Der heiGe Wind tragt Leichgeruch durch die StraGen. Unter den zusammengesunkenen Hausern miissen noch Tote im Schutt liegen. In den Hausern ist es still und kiihl wie in Grabern. In den Hausfluren liegen reichlich Gewehre und Patronen herum. Die Hunde huschen mit entsetzenvollen Augen durch die Gange. 275 Katzen schreien aus der Dunkelheit der Keller. (Cama- radas, S. 71) In einer anderen Erzahlung, betitelt "Mut" setzt sich Weinert mit der wahren Haltung der Kampfenden angesichts groBer Gefahren auseinander. Dabei kommt er zu dem SchluB, daB bloBes Draufgangertum ohne politisches Hirn keine be- sondere Auszeichnung darstelle, und daB echter Mut nicht selten erst nach Uberwindung der alien Kreaturen innewohnen- den Todesangst zum Vorschein komme. Ein gutes Starkungs- mittel in diesem Sinne sei das Vor Augen Halten des Schick- sals anderer Widerstandskampfer: "Unsere Genossen in den Gestapokellern miissen Schlimmeres durchmachen" (Camaradas , S . 98) . Ein in der Spanienliteratur immer wieder auftauchendes Motiv ist die Konfrontierung mit auf der Seite des Gegners stehenden Familienmitgliedern und deren Bekehrung fiir die spanische Republik. So gewinnt in der bezeichnenden Ge schichte "Der Bruder" ein Angehoriger der Internationalen seinen Blutzverwandten fiir den Kampf um Freiheit und Ge- rechtigkeit, indem er ihm die faschistischen Greueltaten und das verbrecherische System in Hitler-Deutschland sichtbar macht. Die Tatsachen zerreiBen den Schleier der Tauschung: 276 Ich habe jetzt zwei Tage lang eure Zeitungen gelesen. Das ist alles ganz neu fiir mich. Was fiir schreckliche Dinge haben sie uns zu Hause iiber euch erzahlt! Und wie ich nun gestern gesehen habe, dafi bei euch General und Soldat wie Briider sind, da ist mir* als ob ich in einer ganz neuen Welt ware. (Camaradas, S. 58) Nach Weinert sind Arbeiter, die auf der anderen Seite ste- hen, nur irregefiihrte Proletaries die im gegebenen Augen- blick auf die rechte Bahn gefiihrt werden miissen. Aber auch das Leben der durch pausenlose Bombardements schwer bedrangten Zivilbevolkerung nimmt in des Dichters Beitragen eine gebiihrende Stelle ein. So fiihrt er uns in "Katalanische Miitter" eine Szene des vom Krieg iiberschat- teten Alltags der Leute in den Stadten drastisch vor Augen. Die Nahrungslage ist hoffnungslos, die Vater sind verschol- len oder konnen nur in groBeren Abstanden von sich horen lassen und wer heute noch Kinder hatte^ weiB nicht, ob sie auch den kommenden Tag noch erleben werden. Trotz dieser widerwartigen Umstanden verliert jedoch das spanische Volk seine Hoffnung und seinen Glauben an den Sieg ihrer Sache nicht. So heiBt es in den Worten einer katalanischen Mut ter: "Aber wenn wir auch Mann und Kind verlieren— Spanien darf nicht verloren gehen" (Camaradas, S. 123). Waren die bisher aufgefiihrten Werke Weinerts in ihrem Charakter weitgehend reportageartig oder auf Erlebnisbe- 277 richte gestiitzt, so tritt dagegen in seiner Erzahlung "Schlaflose Nacht in Barcelona" das kunstlerische Formen mehr in den Vordergrund. Durch das Brullen der Bomben und der Luftabwehrbatterien aus dem Schlaf gerissen, schwimmen des Dichters Gedanken in der Dunkelheit und lassen alles wieder aufleben, was durch das Uberstiirzen der Ereignisse zu schattenhaften Erinnerungsbilder geworden war. Und aus dem fluoreszierenden Flecken, der vor dem inne- ren Auge schwebt, werden nach und nach Gesichter, Ge- sichte von Gesichtern, bekannte, geliebte Gesichter, die nun scharf und lebensfarbige Gestalt gewinnen, so, als ob ein Projektionsbild auf der Leinwand allmahlich scharf eingestellt wird. (Camaradas, S. 180) Durch diesesj dem Bereich der Filmtechnik verwandten Mittel, erfahrt der Leser die Schicksale der Menschen, die im Kampf gegen den Faschismus gefallen sind. Sei es der Wiener Leo, der Berliner Franz, der Ingenieur Max, der polnische Jude Josef, der Neukollner Arbeiter Hubert oder sei es der Kom- munist Walter, der als Riickwanderer von Amerika in die Reihen der Internationalen getreten war, sie alie starben in Spanien, um mit ihrem Einsatz das Herauskommen einer besseren Zukunft fiir die Menschheit vorzubereiten. Ein Gesicht folgt dem anderen, verschwindet schlieSlich in einer Fulle von Gesichtern und wird zu sinem gigantischen mit- reifienden Schlachtenbild: 278 Ein ganzes Bataillon Gesichter. Ein Bataillon geht an die Front. Die Gesichter flimmern durcheinander, Stahl- helme, Bajonette, Feldflaschen. Tausend Gesichter war- ten auf den Befehl zum Vormarsch. Hinter den kahlen Hohen, iiber dem Bero heult schon die neue Schlacht. Und ein tausendfacher Gesang bricht an: Vorwarts, Internationale Brigade! Hoch die Fahne der Solidaritat. (Camaradas, S. 188-189) Trotz aller Tapferkeit und Opferbereitschaft der fiir die Republik Kampfenden, verschlechtert sich ihre Lage zu- nehmend und es kam die Zeit, wo die Soldaten der Interna tionalen Brigaden aufgelost wurden. Diese Demobilisierung schildert Erich Weinert sehr realistisch in seinem Bericht "Das letzte Lied." Mitten im wirbelnden Hin und Her der Flut der Fliichtlinge zieht die Brigade wie ein ruhiger Golfstrom in dem aufgestorten Menschenmeer. Obwohl sie geschlagen sind, geben sie sich nicht geschlagen, denn der Kampf gegen den Faschismus wird weitergehen. Und voller Wehmut klingt ihr Abschiedslied beim Uberschreiten der spanisch-franzosischen Grenze: Von den hohen Pyrenaen Laftt uns noch ein letztes Mai iiber Wald und Feld und Tal In das Land hinuntersehen. Edles Land zu unsern Fiiflen, Teures Spanien, laft dich griifien, Wo wir kampften Tag und Jahr, Spanien, das uns Heimat war. 279 Nie wird dich vergessen, Schone3 Der fiir deine Freiheit stritt. All die Liebe deiner Sohne Tragen wir im Herzen mit. (Camaradas, S. 265) Daft der Empfang in Frankreich jedoch nicht den Vorstellungen entsprachj die sie hatten, geht aus Weinerts Aufzeichnungen iiber "Das Ende der elften Brigade" hervor. Die Freiwilligen wurden in Konzentrationslagern am Mittelmeer untergebracht, aus denen nur wenige vor dem Einbruch Hitlers in Frankreich entrinnen konnten. Wird Erich Weinerts Erzahlwerk anlaftlich des Spanien- kampfes dadurch gekennzeichnet3 daft es in seiner Vielfalt eine realistische Dokumentation der Auseinandersetzung auf der Iberischen Halbinsel darstellt, nicht ohne seiner marxistischen Anschauungsweise und Agitation gebiihrenden Anteil einzuraumen, so tragt das epische Schaffen Rudolf Leonhards hingegen weniger autobiographische Ziige und wirkt gleichzeitig noch propagandistischer in seinem Ton. Dem Dichter wurde ein kurzer Aufenthalt in Spanien zu einem erregenden Erlebnis, das neben dem Band Spanische Gedichte und Tacrebuchblatter in Erzahlungen, die unter dem Titel Der 0 Tod des Don Quichote erscheinen, dichterischen Ausdruck ®Zurich: Stauffacher* 1938. 280 fand. In der Erzahlung "Usarama" handelt es sich vim das beispielhafte Handeln einer Schiffsmannschaft, die aus Solidaritat mit den spanischen Brudern verhindert, daft die auf ihrem Dampfer verladenen Kriegsmaterialien fur Franco ihre Destination erreichen. Wahrend ein Teil der Seeleute die Fiihrungskrafte des Schiffes in Schach halt, verursacht der Heizer eine katastrophale Kesselexplosion: Sie wuftten nicht, daft unten der Anton Grugga schaufel- te, Kohlen in die Glut, immer mehr Kohlen in die hohere Glut . . . Er schaufelte und schaufelte. Das Feuer schlug ihm aus der Kesseltur entgegen, er hatte schon Brandwunden, er hatte sich mit der Schaufel den linken Arm zerrissen, er achtete es nicht, er schaufelte, Koh- lenstaub, klebte ihm auf dem gerinnenden Blute, er ach tete es nicht, der Maschinist schrie von oben, angstvoll und kreischend, Anton Grugga achtete es nicht, lachte nicht, schrie nicht, zuckte nicht, er dachte nur "Feuer" und "Kessel" und "Nicht ankommen", er schaufelte ins Feuer, fast selbst schon im Feuer. (Der Tod des Don Quichote, S. 112) In einer anderen Erzahlung, betitelt "Carmen", schildert Leonhard mit politischem Idealismus das Heldentum der Ar- beiter in der Kampffront des VoIkes gegen die Generale am Beispiel der armen Zigarettenarbeiterin Carmen. Die Gefahr des Faschismus fiir die Zukunft der Arbeiter wird ihr mit einem Male bewuftt: Die Strafte schien plotzlich wie Blei, Faschismus ist ganz schlecht, ist das schlimmste . . . Schwer und dun- kel war die Stadt und die Straften in grellster Sonne] 281 die StraBe war voll von Leuten3 die waren alle vom Faschismus bedroht, die waren plotzlich ganz nahe, nahe wie nie bisher. (Der Tod des Don Quichote, S. 72) Als Munitionstragerin begibt sie sich bis in die vordersten Linien, wo sie und ihr Geliebter inmitten dem Schlachtenlarm ihre gegenseitige Liebe offenbaren. Obwohl todlich ver- wundet zeigt ihr dieser noch, wie man mit einem Gewehr um- geht, und tapfer nimmt Carmen den Platz ihres Geliebten unter den Kampfenden ein. Um die Erkenntnis eines Irregefiihrten geht es in Leon- 9 hards "Wolf Wolff," der Geschichte ernes aus vaterlichem Ehrgeiz und personlicher Indifferenz zu den Fliegern ge- stoSenen jungen Mannes, der in Spanien in republikanische Gefangenschaft gerat. Ohne die geringsten Skrupel hatte er an der Zerstorung des baskischen Gernika teilgenommen. Er flog niedrig iiber den schon mit Triimmern vollgeriim- pelten StraBen, flog schaukelnd iiber den Wipfeln, die die Felder umsaumten, und schoB, wie eine Maschine schoB er, die Einwohner jagten vor ihm her, so dicht, daB er keine Miihe hatte, er saB beguem im Flugzeugsitz und lieB das Maschinengewehr spielen, es war wie in Kinderzeit das Rauber- und Gendarmspiel, aber es war viel machtiger jetzt, bequem war es, im Flugzeugsitz machtig zu sein, es war ein mechanisiertes, vergroBer- tes, gesichertes und gehobnes Spiel, die waren ja auch wirklich Rauber, die er da jagte . . . er sah sie nicht als Rauber, nicht als Menschen, es war sehr merkwiirdig, 9 Das Wort, 9 (September 1938), 82. 282 wenn er sich auch nicht Rechenschaft dariiber gab, er sah sie nicht dreidimensional, sah sie nur als Schatten und Flachen, die Motoren knallten, die Schrauben summ- ten, das Maschinengewehr knatterte, die Schatten, die Flachen schrien, wenn sie fielen und sich walzten, son- derbar, Flachen konnen sich doch gar nicht walzen, zum Walzen gehoren doch drei Dimensionen, mindestens drei. (“Wolf Wolff," S. 10) Jetzt beim Verhor erkennt er den unheldenhaften Sieg uber die Zivilbevolkerung: "stumm fliehende, schreiende fallende Scharen von Frauen und Kindern . . . nicht flachig mehr sah er sie, runde, zerfetzte Leiber sah er voll stromenden Elu tes, sich walzen, ihr Blut ausleeren, verzucken" (S. 84). Wolf Wolff wird begnadigt, kehrt aber nicht nach Deutschland zuruck. Der Gnadenakt von Seiten der Republik blieb nicht unbeantwortet. Am Tage nach seiner Freilassung zerstoren deutsche Schiffe die fast unverteidigte Stadt Almeria und deren Wohnviertel. Fasziniert vom propagandistischen Detail schreibt Leonhard: "Blut lief in den Rinnsteinen dieser Stadt und gerann in den Pflasterlochern" ("Wolf Wolff," S. 86) . Wird in "Carmen" und "Wolf Wolff" die Stellung des Ein- zelnen im Spanienkampf beleuchtet, so steht in der Erzahlung "El Hel" das Ringen um eine Festung und deren unter wunder- same Umstande herbeigefiihrter Fall im Mittelpunkt. In der Anlage, die schon wiederholt ihren Besitzer gewechselt hat, 283 suchen zuletzt faschistische Truppen mit Geiseln vor ver- wegenen Angriffen der Republikaner Zuflucht. Nachdem den Verteidigern jedoch die Wasserzufuhr abgesperrt worden ist, kommt es bei ihnen zum Aufstand der gemeinen Soldaten. Die Offiziere werden uberwaltigt und geschlossen desertieren die zur Wahrheit und Freiheit gelangten Mannschaften: Die Belagerer hatten nicht mehr als einen dumpfen Larm gehort. Sie sahen, ruhig, zufrieden und fast ohne Er- staunen, daft das grofte Tor von El Hel langsam aufging. Heraus kamen Frauen, zu ihren asturischen Brudern und waffenlose Soldaten mit hangenden Handen, zu ihren Ge- nossen. El Hel stand offen. Und alie tranken gierig. (Der Tod des Don Quichote, S . 22) Des Dichters propagandistische Absicht kommt in diesem Werk besonders unverbliimt zum Ausdruck. So finden wir auf der republikanischen Seite freiheits- und gerechtigkeitsbewuftte Arbeiter und Bauernsohne, wahrend die Gegenseite von iibel- wollenden Offizieren, verhetzten Arabern und verknechteten Proletariern gebildet wird. In Ubereinstimmung mit dieser Schwarz -Weilb-Zeichnung der Personen, steht auch deren Hand- lungsweise. Lauterkeit und Menschlichkeit stehen im Kampf mit Grausamkeit und Unterdriickung. Eine Reihe der Erzahlungen von Rudolf Leonhard be- schaftigt sich auch mit den Hintergriinden des Spanienkamp- fes. So stehen in der Erzahlung "Der Kaiser der Sahara" 284 geschaftliche Interessen und deren Bedeutung fiir die Macht- haber im Vordergrund. In "Der Mann ohne Nachnamen" geht es um die Entlarvung des Verhaltnisses der ultra rechtsstehen- den Falange-Partei und dem spanischen Konigtum. "Der Radio- skandal" ist eine satirische Blofistellung des sogenannten Radiogenerals Queipo de Llano auf Seiten Francos j wohingegen "Starker als Buster Keaton" die Handlungsweise des Nicht- einmischungs-Ausschusses einer spottischen Analyse unter- zieht. Diese Kommission des Volkerbundes, die dariiber wa- chen sollte, daB sich keine fremden Machte in den Spanien- krieg einmischen, sah sich deshalb zur Wirkungslosigkeit verurteilt, da Deutschland und Italien alle diesbezuglichen Beschlusse ignorierten. Und zuletzt in "Einheitsfront" wirft der Autor das Problem der Aktionseinheit auf. Drei aus Deutschland kommende Angehorige der Internationalen Brigaden, unter ihnen ein Kommunist und ein Sozialdemokrat, haben in Spanien gelernt, dafi viele Opfer zu Hause nicht hatten sein brauchen, wenn sie sich schon friiher zusammen- gefunden hatten. Obwohl Rudolf Leonhard in seinen Erzahlungen ernsthaft bemuht ist^ dem Leser Einblick in die Vorgange und Hinter- griinde des Burgerkrieges in Spanien zu gewahren, zeichnet sich sein Werk nicht durch eine kiinstlerische Gestaltung 285 aus. Im Gegensatz zu den Beitragen Erich Weinerts treten zwar bei ihm autobiographische Zuge mehr in den Hintergrund und nicht alie Erzahlungen sind aus seinem unmittelbaren Erfahrungsbereich geschopft. Dennoch tritt die propagan dist is che und politische Absicht des Autoren fast unge- schmiickt zutage. Indem er fur den Spanienkampf typische Themen wie Solidaritat aller Antifaschisten, Heroismus der Kampfenden, Bekehrung von Irregefuhrten und Anklage der in Spanien begangenen Greuel aufgreift, will er unter Berufung auf den internationalen Klassenkampf gegen die herrschenden Kapitalmachte auf seine Leserschaft eine unmittelbare, werbende und aufklarende Wirkung ausuben. Als Korrespondent fur europaische Blatter und vor allem fiir die Basler Nationalzeitung berichtete der Emigranten- dichter Manfred Georg sechs Monate lang aus Spanien iiber den Biirgerkrieg. Im Laufe dieser Tatigkeit entstanden unter anderem auch die beiden Erzahlungen "Warum Mister Flint das Gewehr nahm"'*'^ und "Der Marsch durch die Stadt,"'*'^ die beide ebenso in der Zeitschrift Das Wort Aufnahme fanden. In der ersten Erzahlung^ die starke biographische Zuge tragt, ^ Das Wort, 1 (Januar 1938), 3-8. ^ Das Wort, 10 (Oktober 1938), 307 . 2 86 schildert Georg die Wandlung von Mr. Flint, dem Sohn eines englischen Bergarbeiters, der als Reporter fiir burgerliche Zeitungen nach Spanien gesandt wurde . Er war der Redaktion unersetzlich, denn keiner verstand es wie er, in Artikeln iiber brennende soziale Fragen Argumente anzuwenden, die nach auften den Forderungen der proletarischen Leserschaft des Blattes gerecht wurden, in Wirklichkeit jedoch den Anwei- sungen seiner biirger lichen Auftraggeber nachkamen. Nachdem der Journalist in Spanien aber am eigenen Leibe die Greuel- taten Franco-Spaniens, sei es durch niedertrachtige Bom- bardements der Zivilbevolkerung, sei es die Ermordung von Kindern oder die riicks ichts lose Erschieftung von Gefangenen miterlebt hat, erkennt er, daft er fiir die falsche Seite Partei genommen hatte, "daft hier Mord geschieht und nicht Kriegl Daft wir gelogen haben! Daft wir fiir die Herren in den Klubsesseln und zu hohen Preisen hier Menschen morden durch unsere Liigen" ("Mister Flint," S. 8 ). Und so er- schieftt er den von der Reaktion gesandten Ersatzmann, aus Furcht, daft dieser nicht die Wahrheit iiber Spanien schrei- ben wurde. Er selbst aber schliefit sich den Kampfenden an und fallt wenige Tage spater bei einem Patrouillengang, "das Gesicht dem Feind zugekehrt und eine leergeschossene Ma- schinenpistole in der Rechten" (S. 8 ). 287 Die Handlung von "Der Marsch durch die Stadt" dagegen spielt sich im von Francos Truppen besetzten Hinterland ab. Die unmenschlichen Lebensbedingungen und personlichen Rache- akten des Gefangnisdirektors ausgesetzten Insassen einer baskischen Strafanstalt sollen zur Feier des Jahrestages des Einzugs Francos und zur Belehrung der noch storrischen Be- volkerung durch die Stadt marschieren. Die Feier anlafilich der Befreiung von "den roten Mordbrennern" mifigluckt aber, denn statt die Prozession der Gefangenen mit Schmahrufen zu iiberhaufen, kommt es zu einer spontanen Volkskundgebung fur die Republik: . . . aus tausend bruchigen Stimmen erscholl aus dem Zug der Gefangenen die Internationale. Die Verkruppel- ten reckten ihre Armstiimpfe, die Zerfetzten hoben ihre bleichen Gesichter zum Himmel, die Einbeinigen versuch- ten im Takt daherzustampfen . . . Und jetzt sang auch die Menge auf den Dachern und Balkonen. Viele, die nur die Melodie mitschrien, wufiten gar nicht, was sie san- gen— aber es war fur sie plotzlich ein Kampflied gegen die Eroberer ihres Landes, gegen die Fremden. ("Der Marsch durch die Stadt," S. 6 -8 ) Beide Erzahlungen Georgs durften wohl die gewiinschte Wirkung erzielt haben, da sie einmal das tiefe Mitgefuhl des Autoren an der Sache in Spanien widerspiegeIn und zum ande- ren in einer selbst den unparteiischen Leser packenden Weise dargestellt werden. Mehr als von historischem Interesse sind sie jedoch fiir uns nicht. 288 Von den links gerichteten Reportern, die auf der Seite der spanischen Republik standen, verdient besonders Egon Erwin Kisch Erwahnung. Zuerst bekannt geworden durch seine Mitte der zwanziger Jahre erschienenen Reportagensammlung Der rasende Reporter, stellt er sein weiteres Schaffen un- eingeschrankt in den Dienst der Arbeiterklasse und ihrer Partei. So nimmt es kein Wunder3 wenn wir ihn gleich zu Beginn der Kampfe in Spanien an der Seite der Internationa len Brigaden finden. Er war in Barcelona, Valencia, im be- lagerten Madrid und wird Zeuge der Schlachten von Teruel, Quinto, Belchite und Fuentes del Ebro. Sein Einsatz fiir die 12 Republik fand in seinem Buch Unter Spaniens Himmel, einer Zusammenstellung von Reportagen, Niederschlag. Am bekann- testen darunter diirfte wohl die Reportage "Die drei Kiihe" sein. In Form eines Gesprachs mit dem Spanienkampfer Max Bair entwickelt Egon Erwin Kisch das Schicksal eines jungen Tiroler Bauern und seinen Weg zu den Internationalen Briga den. Wenn die Reportage den Untertitel "Eine Bauernge- schichte zwischen Tirol und Spanien" tragt, so ist dies je- doch nicht im Sinne Peter Roseggers oder Berthold Auerbachs zu verstehen. Dem Autoren kommt es dagegen darauf an, die ■^Berlin: Deutscher Militarverlag, 1961. 289 Ursachen des Wandels des politisch neutralen Tiroler Bauern zu bewuftt politischem Handeln herauszustellen und gleich- zeitig die dabei wirksamen gese11schaftlichen Krafte naher zu beleuchten. Arm sind die Bauern im Wipptal, die sich auf ihren kleinen Besitztiimern von fruh bis spat abrackern. Nicht in jedem Jahr kann geerntet werden. Wenn der Sommer nicht warm ist* war alle Feldarbeit vergebensj die Weizenhalme stehen leer. Wenn im Winter zu wenig Schnee fallt, vereist der Boden, dann gibt's auch keine Ernte . . . Zwangsversteigerungen sind an der Tages- ordnung. (Unter Spaniens Himmel, S. 67) Bairs Eltern starben fruh an der Qualerei ihrer Arbeit und da ihm die Moglichkeit zum Studium nicht gegeben war, denn "immer werden die Kinder der Armen daheim zur Arbeit ge- braucht" (S. 6 8 ), libernimmt Max das armselige Anwesen mit- samt den Schulden. Die Not wird jedoch von Tag zu Tag grofier, neue Schulden haufen sich, einen Ausweg scheint es nicht zu geben. Da taucht der Arbeiter Knotzer-Johann auf und klart Max daruber auf, warum die Herren und die Zei- tungen so iiber SowjetruBland und den Sozialismus schimpfen und aus welchem Grund in Spanien gekampft wird. Wie einen unstillbaren Hunger empfindet Max das Verlagen mitzuhelfen. SchlieSlich verkauft er seine drei Kiihe, fahrt nach Paris und von dort weiter nach Spanien, wo er in den Internatio nalen Brigaden die Sache des spanischen Volkes verteidigt. 290 Es ware nun aber folgewidrig, seinen Entwicklungsgang als ein Einzelschicksal auszulegen. Dadurch, dafi der Ubergang von einem dumpfen Menschen in einen fiir die Seite der spani- schen Republik kampfenden Helden in den in ibm verkorperten typischen Wesensmerkmalen verallgemeinert wird^ reprasen- tiert Max Bair das Schicksal von Vielen. Die positive Mog lichkeit , ihre Verelendung zu uberkommen und eine Verande- rung der Lebensbedingungen herbeizufuhren, beruht im Kampf fiir die Sache des Volkes . Als das groBe Vorbild dienen hier- bei naturlich die Errungenschaften der Sowjetunion, dem Paradies der Arbeiter- und Bauernschaft, das Bair sehnsuch- tig bewundert: Dort kann es keine Viehhandler geben, die an einer ein- zigen bloden Motl mehr verdienen^ als sie je tragen kann. Nein, dort kann ein junger Bauer sein Anwesen nicht so verschuldet erben5 daB er es sein Lebtag nicht hoch- bringen konnte. Dort kann es auch keine Zwangsverstei- gerung geben. Dort gibt es ganz andere Sachen. Milch- kollektive gibt es dort und staatliche Milch- und Butter- wirtschaften, gemeinschaftliche Separatoren, Veterinar- punkte^ Tierapotheken, Bauernhochschulen, Bibliothekenj Kliibs, dort gibt es . . . (Unter Spaniens Himmel, S. 80) Trotz dieses propagandistischen Grundzugs und blinder Glori- fizierung der Sowjetunion entbehrt die Reportage "Die drei Kuhe" nicht eine kiinstlerische Gestaltung. So hat bereits der Kischkritiker Dieter Schlenstedt richtig die zwei- schichtige Anlage der Reportage vermerkt. Schlenstedt 291 stellt diesbeziiglich fest: Das gestaltete Gesprach mit dem Helden Max Bair uiti- schliefit dessen Selbstbericht. In der einen Ebene— in der Darstellung des Gesprachs— entsteht in sinnlicher Nacherlebbarkeit und in gestalteter Wirklichkeit die Figur des Helden, die in ihren personlichen Ziigen (in ihrer Bescheidenheit, Verlegenheit und doch sicheren Ruhe) und ihrer besonderen Sprechweise Plastizitat er- langt. Hinter diesem Vordergrund, der einleitenden— und die Erzahlung unterbrechenden--gesprachsweisen Darstellung Max Bairs, breitet sich sein Leben aus, wie er es berichtet, entsteht die zweite Ebene.^ Andere Spanien-Reportagen von Kisch befassen sich mit der Schilderung der kriegsuberzogenen republikanischen Stadte. So zieht der Autor in "Valencia heute" einen Ver- gleich zwischen seinen Eindrucken dieser Metropole im Frie- den und jetzt unter den Einwirkungen des Biirgerkrieges . Anklagend weist Kisch auf die Fluchtlingsnot hin, den grauenhaften Mord von Frauen und Kindern, die sinnlose Zer- storung von Wohngebieten, und riickt vor aller Welt die Hand- lungsweise Francos ins wahre Licht: In Spanien meutert ein von niemanden gewahlter, von niemanden autorisierter General gegen das spanische Volk. Um es, wie er sagt, von der roten Herrschaft zu befreien. Wie befreit er das spanische Volk? Indem er seine Mohren den spanischen Gefangenen die Gurgel abschneiden lafit, indem er italienische und deutsche Flugzeuge knapp iiber die Kopfe fliichtender Frauen und 13 • Die Reportage bei Egon Erwin Kisch (Berlin: Rutten und Loning, 1959), S. 74. 292 Kinder schwirren laBt, indem er eroberte Orte in Schutt und Asche legt^ indem er offene Stadte vom Meer oder vom Lande oder von der Luft aus mit Kartatschen und Fliegerbomben belegt. So schiitzt der Faschismus, so befreit er das spanische Volk. (Unter Spaniens Himmel, S. 44) Daruber hinaus aber erweitert der Autor seinen Bericht, in dem er die Vergangenheit mit der Gegenwart in Beziehung setzt und dabei die durch die Republik vorgenommenen gesel.l- schaftlichen Veranderungen im partei-politischen Sinne her- vorstreicht. An den Badestranden beispielsweise, wo einst elegante Herren und Damen promenierten, erfreuen sich jetzt endlich Tausende von Arbeitern und Soldaten der Einrich- tungen. Ebenso groBe Forrschritte sind auf dem Gebiet des Erziehungswesens zu verzeichnen, das im friiheren Spanien ein arges Dasein gefristet hat. Und erfullt von der Zuversicht, daB die trotz Schreckensregime in Deutschland so einfluS- reiche Lehre von Marx und Lenin auch unter den Spaniern groBe Wirkung erzielen wurde, schlieBt Kisch seinen Repor tage mit dem unausbleiblichen Fluch gegen Franco und Fluch gegen die Reaktion. In gleicher Weise verfahrt Kisch in der Reportage "Die Hauser und Palaste von Madrid." Als ein neuer kunstleri- scher Zug tritt jedoch das Mittel der Personifizierung der Hauptstadt Spaniens hinzu, der Mutter Madrid. 293 Das breite Lachen deiner Ziige, Mutter Madrid, ist zer- sabelt. Dein helles Gewand ist dunkel von Blut, es ist so zerrissen, dafl die Fetzen flattern, unter ihren klaffen Wundmalen und Schwiiren. Eingeweide dringen aus deinem Leib. (Unter Spaniens Himmel, S. 54) Trotz des Krieges hat sich das Leben in der Hauptstadt zum Guten verandert. Palaste und edle Rittersitze, die einst dem gewohnlich Sterbenden verschlossen waren, hat nun die Republik fur offentliche Zwecke dienstbar gemacht: Bislang hatten diese Palacios dem verhangnisvollen spanischen Hochadel gehort, den Herzogen und Markgrafen, die ein halbes Jahrtausend lang mit Hilfe der Klerisei die Bevolkerung Spaniens in Finsternis und Jammer ein- schlossen, ein mittelalterliches Feudalregime und einen iiberholten Merkantilismus aufrechterhielten, den Bau von Kanalen verhinderten, die Landwirtschaft auf den tiefsten Tiefstand driickten, die Ausbeutung der Berg- werke und die Schaffung einer Industrie auslandischen Konsortien iiber lieflen, ja sogar das Telefonnetz an die Amerikaner verpachteten. (S. 58) Die ursprungliche Schilderung der Stadt erweitert sich zu einem historischen Uberblicksbericht uber das Wesen der Klassenverhaltnisse im ehemaligen Spanien. Mit dokumen- tarischen Belegen zeigt Kisch auf, wie die Konspiration des Kirchenadels und des Finanzkapitals in Spanien das Elend des Volkes von Tag zu Tag unertraglicher machten. Wenn auch Madrid jetzt unter dem Druck der aus Herrensohnen bestehen- den Armeen Francos unsagbaren Leiden ausgesetzt ist, wurden die Verteidiger doch tausendmal lieber sterben, als die alte 294 Gesellschaftsordnung wieder iiber sich zu sehen. Ungeachtet des Verrats der Grofimachte an der Republik stehe der Haupt- stadt eine bessere Zukunft bevor: Aber keine Bange, Mutter Madrid, sie [italienische und deutsche Granate] wird dich nicht toten und nicht deine treuen Kinder die dich verteidigen. Verjungt und ver- schont wirst du sein, Madre Madrid, und dich deiner Kinder freuen, wenn jene, die nicht mehr in deinen Toren sind, auch nicht mehr vor deinen Toren stehen werden. (Unter Spaniens Himmel, S . 64) Das Thema des seit Bestehen der Republik zum Guten ver- anderten Spanien greift Kisch ferner in seiner Reportage "Die Soldaten am Meeresstrand" auf. Zahlreiche historische Hinweise anfuhrend, schildert der Autor darin anschaulich den Wandel des einst nur von Angehorigen des spanischen Adels frequentierten Villen-Badeortes Beincasim zu dem vor- bildlichen Hospital der Internationalen Brigaden. Der Autor selbst hatte zur Genesung nach einer Kriegsverletzung in diesem Stadtchen zwischen Barcelona und Valencia einige Wochen zugebracht, Das groBte Problem der Arzte stellt nach Kisch die Frage der "Insertion" dar, des gesund Simulierens der Patienten, urn aus dem Lazarett moglichst unverziiglich wieder an die Front zu kommen. Dem Sanitatsdienst der Republikaner andererseits widmet der Schriftsteller seine gleichlautende Reportage "Die 295 Sanitat der Internationalen." Solche Opferwilligkeit be- dingt in den Worten Kischs eine andere Auffassung von Huma- nitat als die, die auf faschistischer Seite Geltung hat, wo der Begriff als Schimpf abgewertet werde, identisch mit Wehleidigkeit. Reiche Unterstutzung aus der ganzen demokra- tischen Welt ist spontan den Kampfenden zuteil geworden, Ambulanzen, Arzte und Arzneien, wenn ihnen auch entschei- dende Waffenhilfe untersagt blieb. Die Den'kenden und die Arbeitenden des Erdballs tun viel, sie haben geschickt und werden weiter schicken, was sie schicken konnen. Hatten sie Flugzeuge und Waffen schik- ken diirfen, zu Ende ware das Morden, und Hunderttausende der Verwundungen, urn deren Heilung sich zur Stunde die Braven in Spanien bemuhen, waren nicht erlitten worden. (Unter Spaniens Himittel, S. 87) Einer kiinstlerischen Gestaltung kommt Kischs Schilde- rung eines Ganges durch die bekannte Madrider Kunstgallerie "Im ausgeraumten Prado" naher. In der zweiten Person Singu lar spricht der Dichter den Leser an, dem der Prado wohl- bekannt ist, und fiihrt ihm die systematische und planmaBige Zerstorung dieser Schatzkammer der Kiinste durch faschisti- sche Luftangriffe vor Augen. Wahrend dieser Tour durch das "Nichts," denn die meisten Kunstwerke sind von der republi- kanischen Regierung in Sicherheit gebracht worden, laftt er der Phantasie einen groBen Raum und so entstehen plotzlich 296 aus dem Nichts der leeren Stellen an den Wanden die Werke der alten Meister wieder. "Zuerst braunen sich neblige Flecken, hernach straffen sich Konturen, Farben leuchten auf, und schliefllich tritt es, als ob es Alles und Nichts ware, korperlich werdend aus der Wand hervor" (Unter Spa niens Himmel, S . 50). Aber der Galleriebesucher betrachtet diese Phantasieerscheinungen aus einer neuen Perspektive, aus der des Kampfes gegen den Faschismus; er zieht Paral- lelen zwischen dem gelangweilten Blick einer Konigstochter und den Kindern auf den Strafien Madrids. Dieses adlige Wesen "gleicht keinem der Kinderblicke, die du drauSen sehen kannst, nicht den lachend-lebenden, den weinend-sterbenden oder den stumm-toten Augen der Kinder von Madrid ..." (S. 51). Oder er sieht in den Darstellungen von Konigen und anderen Herrscherfiguren nur Zeichen von Dekadenz und vor- ausdeutende Spottbilder. Ihre bigotte, starre Dekadenz mit hangender Unterlippe und harlekinhaftem Kinn wurde so wenig beschonigt, dafi die Konigs- und Prinzenbilder zu prophetischen Karika- turen wurden . . . Bleich und bose starren tote Gewalt- haber aus der leeren Wand. (S. 52) Die ungewohnlichen Menschen von Goyas Gemalden konnen nicht umhin, den Dichter an den heldenhaften Widerstand des spani- schen Volkes gegen den Faschismus zu erinnern: 297 Ein Pelonton auslandischer Soldaten fiisiliert Bauern und Arbeiter, die Kampfer fur Spaniens Unabhangigkeit. Die uniformierten Henker haben das linke Bein vorange- stellt, die Gewehre an die Wange gedriicktj eine wiirfel- formige Laterne beleuchtet das Ziel. Ein junger Bauer in weifiem Hemd und in weifiem Licht streckt beide Arme flatternd empor, als wollte er die Welt zur Abwehr an- rufen, der Mann an seiner Seite hebt die rechte Faust zum faschistischen Schwur . (S. 53) Immer wieder jedoch werden diese Phantasieerscheinungen unterbrochen von der Realitat, den Zeichen des Krieges in der Stadt. Detonationen von Kanonenschiissen erwecken den Betrachter aus seinen vergleichenden Traumereien oder lassen eigene Kampferlebnisse in ihm aufsteigen, die sich wiederum in das Schlachtenbild eines Gemaldes projizieren, das sich sodann plotzlich in nichts auflost. Auf diese Weise lafit Kisch kunstvoll Phantasie, Wirklichkeit, Erinnerung, Be- trachtung^ Kritik und Anklage ineinander xibergehen. Das ergreifendste und in seiner Aussagekraft wirksamste der unter dem Erlebnis des spanischen Biirgerkrieges ent- standenen Werke ist indessen Kischs Reportage "Der Stier und seine Gegner." In dieser Parodie auf die Humanitat greift der Autor die iible Tierqualerei des Stierkampfs an, wobei er den gejagten Stier menschlicher als seine raffinierten Peiniger erscheinen laBt. Die Struktur der Reportage beruht auf zwei Ausgangspunkten: 298 Alljahrlich kommen zu dem Griindungsfest des spanischen Christentums Zehntausende von Betern und Beterinnnen, Biifiern und Biifierinnen und auch eine Reihe von Stieren in die aragonische Provinz, in die saragossische Stadt, zur Feria del Pilar. Die Stiere sind Attraktionen wie der Juwelenkranz der Heiligenstatue und mindestens ebenso wichtige Mitwirkende wie die Geistlichkeit. (Unter Spaniens Himmel, S. 29) Effektvoll blendet nun der Autor wie in der Filmkunst diese beiden Elemente ineinander. Den Vorgangen in der Arena stellt er ihr Verhalten wahrend der Wallfahrt gegenuber und entlarvt dadurch ihr verlogenes und falsches Christentum. Menschen, die vor der Bildsaule des Gekreuzigten schmerzvoll gebetet hatten, nehmen mit ekstatischer Verziickung an der qualvollen Hinmordung des Stieres teil. So klagt der ge- qualte Stier an: Da sitzen sie auf alien Rangen, auf Sonnenplatzen und Schattenplatzen, diese Menschen, vormittags haben sie Reue und Giite gelobt, und jetzt schauen sie begeistert zu, wie man mich behelligt! Wozu haben wir die Kirche? Gewifi, sie schiitzt mich davor, dafi die Bauern, die kein Fleisch zu essen haben, in unsere Hiirden einbrechen, um uns Edeltiere zu schlachten. Aber jetzt laBt sie mich an ihrem Feiertag pieken und piesacken. (S. 34) Es versteht sich dabei von selbst, dafi die Zuschauerschaft sich aus Faschisten der Kleinburgerschichten zusammensetzt. Kritik an der Kirche spiegelt sich nicht zuletzt in dem Ge- brauch von Metaphern wieder, wenn der Schriftsteller, um nur ein bezeichnendes Beispiel hierfvir zu nennen, das todwunde 299 Tier noch einmal das "Altarschiff der Stierkampfkathedrale" durchmessen lafit. Die Reportage "Der Stier und seine Geg- ner" endet mit dem kunstvoll gestalteten und gleichzeitig die Spannung des Lesers mit einem Male losenden Tod des eigentlichen Helden. Schon erweckt der Peiniger den An- schein, als wolle er von seinem Opfer endlich ablassen, "da aber Senor N. mit einer bislang noch nicht entwickelten Wucht, mit donnerartigem Gebriill, Schaum der Tobsucht vor dem Maul, die Erde bebet unter seinen Hufen, auf ihn zu- sturzt, sticht er ihn tot" (Unter Spaniens Himmel, S. 38). Kisch dard wohl mit recht der Typus des revolutionaren 1‘ Reporters genannt werden, wie ihn Georg Lukacs bezeichnet. Seine schriftstellerische Tatigkeit wahrend des Krieges in Spanien ist dazu bestimmt, den Widerstand gegen die faschi- stischen Machthaber zu unterstiitzen und eine permanente Veranderung der gesellschaftlichen Ordnung in Uberein- stimmung mit der marxistischen Weltanschauung herbeizu- fuhren. Zur Erfiillung seiner Aufgabens tel lung bedient sich der Autor der Reportage, welcher deshalb eine besonders groBe propagandistische Wirkungskraft zugeschrieben wird, •*-^Siehe Georg Lukacs, "Der Meister der Reportage," Kisch-Kalender, hrsg. Franz C. weiskopf (Berlin: Aufbau- Verlag, 1956), S. 9. 300 da gerade sie imstande ist, einen breiten Leserkreis zu 15 erfassen und zu beeinf lussen . Die matenelle Grundlage der Reportage ist der objektive Bericht, der von Kisch durch historische Reminiszenz, dokumentarische Belegung und dem in Beziehung Setzen von Vergangenheit und Gegenwart gesell- schaftlicher Zustande erweitert wird. Gestaltet wird in dieser Form nach Kisch die Wahrheit, die er im krassen Gegensatz zu der irrealistischen Verschleierung der Realitat in den vom Faschismus beherrschten Nationen sieht: Wahrheit ist das edelste Rohmaterial der Kunst, Prazi- sion ihre beste Behandlungsweise. In den Landern, in aenen die Freiheit darniederliegt und die Tyrannei herrscht, dominiert in der Literatur gefuhlsbetonte Verschwommenheit, mystisches Schwarmen fur Blut und Boden und dergleichen, weil kein Problem des Lebens angeschnitten werden darf. (Schlenstedt, S. 54) Zwar ist die Reportage eine typische Form der Journalistik— bei Gero von Wilpert finden wir in seinem Sachworterbuch der Literatur als Erlauterung fur diesen Begriff kurz: "Be- richterstattung fur Zeitung oder Rundfunk als unliterarische Form oder als reiner Tatsachenroman," und in ahnlichen Wer- ken von Rene Wellek und Austin Warren, Hanns W. Eppelsheimer oder selbst bei Wolfgang Kayser wird die Form der Reportage 15Marcel Reich-Ranicki, Die Unqeliebten. Sieben Emi- granten (Pfullingen: Gunther Neske, 1968), S. 35. 301 nicht einmal erwahnt— doch ist es Egon Erwin Kisch gelungen, sie als eine Literaturform zu behandeln. Nicht blofie Sach- lichkeit beherrscht seine Spanien-Reportagen, sondern es sind trotz der ungeschmiickten politischen Aussage Kunst- werke, an die die gleichen Forderungen hinsichtlich einer Wertung gestellt werden konnten, die fur andere literarische Werke Giiltigkeit haben. Was die optimistische Haltung sei ner Beitrage anbetrifft, so ist dies sicher als eine propa- gandistische Note auszulegen, da der Schriftsteller von dem bevorstehenden Zusammenbruch der Republik nicht ungewahr bleiben konnte. Dies bezeugt auch der Autor Alfred Kantoro- wicz, der zusammen mit Kisch Erholungswochen in dem Hospital Benicasim verbrachte: Wir zweifelten nicht am Endsiege, doch wir ahnten, und gerade Kisch, der empfindsame Schriftsteller, der die Nervenantenne fur zu gewartigende Erschiitterungen besafi, spurte voraus, durch wieviel Blut und Tranen unsere Volker noch zu gehen haben wurden. Spanien war nur das Manoverfeld der Machte des Faschismus, eine militarische und politische Vorbereitung fur den Welteroberungsver- such, den sie wenig spater unternahmen.^ Unter propagandistischer Sicht wurde, wie wir sahen, ebenso die Auswahl seiner Reportagethemen vorgenommen, was nicht zuletzt zur zeitbedingten Beschranktheit seiner 16"Egon Erwin Kisch," Kisch-Kalender, S. 117. 302 Darstellungen beitragt. Auch andere Exilautoren, die nicht personlich am Kampf in Spanien teilnehmen konnten, aber dessen ungeachtet mit nicht minderer Anteilnahme auf Seiten der Republik standen, gestalteten das Thema Spanien in ihrem literarischen Schaf- fen. An erster Stelle ist hier Alfred Kurella (Bernhard Ziegler) zu nennen, der im Jahre 1937 in Moskau kleine Spa- nienerzahlungen schrieb und sie in dem Band Wo liegt Madrid? 17 vereinigte. "Wo liegt Madrid," so lautet auch der Titel einer Erzahlung, in der er schildert, wie zwei tschechische Soldaten diese Frage zu beantworten lernen. Um das Kreuz eines von den faschistischen Grenztruppen ermordeten Wider- standskampfers infolge der auf der Viermachtekonferenz in Miinchen beschlossenen Gebietsabgaben nicht in die Hander der Nazis fallen zu lassen, entfernen sie es kurz vor ihrem Abzug. Nachdem sie den Stamm des Kreuzes einem Bauern ab- getreten haben, selbst aber das Querholz mitnahmen, ver- stehen sie mit einem Mai den Sinn der Inschrift "gefallen vor Madrid." "Hier," sagte Karl und faftte mit der Hand nach der linken Brustseite, wo er die andere Halfte des Kreuzes 17 Berlin: Verlag des Ministeriums fur nationale ver- teidigung, 1956. 303 unter dem Mantel trug, "Hier* Frantisek, liegt Madrid, hier, an meinem Herzen" (S. 165). Spannungsgeladen dagegen ist die Erzahlung "Rosina." Sie handelt von dem Lokomotivfuhrer Eustachio Garcia Lopez, der von den Falangisten aus dem Gefangnis geholt wurde, um Nachschubziige an die Madrider Front zu fiihren. Das Wissen um den Aufenthalt seiner Frau Rosina in der umkampften Stadt macht ihn bald gefugig, die Anweisungen der Faschisten zu befolgen. Als er aber mit einem mit Dynamit und Flieger- bomben beladenen Eisenbahnzug nach Madrid unterwegs ist, hort er aus dem Singen der Schienen "Rosina, Rosina" heraus, das sich plotzlich zu einem "Guernica, Guernica!" steigert. Ro-si-na, Ro-si-na, Ro-si-na sang der Zug. Aber nein, er sang ja etwas anderes! Das war nicht mehr Ro-si-na . . .! Eustachio stand ganz still und lauschte. Er horte jetzt ganz genau: Guerni-ca, Guerni-ca, Guerni ca . . . ! Das sang der Zug! sein Zug! Guernica, Guer nica, Rosina unter Trummern. Und nicht Rosina allein: da lagen in ihrem Blut viele Frauen und mit ihnen kleine Kinder. Von Bombensplittern zerrissen, von Steinen zer- schmettert, verschiittet! Und er, er Eustachio, hatte diese Bomben nach Madrid gebracht! Wie hatte er das vergessen konnen? (Wo liegt Madrid, S. 14) Beinahe ware er zum Verrater an seinem Volk geworden. Da besinnt sich der Lokomotivfuhrer eines besseren und opfert sich und den Zug fur seine Frau und fur alle, die in Spanien gegen den Faschismus stehen. 304 Die Erzahlung "Wiederkehr" dagegen fiihrt uns ins fa- schistische Italien, nach Palermo. Argerlich iiber die Wie- derbegegnung mit dem ewigen Dekorum des Alltagslebens be- schlieBt die arme Bevolkerung nach Beendigung einer alle Herrlichkeiten des ewigen Lebens und Freuden des Himmel- reiches ahnen lassenden Messe, sich selbst Freude auf Erden zu bereiten. Eine uralte VoIksuberlieferung, das St. Josefsfeuer, das die faschistischen Behorden verboten hat- ten, lebt wieder auf und wie durch ein Wunder verschwindet die ganze Last der Trostlosigkeit der aus der Kirche Heim- kehrenden. Durch den Schein des Feuers verwandelten sich die Herurnstehenden zu Teilnehmern eines glanzvollen Festes aus der Ritterzeit. "Es war tatsachlich ein Wunder ge- schehen. Schonheit und Gluck waren plotzlich vom Himmel auf die Erde herabgestiegen!" (Wo liegt Madrid?, S. 88). Als die Carabinieri einschreiten wollen, kommt es zu einem spontanen antifaschistischen Aufstand bei der Bevolkerung und Sympathiekundgebungen fur das spanische Volk und seinen Kampf. Giuseppe Morgari, den einst Mussolini fur seine Armee in Spanien angeworben hatte und der dort schwer ver- wundet wurde, bricht jetzt sein ihm auferlegtes Redeverbot. Er hatte namlich auf der Iberischen Halbinsel die Wahrheit kennengelernt und dem Mord von Kindern durch faschistische 305 Soldaten beigewohnt. "Genossen! . . . Spanien sagt ihr? Ich wiinscht hier ware Spanien! Wiinschte, ich und ihr, wir alle zusairanen hatten es so gemacht wie die Arbeiter und die Bauern in Spanien!" (Wo liegt Madrid?, S. 105). Erwahnt unter den anderen Erzahlungen Kurellas seien hier noch "Juno— die deutsche Zigarette" und "Ein Spanier." In der ersteren wird geschildert, wie proletarische Frei- heitskampfer in Spanien bei nicht explodierten Geschossen eine Botschaft von ihren deutschen Genossen auffinden. Auf Zetteln ist zu lesen: "Unseren spanischen Brudern." Die andere Erzahlung handelt von einem Spanier, der wegen einer russischen Milchbiichse, die er aufbewahrt hatte, fur einen Russen gehalten wird und tapfer in seinem Bekenntnis zur Freiheit stirbt. Wie Alfred Kurella mit seiner Titelgebung Wo liegt Madrid? bereits andeutete, geht es ihm in seinem Sammelband vor allem darum, seine innere Anteilnahme an dem Kampf in Spanien trotz geographischer Trennung vom Aktionsort in Moskau unter Beweis zu stellen. Dabei kommt er zu dem SchluB, daft der Widerstand gegen den Faschismus nicht nur in Spanien zu suchen ist, sondern auch auBerhalb dieses umkampften Landes und sogar beim eigentlichen Gegner selbst aufzufinden ist. Die Haltung des Herzens ist mitunter 306 genauso entscheidend wie die geographische Lage Madrids . Darum antwortet Kurella Freunden, die wahrend des Burger- krieges in Spanien waren und spater den Richtigkeitsgehalt seiner Geschichten in Frage stellten: Geschichte wird nicht nur an Hand von Heeresberichten, Lageskizzen und Verlustlisten geschrieben— auch die kiinstlerische Phantasie schreibt Geschichte. Neben der Wahrheit der "Fakten" kann die Wahrheit des Herzens sehr wohl bestehen. Nicht nur in der Kunst. ( Wo liegt Madrid?, S . 6) Wollte man jedoch Kurellas Erzahlungen im Zusammenhang mit dem Spanienkampf auf seine kiinstlerische Leistung hin be- trachten, so liefien sich keine Anzeichen nachweisen, die sein Werk zu mehr als einen zeitbedingten und von partei- politischen Bestrebungen iibers chatte ten Beitrag zum anti- faschistischen Kampf machen. Anteilnahme an den Ereignissen in Spanien bekundet auch der Schriftsteller Franz Carl Weiskopf. In seiner Ge schichte "Das goldene Apfelchen" erfahren wir von der riih- renden Handlung einer Mutter in der Tschechoslowakei, die ihre letzten Ersparnisse aufopfert, um ihren nach Spanien gegangenen Sohn mit zwei Apfelsinen eine besondere Freude zu bereiten. Da diese jedoch von der Post nicht befordert werden, bewahrt das Mutterchen sie selbst nach dem Tode ihres Sohnes und schickt schliefllich die inzwischen 307 verunzelte Frucht den nach Frankreich evakuierten Fliicht- 18 lingskindern, "daxnit sie etwas aus ihrer Heimat haben." Daneben beschaftigt sich Weiskopf mit dem Spanienthema auch in Form von Anekdoten, von denen er einige in seinem 19 Band Die Unbes iegbaren aufnahm. "Wurde und Vernunft" be- richtet von dem heldenmutigen Leutnant de Llano, einem Ver- wandten des beruchtigten Generals Queipo de Llano, der beim Ruckzug im Jahre 1939 nach Kleistscher Art seine Beherztheit unter Beweis stellt. Seine Leute deckend bleibt der Leut nant als Letzter auf spanischem Boden. Im Angesicht des ansturmenden Gegners kniet er sodann nieder, kufit den Boden seiner Heimat und schreibt mit einem Stuck Kohle an den Felsen: Wir kommen wieder, Franco! Es lebe die Freiheit! Miguel de Llano, Leutnant, Soldat der Republik aus Wurde und Vernunft. (Die Unbesiecrbaren, S . 15) Dann erreicht er unter den Augen der verstutzten Franco- Soldaten unversehrt franzosischen Boden. "Das Mark der Ehre" verfolgt das weitere Schicksal 18 Das Wort. 12 (Dezember 1938), 16. -*-^New York: Aurora-Verlag, 1945. 308 eines Internationalen, der in seine deutsche Heimat zuriick- gekehrt ist. Dort wird er von seinem eigenen Bruder in eine Falle gelockt und der Gestapo ausgeliefert. Bevor er Selbstmord begeht, gelingt es ihm aber noch mit Blut auf dem Nachtkastchen die folgende Losung zu hinterlassen: "Die Treue ist das Mark der Ehre" (Die Unbesiegbaren, S. 12). Sicher erheben auch die Beitrage von Weiskopf als typische Literatur fur den Tag keinen grofien literarischen Anspruch, was jedoch der Echtheit dichterischen Mitgefiihls und geistigen Dabeiseins auf Seiten der spanischen Republik keinen Abbruch tut. Immerhin wagte er es, den iiblichem Rahmen der kleinen Prosa mit der kleinen Form der Anekdote zu sprengen. Zu den emigrierten Schriftstellern, die sich trotz geographischer Trennung auf tiefste mit den fur die Republik Kampfenden verbunden fuhlten, nimmt Anna Seghers., Pseudonym fur Betty Radvanyi, eine bedeutende Stellung ein. Fern von der eigentlichen Front bekundet sie ihre Solidaritat mit den in Spanien Weilenden durch ihre Erzahlung "Agathe Schwei- gert.11 "Agathe Schweigert" erschien mit acht anderen Er- 20 zahlungen in dem Band Die Kraft des Schwachen (1965). Die ^(Berlin: Luchterhandj 1965), S. 7-31. 309 Heldin ist eine bescheidene rheinische Kurzwarenhandlerin, die ihr angstlich gehiitetes Leben hinter sich laftt, um ihren Sohn im Spanischen Biirgerkrieg zu suchen. Als sie erfahrt, daft dieser kurz nach ihrer Ankunft gefallen ist, bleibt sie dennoch in Spanien und betreut als Krankenschwester die ver- wundeten Internationalen. Nach dem Zusammenbruch der Repub lik schlieftt sie sich dem Fliichtlingsstrom iiber die Pyre- naen an, der sich aus alien den Menschen zusammensetzt, fur die ein Leben unter der Herrschaft Francos undenkbar war. Der zweite Weltkrieg bricht aus und es gelingt ihr aber zusammen mit einem fruheren Schulfreund ihres Sohnes nach Sudamerika zu entkommen. Auf der Fahrt in dieses Land macht sie zufallig die Bekanntschaft der Verfasserin Seghers, und so kommt es zu der liber liefer ung des Lebensweges der Agathe Schweigert. Es liegt mir nun fern, den Wahrheitsgehalt dieser Geschichte nachzupriifen. Die Person im Mittelpunkt ist eine der groBartigen Gestalten, wie es sie im Zusammen- hang mit dem Biirgerkrieg zweifellos gegeben hat. Aus ein- fachen, beinahe biederlichen Verhaltnissen kommend, ahnt sie instinktmaftig, daft sie in diesem Konflikt nicht abseits stehen darf. Um der Sache zu dienen, lost sie sich aus ihren Bindungen und nimmt dann, ihrer Bestimmung folgend, ganz frei den Kampf gegen die Bedrohung durch den Faschismus 310 auf. Nicht unfrei von Propaganda jedoch gibt die Dichterin diese Erzahlung wieder^ und angesichts der reportagehaften Sachlichkeit des Stils fallt es einem schwer, "Agathe Schweigert" mehr Wert zuzugestehen, als den tiefempfundenen Beitrag zu einem Zeitgeschehen. Waren die bisher angefuhrten Schriftsteller, die das Spanienthema als Sujet aufgriffen, fast ausschlieftlich An- hanger marxistischer Weltanschauung oder zumindest stark links gerichtetj so nimmt Franz Werfel als sogenannter biir- gerlicher Autor mit seinem Spanien-Beitrag "Die arge Legende 21 vom gerissenen Galgenstrxck" auch benannt "Der kugelfeste Hidalgo" eine Sonderstellung ein. Schon sein Zuriickgreifen auf einen das Eingreifen iiber irdischer, wunderbarer Machte darstellenden Stoff^ stellt ihn in krassen Gegensatz mit den Forderungen des "sozialen Realismus." Werfel geht in seiner Legende von dem Satz aus, daB es mitunter den Gerechten auf Erden iibel ergeht^ wahrend den Missetatern meist noch zu Lebzeiten ihr "feiner Lohn" zuteil wird. Dieser unerfreu- liche Sachverhalt offenbart sich besonders exemplarisch in dem von einem Spanienhe imkehr er iiber liefer ten scheinbaren 21 Gesammelte Werke, Bd. II: Erzahlungen aus zwei Wel- ten (Frankfurt a/M: Fischer-Verlag., 1954), 7-27. 311 Eingreifen des Hiitimels zugunsten des Teufels. Estaban Ahimundo y Abrejos ist der klassische Typ eines Verbrechers, ein Verbrecher, wie er im Buche steht: Uberhangende Augenbrauen auf dicken Wiilsten. Die Augen darunter mausgrau, winzig, versteckt, mit dem hin- und herwandernden Blick des immer Ruhelosen, des immer nach einem Ausfallpunkt Spahenden. Eine niedrige, fliehende Stirn unter verfilztem Kraushaar. Ein NuBknackermund mit einem herausfordernden Eckenkinn. Die vierschrotige Gestalt leicht gebeugt, stiernackig, buckelig gleichsam vor Erniedrigung, Tucke und Unbehagen. Der Brustkasten wie eine eiserne Kassa. Eines Gorillas pendelnd haarige Wurgepratzen. Der ganze Mann ein vollendetes Modell furs gerichtspathologische Museum. ("Die arge Legende," S. 10-12) Von einem republikanischen Gericht wegen mehrfachen Mordes zu Tode verurteilt, wird dieser menschenunwiirdige Hidalgo durch den seltsamen Eingriff hoherer Machte sogleich ge- rettet. Sein Todesurteil kann nicht vollstreckt werden, da Francos Truppen die Herrschaft ubernehmen. Doch diese Ret- tung ist nur der Beginn einer Kette ahnlicher Parteinahmen des Himmels, um den Missetater seiner Strafe zu entziehen. Auf eine verwunderliche Weise iiberlebt er als Einziger eine MassenerschieBung, und als er schlieBlich gehenkt werden soli, reiBt der Strick. Eine geheimnisvoile Protektion, die er besafi, machten es unmoglich, den Morder vom Leben zum Tode zu befordern. Der zweimal hingerichtete Hidalgo wird begnadigt in die Dienste Francos aufgenommen, wo sein 312 Aufstieg zum Exekutionsleiter einer wundermafligen Karriere g le ichkoimnt. So vernichten im Naturreich Schlangen und andere Repti- lien alles mogliche Getier, das die Menschen fur schad- lich erklaren. Die Bluttaten, die das Herz des Morders mit iippiger Befriedigung erfiillten, standen nun im Dienste der sogenannten Volksgemeinschaft und bildeten gute Werke. ("Die arge Legende," S. 27) Nach Beendigung des Biirgerkrieges aber, kommentiert der Au tor satirisch, erwarte den verdienstvollen ehemaligen Morder zumindest ein gutbezahlter Ruheposten im Justizwesen. Zum Schlufl seiner Legende ermahnt Werfel den Leser, der das geschilderte exemplarische Wunder des Himmels zugunsten des Teufels mit der Vorstellung einer sittlichen Weltordnung nicht in Einklang bringen kann, nicht voreilig falsche Schliisse zu ziehen: Nicht beklaget euch iiber den furchtbaren Widerspruch! Er ist es nicht, der das Spiel sinnlos macht. Beklagt euch lieber dariiber, daS ihr zu spat ins Theater ge- koiranen seid und es zu friih verlassen miisset. Nur einen winzigen Fetzen des Stiicks erlebet ihr und wollt schon Kritik iiben iiber die Logik und Ethik des Werkes . (S. 27) Trotz dieses betont religiosen Epilogs begniigt sich der Schriftsteller nicht, sein Publikum zur Passivitat anzu- halten, sondern ruft zur entschiedenen Parteinahme auf. "Wiirdiger freilich, als unter den Zuschauern zu sitzen ist's, trotz Blut und Feuer, auf der Biihne zu stehen" (S. 313 27) . Als bewufite und eindeutige Stellungsnahme gegen den Faschismus ist auch Franz Werfels "Arge Legende vom geris- senen Galgenstrick" zu verstehen, indem er den Typus des Verbrechers den Grundziigen dieses Regimes gleichsetzt. Dafi eine neutrale Haltung angesichts dieser drohenden Umstande keine Gewahr fur Sicherheit bietet, zeigt er in seiner Be- schreibung der Machtubernahme von Francos Truppen. Selbst jene, die sich "unpolitisch diinkten, werden nicht verschont. Reihenweise werden sie von Maschinengewehren umgelegt," um ins vorbereitete Massengrab zu sinken. In seiner Blofi- stellung und Anprangerung der Grausamkeit der faschistischen Machtherrschaft fliichtet sich der Autor in einen bitteren Spott. So brausen die Exekutionsautos mit den Gefangenen herrisch durch das hohe Kirchhofstor und nehmen "nicht die geringste Rucksicht auf das Ruhebedurfnis ziviler und hoch- angesehener Toten, die in den Prunkgruften und Mausoleen einer glucklichen Feudalzeit hier wohnten" ("Die arge Le gende," S. 13). Und wahrend man versucht, den Hidalgo vor- schriftsmafiig unter Anwesenheit eines Geistlichen und dem Zugestandnis einer Zigarette hinzurichten, werden zur selben Zeit auf dem Friedhof von Malaga siebzig Unschuldige von Maschinengewehren "umgelegt," ohne Urteil und ohne Zuspruch, 314 wie tolle Hunde. "Im Verlaufe des Burgerkriegs hatte sich auf der Generalsseite eine praktische Form herausgebildet^ die Sache an Ort und Stelle zu erledigen, dort namlich, wo sie am wenigsten Schererein und keine hygienischen Gefahren verursachte" (S. 13). Der Wert dieser politischen Dichtung von Franz Werfel griindet sich jedoch nicht allein auf seine politische Aussagekraft, sondern ist auch in der bewufit kiins tier ischen Gestaltungsweise des Stoffes zu suchen. Neben dem straffen Aufbau der Legende in Form des einlei- tenden Grundgedankens des bestehenden Widerspruchs zwischen unserer sittlichen Vorstellung einer Weltordnung und der Realitatj der eigentlichen Handlung und dem lehrhaften Epi log., zeichnet sich vor allem die Charakterisierung der Per- sonen aus. Dies wurde besonders deutlich bei der Beschrei- bung des Hidalgos als Verbrechertypus. Wirkungsvoll zudem ist die auf den Stoff abgestimmte Sprache des Autors . Bei den Exekutionen platzen die wiirdigen Graukopfe wie Eier. Man horte ins Geknatter hinein den Laut der zersprengten Schadel. Im Reflektorenlicht, das keine Farben duldet, flossen schwarz die Blutbache, die einander zungelnd suchten und sich zu einem Strom vereinten. (S. 14) Diesem Beispiel konnten zahllose andere hinzugefiigt werden. Im Anschluft an Franz Werfels "Legende vom gerissenen 314 wie tolle Hunde. "Im Verlaufe des Biirgerkriegs hatte sich auf der Generalsseite eine praktische Form herausgebildet, die Sache an Ort und Stelle zu erledigen, dort namlich, wo sie am wenigsten Schererein und keine hygienischen Gefahren verursachte" (S. 13). Der Wert dieser politischen Dichtung von Franz Werfel griindet sich jedoch nicht allein auf seine politische Aussagekraft, sondern ist auch in der bewufit kiins tier ischen Gestaltungsweise des Stoffes zu suchen. Neben dem straffen Aufbau der Legende in Form des einlei- tenden Grundgedankens des bestehenden Widerspruchs zwischen unserer sittlichen Vorstellung einer Weltordnung und der Realitat, der eigentlichen Handlung und dem lehrhaften Epi log, zeichnet sich vor allem die Charakterisierung der Per- sonen aus. Dies wurde besonders deutlich bei der Beschrei- bung des Hidalgos als Verbrechertypus. Wirkungsvoll zudem ist die auf den Stoff abgestimmte Sprache des Autors . Bei den Exekutionen platzen die wurdigen Graukopfe wie Eier . Man horte ins Geknatter hinein den Laut der zersprengten Schadel. Im Reflektorenlicht, das keine Farben duldet, flossen schwarz die Blutbache, die einander ziingelnd suchten und sich zu einem Strom vereinten. (S. 14) Diesem Beispiel konnten zahllose andere hinzugefugt werden. Im Anschlufi an Franz Werfels "Legende vom gerissenen 315 Galgenstrick" darf wohl ohne Einschrankung behauptet werden, daB diese Legende ihren Rahmen als bloBe Zeitliteratur sprengt. Wenn sie auch unter dem Eindruck der Erhebung Francos in Spanien geschrieben wurde, so lieBen sich in ihr Symptome und Ausdriicke einer jeglichen Machtherrschaft be- ziehungsweise Situation der Unterdriickung nachweisen. Dieser Uberblick der im Rahmen der sogenannten Kleinen Prosa zum Spanienthema hervorgegangen Werke zeigt, daB die Exilautoren auch in ihrem epischen Schaffen zu einem Problem des Tages Stellung nahmen. Sowohl Schriftsteller, die be- reits aktiv im Kampf standen, als auch diejenigen, die geo- graphisch fern von den eigentlichen Geschehnissen blieben, unterstutzten mit ihren literarischen Beitragen die republi- kanische Seite. NaturgemaB beansprucht dabei die unmittel- bare Schilderung der Kampfe den weitaus groBten Raum. Zum Teil autobiographisch stark bestimmte Werke stellen beson- ders Erlebnisse in den Internationalen Brigaden dar. Aber auch andere Aspekte werden beleuchtet, seien es die Hinter- griinde des Konfliktes oder die allgemeine Solidaritat aller Freiheits- und Gerechtigkeitsliebenden im Widerstand gegen die Machtherrschaft des Faschismus. Trotz des Wissens in- dividueller Dichter um eine bevorstehende Niederlage in Spanien, ist der Grundtenor der Werke optimistisch, was 316 nicht zuletzt auf ihren Idealismus in dem Verfolgen der Sache zuriickzufiihren ist. Zweifellos verfolgt eine Mehrzahl der Dichter eine propagandistisch-agitatorische Absicht in der epischen Gestaltung des Spanienkampfes und ihre enge Verwandtschaft mit dem "sozialistischen Realismus" ist nicht zu verleugnen. Politischer Idealismus, Schlagworter, sche- matisierte Darstellung der Vorgange, blinde Glorifizierung der Sowjetunion und auch die Themenwahl an sich lassen die politische Herkunft der Autoren durchblicken. In diesem Sinne ist es auch die kommunistische Internationale, deren Klang zu neuen Taten anspornt, und das Wissen um die prole- tarische Solidaritat scheint alle Barrieren verschwinden zu lassen. Dennoch ware es falsch, diese Werke ausschliefilich als politische Agitationsliteratur abzutun. Vielfach wurden Ereignisse und Tatsachen nicht nur publizistisch zusammen- gefaBt, sondern auch dichterisch erhellt. Kampf und Kunst gehen nicht selten ein Biindnis ein, wobei dem letzteren Element nicht immer eine untergeordnete Rolle eingeraumt wird, wie dies besonders bei Egon Erwin Kisch anschaulich wurde. Dieser ruckte in seinem Verfolgen von politischen Zielen die Form der Reportage in ein neues kiinstlerisches Licht. Eine Sonderstellung aber in dieser "Kleinen Prosa" nimmt der sogenannte burgerliche Autor Franz Werfel mit 317 seinem Beitrag ein. In Form einer Legende beleuchtete er* fern irgendwelcher Parteipolitik das Spanien-Sujet und. ruft wirkungsvoll zu einer bewuftten und eindeutigen Stellungs- nahme gegen den Faschismus auf. Sicher ginge es aber zu weitj wenn man diesem epischen Schaffen der Exilschrift- steller einen hohen literarischen Rang zuschreiben wiirde. In erster Linie als Literatur zum Tage geben diese hier an- gefuhrten Werke Einsicht in die Vorgange auf der Iberischen Halbinsel wahrend des Burgerkrieges und spiegeln die anti- faschistische Atmosphare unter den Kampfenden wider. Ferner sind sie als Ausdruck der Haltung der Autoren angesichts der Bedrohung Spaniens und uberhaupt Europas durch den Faschis mus bedeutungsvoll. Trotz der in ihrer Mehrzahl linksge- richteten Exilschriftsteller, denen selbst der burgerliche Werfel im Grundsatzlichen und Allgemeinen beipflichtet^ bleibt der Endeffekt dieser Spanienliteratur ein tief- empfundener Beitrag zu einem Zeitgeschehen, dem Widerstand gegen die Bedrohung durch rechtsradikale Machte. KAPITEL VII GROSSE PROSA Tagebucher und berichtartiqe Werke zum Spanienkrieg Gehen wir in der Fortfuhrung unserer Untersuchung nun zu den Werken der deutschen exilierten Schriftsteller zum Spanienkampf iiber, die wir unter "GroSe Prosa" zusammen- fafiten, so zeichnen sich abermals zwei hauptsachliche Grup- pen ab. Die erstere bilden diejenigen Bucher, die in Form von Erfahrungsberichten und Tagebiichern die Ereignisse in Spanien beleuchten, wohingegen bei der andern der fiktive Charakter eine tragende Stellung einnimmt und Romane an sich einbegreift. Dabei sollen alle zur Zeit bekannten und auf- gefundenen Werke bervicksichtigt werden. Dem Inhalt nach zu Beginn der berichtartigen Darstel- lung anzufiihren ist das Buch Spione und Verschworer von Franz Spielhagen, in welchem der Autor die Vorbereitung des spanischen Biirgerkrieges enthullt. Auf Grund von 318 319 Dokumenten, die von der republikanischen Polizei in Barce lona beschlagnahmt wurden, stellt er die wahren Drahtzieher des Aufstandes der spanischen Generale bloB. Hitler und Mussolini sind ihnen nicht nur beigestanden, als sie los- schlugen, sondern von Berlin und Rom aus wurde der ganze Umsturz in Spanien intrigiert. Vor allem den deutschen Nationalsozialisten schreibt Spielhagen den Krieg zu, die in langer Arbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft, dem Handel, der Diplomatie und der Presse auf die politischen Vorgange auf der Iberischen Halbinsel EinfluB nahmen. Und er kommt jzu dem folgenden Fazit: | I ! Durch die Schaffung faschistischer Legionen und Par- ! teien haben die GroBgrundbesitzer, die Generale und die Geistlichkeit die Briicke zum nationalsozialisti- schen Deutschland geschlagen. Es leben im dritten Reiche die imperialistischen Ziele des Kaiserreichs starker denn je. Es feiert die Mittebneerpolitik der Alldeutschen unter der nationalsozialistischen Regie- rung ihre Auferstehung jEine literarische Geltung beansprucht diese Darstellung der jverhaltnisse des Krieges sicherlich nicht, sondern sie war | dazu gedacht, dem deutschsprachigen Leser aus den oft einan- der widersprechenden Meldungen ein Bild uber die wahre Spione und Verschworer in Spanien. Nach offiziellen nationalsozialistischen Dokumenten (Paris: Eds. du Carre- four, 1936), S. 8 . 320 Situation in Spanien zu machen. DaB Spielhagen naturlich aus linksgerichteter Perspektive urteilt, spiegelt sich nicht zuletzt in seinem Vokabular wider. Das gleiche gilt von dem illustrierten Reisebericht 2 . Spanisches Bilderbuch von Anna Siemsen, in dem uns die Verfasserin eindrucksvoll die Geschehnisse und Zustande des hart umkampften Landes als Augenzeugin berichtet. Sie macht uns mit der malerischen Landschaft bekannt, schildert den feudalen GroBbesitz und seine verheerenden Folgen fiir die okonomische Entwicklung und deutet dann, vor aHer Welt anklagend, auf die furchtbaren Greuel hin, die von fa- schistischer Seite aus an dem spanischen Volk begangen wer- den. Trotz aller Widerwartigkeiten schopft Anna Siemsen aus ihrer Begegnung mit Spanien dennoch neuen Optimismus hin- sichtlich der Zukunft Europas: Ich bin vor einem Jahr nach Spanien gekommen, uberzeugt davon, daB Europa reif sei zum Untergang. Ich weiB, seitdem ich in Spanien war, daB Spanien nicht sterben kann, solange der Geist dieser schweren und glorreichen Jahre in ihm lebt, dieser unsterbliche Geist der todes- bereiten Freiheitsliebe und dieser verzehrende und be- seligende Hunger nach Gerechtigkeit. Ich weiB seitdem, daB Europa nicht ganz verloren ist, daB etwas von ihm uberleben wird, auch wenn die grauenvolle Feigheit und Blindheit seiner Regierungen die Volker der alles ver- schlingenden Gewalt ausliefern und die Volker gehorsam 2 Pans: Eds. Nouvelles Internationales, 1937. 321 zur Schlachtbank gehen. Ich weiB aber auch, dafi wir heute keine groBere, keine dringendere Aufgabe haben, als in die Welt hinauszuschreien: Wacht auf und seht! In Spanien entscheidet sich euer Schicksal!^ Unter diesem Vorzeichen versucht die Autorin mit ihrem Spanienbericht Verstandnis fur das spanische Geschehen zu wecken und hofft, daB sich alie Krafte vereinigen, die im- stande waren, Europa zu retten. In diesem Sinne lautet ihr aufriittelnder SchluBappell: "Spanien interessiert euch nicht? So habt ihr euer Leben schon verwirkt. Tote, bevor noch die Katastrophe euch ereilt hat. Und glaubt nicht, daB euer Schicksal dann einer Trane oder eines bedauernden Ge- dankens wert sein wird" (S. 13). Neben Anna Siemsen muB an dieser Stelle auch der exi- lierte Schriftsteller Rudolf Leonhard genannt werden, der seine wahrend eines kurzen Aufenthaltes in Spanien gewon- nenen Eindriicke in dem kleinen Band Spanische Gedichte und Tagebuchblatter festhielt. Dem Band als Leitspruch mit- gegeben ist der Ausspruch von Goya: "Das habe ich gesehen." Als AnlaB seiner Reise nennt Leonhard die Bekundigung der Zusammengehorigkeit und politischen Verbriiderung mit den Spaniern, die viel Grund hatten, sich verlassen und verraten •^"Spanien," Das Buch, 2 (Juni 1938), 13 . 322 zu fiihlen. AuGer RuGland und Mexiko stehe dem Land keine Nation zur Seite. Er schildert sodann voller Idealismus seine Besuche bei der Regierung, an der Front, in den vom Krieg verwusteten Stadten, im Lazarett, im Gefangenlager und in Kinderheimen. Wo auch immer er Beruhrung mit den Spa- niern hat, nicht ein einziges Mai auGern sie Zweifel an der GewiGheit des Endsieges. Nicht ein einziger dieser Spanier ist von den Gedanken an die Moglichkeit der endgultigen Niederlage auch nur eine Sekunde lang gestreift worden . . .Die Frage nach dem Dilemma zwischen Sieg und Niederlage halten sie nicht fur ernsthaft oder verstehen sie nicht. (Tage- buchblatter, S . 32) Eine neue Ordnung, getragen von der Bauern und Arbeiter- schaft zeichnet sich nach Leonhard in der Republik ab: "Wir sahen den Einklang und die Harmonie der kiinftigen Welt" (S. 52). Dem Feudalsystem, der Ausbeutung des Volkes durch die GroGgrundbesitzer muGte ein Ende bereitet werden. War fur RuGlands Fortschritt die Elektrifizierung von Bedeutung, so spielt jetzt fur Spanien die Irrigation eine lebens- wichtige Rolle— eine Tatsache, die schon Lenin vorausge- sehen hatte. Fiir Deutschland aber bedeutet der Kampf in Spanien eine Vorentscheidung seines kiinftigen Schicksals . Hatte die Uneinigkeit unter den deutschen Kommunisten und Sozialdemokraten nicht bestanden, so hatte der Angriff des 323 Faschismus iiberhaupt nicht stattfinden konnen. Wenigstens haben in den Worten von Leonhard die deutschen Kampfer auf der Seite des spanischen Volkes die Ehre Deutschlands ge- rettet, indem sie die wahre Gesinnung des deutschen Volkes vertreten. Gerechtfertigte Hoffnung besteht dariiber hinaus, daB aus der Schicksalsgemeinschaft der beiden Volker eine neue Befruchtung ihrer Kulturen he rbeigef iihrt wird: Wie ja aber in der Menschengeschichte auch die bos- willigste boseste Kraft letztlich Gutes schaffen muB, so ist aus der Tatsache, daB deutsche Verbrechen deutsche Abwehr notig gemacht und zur Abwehr des Verbrechens die besten Deutschen nach Spanien gefiihrt haben, eine hochst fruchtbare Naherung, Beruhrung, Befruchtung der beiden Kulturen zu erwarten! Die auBerordentliche Kulturlei- stung Spaniens wird im Leben des kiinftigen Deutschland eine immense Rolle spielen, eine so groBe, wie andere fremde Kulturen sie friiher gespielt haben. (Tagebuch- blatter, S . 63) Marxistisches Ideengut, getragen von echtem Enthusiasmus fur die Sache, pragen seine Schilderung. In welchem MaBe jedoch seine Beobachtungen mit der Wirklichkeit iiberein- stimmen, sei an dieser Stelle dahingestellt. Hubertus Prinz zu Lowenstein bereiste ebenfalls das republikanische Spanien und hielt seine Eindriicke in der 4 Schnft Als Kat.holik im republikanischen Spanien fest. Er ^Ziirich: Stauffacher-Verlag, 1938; englische Ausgabe, London: Victor Gollancz, 1937. 324 macht es sich dabei zur Hauptaufgabe, die angeblich fein- selige Einstellung der Volksregierung gegenuber der Kirche und insbesondere dem Katholizismus als eine propagandisti- sche Unwahrheit zu enthullen. Die Regierung ist nach den personlichen Erfahrungen von Lowenstein keineswegs anti- christlich, sondern nur gegen den MiSbrauch des Christentums zugunsten der Oberschicht, des Adels, der Bankiers. Aus dem Burgerkrieg jedoch werde eine neue religiose Freiheit her- vorgehen, eine neue soziale, eine wirkliche Kirche. Als den wahren Feind des Christentums sieht er hingegen die fa- schistische Machtherrschaft. Deshalb schliefit er seine Aus- fiihrung mit dem Aufruf an die noch freie Menschheit: Wer das Recht behalten will, sich einen Christen zu nennen, der mufi seine Menschenfurcht iiberwinden und sich durch Tat und Handlung gegen den Faschismus und fiir die Menschlichkeit, fur Freiheit und Gerechtigkeit entscheiden. Das ist nicht mehr als die Erfullung einer selbstverstandlichen Pflicht.^ Es besteht hier kein Grund, des Verfassers personliche Er fahrungen und Uberzeugung in Frage zu stellen. Wahrhaft informierend ist ferner Peter Merins Buch ^Zitiert aus Die Neue Weltbuhne, 40 (September 1937), 1256 . 325 0 Spanien zwischen Tod und Geburt, das die Kritikerin Maria Arnold mit der folgenden Stellungsnahme auszeichnet: In dem soeben erschienenen Buch von Pater Merin findet der Leser diese (ungeschminkten und der Wahrheit ent- sprechenden) Tatsachen, er findet sie in so erdriickender Fulle, daS es schwer ist* einzelne Ereignisse, einzelne Gestalten und Gesprache aus dem Inhalt des Buches heraus- zugreifen. Peter Merin schildert mit heifiem Herzen, scharfem Blick das Erleben seiner Reise an die Front und durch das republikanische Spanien, er spricht mit dem Volk, seinen Fuhrern, laBt sie sprechen, so dafi Kapitel fur Kapitel sich zu einem Ganzen verflicht, das uns das heutige Spanien in den Zuckungen seines Freiheitskampfes zeigt, aus dem die Gewifiheit eines neuen Morgens auf- leuchtet J Neu bei Merin ist, dafi er sich bemiiht, durch ruckschauende Einschiibe in die eigentliche Erzahlung und Wiedergabe des Lebens in Spanien die Vorgange aufzuhellen. Infolge von dieser Verknupfung von Vergangenheit und Gegenwart wird der sich abspielende Biirgerkrieg zur notwendigen Entwicklungs- stufe in dem jahrhundertelangen Prozefi der Verknechtung des freiheitlich gesinnten Volkes durch Kirche, Adel und Groft- grundbesitz. Mit dem Kampf begeht, wie Merin bezeugt, die Klasse der Verfolgten und Unterdriickten, gestarkt durch das ^Zurich: Jean Christoph-Verlag, 1937. ^"Drei Spanienbiicher— Ilja Ehrenburg : No pasaran; Edwin Erich Dwinger: Spanische Silhouetten; Peter Merin: Spanien zwischen Tod und Geburt," Rezensionen, Das Wort. 10 (Oktober 1937), 50. 326 Blut der menschlichen Bruderschaft, einen erfolgversprechen- den Weg. Trotz der Fortschritte in der Befreiung des spa- nischen Volkes bleibt jedoch noch viel zu tun. Wer schweigt? Der Krieg ist nicht zu Ende. Bitter sind die Wehen der Geburt. Aus Angst und Blut wuchs jegliche Freiheit. Aus Angst und Blut wird diese Re- publik geboren. Es gibt in der Geschichte dieser Kampfe noch kein Ende, bevor die Not des spanischen Volkes ein Ende hat. (Zwischen Tod und Geburt, S. 308) Aufklaren und Werben fur die Sache der Republik, das war das unverblumte Ziel des Autoren. Dabei iiberrascht es keineswegs, wenn in seinem Spanienbuch propagandistische Untertone, nicht selten getragen von konununistischer Partei- ideologie, mitschwingen. Dies konunt insbesondere immer wieder in sentenziosen Folgerungen zum Ausdruck, wenn er zum Beispiel auf die vorausschauende Stellungsnahme einer Frau kurz vor dem Aufstand hinweist. "Es sind die Worte von Dolores Ibarrui, Abgeordnete der Kommunisten. Sie ist keine Prophetin und hat nicht das zweite Gesicht; was sie lenkte, die Wahrheit zu erkennen, ist das BewuStsein ihrer Klasse" (S. 211). Der Kiinstler an sich tritt jedoch nur selten aus der Einfachheit der Erzahlweise hervor. Der beste Ansatz einer dichterischen Verklarung stellt wohl die Schilderung des Kreuzers "Jaime I" dar, der den Befehl hat, das fiber - setzen faschistischer Truppen aus Afrika zu verhindern. 327 Ruhig stampft das gepanzerte Schiff und zerschneidet die glasern durchsichtige Haut des Mittelmeeres. Schil ler nd und griin leuchtet das Wasser wie die Parks der Buen Retiro im Mai. Auf den ockerfarbenen Ufern Anda- lusiens schimmern blausilbern die Olivenhaine. Und die Ferne schwankt und Afrika droht. (S. 166) Ein literarisches Kunstwerk beabsichtigte jedoch der Ver- fasser Merin mit seinem Spanienbeitrag nicht und es ware falsch, mehr darin zu sehen, als einen politischer Aufruf zur Teilnahme am Kampf gegen die faschistische Aggression in Spanien. Die bisher angefiihrten Autoren haben alle das republi- kanische Spanien bereist und daruber berichtet. Artur Kostler hingegen hat einen anderen Schritt unternommen und ging, getarnt als Berichterstatter des britischen News Chronicle und im Auftrag der kommunistischen Partei in den faschistischen Teil Spaniens, um dort Beweismaterial fur die deutsche und italienische Intervention auf Seite Francos zu sammeln. Es gelang ihm auch, uber Portugal im Rebellen- gebiet bis nach Sevilla vorzustoBen und zahlreiches Material uber VerstoBe gegen den Nichtinterventionsvertrag aufzu- decken. Am zweiten Tag wurde er jedoch in Sevilla, dem faschistischen Hauptquartier, von einem deutschen Journa- listen erkannt, konnte aber dank dem unglaublichen Durch- einander des Krieges entfliehen. Das Ergebnis dieses 328 Unternehmens war die Aufzeichnung Menschenopfer unerhort. g Ein Schwarzbuch iiber Spanien, ein Buch gesammelter Tat- sachen, Dokumenten und Augenzeugenberichten, nebst einem Bildanhang. Es ist ein Buch des Grauens und ein Zeugnis unmenschlichen Terrors, der Hinmordung von Frauen und Kin- dern, BeschieBung von Spitalern und ErschieBung wehrloser Gefangener durch Francos Truppen. Ohne groBe Geschicklich- keit versucht er auch, die historischen Ursachen des Biirger- krieges aufzuzeigen. Er beschreibt das unglaubliche wirt- schaftliche und kulturelle Elend vor allem der bauerlichen Bevolkerung, gibt eine Analyse der unmittelbaren Vorge- schichte und der ersten Monate des Krieges, und widerlegt die Behauptung uber einen angeblichen kommunistischen Auf- standsplan, beziehungsweise die Unterstellung, daB die Re- gierung der spanischen Republik koininunistisch sei. Mit mehr Erfolg jedoch schildert er die Stimmung im Rebellenhaupt- quartier und ein Zusammentreffen mit dem beruchtigten Gene ral Queipo de Llano. Kostlers Schwarzbuch ist gute Propa ganda, aber schlechter Journalismus, besonders, wenn man berucksichtigt, daB ein bedeutender Teil der Greuel- O Pans: Eds. du Carrefour, 1937. Zuerst im gleichen Verlag erschienen auf Franzosisch unter dem Titel L 1Espagne Ensanglante. Un Livre noir sur l'Espaqne. 329 geschichten mit zweifelhafter Echtheit aus Grunden sensa- 9 tioneller Propaganda hinzugefiigt wurde. Mitte Januar 1937, als die Bedrohung Malagas zunahm, trat Kostler nochmals als Sonderkorrespondent des News Chronicle eine Spanienreise an. Er blieb in Malaga, auch nachdem die republikanischen Truppen die Stadt preisgegeben hatten, denn er wollte den Einzug der Franco-Armee als lAugenzeuge miterleben und hegte gleichzeitig die Hoffnung, I daB seine Anwesenheit als auslandischer Berichterstatter einen mildernden EinfluB auf die angekiindigten Grauentaten des Gegners haben wurde. Zudem fiihlte er sich wohl auch i junter der Schutzherrschaft des britischen Konsul Sir Peter Chalmers Mitchell verhaltnismaBig sicher. Nach dem Fall der Stadt wurde Kostler, der inzwischen wegen der Enthiillungen in seinem Schwarzbuch uber Spanien von Franco steckbrieflich gesucht wurde, verhaftet und ohne auch nur einmal verhort zu werden, zum Tode veruteilt. Drei Monate lang wartete er i im Gefangnis von Sevilla auf seine ErschieBung. Weltweite Proteste und vor allem der personliche Einsatz der konser- vativen Herzogin von Atholl, Mitglied der Englischen Unter- hauses, erwirkten endlich seine Freilassung. Gestiitzt auf Q Vgl. hierzu: Benson, Writers in Arms, S. 109. 330 Tagebuchaufzeichnungen, die er aus dem Seviller Zuchthaus schmuggeln konnte, legte Kostler wenige Wochen nach seiner i I Freilassung seine Erlebnisse in dem Buch Dialogue with Death, spater erweitert zu Spanish Testament nieder, dem i |l938 eine deutsche Fassung unter dem gleichlautenden Titel i 1 0 I E in spanisches Testament folgte . I j Das Testament entstand noch vollig aus der Sicht eines JMenschen, der noch unter dem Eindruck der unmittelbaren jBegegnung mit dem Tode stand, und dariiber hinaus zu einem Zeitpunkt, als der Burgerkrieg noch im Gange war . "The ! last-mentioned circumstance was responsible for a deliberate junderplaying of the spiritual side of the experience, as it jwould have been frivolous to indulge in introspective re flections while my comrades fought and died in Spain. Eingangs schildert uns der Autor seine Ankunft in i I i ^ Dialogue with Death, die Erlebnisse im Gefangnis er- schien zuerst in Serienform im News Chronicle. Spanish Testament, veroffentlicht im Verlag Editions Carrefour, Paris, umfaflt daneben auch wesentliche Teile von Kostlers erstem Spanienbuch Menschenopfer unerhort. In den weiteren Ausfuhrungen mochte ich mich dagegen mit der deutschen Aus- gabe von Spanish Testament beschaftigen, die hauptsachlich Kostlers Erlebnisse vom Fall Malagas bis zu seiner Entlas- sung aus dem Gefangnis von Sevilla enthalt. A. Kostler, Ein spanisches Testament (Zurich: Europa-Verlag, 1938). ^'■''Zitiert aus Benson, S. 109. 331 Barcelona, dem ersten Aufenthaltspunkt seiner Reise. Span- nungen zwischen den diversen linksgerichteten Parteien kenn- i ! jzeichnen die Stimmung in der Hauptstadt Kataloniens . "Es ischien, daB auf diesem exotischen Schauplatz nicht nur die j 1 I jweltpolitischen Gegensatze, sondern zugleich auch die tra- i I igischen Konflikte innerhalb der europaischen Linken ausge- | itraqen wurden" (Spanisches Testament, S. 14). Auf seiner ; i ! : I Weiterreise macht der Schriftsteller Station in einem Kiistenvorort bei Valencia, wo er einer Truppenparade von ! | xepublikanischen Ausbildungs-Einheiten beiwohnt. Gemessen ian europaischen Begriffen erscheint diese Volksmiliz als j armselig und fast komisch; fur spanische Begriffe war sie i j jedoch ein Wunder der Disziplin und Prazision. Kostler 'wunderte sich, daB die Republik den Angriffen der Faschisten iiberhaupt so lange hatte widerstehen konnen. Anekdoten aus j i I ! i den ersten Tagen des Krieges unterstreichen zudem die Be- j | dingungen, unter denen die Republik sich verteidigen muBte. Beispielsweise hatten sich die Milizionare anfangs gewei- :gert, sich an der Front einzugraben, da sie gekommen waren, |um zu kampfen und zu sterben, jedoch nicht, urn zu arbeiten. I iUnd die ersten Truppen hatten beim Einsatz ihren Proviant l |vergessen, da ihnen dieser logistische Aspekt des Kampfes junbekannt war . 332 Am 28. Januar erreichte der Autor Malaga, das, wie er kritisch feststellt, von seinen Fiihrern widerstandslos auf- Igegeben und verraten wurde: I I i i Die Verteidiger Malagas hatten keine Disziplin, keine ; Fiihrer und keine GewiBheit, daB die Republik hinter ihnen stand. Italiener, Mauren und Fremdenlegionare I kampften mit dem professionellen Mut der Soldner gegen | das Volk; und die Soldaten des Volkes, die fur die eigene Sache kampften, liefen davon. (S. 54) Und er fahrt fort, uns chronikartig uber das Sterben der Stadt und der Agonie der Menschen durch die Besetzung fa- schistischer Truppen zu berichten: Es ist Sonntagnacht, der siebzehnte Februar neunzehn- hundertsiebenunddreiBig; in aller Offentlichkeit wird hier eine neue Bartholomausnacht bereitet. Eine fremde Invasionsarmee sitzt bei ihren Biwakfeuern hinter den Huge In, tun morgen in diese StraBen einzubrechen und sie mit Blut von Menschen zu uberschwemmen, deren Sprache sie nicht versteht, gegen die sie keinen Krieg fiihrt und deren Leben ihr gestern fremd war— und so gleich- giiltig wie morgen ihr Tod. (S. 46) i I 5000 Menschen fielen dem sinnlosen Gemetzel zum Opfer. Mit seiner Verhaftung und Einkerkerung nimmt die Be- gegnung mit dem Tod personlichen Charakter an. Wahrend er iselbst auf sein Ende wartet, wird er Zeuge von Folterungen der spanischen Mitgefangenen und muB monatelang mithoren, i ;wie andere Insassen von ihren Zellen heraus zur Hinrichtung j geschleppt werden. Nicht eine Aufzahlung dieser Erlebnisse, die fur sich eine Zeugschaft faschistischer Greueltaten vor aller Welt darstellen, ist nun im folgenden beabsichtigt. i jvielmehr mochte ich die s chr i fts teller is che Leistung her- 'vorheben, mit welcher es dem Autor gelang, die Welt eines Gefangenen und zum Tode Verurteilten bis in die letzten jmenschlichen Regungen zu durchleuchten, ein Thema, das bis- Iher in der deutschen Literatur noch fast keinen Anklag ge- i funden hatte. Eine Inhaltsangabe im herkommlichen Sinne vermag nicht den Reichtum der Vorgange in der Verlassenheit ieiner Einzelzelle wiederzugeben. Schon der Anlaft seiner Einlieferung in das Gefangnis gibt Kostler Gelegenheit, Beobachtungen uber diese Einrichtung der Gesellschaft anzu- stellen, die iiber die personliche Erfahrung hinausgehen und ;einen allgemeinen Charakter annehmen: Das ist ein sehr eigentumliches Gerausch. Die Zellen- tiir hat weder auflen noch innen eine Klinke; man kann sie nicht anders schliefien, als indem man sie mit einem Schwunge zuschmettert. Sie ist aus massivem Eisenbeton, an die zehn Zentimeter dick und jedesmalj wenn sie ins SchloS fliegt, gibt es einen schuSartigen Krach. Aber diese Detonation verhallt sofort, ohne Echo, ohne Reso- nanz . Gefangnisse haben eine kahle und brutale Akustik. (S. 75) I iln der Mitte seiner Zelle registriert er alle Gegenstande jseines nunmehrigen Lebensbereiches, vom Eisengitter bis zum iTisch nebst Stuhl, der natiirlich angeschmiedet ist, damit 334 man ihn nicht wegziehen kann. Planeschmieden und Illusions- 'spinnen wechseln, ausgelost von den nebensachlichsten Beo- i jbachtungen, in ununterbrochener Zickzackkurve standig ab mit | jmelancholischen Depressionen, wenn er sich hier sein Leben jin den nachsten Wochen, ja sogar Jahren vorstellt. Dabei ! ; i I j jstellt Kostler nach seitenlangen Erwagungen plotzlxch fest, j jdafl er sich erst seit genau drei Minuten in der Zelle be- j ' I findet. In der Konfrontierung mit dem Tode, der im Gefang- : nis umgeht, und in seinen Worten wie eine lastige Fliege deni iTodgeweihten urns Gesicht schwirrt, versagt dem Autor die Sprache, diese letzte menschliche Erfahrung in Worte zu j kleiden: | In den Augenblicken groSter Aufregung benehmen wir uns | alle wie in einem Groschen-Roman. Die Wurde des Wortes ; liegt in der Abstraktion; vor dem Handgreiflichen ver- blafit die Sprache. Sie wird zu einem vollig unbrauch- | baren Instrument, wenn es gilt, einen gewohnlichen Tat- bestand darzustellen, wie die Angst des Menschen vor dem Tode . (S. 78) ;in dramatischen Bildern dagegen fangt Kostler seine Immanenz ein. Wahrend er uber lange, kahle Korridore gefuhrt wird, beobachten ihn zu beiden Seiten an das Guckloch der Zellen- jtiiren angepreBte Augen: i Es war ein Spalier von Augen— von weit aufgerissenen | starrenden Pupillen, von Augen ohne Menschen. Der Auf- ! seher . . . war guter Laune. Er streckte die Hand nach | dieser und jener Zellentur und machte mit dem Zeigefinger 335 die Bewegung des Abdriickens . "Bum, bura"j sagte er. "Rote, lauter Rote. Morgen alle tot." Die Augen- starrten. Hinter jedem Loch war eine Pupille. "Du | morgen auch tot", sagte der Aufseher . Ich fiihlte wie | meine Knie im Gehen weich wurden. "Der Delinquent | wankte mit unsicheren Schritten. Ich konnte den ver- 1 dammten Stereotypen nicht entrinnen." (S. 78) j ; j j I Nachts, wenn die zum Tode Verurteilten zur Hinrichtung ge- j : I | j jholt wurden, lagen die iibrigen Insassen auf ihren Pritschen ! und klapperten mit den Zahnen. Der Tod kam dem Autoren | i wiederholt so nahe, daB er in seinen Aufzeichnungen schreibt* "Ich bekam ihn einige Male zu Gesicht. Er reichte mir . . . j seine Fing'erspitzen" (S. 230). Dabei fallt es ihm mitunter ; schwer, sich vollig davon zu iiberzeugen, daB die Vorgange ' Anspruch der Realitat erheben und. nicht bloB ein obskures Spiel sind. Denn, wer kann schon an den eigenen Tod glau- ben? | Die Gespanntheit der Furcht in Erwartung des Endes lost sich jedoch nicht selten in ein mystisches Erleben der Frei heit vor aller Erdgebundenheit. "Es gab Stunden, in denen i wir auch die Angst vor dem Sterben uberwanden, In diesen Stunden waren wir frei— Menschen ohne Schatten, aus dem |Rang der Sterblichen entlassen; es war das absoluteste Er- ilebnis der Freiheit, das einem beschieden sein kann" (S. ! 2 2 8) . | j I Das schriftstellerische Konnen zeigt sich ebenso in 336 der Wiedergabe des Kontrastes zwischen der in Todesfurcht extremen Gespanntheit des Verurteilten und der Eintonigkeit j jder Gefangnisroutine im Laufe der Monate. Jede Spiegelung j [menschlichen Verhaltens unter diesen Bedingungen verzeichnetj | | jer* wo die seelische Kraft* eine Zigarette zu bekommen* dem ; ; j IMitgefuhl liber den Verlust eines Zellengenossen gleichkommt. I ! I [ iDie Monotonie des Gefangnislebens bringt es mit sich* dafl j der Verfasser in der Leere und Einsamkeit seiner Zelle in iReflexionen verfallt* die uns an die Betrachtungsweise : Thomas Manns erinnern. Auch bei ihm ist es das Zeitproblem*; ■ i das wichtigs.te Daseinsproblem einen Insassen* das ihn immer i wieder beschaftigt: i Das Erstaunliche* das Ratselhafte* das Trostliche an dieser Zeit war* daB sie verging. Es ist die reine Wahrheit* wenn ich sage* daB ich nicht wuSte* wie. Ich versuchte sie dabei zu ertappen. Ich belauerte ! sie* ich fixierte den Sekundenzeiger meiner Uhr mit j dem Vorsatz* an nichts anderes zu denken* nichts ande- j ; res zu erleben* als die reine Zeit . . . (S. 136) j i ! Schien es ihm* daB die Zeit in dieser Wuste der Ereignis- | losigkeit schlich* als ware sie gelahmt* so schrumpft sie Iplotzlich zuriickblickend in der Erinnerung zum Nichts zu- sammen. Die Tage haben "keine Ausdehnung* kein Volumen* |kein spezifisches Gewicht; sie werden zu geometrischen i i jPunkten* zum schrumpfenden Vakuum" (S. 136). 337 Ein anderer Gegenstand der Auseinandersetzung ist fur Kostler die Erscheinung des Zweifels, was bei ihm zu immer j Ineuen Elendsattacken fiihrt. Um die Qualitat seiner Analyse I i I i jdiesbezuglich aufzuzeigen, sei im folgenden ein Auszug zi- [ I I tiert: ! i ! | | Der Zweifel ist ein Bazillus, der einem das Hirn lang- ; ! sam, aber sicher auffrifit* der Patient fiihlt formlich, | wie die kleinen, gemeinen Viecher in der grauen Sub- ! i stanz grasen. Aber wie bei jeder langwierigen Krank- : heit erreicht der Betroffene schliefllich ein Stadium, in dem er sich an das Leiden zwar gewohnt, aber zu einem ! modus vivendi mit ihm gelangt: er weiS, wie er sich zu ' verhalten hat, wenn die Attacke kommt. Nun tritt ja die seelische Misere gleichfalls attackenweise auf; auch ! dann, wenn die Ursache chronisch ist. Permanent un- gliicklich sind Leute nur in schlechten Romanen; in der Wirklichkeit sind sie tagsiiber zu beschaftigt. Die Alltagsroutine— selbst in der Isolierzelle— kann das Pathos der Verzweiflung nicht ertragen, es wird unter die Bewufitseinsschwelle verbannt. Von dort klingt es nur noch als gedampfter Bass in die Tagessymphonie hinein und farbt alles, was erlebt wird, mit einem Unterton von dumpfen Unbehagen. Unbehagen, nicht Schmerz, nicht Qual ist die chronische Form der seeli- schen Misere. Solange, bis der akute Anfall kommt . . . (S. 132) I l ! I |In der endlosen Kette von Zweifeln und Depressionen, die ihn I bis an die Grenze des Selbstmordes fiihren, kann ein uner- iwartetes Ereignis eine weltbewegende Wendung bringen. Das | jErscheinen des Barbiers, zum Beispiel, lost im Verfasser isolche Emotionen aus, dafi er umgefallen ware, hatte er sich j jnicht am Wasserhahn festgehalten: 338 Seit meinem fiinfzehnten Lebensjahr hatten meine Tranen- driisen nicht mehr funktioniert ; jetzt taten sie es . Der Bartkratzer spiegelte sich durch die Prismen der j Augenfeuchte in alien Farben des Regenbogens^ in schim- merndem Glorienschein. Er hatte den bosen Zauber ge- 1 brochen. Er war gekommen, jetzt war alles wieder gut | und die Felsblocke meiner Angste ubd Note entschwebten j | grazios in die Luft, als waren sie mit Gas gefullt. In I | der Physik des Wahns kann ein Kieselstein eine Lawine j • nicht nur auslosen, sondern auch zum Halten bringen. I i In dem weichen Schaum3 den der Barbier auf meinen Wangen j ; schlug, loste sich meine Verzweiflung in weifie Flockchen | i auf. Lautet Glocken, lautet, ich werde rasiert3 die j Erde hat mich wieder. (S. 12 3) i ; j \ Kostler beschrankt sich jedoch nicht nur darauf* die i i idunkle Seite seiner Gefangenschaft zu schildern. Szenen mit: beinahe idyllischem Charakter durchbrechen mehr als einmal j :die negative Grundnote seines Spanischen Testaments. Auf dem Transport zum Hauptgefangnis werden ihm im Zugabteil die ;Handschellen abgenommen, damit er am Picknick seiner Be- wacher und einer spanischen Familie teilnehmen kann. Und ein anderes Mai klammern sich Gendarmen und zum Tode Verur- teilte auf einem schiitternden Lastwagenverdeck fest zusam- ; I imen, wie eine Herrenpartie^ die ins Grune fahrt— ein Bild, das die Aktualitat des Krieges nur zu schnell wieder zer- jstort: i Dort angelangt, werden sich die Rollen verteilen: Die mit den Stricken werden sich an die Mauer stellen, die : mit den Uniformen schiefien ihnen heiSe Bleiprojektile | ins Fleisch. Natiirlich wurden beide Gruppen es vor- | ziehen, lieber FuSball miteinander zu spielen. Aber i 339 das geht eben nicht; der Herrgott, der das so und nicht ! anders will, wiirde zornig werden; und so wird die iibrig- gebliebene Halfte der Partie sich Zigaretten rollen und i miBmutig in den Lastwagen zuriickklettern. (S. 154) j i i lAuf keine bessere Weise hatte uns Kostler das sinnlose, j j absurde Morden wahrend des Biirgerkrieges vor Augen fiihren j jkonnen. Menschen, die am liebsten ihrer taglichen Arbeit ; | j I ; jnachgehen, werden durch Befehl gezwungen, ihre Mitmenschen j I i umzubringen. j Durch die Kontaktaufnahme des Autoren mit der AuBenwelt! und dem allmahlichen Durchbruch von seiner Abgeschiedenheit ; der Isolierzelle mittels eines komplexen Kommunikations- ! systems unter den Gefangenen, tritt ein neuer Abschnitt in der Existenz seiner Einkerkerung ein. Auf diese Entwicklungi isoll im weiteren hier jedoch nicht weiter eingegangen wer den, da sie in der Hauptsache das Los seiner Mitgefangenen ; I und deren Schicksal einbezieht, was im Rahmen dieser Arbeit i | nicht detailliert behandelt werden kann. Mit seiner Frei- | ilassung, bzw. Austausch mit einer Gefangenen enden seine Aufzeichnungen Ein spanisches Testament. , Rxickblickend darf man zu Kostlers Werk ohne Ein- jschrankung sagen, daB es uns einen tiefen Einblick in die i spanische Situation wahrend des Biirgerkrieges gewahrt. Er gibt der Welt historische Zeugenschaft uber den Fall 340 Malagas und die grauenvollen Vorgange in den Gefangnissen j I Francos . Der Kritiker Bruno Frei kommentiert dariiber wie ifolgt: "Arthur Kostler hat zur Aufklarung der Britischen iMeinung uber den spanischen Burgerkrieg mehr beigetragen, ;als Seine Excellenz der britische Botschafter in Hendeye j 12 " Und der Neue Vorwarts sieht die Erfahrung Kostlers ! | |im Kerker in Beziehung mit dem furchtbaren Gemetzel der j ■ j Bevolkerung Spaniens durch die Faschisten: ! Das grofle Grauen des mitleidlosen Abschlachtens wehrlos ! gewordener Menschen, dem in Malaga allein 5000 Menschen j zum Opfer gefallen sind, spiegelt sich in dem Erlebnis | des Einzelnen, der auf seinen Tod wartet . . . Mit einer ganz einfachen und gerade darum packenden Aufrichtigkeit ' berichtet das Buch iiber eine Todesstunde, die drei Mo- nate gedauert hat. J ; | jGleichzeitig schlieB Kostler mit seiner dokumentarischen Darstellung der menschlichen Reaktionen und Reflexe im Schatten des Todes eine bisher noch offenstehende Liicke in der deutschen Literaturgeschichte. Eine gesonderte und |detaillierte Behandlung unter dieser Themenstellung in bezug auf das Spanische Testament steht noch aus und ware hiermit | ^ "Spanisches Testament," Die Neue Weltbiihne, 12 (Marz 1938), 377. I -^"Die Todesstunde— Spanisches Testament," Neuer ‘ Vor - ; warts, 249 (Marz 1938), 4. i 341 zu empfehlen Ungeachtet der Aktualitat des Spanienstoffes ■zu dem Zeitpunkt, als er dieses Werk veroffentlichte, be- i jschrankte sich der Verfasser im ganzen gesehen auf eine iSchilderung der Fakten und verzichtete auf deren propagan- jdistische Auswertung. Der schon oben angefuhrte Kritiker I j t jBruno Frei bemangelt sogar Kostlers Zuriickhalten in dieser i jHinsicht. Dagegen bleibt es dem Leser selbst iiberlassen, j I j diese Schliisse zu ziehen. Ebenso ist die aufierordentlich starke Beachtung, die das Buch bei der Leserschaft in aller j i l Welt hervorrief, auf die beachtenswerte und zugleich er- I schutternde Beschreibung dieser Monate in der Todeszelle j iund deren emotionellen Wirkungen selbst und nicht auf einen \ j potentiellen agitatorischen Charakter der Aufzeichnungen Izuruckzufiihren. Nicht zuletzt soil hier die spezifische Wirkung erwahnt werden, die das Schicksal Kostlers in der Weltoffentlichkeit hervorrief. Die Solidaritat aller anti- faschistischen Krafte und deren Protest erreichten die Freilassung des Autoren und bewiesen damitj dafi das gemein- same Handeln gegen den Faschismus von Erfolg gekront sein 'kann. j | Betrachten wir im Zusammenhang mit seinen Erlebnissen !in Spanien Kostlers Beziehungen zur kommunistischen Partei jund seinen Bruch mit dem Kommunismus nach seiner Frei- 342 lassung, so nimmt er in seiner Autobiographie hierzu selbst i Stellung: i I | The lesson taught by this type of experience, when put i into words, always appears under the dowdy guise of ! personal commonplaces: that man is a reality, mankind an abstraction: that man cannot be treated as units in I * operations of political arithmetic because they behave like the symbols for zero and the infinite, which dis- | locate all mathematical operations; that the end justi fies the means only within very narrow limits; that ; ethics is not a function of social utility, and charity not a petty-bourgeois sentiment but the gravitational force which keeps civilization in its orbit. Nothing can sound more flat-footed than such verbalizations of a knowledge which is not of a verbal nature; yet every single one of these trivial statements was incompatible with the Communist faith which I held!^ iDie eigentliche Trennung von der Partei wurde zudem noch beschleunigt durch die damals Aufsehen erregenden Moskauer jProzesse und die mit ihnen im Zusammenhang stehende Sau- berungsaktion, der auch Kostler nahestehende Bekannte zum |Opfer fielen. In seinem 1940 erschienenen Roman Darkness at Noon formuliert er schlieSlich seine Gegnerschaft zur Partei und zu Sowjetrufiland. Neben diesen hier angefuhrten Biichern deutscher Exil- jautoren, die iiber Spanien auf Grund von Informationstouren I |bzw. unfreiwilligen Aufenthalt berichten, steht eine Reihe ; 14 The God That Failed, hrsg. Richard Crossmann (New I York: Bantam Books, 1959), S. 60. | 343 |von nicht minder umfangreichen Aufzeichnungen, deren Ver- i 'fasser selbst aktiv in den Reihen der Internationalen am j : iKampf gegen den Faschismus teilnahmen. i i I Typisch fur diese Berichte, die unmittelbar unter dem 1 Eindruck des feindlichen Feuers entstanden, ist der Bericht | I I jiiber die "Centuria Thalmann," der unter dem Titel Wir im j | I . t I fernen Vaterland qeboren . . . von E. Mohr veroffentlicht j ! j wurde . Die Handlung erstreckt sich von der spontanen Bil- dung der Centurie bis zur Uberfiihrung ihrer Reste nach j heroischen Kampfen in die Internationale Brigade zur Ver- ! teidigung Madrids. Unter dem Zeichen der Rotfront steht das ernigrierte deutsche Proletarierturn solidarisch hinter den Massen Spaniens, tim das Land gegen die Aggression zu beschiitzen. In gedrangten Kampfszenen schildert uns der Autor die Aufopferungsbereitschaft dieser Freiwilligen, die iiberzeugt von der Gerechtigkeit ihrer Sache, immer wieder ihr Leben einsetzen. Dabei liegt es in seinem Interesse, fur Propagandazwecke besonders markante Umstande und Vor- falle hervorzustreichen, was jedoch der Echtheit seiner SAnteilnahme an dem Geschehen keineswegs Abbruch tut. Ge- I imildert wird der propagandistische Charakter dieses Werkes I jfernerhin durch Einschube, die den Dichter ahnen lassen i IZitiert sei hierzu nur eine Stelle: 344 In einer endlosen Zweierreihe marschiert die Kolonne . . . Vor uns liegt ein flaches trockenes Feld— weifi schlangelt sich der Weg dem Berge zu, dessen erste Hohen am Ende der Ebene grau und steinig aufragen. Die Fiifie schleppen sich miide dahin. WeiBer Staub wir- belt auf, hullt die Truppe in eine stickige WoIke. Die letzten Hauser von Tardienta verschwinden hinter uns, drxiben rechts iiber der Ebene liegt wie eine weiBgelbe Schlange die blofie Zementwandung des Kanals. Die Sonne sinkt im Westen strahlend und leuchtend schon wie immer. Manchem Genossen sinkt sie heute zum letzten Mai . . .15 i Erwahnt werden mufi in diesem Zusammenhang auch das Buch Die Sohne des Tschapajew von Hanns Maassen, welches eben- ! falls den Heldenmut und den selbstlosen Einsatz der inter- nationalen und spanischen Kampfer gegen den Faschismus zum Thema hat. Es kann aIs eine Erganzung der von Alfred Kan- j torowicz redigierten Zusammenstellung Tschapajew— Das Bataillon der 21 Nationen angesehen werden. Stiitzte sich Kantorowicz auf die Aufzeichnungen einzelner Kampfer und ;gibt deren Berichte in in unveranderter Form wieder, so stellt Maassen chronikartig aus der Sicht seiner Stellung als politischer Kommissar werdegang und Schicksal dieses durch seine Taten beriihmt gewordenen Bataillons dar. Es erubrigt sich hier, auf die einzelnen Abschnitte des Buches leinzugehen, die den verschiedenen Etappen der Front gewidmet 15 E . Mohr, Wir im fernen Vaterland geboren. Die Cen- turia Thalmann (Paris: Eds. Promethee, 1938), S. 27. 345 sind. Auf jeder Seite kehrt der Heroisraus und die Einsatz- bereitschaft der Kampfenden wieder. Einen zu groBen Ver- dienst raurat der Autor jedoch der Rolle SowjetruBlands in Spanien ein, das, wie geschichtliche Nachforschungen be- zeugen, nur ein zweitrangiges Interesse an den Vorgangen auf der Iberischen Halbinsel hatte. Die groBe Lehre, die er aber am Ende des Kampfes und der Auflosung der Internatio- nalen zieht, ist, daB alle diese Opfer nicht vergeblich jwaren. Soviele Ideale und soviel Heldenmut, wie der Spa- nienkrieg hervorbrachte, konnen nicht getotet werden und i I jleben fort. Maassen weiB, "daB sie immer und unausloschlich unter uns bleiben werden, daB wir nicht leben konnen ohne j sie, die fur dieselbe Sache gefallen sind, ohne die wir nicht mehr leben wollen."'1 '^ Politischer Kommissar in den Reihen der Internationalen jneben Maassen war auch der Schriftsteller Willi Bredel, der i jsich nach Beendigung des "Internationalen Kongresses zur Verteidigung der Kultur" an die Front gemeldet hatte. Seine Erlebnisse in dieser Funktion schrieb er 1938 in dem Sammel- 17 band Begegnung am Ebro nieder. Auf dem Umschlag des 16 Die Sohne des Tschapajew (Berlin: Verlag des Mini- steriums fur nationale Verteidigung, 1938), S. 414. ■^Paris: Editions du 10. mai, 1939. 346 jBuches nennt sich das Werk Roman, wohingegen wir auf dem i Titelblatt innen den Untertitel "Aufzeichnungen ernes iKriegskommissars " lesen konnen. Bereits die Manuskriptform i I jwar den widerwartigsten Umstanden ausgesetzt. Sie wurde l junter den Trummern eines Bomhenangriffes in Barcelona ver- | Ischuttet und durch Zufall wieder aufgefunden. Als sie dann i j i i . I ;im Malik-Verlag zur Publikation kommen sollte, wurde der | I ; 'Bleisatz im inzwischen von Hitler besetzten Bohmen, wo sich ! |die Druckerei befand, eingeschmolzen. Ein Abzug des Buchs j i | |war jedoch gerettet worden und gelangte nach Paris, wo ‘ Begegnung am Ebro schlieftlich im Verlag 10. Mai zu Beginn j des Jahres 1939 erschien. Die von biographischen Zugen getragene Handlung spielt ! : j !in der Zeit vom Herbst 1937 bis zum Friihling 1938 und spie- j : t gelt sich in den insgesamt zwolf Kapiteliiberschriften, wie | | zum Beispiel "Der Verrat," "In den Bergen von Saragossa," "Viva la Vida" etc. wieder, wobei "Vor der Offensive" rah- menartig zu Beginn und am Schlufi die Aufzeichnungen um- schlieflt. In fiir den Biirgerkrieg charakteristischen Aus- ;schnitten begleitet Bredel das Batailion Thalmann, in wel- i i i ichem sowohl internationale Freiwillige als auch rekrutierte jSpanier kampften, in alien seinen Etappen, von Siegen zu t jNiederlagen, von Hoffnungen zu Enttauschungen. Er zeichnet 347 tatsachengemaB das Schicksal seiner Kampfgefahrten nach, ^berichtet von Leiden, Schwierigkeiten und MiBerfolgen, I Istreift das Leben der Bevolkerung von Madrid und Barcelona junter den fiirchter lichen Bombardements und gibt uns gleich- ! I I ! izeitig einen tiefen Exnblxck xn dxe Vorgange in Spanxen. j i I jFiir ihn* der bereits seit 1919 der kommunistischen Partei ! jangehort, stellt der Kampf auf der Iberischen Halbinsel j 1 : ] | einen Teil des internationalen Klassenkrieges dar, dessen I iZiel die Schaffung einer neuen antikapitalistischen sozialenj | 18 ' 'Ordnung war. Wahrend sich Arbeiter und Bauern gegen die , l :falschen Herren richten^ steht die Sowjetunion hilfsbereit, i I i jedoch nicht diktatorisch dem spanischen Volk zur Seite. "Die Sowjetunion ist keine imperialistischt Macht^ die Ikolonisieren will. Die russischen Kommunisten wissen sehr | |genau, daB jedes Volk auf seine besondere Weise sich die Freiheit, den Sozialismus, erkampfen muB und jedes Land seine besonderen Formen und Methoden bringt" (Begegnung am , Ebro, S. 139). Die deutschen Spanienteilnehmer verfechten sowohl die Interessen des spanischen Volkes, als auch des leigenen^ wie der Kommandeur Schorsch, ein ehemaliger Bau- j arbeiter auBert: i i i I j I Q Wxlli Bredel, Dokumente seines Lebens. S . 107 . 348 Fiir uns deutsche Ant i fas ch is ten sei dies doch nur die Fortsetzung eines Krieges, den wir bereits vier Jahre fuhrten. Ob an der Spree oder am Ebro., am Manzanares ! oder an der Ruhr, es seien nur verschiedene Frontab- I 3 j schnitte ein und desselben Krieges. Und er wuBte Hun- ! derte, Tausende, die die Halfte des ihnen noch verblie- | benen Lebens gaben, konnten sie, wie wir, die Knarre i ! geschultert, gegen die Faschisten marschieren, namlich : unsere Kameraden in den Konzentrationslagern und Zucht- j hausern. (S. 29) j ;Daruber hinaus wissen die Kampfer, dafi es in diesem Krieg I ! i nicht nur um das Schicksal einer Nation geht, sondern urn die! inachste Zukunft Europas. Ihre Kraft im gemeinsamen Kampf igegen den Faschismus schopfen sie aus dem internationalen ' ; i Solidaritatsgefiihl, das sich in Spanien in einer beispiels- ! losen Dimension offenbare. "Was sie stark machte, alien ' i 1 Schwierigkeiten und Gefahren zu trotzen, war das erhebende i : | lErlebnis: Menschen der verschiedensten Nationen waren eines ;Willens und ein Bruderband im kleinen, im Keim" (S. 57)• j Auf eine uberzeugende Weise unterscheidet Bredel die Soldaten, die als Soldner auf Seiten Francos kampfen und idiejenigen, die fiir die Sache der Republik einstehen. Eines Tages begegnet er einem spater als Agent der Gestapo ent- ! jlarvten Herbert Tissen. Auf dessen prahlerische Aufierung: ! "Kampf ist mein Element," erwidert der Autor: "Kampf und Kampf ist zweierlei, ob man die Metzeleien heute noch Kampf i inennen kann?" Und reflektierend stellt er zu sich fest: 349 Nein, du bist nicht gern Soldat. WiiBtest du nicht, um was es geht, was alles von dem Ausgang gerade dieses Kampfes abhangt, niemand wurde dich hierherbringen. j Hab1 nie Verstandnis gehabt fur Landsknechtnaturen, die ! Soldat mit Leib und Seele sind und sich dort am wohl- | sten fiihlen, wo die Gefahr am groBten ist . . . Gibt j ! es Barbarischere als diese ausgeklugelten Vernichtungen, i diese bombenwerfenden fliegenden Motoren, diese fahr- j baren Panzer tiirme, diese explodierenden Gewehrgeschosse? j j (S. 99) j i : | ; jUnd er schlieBt seine Uberlegungen mit dem die Situation ! ! | charakterisierenden Satz: "Der kampfende Mensch wird dem | |kampfenden Tier iiberlegen sein" (S . 100) . So nimmt es kein I i : jWunder, wenn die Internetionalen, die in Spanien kampften, I jwahrend einer langeren Kampfpause in einem Dorfe^ das in- I i | ifolge jahrhundertelanger Knechtschaft auf alien Gebieten Iriickstandig war, Aufbauarbeit leisten. i i Kennzeichnend fiir Bredels Stil ist, daB wir immer wie- | t jder nach atemberaubenden Szenen gleichsam epische Ruhepunktej i ! finden, die nicht selten zu Reflexionen und scharfsinnigen :Durchleuchtungen fiihren. Eingehender wurde diese Beobach- jtung jedoch bereits in der Reihe "Schriftsteller der Gegen- I 19 |wart," Willi Bredel. Leben und Werk untersucht. Ebenso i unterbricht er wiederholt den bewuBt sachlich gehaltenen Berichtston, um mit Landschaftsschilderungen dem Leser die 19 Hrsg. Lilli Bock (Berlin: Volk und Wissen, 1967), S . 66 . 350 Eigenart dieses Landes vor Augen zu fiihren. "Diese Land- ischaftsschilderungen sind nicht Selbstzweck. Sie stehen in | jinnerem Zusammenhang mit den vorgefiihrten Menschen^ die ihrej j ; jUmwelt pragen, wie sie von ihr gepragt worden sind, und er- i jganzen das Bild der Wirklichkeit auf harmonische Weise" j ! j j(S. 6 6 ). Ein bezeichnendes Beispiel hierfur sei die nach- j i i jstehende Beschreibung der Gegend vor dem Kampf bei Sara- i gossa: j Kahle Berge ohne Baum und Strauch, nur kummerliche ! Graser hier und da auf dem sandigen Boden zwischen dem 1 Gestein, und der sandige Boden dampfte, als schwelten > ‘ unten Feuer. Hatte die Sonne ihren hochsten Stand er- reicht, flimmerte die Luft, als ergliihe sie, und in ! den Talern stiegen Hitznebel auf. Die Augen brannten in den Hohlen und die trockene Hitze driickte auf die Schadel und dorrte Kehlen und Eingeweide. (Begegnung j am Ebro, S . 75) Mit Resignation muB aber Bredel am SchluB seiner Auf- j izeichnungen feststellen, daB der Krieg in Spanien trotz 'aller Anstrengungen angesichts der faschistischen Ubermacht iund dem Versagen der Demokratien, nicht langer gewonnen I | ;werden kann. Die spanische Republik konnte nur noch durch ieinen Kriegsausbruch in Europa gerettet werden, der, wie der | !der Autor richtig vorausdeutet, unmittelbar bevorsteht. 1 I ! Der Band Begegnung am Ebro laBt sich leichter verste- hen, wenn man im Zusammenhang mit ihm einen Blick auf 351 Bredels spateren Roman Die Enkel (1953) wirft. In dessen jHandlung, die von der Zeit der Weimarer Republik bis zur i I jDeutschen Demokratischen Republik reicht, bildet der Spani- | j jsche Biirgerkrieg nur einen Teil des jahrzehntelangen Kampfesj I I , I j Ides Proletariertums gegen Imperialismus, Militarismus und I i Krieg. Der Kampf gegen den Faschismus in Spanien bildet nuri leine Etappe auf dem Weg zu einer neuen sozialistischen Ge- i sellschaftsordnung. Unter diesem Gesichtswinkel mufi sein Beitrag zum Spanienthema Begegnung am Ebro interpretiert Iwerden. Der Autor sieht die Geschehnisse in Spanien aus dem| t i : Blickpunkt der kommunistischen Partei. Dennoch verliert dasj IWerk, dem eine literarische Gestaltung nicht vollig abgeht, nicht seinen dokumentarisch-informativen Charakter. Es verleiht uns ein Verstandnis der Situation des Spanien- ; j i krleges und insbesondere des Lebens und der Erfahrungen der I ! | Internationalen. Seine Aufnahme noch zur Zeit des Burger- j i krieges beweist auch seine grofie Wirkung unter den Emigran- :ten. Ernst Weifl nennt Begegnung am Ebro in einer Rezension ;fiir Die Zukunft "ein Buch von brennender Aktualitat, bren- i 2 0 inend im wahrsten Smne des Wortes .1 1 Und Walter Victor ! i I 2 0 | "Begegnung am EbrOj" Die Zukunft, 5 (Februar 1939), | 6 . 352 schreibt in Der Neuen Weltbuhne: "Das kleine Buch von Willi ;Bredel ist eine groBe Sache: es gibt Mut und Hoffnung, daB ! I ! das GroBere aus dem Zusammenbruch wachsen und daB selbst deri I | 2 l! ! Zusammenbruch noch fruchtbar sein wird fur die Zukunft." j I ! 'Diese Hoffnung, die in Bredels Aufzeichnungen zu finden ist,! ■ ! i i jwird wenig spater m der Zeitschrift Das Buch kontrastiert imit der Wirklichkeit der Geschlagenen. Dennoch stimmt man | ! iiberein, daB sein Werk mit anderen Veroffentlichungen dazu ; beitragt, ein Gesamtbild des spanischen Kampfes zu geben und! kritisiert richtig: "Eine starkere Wirkung wiirde von dem Buch ausgehen, spurte man in ihm nicht zu oft den Propa- j gandisten, dem es darauf ankommt, eine 'Linie' zu recht- 22 1 fertigen." Wie der Schriftsteller Willi Bredel war der durch sein I I IBuch Krieg weltbekannte Autor Ludwig Renn, Pseudonym fur Vieth von GolBenau, langjahriges und getreues Mitglied der kommunistischen Partei. In der verhangnisvollen Nacht des Reichstagsbrandes 1933 war er von der Gestapo verhaftet und jwegen angeblichen Hochverrats zu zweieinhalb Jahren Gefangnis | 21 "Begegnung mit Bredel," Die Neue Weltbuhne, 8 (Feb- iruar 1939), 251. i | ^^"Willi Bredel: Begegnung am Ebro," Das Buch, 6 ! (September 1939), 13. 353 verurteilt worden. Nach seiner Entlassung fliichtete er in ^die Schweiz, von wo aus er auf eigenen Wunsch von der Partei sdelegiert wurde, sich der spanischen Republik in ihrem j ;Kampf gegen Franco zur Verfiigung zu stellen. Wegen seiner j ; I jErfahrung als Offizier im ersten Weltkrieg und spater als j I . . I |Militarexperte m der Kommtern— er schrxeb unter anderem j i i jeine Reihe von Artikeln uber Entwicklungen auf dem Gebiete des Militarwesens— war er fiir die Republik von besonderem 1 I Wert. So war er nacheinander Kommandeur des Thalmann- j iBataillons, Stabschef der XI. Internationalen Brigade und schlieftlich Direktor der republikanischen Kriegsschule. Ausj Aufzeichnungen seines Freundes Hans Kahle und unter Hinzu- jziehung seiner eigenen Notizen, die er nach deutscher Schu- I ilung auf dem Schlachtfeld machte, ging sein dokumentarisches :Werk Der spanische Krieg (1956) hervor, dessen Titel in einer spateren Ausgabe die bescheidenere Namensgebung Im spanischen Krieg erhielt. Zu der Titelanderung kommentiert der Autor selbst in einem personlichen Brief: "Ich nahm sie jvor, als ich erkannte, dafi Der Spanische Krieg so klang, als jhatte ich diesen Krieg in alien seinen Seiten darstellen ! 23 jwollen." ( 23 | Personlicher Brief an den Verfasser vom 25 . Februar 1970 . __________________________ _ ______________________________ 354 In nuchternem, sachlichem Ton zeichnet uns Renn mit der Prazision eines Militarwissenschaftlers in seinem Bericht ^die einzelnen Kampfe nach, durchleuchtet Siege und Nieder- | l ! ! : ;lagen, erklart die politischen Entwicklungen und schildert j ■ I jauch eigene Erlebnisse. Seine Exaktheit der Aufzeichnungen ] t jgeht so weit, daft neben den betreffenden Daten im Zuge be- ! : I Ideutender Operationen selbst Zeitangaben nicht fehlen. j i Zudem tragen bis ins letzte Detail vollstandige Karten- : 'skizzen zum besseren Verstandnis seiner Ausfiihrungen bei | I iund biirgen gleichzeitig fiir deren Wahrheitsgehalt. Unter ! t der Vielzahl der Themen, die Im Spanischen Krieg zur Be- I handlung kommen, kehren vor allem immer wieder die Schwie- i rigkeiten auf, unter denen die neuaufgestellte und vollig ;unerfahrene Armee zu kampfen hatte. Die veraltete Kriegs- jfiihrung, das Sprachengewirr der aus alien Nationen der Welt kommenden Freiwilligen, das Fehlen von Waffen und Verrat bilden nur einige Beispiele dieser oft einem Chaos nahen : i Zustande. Nur dem heroischen und opferbereiten Einsatz der Soldaten schreibt Renn es zu, daft sich die republikanischen i jTruppen so lange gegen die in jeder Hinsicht uberlegenen I jfaschistischen Einheiten behaupten und selbst entscheidende ! Schlachtensiege erringen konnten. In den Bericht einge- jstreut finden wir zahlreiche personliche Episoden des 355 Schriftstellers, der trotz seiner vorziiglichen kriegerischen Leistungen meist vollig hinter den Geschehnissen zuriick- I itritt. In diesem Zusammenhang Erwahnung verdient jedoch ! iRenns besonderer Verdienst bei der bedeutenden Schlacht von jGuadalajara im Marz 1937, als Franco versuchte, Madrid vom I |ubrigen republikanischen Spanien abzuschneiden. Nur seiner j |Willenkraft und seiner personlichen Initiative ist es zu iverdanken, dafi die in panischer Angst zurlickweichenden l eigenen Truppen zum Halt kamen und zusammen mit den in- | zwischen hergefuhrten Internationalen einen entscheidenen j Sieg iiber die Italiener davontrugen. Der Autor notiert j danach in sachlichem Stil der Melde- und Berichtstechnik: Die Schlacht bei Guadalajara war beendet. Nach ihrem anfanglichen Erfolg hatten wir die faschistischen Divisionen um achtzehn Kilometer wieder zuriickgeworfen. Zerstort war der Ruhm, den die Mussolini-Italiener durch den Alcazar von Toledo und die Einnahme von Malaga errungen hatten. Ihre 40 000 Mann mit 300 Kanonen, 150 Panzern und 125 Flugzeugen waren von uns vollig geschlagen worden. Wir hatten dabei 1500 Ge- fangene gemacht, 100 Maschinengewehre erbeutet, 6 Batterien, 120 Lastwagen und Traktoren und sehr viel Munition. (Im spanischen Krieg, S. 241) | Andere wichtige Aspekte des Kampfes, die der Autor her- i I ivorhebt, fallen unter die gleichzeitige Aufbauarbeit der Republik. Man ist bemuht, das in Spanien noch weit ver- breitete Analphabetentum zu uberkommen, die wissenschaften 356 werden gefordert* dem spanischen Volk gehorende Kunstgegen- etande werden in Sicherheit gebracht und nicht zuletzt i iraumt man deutschen und spanischen Kiinstlern im Namen des Fortschritts der Sache der Republik einen gebiihrenden Platz i , i i e x n . | : Obwohl Renn in seinen Spanienaufzeichnungen die eigent-j i iliche Schilderung des Kriegsgeschehens in den Vordergrund j stelltj bleibt sein Werk nicht unbeeinfluftt von politisch- ideologischen Kommentaren. So ist fiir ihn die Befreiung ! iSpaniens von den Faschisten keine spanische Privatsache, "sondern die der gesamten fortschrittlichen Menschheit" (Im spanischen Krieg, S. 66). Und es iiberrascht keineswegs,; I wenn er der Sowjetunion in dem Kampf eine ihr bei weitem inicht zukommende Rolle unterschiebt. Bei seiner Darstellung der politischen Zusammenhange der Ereignisse auf der Halb- insel verliert er sich jedoch nicht in programmatischen Erklarungen, sondern referiert schlicht und mit Distanz die Auslegungsweise anderer parteilichen Instanzen. Zudem schreckt er nicht zuruck^ Kritik an der Haltung der Linken i j lauszuiiben, wie zum Beispiel anlaSlich seiner Riickkehr von i Ider Vortragsreise nach Amerika im Jahre 1938. Seinem Sinn ■der Pflichterfiillung widerspricht der Pessimismus der linken jKreise. die zu diesem Zeitpunkt die Sache in Spanien fur verloren hielten. Generell hat man den Eindruck, daB dem Autoren die individuellen Entwicklungen auf dem Schlachtfeld | jvon groBerem Vorrang erscheinen als ideologische Auseinan- | ! i jdersetzungen. Als loyales Parteimitglied macht er sich | j l iwenig Gedanken um politische Richtlinien. Jurgen Riihle ikommentiert hierzu in seiner Untersuchung iiber die Schrift- ; :s teller und den Kommunismus Literatur und Revolution: j Uberhaupt folgt Renn auf dem Schauplatz des spanischen Burgerkrieges derselben Disziplin und demselben Ehren- i kodex, die das kaiserliche Offizierskorps auszeichneten. Dienen ohne zu murren, gehorchen ohne zu fragen, mehr sein als scheinen— nur daB jetzt die kommunistische Partei Befehlshaber und Treueempfanger ist. (S. 240) \ Ungeachtet der kiihlen Sachlichkeit seiner Darstellungsweise ; und der Tatsache* daB er ein mehr oder weniger blinder Empfanger der Befehle der Komintern war, laBt er doch seine personliche Anteilnahme und seinen leidenschaftlichen Ein- satz fiir die Sache der Republik in den individuellen Szenen immer wieder durchblicken. Eine besondere Genugtuung emp- findet er beispielsweise, als es anlaBlich der Abschieds- parade gelingt^ die Volkerbundskommission von der Auf- |richtigkeit ihrer Parteinahme zugunsten des spanischen I i IVolkes zu iiberzeugen: "Diese Internationalen konnen keine lAbenteurer sein. Hier ist etwas anderes los" (Im spanischen l !Krieg, S. 365). Und selbst nach dem militarischen Zusammenbruch der Republik gibt Renn seine Uberzeugung, fiir eine gerechte Sache eingestanden zu haben, nicht preis und j i ibewertet den Spanienkampf trotz der entsetzlichen Verluste j jpositiv: "Dieser Untergang . . . nimmt dem Kampf des spa- jnischen Volkes nichts von seiner Grofte" (S. 380). i Immer wieder ist nun behauptet worden, Renn sei mit Iseinem Werk Im spanischen Krieg in erster Linie der For- derung der Deutschen Demokratischen Republik nach einer Kriegsliteratur nachgekommen (Riihle, S. 242). Vermerkt man izudem, dafi er in seiner spateren Ausgabe sein Buch getreu den Richtlinien der Partei von unliebsamen Vorfallen wie zum Beispiel der Unterredung mit Toller sauberte, so liegt .es nicht fern, sich dieser Interpretation ebenfalls anzu- ■schlieflen. Dennoch verliert es seinen Eigenwert unter der iSpanienliteratur nicht und ist eine der objektivsten und ' I besten Darstellungen des Krieges. Dank seiner hohen mili- tarischen Stellung kann Renn ein besseres Bild der Situation :und Umstande des Konfliktes vermitteln, als die meisten anderen Teilnehmer. Auch verbirgt sich hinter der nuchter- I jnen und schmucklosen Prosa des Autoren leidenschaftliche iParteinahme fur die Republik, was seinen Aufzeichnungen den i Icharakter eines fesselnden Berichts verleihen. ! An der Front oder unmittelbar hinter ihr konzipiert, 359 geschrieben und gedruckt wurde ebenfalls die von Theodor Balk herausgegebene Geschichte der 14. Internationalen Bri gade La Quatorzieme, d'apres des rapports, des conversa tions , des carnets de notes (1938). Sie erschien auch auf spanisch im Verlag des Kommissariats der Internationalen Brigaden, Madrid. Aus der Perspektive seiner Funktion als Bataillonsarzt beleuchtet der Autor die Geschichte der In ternationalen Brigades die verschiedenen Etappen ihres Weges und verweilt dabei immer wieder notgedrungen bei heroischen Episoden der Kampfer. Am aufriittelndsten unter ihnen ist wohl die Schilderung von dem Chinesen Tschang, der im spanischen Burgerkrieg um die Freiheit seines eigenen Volkes kampft. Ich lieber sterben wollen auf chinesisch Erde. Ich aber auch gerne sterben hier. Denn Japan gleich sein mit Hitler gleich sein mit Franco. Wir sterben miissen, gut, wir sterben wie Soldaten von Liberte. Wie Genossen I von Shanghai und Kanton, wie Genossen von Bastille und ; Pere Lachaise. En avant!^^ jDas Buch, dessen Handlung nur in das Kriegsjahr 1938 reicht, | schlieftt mit dem Ausdruck der Hoffnung, daft alles Menschen- mogliche getan werde, um die grofte Solidaritatsbewegung fur 24 Zitxert aus dem autobxographxschen Werk Theodor Balks, Das verlorene Manuskript (Mexico: El Libro Libre, 1943), S. 132. 360 die spanische Republik zu unterstiitzen und zu verstarken. Wenn eine groBe Einigung zustande kamej konnte der Krieg mit einem Schlage beendet werden. Dieses Spanienbuch wesentlich erganzend ist Theodor Balks biographisches Werk Das verlorene Manuskript, das i jl943 zum ersten Mai in Mexico veroffentlicht, sowohl den I jganzen Zeitraum des Spanlenkrleges emschliefit, als auch die i 1 |individuelle Stellungnahme des Autoren starker hervortreten jlaBt. Er war in seinen eigenen Worten bei Aufbruch des ! jKonfliktes mit "Kopf und Herzen" nach Spanien geeilt, um |"damit dem Weltgeschehen einen von uns erwunschten Verlauf |Zu geben, den Faschismus auf seinem ersten europaischen jschlachtfeld zu schlagen" (S. 145). Zwar wuBte er, daB |unsere Welt nicht die beste a Her Welten ist, in Spanien jaber "begann etwas Neues, etwas entschieden Neues." Nach | Ikurzer Zeit muBte Balk sich jedoch bereits einstehen, daB 'dieser Kampf auf der Iberischen Halbinsel angesichts der ierdriickenden Ubermacht des Feindes und des passiven Abseits- i I istehens des (ibrigen Europas, verloren sei. Die schweren Verluste seiner Brigade, die Verstiimmelten und Verkriippelten in den Hospitalern, der Ausverkauf in Miinchen, machen es ihm schwer, nicht an der Redlichkeit ihrer Sache zu zweifeln: !"Da weigerte sich mein Verstand, verstandig zu sein und zu 361 antworten, daft es nicht umsonst gewesen ware. Ja, es gab Augenblicke, wo es mein Verstand nicht leicht mit mir hatte" i | (S. 152). Besonders kommt diese Desillusion im Zusammenhang |mit den Entwicklungen in Spanien zum Ausdruck beim Grenz- ! [iibertritt der Internationalen nach Frankreich, wo ihnen ! I jjahrelange Einkerkerung in Konzentrations lagern bevorstand. j Der Autor schreibt: ! Das Bild, das ich in mir trug, hat mit dem, was ich ] jetzt vor mir sehe, nichts gemein. So wenig gemein | wie das "Einst" und "Jetzt" von Reklamebildern eines J Verschonerungsmittels haben. Nur, daft hier das Jetzt durch Haftlichkeit gezeichnet, wahrend das Einst von strahlender Schonheit ist. (S. 148) jNur eine Hoffnung bleibt ihm, namlich, daft ein verlorener | Feldzug kein verlorener Krieg ist, daft Spanien nur der erste des kommenden Krieges ist, in den bald ganz Europa und die ganze Welt gestiirzt werden wird. "Einmal werden j 'den Volkern die Augen aufgehen. Und dann werden die Toten jund die Blinden, die mit geborstener Wirbelsaule und die |pfeifend Atmenden nicht umsonst tot, nicht umsonst ver- i kruppelt und pfeifenden Atems geworden sein" (S. 152). Das enttauschende Erlebnis in Spanien, die Emigration iiberhaupt vergingen nicht, ohne tiefe Spuren in dem Leben des Schrift- stellers zu hinterlassen. Nach sechs Monaten im franzosi- schen Gefangenenlager halt er mit sich selbst Abrechnung: 362 "Und jetzt sehne ich mich nach Ansafligkeit, nach Geruhsam- ■keit, nach eigenem Heim. Haben mich die Jahre der Emigra- i I ! tion und des Krieges miirbe geschlagen?" (S. 158). j | Dafi Balk sich jedoch nicht blofl auf die Darstellung von | jbloflen Tatsachen und Reflexionen anlaBlich der Geschehnisse i jim spanischen Biirgerkrieg beschrankt, sondern seinem Werk iebenso literarhistorischer Wert nicht abgeht, verdeutlicht | i ! sich besonders augenfallig in den Nachzeichnungen von Augen-| blicken hochster Lebensgefahr. Wie Arthur Kostler erreicht ! I | er unter dem unmittelbaren Eindruck des Todes ein Stadium von menschlicher und weltlicher Unbeschwertheit: | Ich bin federleicht und kristallklar. Und glatt wie der Spiegel eines Sees, iiber den kein Windzug streicht, ! auch nicht der geringste Hauch. Kein Windzug der Todes- angstj kein Gedankenhauch von Strategie und Taktik. Mir ist nicht heifi und mir ist nicht kalt. Ich hange nicht i am Leben und ich wiinsche es nicht wegzuwerfen. Ich furchte mich vor dem Tod und ich freue mich auch nicht auf ihn. Ich schreite durch eine Atmosphare, wo Selbst- erhaltungstrieb keine Wahrung mehr ist. Ich bin wie eine Maschine, die lauft, ohne Zweck, ohne Ziel, ohne Nutzen, mouvement pour le mouvement. So bewege ich mich, mit mir, zum ersten Mai seit ich erwachsen bin, j versohnt. (S. 136) lEine vollig unerwartete Wendung der Situation bringt der 1 lAutor sodann wieder in die Realitat zuriick. I Noch pragnanter als bei Theodor Balk finden wir die ! I j I ikritische Auseinandersetzung mit dem Burgerkrieg im i i | 363 Spanischen Kriegstagebuch von Alfred Kantorowicz, wo diese ischarfsinnige Beleuchtung der Vorgange zum Hauptthema wird. i | I j Die Erstauflage erschien 1949 in Ostberlin, wohingegen die ! i i ! . . ! jNeuauflage des Werkes nach der Ubersiedlung des Autors in | idie Westzone 1966 in stark geanderter Form in Koln zur j jverof fentlichung kam. Bezeichnend fiir den grundsatzlich jverschiedenen Gehalt der beiden Ausgaben ist die unter- schiedliche Beurteilung des Werkes durch die Ostzonenkritik. ; Strich noch Edgar Kirsch in seinem Artikel "Der spanische I Freiheitskampf 1936-1939" Kantorowicz1 Aufzeichnungen als Muster fiir die Gattung Bericht hervor, so weigert man sich, I ;die Umschreibung in der "Bibliothek Fortschrittlicher Deut- : i iScher Schriftsteller " aufzunehmen: I Es ist voHer Schwachen und nicht das Spanienbuch^ was j wir brauchen. Das Buch bringt eine gute Milieuschilde- j rung, ist aber zweifellos vom Gesichtswinkel der Intel- j lektuellen aus geschrieben. Es laflt den Parteistand- j punkt vermissen. Sowohl die Rolle der spanischen kom- munistischen Partei als auch der entscheidende Anteil der deutschen Kommunisten am spanischen Befreiungskampf bleiben nahezu unberiicksichtigt. (Kantorowicz, Kriegs- tagebuch, S . 6) iWie uns der Schriftsteller selbst mitteilt, handelt es sich bei der Veroffentlichung im Aufbau-Verlag 1949 notgedrungen ium eine rudimentare Herausgabe von Notizen seiner Spanien- I jerlebnisse . Wiedergegeben konnte dabei nur, was die i I 364 Parteizensur hatte passieren lassen. Damals noch lebende iBeteiligte durften nicht gefahrdet werden. Die Zweitfassung i ihingegen greift aufs neue auf die durch Freunde nach dem ! i i i ( jWesten gerettete Quellen zuriick, Schreibhefte, in die er vomj i i i l jDezember 1936 bis zum April 1938 seine Erlebnisse, Erfah- ] I irungen und Reflexionen eingetragen hatte. ‘ Hier ist nichts aufgeputzt worderij nichts "frisiert," I nichts unterdruckt . . . Welche Instanz konnte sich vermessenj nach den wechselnden Erkenntnissen und Er- fordernissen des Tages, diesen oder jenen Beitrag aus- zuschalten, womoglich andere hinzuzufiigen zu wollen. (Kriegstagebuch, S. 404) Ohne diesmal Rucksicht auf parteiliche Richtlinien nehmen zu miissen^ versucht Kantorowicz, der Wahrheit nachzugehen und vor dem Leser in der Deutschen Bundesrepublik, wo man ! seiner Ansicht nach den Spanienkampfer immer noch mit Kir- jChenrauber, Vaterlandsverrater und Mordbrenner assoziert, ein getreues unverzerrtes Bild des Kampfes in Spanien zu i entrollen. j In seiner auBeren Form setzt sich das Spanische Kriegs tagebuch zusammen aus einer vorwortartigen Einfiihrung, jwelche die Umstande des Werkes und seine Aufnahme in der DDR auseinandersetzt, den eigentlichen Aufzeichnungen des iKrieges aus seiner Perspektive eines Propagandisten fur die t 1 jlnternationalen Brigaden und spater als Nachrichtenoffizier 365 ! im beriihmt gewordenen Ts chapa jew-Bataillon, und einem riick- iblickenden Epilog, der die Entwicklungen in den Jahren nach I idem Biirgerkrieg bis in die Zeit der sechziger Jahre der I iBundesrepublik beriicksichtigt. Eingeschoben sind zusammen- | i jfas-.-ende Darstellungen, Reflexionen anlaBlich der Vorgange, jDokumente, Zeitungsberichte und Befehle. Der eigentliche j i I iHandlungsbereich erstreckt sich von den ersten Formationen j von Freiwilligen zur Unterstutzung der Republik, bis zu j deren Abzug auf BeschluB des Ministerprasidenten Dr. Juan j .Negrin, der Aufnahme der Spanienkampfer im "Gastland" Frankreich und ihr weiteres Schicksal bis in unsere Zeit. j Im weiteren ist es jedoch zugunsten einer tieferen Beleuch- I i tung der Haltung des Autoren nicht meine Absicht, langer bei Kantorowicz ' ausfiihrlichen Darstellung der einzelnen Etappen { und dem allgemeinen Werdegang des Kampfes, die zunehmende erdruckende Ubermacht des Feindes, seine eigene Verwundung und schlieBlich der Zusammenbruch der republikanischen Fronten zu verweilen. Die Fulle von detaillierten Angaben allein lieBe eine historische Auswertung zu. Erwahnt sei I in diesem Zusammenhang nur seine interessante statistische AufsteHung sowohl in bezug auf die Zusammensetzung des |Tschapajew-Batailions nach Nationalitaten, als auch der isozialen Aufteilung: 366 | Deutsche 79, Polen 67, Spanier 59, (Jsterreicher 41, Schweizer 2 0, Palastinenser 2 0, Hollander 14, Tschechen ! 13, Ungarn 11, Schweden 10, Danen 9, Jugoslawen 9, j Franzosen 8 , Norweger 7, Italiener 7, Luxemburger 5, 1 Ukrainer 4, Belgier 2, WeiBrussen 2, Griechen 1, Bra- | silianer 1— Industrie- und Grubenarbeiter 231, Land- I arbeiter 6 8, Seeleute 36, Angestellte 19, selbstandige i ! Kleinbauern und Pachter 13, Intellektuelle 8 , Beamte 7, ! I J I Gewerbetreibende 7. (Kriegstagebuch, S. 190) j I i Dabei erklart sich die geringe Anzahl der Intellektuellen : ! ^mit nur 8 Mitgliedern daraus, daB wohl die meisten von lhnen! in hoheren Fiihrungsstaben oder anderen leitenden Positionen | I I in den Truppenteilen zur Verwendung kamen. Der starke An- teil deutscher Teilnehmer am Spanienkrieg geht darauf hin j zuriick, daB sie in Spanien eine schon lange herbeigesehnte : :Chance sehen, mit der Waffe in der Hand gegen ein System zu ; i kampfen, das ihr eigenes Volk unterdriickt und die ganze Welt ■verknechten will. Sie sind, so wie sie herkamen, bereits durchgesiebt durch Jahre physischer und seelischer Note. Sie wissen, was hungern heiBt, sie kennen die Gefahr, keine Schwie- rigkeit hier kann groBer sein als die, die sie schon iiberwinden muBten . . .Sie sind nicht miide und nicht schwach geworden, daB sie hier sind, beweist es . . . Sie sind die Kader des Freiheitskampfes, die Besten. (S . 214) i jWeniger optimistisch beschreibt Kantorowicz an einer anderen Istelle die Motivierung der deutschen Spanienteilnehmer: j | Fiir uns deutsche Antifaschisten liegt die Heimat gegen- ; wartig wirklich vor Madrid, wie es in dem Liede der r 367 I Internationalen Brigaden heiBt . . . Wir haben kein Zuhause, solange in unserem Lande der Mord, die Luge, j das Unrecht, die Gewalttat im Namen Hitlers herrschen. I Sollen wir in die Emigration zuriick? Ohne Papiere, j j gehetzt, hungernd, heimatlos, vogelfrei, zura schaden- | | frohen Gespott unserer Feinde und eine Last fur unsere Freunde. Auf uns wartet niemand— es seien denn Kerker und Konzentrationslager. Weh uns, wenn wir aus Spanien als Besiegte fliehen miiBten! . . . So ist unsere Lage. j I Sie ist furchtbar eindeutig. (S. 216) ; Nicht lange ungetriibt bleibt diese tiefe psychologischej [Bedeutung des Kampfes in Spanien fur den Emigranten. Desil-' lusionierende Erfahrungen mit den Parteikampfen innerhalb | ider republikanischen Regierung, der sichtbar werdende Terror; der kommunistischen Apparate, die gnadenlosen Verfolgungen durch Stalin in RuBland, die parteiliche Diktatur in Spanieh iiberhaupt, der zunehmende KommiBton in den politischen und imilitarischen Hauptguartieren, lassen in ihm immer wieder die Frage nach der RechtmaBigkeit der Sache auftauchen. Das I j Ziel eines Sieges selbst wird zur Fragwiirdigkeit. Darf man siegen? Wir horen es gern, wenn in Theatern des Nazi-Staates das Publikum den Worten "Sie, geben Sie Gedankenfreiheit" demonstrativ Beifall klatscht. Aber geben denn wir, die wir noch Vorkampfer gegen die Gedankenknebelung, gegen jede Form der geistigen Unter- druckung sein wollen, in unseren eigenen Reihen noch | Gedankenfreiheit? (S. 263) j IDiese Frage sind an der Front, wo man dem Feind Faschismus I junmittelbar gegeniibersteht, von weniger Dringlichkeit als im I I [Hinterland, wo es schwieriger ist, sich der parteilichen 368 foiktatur, der Furcht von Spitzeln, Verrat und allgemeinem kiStrauen zu entziehen. War in den Schtitzenlochern klar, j daB zunachst der Faschismus besiegt werden muBte und danach die politischen Probleme zu losen seien, so fallt diesem jProblem in den Stadten ein bedeutend groBerer Vorrang zu. j jDieser innere Zwiespalt der Notwendigkeit des Kampfes gegen | | I jNazismus und Faschismus in Spanien einerseits und die Aus- j einandersetzung mit der Problematik in den eigenen Linien iauf der anderen Seite, zieht sich durch das ganze Kriegs- ! ! ; tagebuch. Im Grunde kommt Kantorowicz in diesem Dreiecks- I kampf .immer wieder zu dem SchluB, daB zuerst der Faschismus j als die naherliegende Gefahr in Spanien geschlagen werden : musse, bevor man im eigenen Lager nach dem Rechten sehen j 'konnte. "Kurzum: es war richtig^ es war notwendig, es war j | gut, dafl wir deutsche Freiwilligen— trotz allem— damals in | ! I Spanien fur die Republik gegen ihre Vergewaltiger gekampft haben" (S. 90). Parallel zu diesem Zwiespalt lauft sein Pessimismus angesichts der militarischen Entwicklungen in Spanien. jSchon zu Beginn der Kampfe stellt er ungeachtet seines i IKampfwillens die Losung der Republik "Pasaremos" in Frage. i i"Wir werden durchkommen. Kann es nicht, wenn der unmittel- f bare Erfolg ausbleibt, in Defatismus umschlagen" (S. 61). 369 Im Hinblick auf die mangelhafte Koordination der Fuhrung, Idem Durcheinander in den Truppenteilen und der erdriickenden | iUbermacht des Feindes, fallt es ihm schwer^ an einen Sieg i ider Republik zu glauben. Der Opfermut des spanischen Volkes kann nicht daruber hinwegtauschen, daB der faschistische ! Vormarsch in der Welt nicht aufzuhalten ist. Im Wissen um , jden bevorstehenden Leidensweg schreibt der Autor, jegliche ' Illusion wegwerfend: ' i Wir haben auf nichts zu zahlen, als auf uns selbst. ; Auf uns selbst, eine Handvoll Proskribierter oder j i solche, die morgen Proskribierte sein werden. Von nirgendsher wird uns Hilfe werden. Wir sind auf uns gestellt. Einige wenige werden vielleicht uberleben. I Ihre Aufgabe wird es sein, neu die Samenkorner des FreiheitsbewuBtseins zu saen. Aber sie miissen damit rechnen, daB sie die Saat nicht mehr werden aufgehen sehen. (S. 65) :Wenn sie trotz dieser Desillusion weiter fur ihre Sache ein- |stehen, so einsig in dem Glauben, daB in der Zukunft Men- I I I l schen wieder einmal ihrer beispielhaften Handlung, der Ver- teidigung der Freiheit, gedenken mogen. Die einzige Hoffnung, die er nahren darf, ist die, daB kiinftige Geschlechter sich wieder einmal dessen, was j er getan, gedacht, geschrieben hat, erinnern werden, daB er vielleicht der eine unter tausend sein wird, I dessen Handlungen durch einen Zufall wieder ins Ge- dachtnis der Nachfahren zuruckgerufen und als Exempel | statuiert werden. (S. 265) Seine Beziehungen zur kommunistischen Partei waren 370 bereits vor dem Biirgerkrieg uberworfen. Parteiliche Richt- linien befolgt er nicht wie Ludwig Renn mit blindem Gehor- i jsam., Der aus Moskauer Biiros gekoiranenen Losung* eine totale |Niederlage hatte es in Deutschland nicht gegeben, sie ware ' j jvielmehr ein taktischer oder gar strategischer "Sieg der j | | jdeutschen Arbeiterklasse," die sich in unangreifbare Posi- i ! tionen zuriickgezogen hatte, kann Kantorowicz nicht zustim- j men. Auch veroffentlicht der Schriftsteller seinen Sammel- ; band Tschapaiew— Das Bataillon der 21 Nationen im Jahre i j 1 1938j ohne die hierfiir notwendige Erlaubnis der Partei und deren Zensurvorschriften einzuholen. Nach der Kapitulation j ider Republik wieder zuriick nach Frankreich geflohen, beklagtl er sich uber die schlechte Aufnahme in den Reihen der Par- j I itei: { : j Niemand kiimmert sich urn die Beschwerden der Spanien- kampfer. Ich hatte vermutet, sie hier im Mittelpunkt des Parteilebens zu finden. In Wirklichkeit gibt es keine Gruppe, die so verdachtigt, so verachtlich an den Rand gedrangt wird . . . Fur sie sind alle deutschen Spanienkampfer in Paris suspekte Meckerer. (S. 401) i Was er in Spanien als Kampfgefahrte erlebt und gesehen jhatte^ seine Ungefiigigkeit gegenuber Losungen aus Moskau, i jseine Grundsatze im Kampf fur die Freiheit brachte ihn not- I jgedrungen in Konfrontation mit den vom Stalinismus gepragten i IParteidoktrinen. So kommt Kantorowicz' Bruch mit der Partei 371 und das darauf folgende Verbot seines Neuauflage des Spa- nienbuches nicht unvorbereitet. Beide Schritte halt die Ostzonenkritik fiir unverzeihlichen Verrat der Ideale jener Antifaschisten, die ihr Leben fiir die Republik gegeben haben: Indem er zu jenen Kraften, die die Morder des spanischen Volkes mit hohen Pensionen und eintraglichen iimtern be- lohnen und die es heute wieder wagen, mit den Franco- Faschisten zu paktieren, iiberlief, hat sich selbst als Mensch und Schriftsteller das Urteil g e s p r o c h e n Die Distanzierung von Kantorowicz von der Partei darf jjedoch nicht ausgelegt werden als ein vorbeha It loses tiber- ! i jwechseln m das andere Lager, wie er selbst betont: I 1 i Da wir die Grundsatze, die uns in Spanien zu Kampf- gefahrten gemacht hatten, nicht preisgeben wollten, waren wir zwangslaufig in Konflikt mit den vom Stalinis- | mus geformten Funktionaren geraten. Aber unser Wider- j stand gegen die neue Tyrannie hatte uns nicht zu Kon- i vertiten gemacht. Wir hatten unsere Unabhangigkeit, j unsere Entscheidungsfreiheit gewahrt. In unserer Zeit | gerat man dabei ins Niemandsland zwischen den Macht- i blocken. (Krieqstagebuch. S. 419) i |DaS mit ihm noch viele Spanienkampfer dieses Schicksal jteilen, beweist das Beispiel des sich an der Front ausge- zeichneten Kompaniefuhrers Otto Brunner, der, verstoflen von 25 . Kollektiv fur Literaturgeschichte im volkseigenen Verlag, Hrsg., Bodo Uhse. Eduard Claudius. Abrift der Spa- nienliteratur. S. 155. 372 ' der Partei seinen Lebensabend in der Schweiz verbringt, wo I i er trotz seiner Verwundung noch schwere korperliche Arbeit | jverrichtet. i i ! Betrachten wir den Stil dieses Buches, so laSt sich j i i Isofort erkennen, dafl es sich hier nicht nur um einfache iAufzeichnungen handelt, wie man den Titel gemaS erwarten j iwurde, sondern um das Werk eines erfahrenen Schriftstellers. ! i Zwar nehmen die Darstellungen der einzelnen Kampfe und jEreignisse oft naturalistischen Charakter an, werden jedoch : jimmer wieder unterbrochen von Reflexionen und anderen epi- bchen Ausfuhrungen. Erreicht die Schilderung des Kampfes ! ein HochstmaB von Intensitat, so wird diese nicht selten i j i von gleichsam idyllischen Ruhepunkten abgelost. So sehen wir ihn wahrend dieser Zeit mit seinen Notizen beschaftigt, |wie die folgende Stelle zeigt: i Ich habe mein Tagebuch mit mir genommen und warf mich ins Gras. Aber ich begann noch nicht zu schreiben. Ich zog Rock und Hemd aus, kaute Halme, blinzelte in das Blau uber mir und traumte. Raben krachzten, Gril- len zirpten, Ameisen liefen mir uber Brust und Arme. Das Summen der Fliegen und Bienen war hier Musik. Ein paar Eidechsen huschten durchs Geroll. Keine Laute sonst als die der Natur um mich, kein Mensch, keine | Uniformen, kein Schufi . . . (Kriegstagebuch, S. 143) i jOder bei einer anderen Gelegenheit beobachtet der Autor die I j jnoch unbeholfenen Versuche fluggegewordener Schwalben. Auch 373 Erscheinungen des Alltagslebens wie die Plage des Unge- Jziefers an der Front finden dichterische Auswertung, wie wir i jam folgenden Zitat sehen konnen: I ! I ( Gegen das Ungeziefer gibt es keine Gegenwehr mehr. Die I Fliegen des Tages und die Miicke des Nachts und die Flohe j ! Tag und Nacht, das sind die schlimmsten Feinde. Alles i andere Gesumm und Gebrumm von Wespen, Bienen, Huraraeln, j ' Libellen, fliegenden Mistkafern, Brummern, Bremsen, das I j Gequiek von Mausen und Ratten ist nur Orchestrierung j ! dieser Qual. Die Fliegen bedecken alles wie ein schwerer j Teppich, den Boden, die Wande, die Decke, den Tisch, den Stuhl, die Nahrungsmittel. Wo man sich nur in einem Raum ; bewegt, stieben Wolken von ihnen hoch. Sie brausen wie . i nahe Meeresbrandung. Aber dieses Brausen ist lieblich i im Vergleich mit dem gehassigen Gesumm der Mucken des Nachts (S. 175) Andere Stellen, die man in diesem Zusammenhang noch anfuhreni konnte, sind die Darstellung seiner eigenen Verwundung und j ; der damit verbundenen Erfahrungen und nicht zuletzt Analysen menschlichen Verhaltens angesichts ubermenschlicher An- istrengungen im Kampf. Was den literarischen Wert des Spa- nischen Krieqstagebuchs allgemein betrifft, so verweist der Autor selbst zu Beginn auf AuSerungen von Thomas Mann, Heinrich Mann, Martin Andersen-Nexo, Lion Feuchtwanger, |Erich Weinert und zahlreichen Besprechungen in literarischen iZeitschriften hin (siehe Kriegstagebuch, S. 9). | j Zusammenfassend konnen wir zu Kantorowicz1 Buch fest- i istellen, daft es sowohl ein zeugniskraftiges historisches j 374 jBeispiel der Geschehnisse auf der Iberischen Halbinsel dar- jstellt, als auch literarische Anerkennung beansprucht. i ! iDariiber hinaus war es jedoch das Ziel des Autors ^ die Ehre ! i ider deutschen Spanienteilnehmer, die in der Bundesrepublik i . i jimmer noch als "Rote" dif famiert werden, wiederherzustellen iln dem Dreieckskampf gegen den Nazismus-Faschismus und den j Ausartungen des Kommunismus unter Stalin entschlossen sich diese Kampfer, zuerst gegen die naherliegende Gefahr zu jkampfen. Der Beginn des zweiten Weltkrieges und die Ver- j ibundung demokratischer Regierungen gegen den Faschismus unterstreichen die Richtigkeit des Handelns der sogenannten i Linksinte1lektue1len. Hatten die anderen freien Nationen rechtzeitig auf sie gehort, ware es vielleicht nicht zu der anschlieSenden Weltkatastrophe gekommen. Auch fanden die Emigranten vor Madrid^ der Verszeile des Kampfliedes "Unsere j Heimat ist heute vor Madrid" entsprechend eine Ersatzheimat, 'die sie dem Elend des Exils vorzogen. Fiir das Ausland aber bedeuten die fiir Spaniens Freiheit Kampfenden und Sterbenden das Alibi eines anderen Deutschland. Kantorowicz schreibt: I 1 "Wahrend des Krieges, als die antideutsche Stimmung in den iUSA zu Allgemeinerungen fiihrte, konnte man mit der Legiti- I jmation eines KZlers oder Spanienkampfers Gehor finden mit |dem Einspruch: Verwechselt die Deutschen nicht mit den Nazis" (Kriegstagebuch, S. 247). i Ein gestortes Verhaltnis zur kommunistischen Partei, wie wir es am Beispiel des Spanischen Kriegstaqebuchs von ‘ Alfred Kantorowicz aufzeigen konnten, pragt ebenso Gustav | | ; i |Reglers Rolle im spanischen Burgerkrieg. Regler hatte sich ' !bei Hitlers Machtubernahme nach Moskau abgesetzt, wo er wie ; ; ! jzahllose andere die Wahrheit suchte. Schon 1935 jedoch j ! endete seine Begegnung mit dem Kommunismus in vollstandiger ; lEnttauschung, wie wir einem fiktiven Brief an seinen Sohn 'entnehmen konnen. Darin gesteht er: "Ich wollte Dir die i i ; Wahrheit iiber ein Paradies schreiben. Ich glaubte Deinen ! Vorwurf gehort zu haben, daB ich in RuBland alles gut fande,; Deutschland aber nur scheuSlich, versklavt. Nun verging i 2 6 auch dieser Traum." Tyrannei, Sauberungsaktionen, Hm- richtungen von Freunden, Verrat und Spitzelsucht der stali- nistischen Periode machten das Leben in der Hauptstadt fiir ! |ihn unertraglich. Gerade in dem Augenblick, als der Autor sich von der Partei lossagen wollte, drangen Nachrichten uber den Burgerkrieg auf der Iberischen Halbinsel zu ihm. i . . ;Dort schien der Kampf gegen das gleiche Ubel zu gehen, das I ! ^^"Briefe an meinen Sohn," Verbannung, hrsg. E. Schwarz Iund M. Wegner, S. 284. 376 jihn aus Deutschland getrieben hatte . Obwohl Regler klare Ivorstellungen von den wahren Begebenheiten in Spanien ab- j Igingen, glaubte er, daB die ganze einfache Form der Regie- ‘ rung dieses Volk auf die Barrikaden gefuhrt habe. Nach den I i jEnttausch ungen in RuBland schien Spanien die Antwort auf j isein Suchen zu enthalten. In diesem Sinne lesen wir in j iseiner Autobiographie Das Ohr des Malchus die folgenden von j Idealismus erfullten Worte: I I ; In Spanien, das fiihle ich, wiirde eine andere Luft ! | wehen; dort war der Tod ein Schutz gegen Verrat und i Richter; dort starb man durch den Feind; wie gut war es, an Tod zu denken! . . . Spanien war 1936 der be- drohte Freund, nachdem RuBland sich als der entartete ! herausgestellt hatte. Vielleicht war der EntschluS, mich nach dem russichen KurzschluB in Spanien wieder einzuschalten, um so leichter zu fassen, als Lebens- gefahr in diese Entscheidung einbezogen werden muBte. | (S. 358-363) Ohne Verzug befurwortete die Komintern sein Ausreisevisum. Es war September 1936, als er in Madrid eintraf, vollig mittellos und nur auf sich gestellt, aber voll Erwartung der kommenden Ereignisse: j Das Aufregende war, daB mein Zustand genau der war, in ; dem Madrid selbst schwebte. Ich erlebte nur dies eine S Mai diese Freiheit; es war ein Gefuhl des bedingungs- j losen Aufbruchs des Bereitseins fiir eine totale Anderung; j es war der Wachtraum eines Volkes . Alles war auf Uber- i raschung eingestellt, und die Uberraschungen kamen denn auch: Schon am Mittag war ich Gast in einer Milizkiiche, wo alle aufstanden und sangen, als sie horten, daB ich ! ein fremder Schriftsteller sei, gekommen, ihnen zu 377 helfen. Am Nachmittag fiihrten sie mich in eine Kaserne und boten mir einen blauen Overall an. Am Abend zog ! ich mit ihnen zu Schanzarbeiten vor die Tore der Stadt, ! am Morgen kamen wir singend zuriick. (S. 365) | I Kurz darauf wird Regler als politischer Kommissar der Inter- 1 j jnationalen Brigade ernannt und deren Fiihrer General Lukacz j iunterstellt. Er nimmt an den Kampfen um Madrid teil, wird jbekannt mit Hemingway und beteiligt sich in der bedeutenden j Schlacht von Guadalajara. Als Kommissar oblag es ihm haupt-j sachlich, die Moral der Truppen aufrechtzuerhaltenj die j iwegen des Mangels an Ausrustung und Verpflegung und des i Ausbleibens der versprochenen russischen Hilfe wiederholt unertragliche Tiefpunkte erreicht. ; Charakteristisch fiir die Tatigkeit in seiner Funktion list seine Propagandaarbeit in den vordersten Linien. Fiir ihn war der Feind nur ein von seinen politischen Machthabern irregeleitetes Opfer, das nicht nur mit Waffen zu iiberwalti- gen war, sondern auch durch Argumentationen fiir die richtige IS ache gewonnen werden konnte : I i i I : Sie gewinnen, nicht ihnen den Hals abscheiden! Deshalb j | waren wir hier. Deshalb war ich gekommen. Die neuen I Grenzen zu zeigen, die alten aufzuheben. Die Revolution | der Idee. Der wahre Burgerkrieg in seiner grofiartigen j Neuheit: den Feind zu zersetzen, die Phrase zu entlar- ven. Schopfung der Humanitat mitten im Morden. (S. 407) I i jSo gelingt es Regler wahrend der Schlacht von Guadalajara 378 unter Benutzung von Lautsprechern italienische Einheiten zum jUberlaufen zu bewegen. Voller Genugtuung uber dxesen uner- i jhorten Erfolg notiert er in seiner Autobiographie: ] ! Im Schlamm der Schiitzengraben, im Donner der Kanonen lachelte uns doch ein Ideal des Friedes . . . Die j Italiener um mich weinten; es war ein frohes Schluch- zen: Das Exil war zu Ende! Wie anders konnten sie j nun alle reden! Keine Polizei demiitigte sie nun mehr, 1 keine Verleumdung kiimmerte sie mehr, sie waren gleiche j 1 Gegner, es war nicht mehr, als ob die Fiichse die fernen | Trauben schmahten, alle Verdrangung der Pariser Cafes war aufgehoben; man konnte widersprechen, konnte sagen, was man wirklich dachte, beweisen, dafi man es ernst meinte mit den humanitaren Idealen. Der Kampf setzte ! Grenzen, die bisher nur Polizei und Folter und Hunger gezogen hatten. Jetzt waren die neuen Gotzen in Frage gestellt, das Imperium Romanum und das dritte Reich. | Hier vor diesem schabigen SchloB eines spanischen ! Granden war die Grenze, und der Lautsprecher bewies es. (S . 409) 1 | Neue Truppen wurden den Internationalen zu Beginn des Sommers 1937 zugefuhrt und man sah der schwerwiegenden 'schlacht von Huesca mit grofier Zuversicht entgegen. Da traf i ;am ersten Tag dieser Operation eine Artilleriegranate un- gliicklicherweise den Kommandowagen der Brigade, totete Lukacz und verwundete Regler schwer. Mit der Niederlage der Republik an diesem Abschnitt begann ihr unabwendbarer Nie- j Idergang. Regler aber verbrachte vier Monate lang in einem I iMadrider Krankenhaus, bevor er wieder einigermalien zusammen- i igeflickt war^ um seinen bereits im vorausgegangenen Kapitel 379 jbeleuchtete Hilfsaktion zugunsten des spanischen Volkes zu ;unternehmen. Nach der Ausfuhrung dieser Funktion schrieb ! der Autor das Buch uber die Internationale Brigade The Great i 2 7 I Crusade. Frederick R. Benson nennt es in seinem Werk I Writers in Arms einen episodenhaften Schliisselroman, der die’ IKampferlebnisse der Internationalen Brigaden zum Inhalt hat j ; ! i (S . 115) . j i Naher betrachtet erstreckt sich die Handlung von The Great Crusade auf die siegreichen sechs Monate 1936-1937, von der Verteidigung Madrids bis zu dem iiberwaltigenden Sieg; I von Guadalajara. Im Mittelpunkt stehen die heroischen Tatenj der aus alien Nationen kommenden Angehorigen der Interna- Itionalen, wobei sich zahlreiche Einzelheiten mit Ausfuhrun- j ( I igen in Reglers Autobiographie uberdecken. Der Roman grenzt an eine berichtartige Wiedergabe der Geschehnisse, wie I Hemingway in seinem Vorwort zu diesem Werk feststellt: The greatest novels are all made-up. Everything in them is created by the writer. He must create from knowledge, of course, unless his book is to be a tour de force . . . But there are events which are so great that if a writer has participated in them his obliga tion is to try to write them truly rather than assume j the presumption of altering them with invention. It ! is events of this importance that have produced Regler's 1 book. (The Great Crusade. S. xi) i [ i 2 7 j New York & Toronto: Longmans, Green and Co., 1940. 380 Wenn wir dennoch Regler Buch zur Unterscheidung vora Bericht als Roman bezeichnen, so mit der Argumentation, dafi der | jAutor nicht eine historisch getreue Schilderung der einzel- |nen Etappen der Internationalen beabsichtigte, sondern fur | ! den Geist der Kampfe bedeutende Episoden herausgriff. Unterj Idem gleichen Vorwand stattete er die einzelnen Charaktere i : j jmit fiktiven Namen aus, wobei sich jedoch die Person Albert I schon dem fliichtigen Leser ohne grofie Schwierigkeiten als |der Autor selbst entpuppt. Unter den Hauptthemen, die in ■diesem Buch anklingen, steht die Bedeutung dieses Kampfes : i gegen den allgemeinen Feind Faschismus fiir die aus ihren j Heimatlandern vertriebenen Emigranten an erster Stelle. In j diesen Worten stellt der Schriftsteller deren Schicksal dar: i They had to hire themselves to all the road builders of Europe, had passed their winters in the mud, their summers in the blazing heat of the building lot. They 1 were the first to be swept out of the factories, like | dirty trash, when a crisis came. Even in their dreams j they were pursued by fear of the ticket from the "pre fecture" that would ban them from the country. They had opened shoemakers' shops in little holes in the workmen's districtsj they had gone through the suburbs with a cart shouting their melodious cries for rags and worn out pots up at the house fronts. Their eyes had roamed unsteadily along the windows; weary was the hand that pushed the cart . . . They had wandered even into the mines of the north of Belgium and when they came back from the coalpits they would sit in tiny dor- | mitories. The riches of earth only passed through their j calloused hands, then flowed on, and the riches of their Italy . . . was squandered on senseless wars by the 381 ! ambitious tyrant. For twenty years they had felt impo- | tent. (S. 384) ! i Hier in Spanien hingegen hatten sie einen Stahlhelm auf | ihrem Kopf und ein Gewehr fiber ihrer Schulter und sahen eine i i I l Chance, dem fiber ganz Europa sich ausbreiten wollenden ! ; i Faschismus Halt zu gebieten. I ; i Zu den besten fur die Unterstiitzung der Republik ge- i kommenen Kampfern zahlt der Brigadearzt Werner. Madrid war ’ seine neue Heimat, von wo aus die Befreiungsarmee vorbrechen Iwiirde, um ihr Zeitalter vom Faschismus zu befreien. Ihm zur: Seite steht der Brigadekommissar Albert, alias Regler, der die Sache des spanischen Volkes zu der Seinen gemacht hatte,; damit die brutale Macht, die ihn aus Deutschland vertrieben lhatte, auf der Iberischen Halbinsel eine Niederlage erleide. Einst iiberzeugter Katholik hatte er die Haltung der Kirche ■nicht mehr mit seiner Vorstellung eines allgemeinen herr- schenden sittlichen Gesetzes vereinbaren konnen. Was in ihmj jedoch geblieben war, war die Leidenschaft fiir die Logik der Gerechtigkeit und Ritterlichkeit selbst dem Feind gegenuber: . . . of this he had preserved more than the descend- I ants of the Crusaders, in their mixtures of spineless | complacence and rigid intolerance could show in our time, j He demanded of every man who fought that he respect con- ! viction even in his opponent, that he oppose him with ! clean weapons. (S. 20) 382 Diese Aura der Ritterlichkeit, der Geist der Kreuzziige, j ! durchzieht auch Reglers Darstellung der Kampfe. Ungeachtet i .des Mangels an Ausriistung und der groBen Not infolge der ; schlechten Nahrungslage kampfen die Internationalen und das ispanische Volk unter dem Zeichen der menschlichen Bruder- I I ischaft und Solidaritat und uberwinden die schwersten Stunden! jdurch ihr Vertrauen auf die Kameradschaft der anderen. Wie im Spanischen Kriegstagebuch von Kantorowicz blei- ’ :ben auch bei Reglers Darstellung der Geschehnisse desillu- sionierende Erfahrungen nicht aus. Sowohl das Element des Verrats, als auch ein Aufkommen des Zweifels iiberschatten j die Zuversicht in den Einstehen fiir eine Sache. Geriichte ikursieren, daB Arzte sabotieren, wichtige Offensivplane ; i igelangen in die Hande des Gegners, wahrend Angehorige fiih- | : ! render Kommanc?stellen immer haufiger desertieren. Auch mehren sich die Eindriicke, daB sich die Internationa len un- erwiinscht fiihlen, wenn deshalb Albert den Doktor fragt: Don't you sometimes have the impression that they don't want us in this country? Aren't there moments when treason comes so thick and fast that you can't help thinking our leaders don't want a victory? No, I'm not talking about the Communists, not about Negrin, but about all the useless baggage sitting around in the ! Ministeries and Staffs . . . (S. 427) i IHinzu kommt, daB sich die Frage erhebt, ob durch einen 383 eventuellen Sieg der Republik nicht groBere Gefahr in Form I von Diktatur drohe, die sich bereits wahrend des Krieges I labzeichnet. "Dictatorship never changes the worlds" argu ment iert Werner, | l and I distrust the rebirth of that hideous slogan that j I the end justifies the means . . . What good is it to j defeat fascism, if your new state is to be ruled by suspicion? I could never be happy if I had to smell i ; the police at every street corner of our fine new I world. (S. 433-434) jwie Albert und Werner verlieren viele Mitkampfer ihren Glau- ;ben an die Verwirklichung ihres Ideals in Verbindung mit dem; i ! Kommunismus oder unterziehen zumindest ihre politische An- schauungsweise einer kritischen Beleuchtung. Die Notwendig-; keit eines Sieges der republikanischen Seite in Spanien selbst geben sie jedoch nicht preis. Und so endet The Great Crusade trotz angeschlagener Ideale mit der Hoffnung auf i einen Sieg gegen Franco und den Faschismus. DaB trotz des relativ optimistischen Ausgangs des Ro mans Regler in Wahrheit realistischer dem Auskommen des Spanienkrieges entgegensah, konnen wir an Hand seiner Auto- jbiographie erschlieBen. Fiihlt er zunachst, daB seine Er- wartungen in Spanien erfiillt werden und eine neue Zukunft bevorsteht, so verdiistert sich doch sehr bald diese positive! jHaltung. War zunachst nur das gute RuBland zur Unter- 384 stiitzung der Kampfenden eingetroffen, so folgte ihm ohne ! Verzug das damonische nach. Er berichtet uns uber die An- j iwesenheit russischer ErschieBungs-Detachements, stellt die j jvon Moskau ubertragene Spionensucht bloB und auBert seine ! Enttauschungen uber den Abzug russischer Hilfe aus der 1 iRepublik. Neben den iiraner ernsthafter sich auswirkenden IMangeln an Fuhrung und Material in den Truppen stehen die bhaotischen Zustande der republikanischen Regierung einem Glauben an den Sieg im Wege: i Wir haben in Valencia eine dauernde Regierungskrise. Caballero wehrt sich gegen kommunistischen EinfluB. Die Russen halten mit den Waffen zuruck. Auch Getreide kommt nicht mehr . Es ist alles ein Handel. Wir sind nur die Bauern in diesem Schachspiel. Manchmal blu- tende Bauern, manchmal auf die Seite gestellt. Die Kommunisten wollen erst den Krieg gewinnen, die Anar- chisten wollen schon jetzt etwas Reales sehen: Koope- rativen, Landverteilung, verbriefte Rechte, eine neue Welt. Caballero sitzt zwischen den Stiihlen. (Das Ohr des Malchus, S. 405) Schon vor der siegreichen Schlacht von Guadalajara gibt ideshalb der Autor die Hoffnung an ein Gelingen ihrer Sache auf und notiert: "Ich brauche keine [Zeitungen] mehr zu ;lesen, ich weiB, wir sind verloren" (S. 403). Nur dem un- jerschiitter lichen Optimismus von General Lukacz verdankt er ;es, daB er doch noch einige Zeit aushalt. Mit dem endgiilti- j gen Zusammenbruch der Republik ist auch sein Ideal, sein 385 jldeal, sein Glauben an eine neue Zukunft vernichtet. i besillusioniert beobachtet er noch den Ubergang der Reste | jder republikanischen Armee und Internationalen nach Frank- Ireich, wo die Spanienkampfer eine neue Enttauschung erwar- jtete: | Die Spanier verstanden noch immer nicht. Es ist bis zuletzt ihr tragischer Irrtum gewesen, an eine inter - I nationale Solidaritat zu glauben. Madrid, Hauptstadt aller Antifaschisten, Burg des berghohen Mutes und des abgrundtiefen Glaubens. Da war nun ein anderer Abgrund. (S. 430) Wie Kantorowicz hatte Regler die Herrschaft des damo- nischen RuBlands in Spanien friih erfahren, aber in dem iGlauben "alles ist besser als Faschismus" bis zum unabwend- baren Ende ausgehalten. Er selbst nannte es einen Kompro- mifi, den KompromiB von Hunderttausenden (vgl. Das Ohr des Malchus, S. 424). Obwohl er durch diese Erfahrungen zu- i tiefst in seinem Glauben an den Kommunismus erschiittert wurde, brach er endgultig mit der Partei erst nach deutsch- j sowjetischen Angriffspakt, als er sich bereits in seinem iExilland Mexiko befand. i i | Was den kiinstlerischen Wert seines Spanienbuches an- i i i jbelangtj so mochte ich hier nur auf Frederick R. Bensons Urteil uber The Great Crusade hinweisen, der feststellt: "Undoubtedly, Regler possessed a great gift, for the 386 narrative and the action scenes in his book are vivid" I (S. 117). Auf eine ausfiihrliche Bekraftigung dieses Urteils i imochte ich jedoch an dieser Stelle verzichten. Zitiert sei j | I jhier nur die gut getroffene Szene der Verwundung Alberts und ides Todes von General Paul, alias Lukacz: | j I There was the city before them. The roofs of the houses j 1 rose above the straight avenue of plane trees that lay between them and the first lines . The cathedral thrust j a heavy spire on high. A brownish gold tinged tiles and j stones; the windows reflected light; it played down from the edges of the walls onto the green roof of the plane : tree tunnel, through which the road ran as if in a shadow ! dugout. "Beautiful," said Albert, and turned smiling to Paul; they something struck him in the side like the blow : from a heavy crowbar. The smile on his face was distorted! into helpless pained astonishment. He looked into the ! windshield where the image of the city was already shat tered in the sharp white lines of the broken glass. The city was caught as if in a spider web. (The Great Cru sade , S . 439) Mit der Beleuchtung von Reglers Werk zum Spanienkrieg, das uns auf eine nicht unliterarische Weise einen interes- ! santen Einblick in die Vorgange auf der Iberischen Halbinsel gewahrte und besonders die problematische Haltung des Autors Gangesichts der Entwicklungen verdeutlichte, sind wir am Ende unseres ersten Abschnitts der GroBen Prosa angelangt. Tage- jbiicher und berichtartige Darstellungen des Kampfes zeichnen sich in erster Linie durch ihren informativ-dokumentarischen Gharakter aus und setzen sich, wenn auch oft gepragt von 387 partei-politischen und propagandistischen Bestrebungen mit 'den durch den Burgerkrieg gestellten Themenkreis auseinan- jder . Besonders wertvoll erscheint uns dabei die Bedeutung ides Kampfes fur die im Exil lebenden Schriftsteller und lixberhaupt fiir alle Exulanten, die durch den Faschismus aus j ; I i I jihrer Heimat vertrieben worden waren. Die Erwartungen wer- j Iden aber von der Realitat nicht immer erfiillt und desillu- sionierende Erfahrungen besonders im Zusammenhang mit par- teilichen Uberwurfnisses zeichnen sich in zunehmenden Mafie j mit dem Fortschreiten des Krieges ab. In vielen Fallen j bleiben die Spanienberichte nicht sachlich und ungeschmiickt, | und die Autoren sprengen die Mitteilungsform des Berichts j mit grofiem schriftstellerischen Konnen. Eine weitere zu- sammenfassende Einschatzung und Auswertung dieser Werke als Bestandteil der "GroBen Prosa" sei jedoch zunachst einer Untersuchung des ubrigen dichterischen Schaffens im Rahmen dieses weitreichenden Genres vorbehalten. ! i Romane Nach Reglers Beitrag uber den Spanienkrieg The Great j Crusade, der eine Art Zwischenstellung zwischen berichtarti- ! iger Darstellung und fiktiver Dichtung einnahm, konnen wir izur Behandlung derjenigen Werke fortschreiten, die sich mit 388 Spanien als literarisches Sujet in Romanform befassen. babei bietet es sich an, zuerst Autoren wie Eduard Claudius, E . Walter Gorrish, Bodo Uhse, Friedrich Wolf., Anna Seghers jund Hanns Maassen zu behandeln, die die Kampfenden selbst beleuchten. Ihnen folgen die den Spanienkrieg von einer | i : iveranderten Perspektive sehenden Schriftsteller Karl Otten | ! i lund Hermann Kesten. Den Abschlufi soli die Dichtung von | I t ! , I Ernst Sommer bilden, den die Geschehnisse in Spanien zu einer historischen Studie der Verhaltnisse angeregt haben. ; ‘ i Kehren wir zu Eduard Claudius zuriick, so ist er uns | schon durch seine Erzahlung "Das Opfer" bekannt. Der Dich- I ter war 1934 in die Schweiz emigriert, wurde jedoch zwei Jahre spater verhaftet und sollte 1936 als unerwiinschter i j Auslander nach Deutschland abgeschoben werden. Dies hatte ! ! i semen sicheren Tod bedeutet. Nur mit knapper Muhe entging er diesem Schicksal. Ein verstandiger Kriminalbeamter lieli ihn kurz vor seiner Ubergabe aus dem Personenzug entkommen. Wie Tausende anderer begab er sich nach Spanien, um dort an den Fronten des Biirgerkrieges gegen den Faschismus zu kam- jpfen. Sein Bataillon wurde zur Verteidigung der bedrohten Hauptstadt herangezogen, wo es schwere Verluste erlitt. Der Autor wurde verwundet, kehrte aber wieder in die Linien Izuruck, wo er schliefllich als Kriegskommissar einer Kompanie 389 des Edgar-Andre Bataillons die schwersten Kampfe durchzu- jstehen hatte. Wiederum wurde er verletzt und endlich als kriegsuntauglich nach Frankreich entlassen. Um sich der Verfolgung durch die Gestapo zu entziehen, floh er Ende 1939 ierneut in die Schweiz * wo 1944 sein Spanienroman Griine Oli- j ! 2 81 I ven und nackte Berge im Steinberg Verlag, Zurich erschien. ! i Da das Werk die reine Darstellung seiner personlichen | l Erlebnisse in diesem Krieg sprengt, wollen wir im folgenden ; darauf verzichten, den zahlreichen autobiographischen Ziigen I 1 I 'nachzugehen. Dem Roman vorangestellt ist die tiefgriindige Frage: Lohnt es sich iiberhaupt fiir eine Sache zu sterben, wenn man zum Leben eine positive Stellung einnimmt? Bereits; iin seiner Erzahlung "Das Opfer" hatte er diese Frage aufge- l worfen und durch das Verhalten eines jungen Spaniers bejaht. ! In der Auflehnung gegen die Unterdriickung und fiir die Be- freiung der Mitmenschen ist die personliche Aufopferung notwendig. Im Roman lesen wir eingangs: Liebe noch einmal alle Liebe, die Du je geliebt* und i dann frage: Lohnt es, fiir das Vergangene zu sterben? Es lohnt nur zu kampfen und zu sterben fiir alle Geriiche, i die Du noch nicht gerochen. Fiir jeden Geschmack, den j Du noch nicht geschmeckt. Fiir alle Melodien, die Du j 2®Ich stiitze mich hier in dieser Arbeit auf folgende jAusgabe: Eduard Claudius, Griine Oliven und nackte Berge |(Miinchen: Verlag Kurt Desch, o.D). 390 noch nicht gehort. Fiir alle Taten, die Du noch nicht tatest und die man Dir verwehrt zu tun. Fur alle Ge- danken, die Du noch nicht gedacht und die man Dir ver- ; wehrt zu denken. Fur a lies , was noch fiir uns auf den ! heftig rauschenden F luge In der Zeit kommt, fiir das lohnt ! es zu sterben. Nur fiir das Zukiinftige, das man Dir ver- wehren will, lohnt es zu leben und zu sterben. (Griine Oliven, S. 8 ) — _ I Im Mittelpunkt der Handlung steht der emigrierte deut- ! I |sche Ruhrarbeiter Jak Rohde, der nicht als Unerfahrener auf j | I dem Gebiete des Widerstands nach Spanien geeilt ist, um dem j spanischen Volk zu helfen und fiir die Freiheit zu kampfen. i AIs loyaler Parteigenosse und Klassenkampfer hatte er schon j friih an Streiks und Demonstrationen teilgenommen und hatte j sich, um seinen faschistischen Verfolgern zu entgehen, auf den StraBen Europas herumtreiben miisse . Er war ein Teil des igroBen Gespenstes, das sich in Europa fiihlbar machte: Er war ein Mensch ohne Namen gewesen in den Jahren der Emigration. Und man nannte sie Strolche, Hergelaufene, weil man wuBte, sie waren keine Strolche. Er hatte das Manifest gelesen, dessen letzter Absatz mit den Worten j beginnt "Ein Gespenst geht um in Europa", und war ein | Teil des Gespenstes, ein Mensch mit vielen Namen, aber bekannt unter alien. Er hatte zu tun gehabt mit der Aktion an der Schaffhauser Grenze. Als der groBe Pro- zeft in Wuppertal stattfand, half er mit, er, ein Teil des Gespenstes, daB die Welt davon erfuhr. Er hat mit : vielen Dingen zu tun gehabt. (S. 29) ! In den spanischen Burgerkrieg aber war er gezogen, um wieder i jMensch zu werden, denn Mensch ist nur, wer kampft und weiB, iwofiir er kampft. Der Burgerkrieg ist fur ihn eine gerechte 391 Sache, denn er ist nur eine Form des internationalen Klas- senkampfes gegen Verknechtung. Wie schon der Titel des t iRomans andeutet, gehoren in Spanien "Griine Oliven, " das j jfruchtbare Land und das Wasser den Granden, "Nackte Berge," jdas unfruchtbare steinige Land bleibt aber den armen Bauern ' I | jiiberlassen. Es geht um die nationale und soziale Befreiung, I ider sich der Faschismus mit aller seiner Macht entgegen- i ; t ; i stellt. Auch gibt er als deutscher Kriegsteilnehmer Zeugnis 'von einem anderen, besseren Deutschland, das sich nicht j Hitler verschrieben hat und dem spanischen Volk in seiner | Bedrangnis zu Hilfe geeilt ist. Jak Rohde kampft fiir die Zukunft, fiir eine schonere und gliicklichere Welt, und im , Glauben daran ist es ihm moglich, alle auftauchenden Hinder- nisse zu iiberkommen. Schwierigkeiten aller Art haufen sich ;in diesem Krieg. Den an Erfahrung fehlenden Freiwilligen- truppen geht jegliche Disziplin ab, was zusammen mit mangel- hafter Ausriistung und anderen MiBstanden bis zu siebzig Prozent Verlusten fiihrt. Verrat und Feigheit vor dem Feind und zunehmende Desertionen schwachen zudem die eigene Kampf- kraft. i | Angst vor dem Tode hat auch er zu iiberwinden, denn Iselbst von ihrer Sache iiberzeugten Kommunisten bleibt dieses ;Gefiihl nicht fremd: 392 1 Es ist wirklich so, dafi jeder Angst hat; auch ein Kom- munist hat Angst vor dem Sterben; niemand lebt so gern | wie ein Koxnmunist. Da miissen nun die Krafte eingreifen, I die aus der Idee, aus dem dialektischen Denken kommen. | Und Begeisterung mufi da sein— ich meine nicht die, die | sich schreiend mit roter Farbe gefallt, sondern die, die j als eine klarende Glut in einen gesenkt ist und, wenn die Probe kommt, zur hellen Flamme auflodert. (S. 83) | | jMut schopft Rohde auch aus dem Wissen um das Einstehen fur ! i |eme Freiheitsbewegung, die schon jahrhundertelang andauert.: So erfahrt er aus den Worten eines Bauern : i Sterben tut nicht weh. Leben, wie wir gelebt haben, ! ! tut weh; es war nur ein immerwahrendes Angstlichsein j vor der Gewalt der Herren- Dieses Leben tut weh, ver- kiimmert dich; du kannst nie der sein, der du hattest i sein konnen. Du kampfst, und ich habe gekampft; wir beide kampfen seit vielen Jahrhunderten. (S. 199) War einst der Widerstand auf die bloften Fauste der Arbeiter I I ,beschrankt, so hatte man jetzt wenigstens Gewehre und Hand- granaten zur Verfiigung. i Am Ende aber mufi auch Rohde seine Zuversicht uber einen Sieg in Spanien einer nochmaligen Priifung unterwerfen. Zweifel an dem Auskommen des Krieges kommen in ihm auf, konnen aber dem Verfolgen seines Ideals keinen Abbruch tun. |Die geschichtliche Aufgabe der Internationalen wird dennoch jnicht beeintrachtigt, wie der Mitkampfer und politische I Leiter Fernando zum Ausdruck bringt: i I Noch haben wir den Krieg nicht verloren, aber vielleicht ' geht er verloren, und dann konnte es aussehen, als sei 393 I wirklich alles umsonst gewesen, Aber es sieht nur so ; aus. Was wir den vielen Menschen in Europa und in der Welt sind, wissen wir nicht genau, aber es kann sehr J viel sein. Aber daB wir diesen kommenden groBen Krieg ! hinausgeschoben haben, ist sicher, und wenn wir den Krieg gewinnen konnen, konnen wir vielleicht den nach- ! sten groBen Krieg verhiiten. (S. 2 59) j ; Unbeschadet aller faschistischen Greueltaten und Aus- ! wiichse in Spanien bleibt die Liebe der Heimat Deutschland j i I | I ! unerschuttert. Der Spanienkampfer weiB zwar, daB man als ! ' I iDeutscher mitschuldig ist an den Untaten und auch Schuld an ; leinem kommenden Krieg tragt, Deutschland als Nation steht • j ! jedoch eine Wiedergeburt vor. In diesem Sinne bejaht Fer- j ; I I nando die unter den deutschen Internationalen oft gestellte j Frage: I | Aber darum sein Volk uns sein Land nicht lieben? WeiBt du, warum ich mein Land liebe? Weil ich oft in den grauen Stunden die schone Zukunft sehe: wenn dies alles vorbei ist . . . und Deutschland ein Menschenland ist; dann wird es sein, wie wir es uns ertraumen, darum liebe ich es . . . Wir konnen unsere Herkunft nicht leugnen, wenn wir nicht zugleich unsere Zukunft mitleugnen wollen. Und wir wollen doch einmal eine Zukunft haben. (S. 308) Nach zweimaliger schwerer Verwundung wird Rohde fiir frontdienstuntauglich gestellt und nach Paris entlassen. |Aus einem Krieg gekommen, der noch nicht zu Ende war, be- Ikommt er zum Lohn fur die geschlagenen Schlachten gegen ei- i jnen Feind, der auch Frankreichs Feind war, eine Unter- jstutzung von nur wenigen Francs. "Abende ohne Licht, schwarze Nachte, und als eine Front nach der anderen fiel i iund man die vielen Schlage verlorener Schlachten und der | <durch Europa verratenen Siege ins nackte Gesicht bekam, | ! i •waren auch die Tage ohne Helle geblieben" (S. 315)• Damit J I i igibt uns Claudius ein getreues Bild dieser von alien Natio- j !nen VerstoBenen in der Emigration. Frankreichs Untergang S ! I jsteht bevor und die meisten Franzosen reagieren apathisch I auf Rohdes Versuche, die zu einer Gegenwehr zu aktivieren. DaB man mit der Unterstutzung des freien Europas den Krieg i i in Spanien hatte gewinnen konnen und somit die groBere Ge- j ; fahr eines Weltkrieges havte abwehren konnen, wird Rohde !klar, wenn er mit Neid auf Eisenbahnen montierter riesen- ! hafter Geschutze in Frankreich gewahr wird: j Mit diesen Geschutzen hatte man den ganzen Krieg ge winnen konnenj aber in einem oder zwei Jahren, da wer- | den die paar Geschutze nicht mehr den Krieg gewinnen; da werden es Kinderspielseuge sein gegen das, was Hitler euch gegeniiberstellt. Mit euren Flugzeugen hattet ihr : jetzt euren Krieg von Madrid gewinnen konnen, aber in ein, zwei Jahren konnt ihr mit diesem Rumpelzeug nicht | einmal mehr mit fliegenden Fahnen untergehen. (S. 344) j I I In Paris begegnet er auch seiner Geliebten Thea wieder, |die ihn zu einem gewohnlichen Leben in Abgeschiedenheit von !den politischen Vorgangen zu uberreden versucht. Seine jpolitischen Aufgaben lassen sich nicht mit einem personli- i jchen Idyll vereinbaren. Er hat sich dem Kampf verschworen 395 und sein Leben einer Sache geweiht: i Ich habe mich verpflichtet zu kampfen. Fur immer . Ich ! bin in die Partei eingetreten, weil man keinen Kampf j ohne Formation kampfen kann. Ich bin aus dem Krieg ge- ; kommen, aber der Krieg ist noch immer. Gestern war ich | an der offenen Front, nun bin ich im Hinterland des i Feindes. Ich bin ein Partisan, ein Teil des Gespenstes, | und da, wo mich die Partei hinschickt, werde ich hin- | gehen. (S. 360) |Nach einigem Widerstand erkennt schlieBlich auch Thea, daB ;die Erfullung des Lebens in dieser Welt im Kampf urn eine |neue bessere gesellchaftliche Ordnung besteht. Darin ist !das personliche Gluck zu suchen Wahrend Rohde in ein franzosisches Internierungslager gebracht wird, geht sie Inoch einmal durch die Strafien von Paris: Sie wuBte nicht, daB sie ihr Gesicht wie eine Flamme ! durch die StraBen trug und leuchtete in der Finsternis jener Tage, in denen nur wenige wuBten, daB die Helie schon fern hinterm Horizont stand und nur wartete, daB j sich diese harten, schweren Tage zum Sterben hinlegen wurden und neue Tage kamen, in denen man von jenen harten und fruchtbaren Tagen sagte: sie waren, aber sie werden nicht mehr sein. (S. 423) Dieser betont optimistische SchluB steht nicht im iGegensatz zur weiteren Haltung des Autoren unter dem Druck Ides zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit. Im Gegen- 1 Isatz zu Kantorowicz, Regler und Kostler festigte das Erleb- inis in Spanien Claudius' politische Uberzeugung. Noch heute wird er in der Deutschen Demokratischen Republik als der 396 exemplarische "Arbeiterdichter" angesehen. Als bewuflter ;Kampfer fiir die Partei, fiir die Sache des Proletariats, fur i den Kampf gegen die Unterdruckung durch die herrschenden jKlassen hat er selbst nach dem Zusammenbruch der spanischen : i i i ; I \ iFronten die Hoffnung auf einen endgiiltigen Sieg, den Sieg j jihrer Sache, nicht aufgegeben. ; ! i Griine 0liven und nackte Berge ist ein bedeutender Bei- j trag zur politischen Literatur in Sinne des "sozialistischen! Realismus." Es zeigt eine beispielgebende Personlichkeit ' ! I "inmitten der Realitaten des revolutionaren Klassenkampfes," wie wir in der ostdeutschen Literaturkritik lesen konnen ! (Bodo Uhse. Eduard Claudius, S . 98) . Veranderung der Welt ■ |und Befreiung der unterdriickten Menschen, das ist die Grund- iabsicht dieses Werkes . Aber auch fiir den westlichen Leser 1 bietet das Werk von Claudius tiefe Einblicke in die spani- j sche Situation und deren weittragenden Bedeutung fur die Emigranten. Betrachten wir die literarische Gestaltung I i i I dieses Romans, so finden wir, dafi der Schriftsteller nicht i i |nur der Forderung des Tages nachkommt, sondern auch Ansatze leines echten Kiinstlertums nachweist. Trotz des propagan dist ischen Grundtons vermochte er, die Handlung in packenden ;Szenen darzustellen. Traume und Einschiibe von Erinnerungen |erweitern die unmittelbare Schilderung der Vorgange. Die 397 Sprache ist unkompliziert, naturlich und oft fast natura- jlistisch. Das beste Stilmittel bildet jedoch sein Gebrauch | Ivon Bildern. So spricht er beispielsweise im Zusammenhang | mit einer Landschaftbeschreibung von den "pilzigen Hauben t i j j jder Olivenbaume liber dem Manzanares, stumpf, schweigsam" ! J I |(Griine 0 liven, S. 152) . Und anlafilich der Schilderung einer j I i ; i jSchlacht vergleicht er die Jagdflugzeuge mit kleinen schnel-j i len Sperbern^ wohmgegen die Bomber als schwere schwarze 1 Rabenleiber gezeichnet werden. Erotische Szenen dagegen ; | ; i sind nicht seine Starke. Sprachbilder in bezug hierauf : i grenzen nicht selten an Kitsch. So stehen Briiste hart wie ! frische Birnen und wippen wie goldene Vogel auf einem para- i ;diesischen Baum. Den Tanz einer jungen Spanierin aber sieht er als "ein Beben^ wie es im Friihling uber die Erde geht, wenn junge Rosshufe sie peitschen" (S. 171). Wenn wir in i ; • I Paul E. H. Liiths Literatur als Geschichte lesen, Eduard ] Claudius befande sich mit seinem Roman Griine Oliven und nackte Berge erst auf dem Wege eines echten Dichtertums (S. ii), so kann ich nicht umhinj mich diesem Urteil anzu- I Ischliefien. i i Die von Eduard Claudius aufgeworfene Problemstellung yon Spanien als dem Land der "nackten Berge" ruckt bei jWalter Gorrish in das Zentrum seiner kiinstlerischen 398 Gestaltung des Spanienkrieges. Erst im Jahre 1946 brachte I !der Dichter, der wahrend des Konfliktes als Adjutant Ludwig ! 29 |Renn zur Seite stand, seinen Roman Urn Spaniens Freiheit jzur Veroffentlichung, dessen Titel spater nach dem gleich- ' i jnamigen Film Mich diirstet umgeandert wurde. Diese neue ! ;Titelgebung spiegelt die Grundidee des Romans von Gorrish j i I iwider, den Durst der spanischen Erde nach Wasser und den \ i t , i Durst des spanischen VoIkes nach einer neuen menschenwurdi- • [gen Ordnung. Beides wird nach Gorrish durch die Herrschaft j I der GroSgrundbesitzer und der hohen Geistlichkeit verwehrt, : die mit ihrer Herrschaft uber die Quellen auch die Macht im ! Lande haben. i Es gab Padres, die mehr Land unter ihrer Macht besafien | als mancher Grande. Doch der wirklich einzige Unter- schied war, daS der Grande Reitstiefel trug und der Padre Alpagatas. Den einen horten sie kommen, den i anderen nicht, aber von beiden wurden sie getreten. j (Urn Spaniens Freiheit, S. 12 07) j Am Werdegang und Lebensweg des siebzehnjahrigen Land- |arbeiters Pablo zeigt nun der Schriftsteller auf, wie das . |spanische Volk im Sommer 1936 aufstand, um sich seines feu- jdalistischen Zustandes zu entledigen. Um ihre Felder vom I i ivolligen Austrocknen zu bewahren, totet Pablo den i i I ^Berlin: Aufbau-Verlag, 1946. 399 Brunnenwachter und gibt daxnit den Weg zur Revolution frei. 'Pablos Tat ist dabei mehr seinem instinktiven Einstehen fur i 'die Natur und das vom Hunger bedrohte Volk zuzuschreiben als jeiner bewuSt politischen Handlung: Und ihre Not war seine Not. Die Frucht gehorte ihm. ! Und er gehorte ihr. Von Sonnenauf- bis -untergang ver- j 1 langte sie nach ihm. Durch seine unermiidliche Arbeit j hatte er ihr seinen Atem eingehaucht, und wiederum wiirde ' 1 sie ihm Kraft geben, neues Leben zu erzeugen . . . Ent- j schlossen richtete er sich auf und ging auf das Becken I zu. (S. 17) | !ln seiner Unwissenheit, wie der Autor kommentiert, wuBte er j noch nicht, daB sein Vorgehen nur die notwendige Wir'kung von; gesetzmaBigen Ursachen war, daB die neue Regierung durch den| igemeinsamen Willen des VoIkes entstanden war, und daB ihre jneuen sozialen und politischen Gesetze der Ausdruck eines dringenden Bedurfnisses aller Volksschichten waren. In den inun folgenden Ausfuhrungen konnen wir die Entwicklung des geistig und politisch ungebildeten Feldhiiters zu einem ziel- ( strebigen Klassenkampfer fiir die Rechte der Unterdriickten ialler Nationen beobachten. Sein Durst nach Bildung und jWissen wird gestillt, er lernt lesen und schreiben. Taga, | iein getreues Mitglied der kommunistischen Partei, macht ihn | mit deren Richtlinien vertraut und schildert ihm RuBland als | |das vorbildliche Land, wo Menschen wohnen, die vor langer I 400 Zeit siegreich gegen ihre Granden gekampft habe. Und die I Kommunistin Magdalena entziindet nicht nur seine heftigen i jLeidenschaften, sondern unterrichtet ihn auch im richtigen Vorgehen fur den Sieg ihrer Sache. Von ihr lernt er, daB jnichts fiir die Unterdriicker so todlich ist, wie der ge- ! jschlossene Wille der Unterdriickten. Daher miissen nicht zu- ’ i ! jletzt Stadt und Land sich vereinen, um erfolgreich gegen den; gemeinsamen Feind vorgehen zu konnen. Dariiber hinaus be- starkt ihn aber Magdalena auch in seinen Zukunftsplanen, demj Fruchtbarmachen der spanischen Erde durch ausgedehnte kiinst- liche Bewasserungsanlagen: 1 | Er baute phantastische Aquadukte iiber hochste Hohen und uber tiefste Tiefen hinweg. Magdalena glaubte ihm alles aufs Wort . . . Ihre unerschvitterliche Siegeszuversicht | an der Erreichung seiner Ziele weckte verborgenste Ener- gien in ihm, liefi sie zusammenstromen zu einer einzigen j WillensauBerung . . . Er wiirde aus Wasser Erde machen. j (S. 137) | Nachdem jedoch seine Geliebte in einem Lazarett durch deut- sche Bomben getotet wird, richtet sich Pablos ganzer Hafi j i gegen Deutschland, das er mit der grausamen Tat identifi- 'ziert. Sein hohes Ziel, Damme und Aquadukte zu bauen, j I jweicht einem anderen Vorsatz: Er wollte lernen, wie man tausende Manner gegen die : Feinde seines Volkes fiihrte. Sein HaB sollte tausende ; Arme, Herzen und Hirne lenken. Mit ihnen wollte er sich einen Weg bahnen zu den schrecklichen Sohnen dieses 401 j schrecklichen Volkes . . . Ihre Erde wollte er toten. (S. 145) per Kontakt mit den Internationalen laBt in ihm alsbald fast junmerklich ein neues Gefiihl aufkommen. Er ahnte, daB der jSolidaritatsakt seiner Kameraden ihren eigenen Leiden ent- j jsprang. Ein anderes Deutschland als das, das die Bomben j i j jverkorpern, zeigt sich ihm in den deutschen Spanienteil- I j i i I inehmern, die begeistert in den schweren Kampfen ihren Mann jstehen. War Pablo bisher nur ein Samenkorn, das der Pflege j ibedurfte, so sollte er jetzt zum Samann werden, dem der ; Samen anvertraut wurde. Der ehemalige Feldarbeiter wird | i abkommandiert, eine Offiziersschule zu besuchen. Wenn er 1 sich auch in diesem Ausbildungsabschnitt auszeichnete, so jwar dies darauf hin zuruckzufiihren, daB er es als ein jSprungbrett ansah, seine Zukunftsplane zu verwirklichen. Je besser er lernte, um so mehr konnte er seiner Heimat geben, um so eher konnte er Damme bauen! Sein erster Kampf war um Wasser gewesen. Damals hatte er um des Lebens willen zum erstenmal getotet. Nur darum wollte er es auch in der Zukunft tun. (S. 190) Trotz des heldenhaften Einstehens der Kampf er fiir die jRepublik haufen sich jedoch die Verluste, und eine Niederlage I folgt der anderen. Die sogenannte Nichteinmischungspolitik i :der europaischen Regierungen, gepaart mit der Verbiindung I jailer Granden in der Welt gegen das spanische Volk machen 402 es Pablo und den Seinigen unmoglichj das gesteckte Ziel in ;Spanien zu erreichen. Auch wird er schwer verwundet und I ;Sieht sich gezwungen, vom unmittelbaren Kampf auszuscheiden. I ;Eine Einladung in die Sowjetunion gibt ihm jedoch neue Hoff- ; i nung, denn dort wxrd er sich nicht nur von seiner Verwundungi I j ierholen, sondern auch fur seine Aufgabe in einem einmal : | | ;befreiten Spanien vorbereiten. Als Wasserbauingenieur wird j ; | er zuriickkehren., um die nackten Berge seiner Heimat in fruchtbares Land umzuwandeln. So endet Walter Gorrish | ; j seinen Roman dennoch mit einer typisch propagandistischen j : I Note. | Wie die vorangegangene Ausfiihrung zeigte, handelt es sich bei dem Werk Um Spaniens Freiheit um einen Entwick- i lungsroman, der uns anlaSlich des spanischen Burgerkrieges ;im Einvernehmen des sozialistischen Realismus den Werdegang eines jungen Spaniers zu einem bewufit politischen Kampfer fur eine bessere und gerechtere Gesellschaftsordnung vor Augen fiihrt. Der Grundton des Romans ist zweifellos propa- gandistischj was sich an zahllosen Beispielen muhelos noch- jmals unterstreichen lieBe. Der Schriftsteller schreibt fiir I i die Partei und vertritt die vorgeschriebenen parteilichen jRichtlinien. So erklart er beispielsweise RuBlands Abseits- |stehen wahrend der kritischen Momente im Spanienkrieg als 403 einen mit Umschau gewonnenen diplomatischen Akt: "Rufiland list grofi und hat Zeit . . . Es haben verflucht eine Menge |Leute Interesse daran, daS Rufiland losschlagen soil, um dann |zu sagen, seht ihr, dafi die Bolschewisten den Krieg wollten!" ^S. 180). Was dessen ungeachtet die kunstlerische Leistung 1 I |von diesem Spanienroman anbelangt, so zeigt sich das dich- ! jterische Konnen doch unbeeintrachtigt in seiner Bilder- j sprache und der Gestaltung der Natur. "Satt und wie im jRausche" wiegen sich die Maiskolben auf den nunmehr krafti- | i | : ! gen Stengeln wahrend die Bauern wie "wahllos hingestreute I ! I iPunkte" auf den Feldern stehen. Die Natur kann als Stil- | mittel dem Autoren dazu dienen, charakteristische Merkmale ; hervorzuheben und Situationen szenenhaft einzufangen, wie i das folgende Beispiel verdeutlicht: Mit hangenden Schultern starrte Pablo auf die vor ihm stehende Gestalt. Eine Wolke segelte unter dem Mond hinweg. Langsam drangte ein breiter Schatten uber die Hiigel, kroch trage uber das Gesicht des Studenten und teilte es fiir einen Augenblick in zwei Halften. Der helle Teil des Gesichtes war jung und weich, und starrte sehnsuchtig zur Sierra, zum Leben hinuber. Drohend, zeit- und gefuhllos, noch unkenntlich wie ein rohbe- , hauener Stein stand die andere Halfte im Dunklen. Die 1 Wolke zog vorbei. Matt wie feuchter Marmor schimmerte j das Gesicht des Studenten im vollen Mondlicht. (S. 46) I !0der die Natur kann sich gefuhllos von den Geschehen distan- Izieren. "Unberiihrt, aus kiihler Ferne, schaute der Himmel j 404 | auf die hochspringenden Flammenzungen. Ihn wiirden sie nicht I ierreichen. Er horte nicht einmal die trommelnden Explosio- inen, und seine Sterne lachelten wie iramer" (S. 218). I j Um die Entwicklung eines jungen Menschen in Beruhrung j imit dem Spanienkrieg geht es auch in Bodo Uhses Roman Leut- J : t 3 0 I nant Bertram. Handelte es sich bei Gorrish um das poli- [ : j Itische Bewufltwerden und die parteipolitische Ausbildung j • I eines jungen Spaniers, so entwickelt uns Uhse den Wandlungs- prozefi eines deutschen Offiziers. Wiederum kann sich der iAutor, wie so viele andere Exulanten, auf eigene Erfahrungen1 vom spanischen Kriegsschauplatz stiitzen, wo er bereits im j Juli 1936 eingetroffen war und sich den Internationalen I Brigaden angeschlossen hatte. Direkte autobiographische I iZiige sind jedoch in seinem Werk nicht zu erkennen. Was ;seine Entstehungsgeschichte anbelangt, so greift Uhse auf : j eine bereits 1935 gefafite Konzeption einer Darstellung des I i aggressiven Charakters der Hitlerzeit zuriick und verbindet sie 1937 mit der Schilderung des spanischen Krieges. Erst im Jahre 1943 jedoch konnte der Schriftsteller wahrend Iseines Exilaufenthaltes in Mexiko seinen Spanienroman vol- i i ilenden, wo er ein Jahr spater im Verlag El Libro Libre zum i i i 30 i Berlin: Verlag Volk und Welt, 1950. 405 jersten Mai erschien. j i Auflerlich gliedert sich das Buch in zwei Teile, die jvorbereitung des Weltkrieges in Deutschland und der Kampf |um Spaniens Freiheit. Der erste Teil von Leutnant Bertram j ~ | ispielt sich an einem Flugplatz der deutschen Luftwaffe in | ider Nahe der Ostseekuste ab und fuhrt uns in das Milieu der j i jneuen "Herrenklasse" ein. Vom bevorstehenden Krieg erhofft j i I : j man sich Ruhm, Auszeichnung und Eroberung neuer Gebiete. :"Was ist schon der Friede? Sache der kleinen Leute, all- 'tagliche begueme Angelegenheit, das liebe faule Fleisch. Wir ersticken daran und Europa verkummert . . . Deutschland braucht den Krieg, Europa muS er aufgezwungen werden. Er wird eine Erlosung sein fiir alle" (Leutnant Bertram, S. ! 191). Um aus den kleinen Verhaltnissen, denen er entstammt, aufzusteigen, hat sich auch der ehrgeizige Bertram dem Faschismus verschrieben. Der Offiziersberuf bietet ihm die einzige MSglichkeit, seine Ziele zu erreichen: "Was hatte ; er anderes werden sollen als eben Soldat? Wirklich, er hatte keine bessere Wahl treffen konnen. Nur der Beruf des ’ Soldaten versprach Grofie und Erfolg in dieser Zeit. Und Idanach hungerte er von Kindheit an . . ." (S. 7). Dennoch jzeichnet uns der Schriftsteller Bertram bedeutend sympa- ithischer als die anderen Offiziere, die seine Kameraden 406 sind. Diesen Menschen, denen ein Krieg das Erstrebenswer- Iteste verkorpert, stehen die Anhanger des antifaschistischen i Widerstandes als Kontrast gegeniiber. Ihr Fiihrer ist der i jKommunist Hein Sommer wand. ! i Befafite sich der erste Teil von Leutnant Bertram haupt-j | i isachlich mit einer naheren Beleuchtung des Militars in I i I iDeutschlandj so ist Spanien der Schauplatz des eigentlichen I i ; j Hauptteils. Hier stehen sich Deutsche aus beiden Lagern i ' jgegeniiber. Hier fallt den Widerstandskraften ungeachtet ! j j a Her Widerwartigkeiten eine entscheidende Bedeutung und j i i lAufgabe zu: j I Sehr rasch wich die Beklemmung, die von der Ubermacht i des Gegners und der Starke des Angriffs in ihnen her- vorgerufen war, einem Gefuhl der Befreiung, der Befrei- ! ung von der Untatigkeit, vom Rechtlossein, von der Waffenlosigkeit und vom Gejagtwerden. Das Gewehr in der Hand erwies sich als eine Gnade, es steigerte ihre I Fahigkeiten, es veranderte auch ihren Charakter, es ! machte aus Vertriebenen wieder Menschen. (S. 363) In den von der Partei organisierten Internationalen Brigaden wurde nach Uhse auch fur Deutschland und die ganze Welt iuberhaupt gekampft. Die deutschen Spanienteilnehmer stehen jfiir das andere Deutschland und bereinigen die Schande, die | iihr Land entehrt. Schon seit 1918 sind sie fiir eine neue I |0rdnung eingestanden. Auf die aufgeworfene Frage, ob es jsich noch austragt, fur Deutschland zu kampfen, antwortet 407 Hein Sommerwand: Vielleicht war es gar nicht so falsch, daB ihr an Steine dachtet, als ihr von Deutschland spracht. Es ist wirklich ein Stein auf unseren Herzen, und wenn wir uns an die Brust schlagen, und wenn wir uns fragen: | Was ist Deutschland? — dann spuren wir eben den Stein dort und nicht unser Herz. Diesen Stein mussen wir mit uns herumschleppen. Bis es anders wird. Bis wir es | anders werden lassen. Und vielen wird der Stein das i Herz erdrucken. Wir sind ja alle schon ziemlich hart | und kalt geworden, ausgegluht und etwas zynisch in j diesem Kampf um Deutschland. Ja, vielen wird der Stein das Herz erdrucken. (S. 441) iUnd in seinem Tagebuch vermerkt Hein: I Es geht um den Frieden. Um nichts Geringeres geht es j als den Frieden. Das Schicksa1 Spaniens, so entschei- dend es fiir das spanische Volk ist, ist nicht das Ent- ‘ scheidende. Durch Zufall ist der diirre Boden Spaniens zum Brett geworden, auf dem gewurfelt wird— um das Schicksal Europas, um das Schicksal der Welt. Es geht darum, ob der Friede bleiben oder ob der Krieg kommen j soil. Es geht vims Leben-Diirfen oder Sterben-Miissen. Es geht um dich, Fabrikarbeiter in Chicago, WeinkeIter in Frankreich, Reisbauer in China, Lehrer in Deutsch- ! land, StoBarbeiter am Dneprostroy. (S. 396) j Mit dem Sieg in Spanien erhofft man sich eine Chance, Hitler i ;zu sturzen und damit die Entscheidung uber Krieg oder Frie den in der Welt zu fallen. ■ Auf der anderen Seite, die Spanien als ein ideales |t)bungsfeld fur den kommenden GroBen Krieg betrachtet, finden I |wir den ehrgeizigen Leutnant Bertram wieder, dessen Traume i unter dem Eindruck der Wirklichkeit plotzlich verrinnen. |~ 408 1 jlm Laufe des Krieges vollzieht sich in ihm ein Wandlungs- f i prozefij der jedoch erst am Ende des Romans zum eigentlichen j I ! Ausbruch kommt. Schon nach den ersten Einsatzen in Spanien j j | [fiihlt sich Bertram beschwert und bedrangt durch die Realitati l , [der Vorgange. Er mochte nicht verantwortlich sein fur die i i jbegangenen Grausamkeiten und unmenschlichen Untaten. Auch ! Ischien in diesem Land so vieles nicht zu stimmen. "Zu viel | Pfaffen und zu viel Generale, zu viel Reiche und zu viel Arme" (S. 375). Die Ruckstandigkeit in den Dorfern war un- 1 vorstellbar und er konnte nicht daran glauben, daft durch diesen Krieg etwas zum Bessern geandert werde. Seine Zeu- [ igenschaft von Hinrichtungen und die Zerstorung der unbe- schutzten Stadt Guernika auf Befehl seines ehemaligen Freundes gibt seiner Emporung gegen das Vorgehen der "Her- l renklasse" noch weiteren Auftrieb. Ein Fliegerkamerad bricht unter den gleichen Erfahrungen zusammen und sucht den Tod, j i nicht ohne zuvor sich von der Gemeinschaft der Unterdrucker I i loszusagen. Die entscheidende Wendung erfahrt der deutsche Offizier jedoch, als er abgeschossen wird und trotz Verbot jauf feindlichem Gebiet niederzugehen versucht. Harteneck, i |sein ehemaliger Kamerad, schieftt auf den wehrlos an seinem [Fallschirm Schwebenden. In diesen Augenblicken der aufter- i Isten Verzweiflung kommt ihm der Gedanke, 409 1 l daB dieser Sturz aus den Wolken auf die Erde ein Sturz aus der Luge in die Wahrheit sei . . . Schaudernd er- 1 kannte er, daB die Auflehnung gegen Harteneck . . . die Auflehnung gegen vieles andere meinte, die Emporung nam- ! lich gegen die Kraft, die die Hartenecks zeugte, gegen j | den "neuen deutschen Adel", gegen die "Herrenklasse", I zu der Bertram doch selber hatte aufsteigen wollen. Das ‘ war die Wahrheit. (S. 516) I ! j : iBertram hat sich am Ende des Romans vom Faschismus abgewandtj i I : i lund ist bereit, ein neues Leben zu beginnen. Der ihn ver- j horende deutsche Kommunist Hein Sommerwand rat ihm: "Sie j I mussen wieder fragen lernen. Und das wird auch eine harte i Schule sein" (S. 522). j Fragt sich der Leser, ob diese plotzliche Wandlung des ! jungen Offiziers sich nicht ein biBchen zu unvorbereitet vollzieht, so nimmt der Autor in einem Nachwort zur polni- jschen Ausgabe des Romans selbst Stellung: j Aber diese Wendung ist . . . keineswegs vollendet . . . langsam erst wird fiir ihn die Gefangenschaft zur Be- freiung werden . . . Blitzartige Erkenntnisse gibt es nicht, und bevor es einem wie Schuppen vor den Augen | fallt, muB man sich die Augen erst gerieben h a b e n . | ;Mit dieser Interpretation Uhses wird die Aktualitat dieses jwerkes unterstrichen, die erklart, daB das Buch in vielen j ! Landern und Sprachen verbreitet wurde. Leutnant Bertram 1 j isteht fur viele, die durch eigene Erlebnisse in Spanien und ^Zitiert aus Bodo Uhse und Eduard Claudius, S. 28. 410 vor allem am Ende des zweiten Weltkrieges desillusioniert die Kraft fanden, sich vom Faschismus abzuwenden und einen neuen Weg zu gehen. Mit der Fiille von Episoden und Charak- terisierungen ist Leutnant Bertram aber auch ein Zeitdoku- ment von unerreichter Darstellungskraft, dem dadurch noch besonderer Wert zukommt, daB Uhse sowohl beide Seiten des Spanienkrieges beleuchtet, als auch in der Mehrzahl der Falle eine Schwarz-WeiB-Zeichnung der Vorgange vermeidet. Alfred Kantorowicz halt den Roman fur "umfanglich und in- 32 haltlich gewichtig." Und F. C. Weiskopf schreibt uber jdieses Buch: i ! ■ Der Roman ist, wie keine zweite Literaturgattung, ge- ; eignet und berufen, uns ein Bild jener inneren Veran- derungen zu geben, die im Einzelmenschen und in der Gesellschaft vor sich gehen, wahrend die Vorgange der I auBeren Geschichte in Vorbereitung sind oder abrollen. i Der gute Roman kann einer Photographie mit infraroten I Strahlen verglichen werden, die jene Linien sichtbar | macht, von denen das menschliche Auge nichts wahr- S nimmt.33 i lEs eriibrigt sich, auf eine weitere stilistische Untersuchung j i jdes Werkes einzugehen, da fiir einen Menschen wie Bodo Uhse, der ein langjahriger Kampf er fiir die Ideen des Kommunismus qo Deutsche Schicksale. Neue Portrats (Berlin: A.K.- Verlag, 1949) . ^-^Zitiert aus Bodo Uhse. Eduard Claudius, S. 28. 411 ist, das Schreiben von Romanen nur eine Art des Kampf es fiir !eine neue Ordnung ist. Die kiinstlerische Gestaltungsweise ! |tritt gegeniiber einer oft fast dokumentarischen Darstel- i llungsweise und propagandistischen Aussagekraft zuruck. | Aus einer anderen Sicht als die bisher behandelten jWerke zum Spanienkrieg von Claudius, Gorrish und Uhse schil-j jdert uns der Schriftsteller Karl Otten die Geschehnisse in ! 34 ! Spanien in seinem Roman Torquemadas Schatten. Nicht die Kampfe der Internationalen kommen hier zur Behandlung, son- ; dern der Autor fuhrt uns auf die Insel Mallorca zur Zeit des! Ausbruchs des Biirgerkrieges auf dem Festland. Einfache, mit; ihrer Landschaft aufs engste verbundene Bauern sind es, die I sich unerwartet vor die Entscheidung gestellt sehen, sich !nach links oder rechts zu wenden. Wahrend sie zogern, reiBen die Faschisten auf der Insel in Verbindung mit der Falangistenpartei die Macht an sich und terrorisieren die Bevolkerung. Der Fuhrer der "Blauhemden" ist Hai, so ge- nannt wegen seines verkruppelten Aussehens . Durch unerhorte Brutalitat will der von der Gesellschaft AusgestoBene jAnerkennung erzwingen. Mit ihm ist der Geist Torquemadas, i 1 I | des beriichtigten GroBinquisitors wieder zuruckgekehrt und i ' j J Stockholm: Bermann-Fischer Verlag, 1938. 412 die jahrhundertealte Unterdriickung des VoIkes flammt in I Iseinem Schatten neu auf. Waren es einst Juden, Christen, i iMoren und Spanier, die sterben muftten, so wird jetzt Treib- :jagd auf das ganze Volk gemacht. Die Halfte der Bevolkerung i list schon eingesperrt, nur noch wenige lehnen sich gegen die' jBlauhemden auf, als die Landung der Katalanen auf Mallorca, | jd.h. eine Unterstlitzung der kampfenden Verteidiger der Frei-i i i ;heit, eine Anderung der Situation verspricht. Auch Hai wird; umgebracht und somit steht der Befreiung der Insel nichts j ( mehr im Wege. I i In dem Schicksal der Insel veranschaulichte Karl Otten i ' i das Geschehen zu dieser Zeit nicht nur in Spanien, sondern auch in ganz Europa. Wir er leben die Unterdriickung eines iVoIkes und erfahren am Ende, daft das Gute doch unzerstorbar bleibt. Die Schilderung der Menschen auf der Insel in ihrer engen Naturverbundenheit und schlieftlich das literarische Konnen des Dichters. Vor allem sind es auch immer wieder einzelne Szenen, die durch ihre schonungslose Offenheit den Vorgangen einen erschiitternden Ausdruck verleihen. Als jBeispiel hierfiir sei nur die Verhaftung einer auslandischen ! jGrafin auf der Insel angefiihrt: Ausgestorben liegt das Dorf. Weiber und Kinder sind in i die Walder gefluchtet. Herrenlose Hunde und Katzen i schleichen umher . Vor dem Haus der Falange machen sie r 413 J halt. "Stell Dich da an die Mauerl" Antonia gehorcht. i Vom Markt kommt ein Faschist mit Martin, dem Maurer. ! Sr reicht Antonia die Hand und stellt sich neben sie. Vom Hafen her bringen sie zwei Fischer, Serapio und i Manuel . . . Von den Feldern scheuchen sie die Bauern j und Hirten auf, wie Kaninchen aus den Hohlen. Die I letzte groBe Treibjagd hat begonnen. Heute werden alle | alten Handel beglichen. Familienrache, die Generationen uberdauerte, feiert heute Auferstehung. Nonnen und ! | Priester rachen sich an denen, die ihre Kinder nicht in j I die Kirche sandten . . . (Torquemadas Schatten, S. 211) i I j i !otten laBt durchblicken, daB es sich um offenbar selbst- j i ; erlebte Tatsachen handelt, die auf seinen Aufenthal.t in Spa- i inien zuruckgehen, von wo er nach Ausbruch des Biirgerkrieges j nach London floh. Obwohl er sich auch offen zum Kommunismusi ■bekennt, verweilt er in seiner Darstellung jedoch an keinem 1 Punkt auf propagandistischen Sentenzen, sondern schrieb, wie| jmit Recht die Zeitschrift Das Buch feststellt: "ein ausge- jzeichnetes Buch zur Erweckung eines besseren Verstandnisses 35 fiir die spanische Revolution." Ein anderer Roman, der sich mit dem Spanienthema aus ,einer verschiedenen Perspektive auseinandersetzt, ist Her- 36 ! mann Kestens Buch Die Kinder von Gernika, das sich in der |LiteraturweIt einen bedeutenden Namen errungen hat. Thomas | jMann nannte es im Vorwort zur Rowohlt Ausgabe 1955 35Pas Buch. 5 (April 1939), 11. O £ JOWien und Miinchen: Verlag Kurt Desch, 1960. 414 "unzweifelhaft einen der Hohepunkte seines Schaffens" '(Gesammelte Werke, X, 811) . Wie Pablo Picasso, den die IBombardierung der baskischen Stadt zu einem beruhmten Fresko i ! !"Die Zerstorung von Gernika" angeregt hat, schrieb Kesten iseinen Roman uber den unvergefilichen Flieger-Angriff, um I jgegen diese faschistische Greueltat zu protestieren. Die Folie des im Exil entstandenen Werkes bildet, wie bereits der Kritiker Wilhelm Niemeyer in seiner Untersuchung /'Hermann Kesten und Frankreich" beleuchtet hat, Paris, eine . . . 37 ;Eiru.grationsstation des Autoren . Der Erzahler, selbst ] ■Exilant, ist mit dem franzosischen Ehepaar Suzette und Francois Noel befreundet, die den jungen Spanier Carlos Espinosa adoptiert haben. Vor einem Pariser Tuilerien-Cafe | ierzahlt ihm der fiinfzehnjahrige Junge, was er in den ver- igangenen Monaten durchgemacht hat: Wir setzten uns unter die Baume in den Tuilerien vor eine dieser Trinkhallen, die ein paar Tische und Stuhle ausstellen. Die Sonne schien so strahlend auf die kah- len Baume, die Luft war so sanft und ganz getaucht in diesen jahen silbrigen Glanz, mit dem der Friihling in Paris beginnt, mit diesem stiirmischen Licht, das der erste Strahl des Siidens scheint. Auf alien Banken i safien die jungen Pariserinnen mit hubschen, geputzten i Kindern, die wie lauter kleine Erwachsene aussahn, so | gesittet und vernunftig spielten sie Ball und zogen ! einander an den Haaren, und zwischen den kahlen Baumen ~^Antares , 5 (1957), 8. 415 lachelten die marmornen Gottinnen, unterm Gezwitscher ! der Stare und Liebespaare. Die Liebespaare taten wie 1 die Tauben. Von der Rue de Rivoli kamen die entfernten i Hupentone der Automobile. Der Tag war heiter wie in j einer alten Komodie. "Nun?" fragte ich. "Mein lieber Freund?" (Die Kinder von Gernika, S. 341) jWenn nun der Junge mit seinen schwarzen klugen Augen, seiner verlegenen und feurigen Miene, der iiberraschend tiefen Stim-j |me und den madchenhaften Ziigen— ein ganz gewohnlicher, ganz j 'hiibscher Junge, fortfahrt, sein Schicksal mit unvergleichlich! meisterhafter Erzahlkunst zu schildern, so handelt es sich ' ihier offensichtlich nicht um eine realistische Wiedergabe j ; - . j ;der Geschehnisse. Im Gegensatz zu beispielsweise der wirk- ; lichkeitsgetreuen Darstellung des Spanienkrieges in Bredels Bericht Begegnung am Ebro verklart Kesten die realen Vor- jgange durch seine Erzahlweise und hebt sie ahnlich wie dies ,bei Schauspielen in Versen geschieht, auf eine hohere fik- ;tive Ebene. Verstarkt wird dieser Eindruck noch dadurch, dafi der Junge in seinen Schilderungen eine Ausdrucksweise gebraucht, die einem kindlichen Erzahler in keiner Weise zustehen. Auch werden wir im Laufe der nachsten zweihundert jSeiten immer wieder daran erinnert, daB diese Satze einem I |Fiinfzehnjahrigen in den Mund gelegt werden. | ! Was wir von Carlos erfahren, ist die Schilderung fami- j Iliarer Verhaltnisse, wobei der Tag der Bombardierung der 416 jStadt Gernika die bestehenden Spannungen zum offenen Aus- I jbruch beschleunigt. Der Vater von Carlos, Antonio, hatte jin dem baskischen Stadtchen eine Apotheke innegehabt und i Iseine sieben Kinder zu aufrechten, in ihrem Grunde guten iMenschen herangezogen. Vollig unerwartet jedoch taucht ; i i i jAntonios nichtsnutziger Bruder Pablo auf, der auch in j ernsten Situationen in das Gelachter eines Fauns ausbricht. j j i Pablos Lebensphilosophie besteht in dem GenieBen des Mo- : ments, des Jetzt., Der Gedanke der Moral erscheint ihm nur | i j als ein Funken des Wahnsinns, wie er im Streit mit seinem ! Bruder durchblicken laBt: j Aber Gott, sagst du, Gott hat uns geschaffen, er lenkt uns, er richtet uns? Oh, die Affenkomodie! . . . Lebe und genieBe, Bruder! Und kummert euch nicht um die ! Folgen . . . Alles, was auf Erden geschieht ist folgen- ; los . Einmal wird die Erde in der gliihenden Nahe der Sonne vergehn. Einmal wird die Sonne erkalten und zu I Nebel werden, in Aonen . . . Es gibt Milliarden von uns. Wie die Winzer mit nackten FiiBen die goldenen und blu- tigen Trauben zertrampeln, vim des siiBen Saftes willen, so trampeln andere Winzer, frechere, auf den Menschen herum und keltern Blut und Gold, und das herumspritzende Blut diinkt sie siiBer als Most und berauscht sie mehr als Wein . (S . 416 ) Es stellt sich zudem heraus, daB er einst dem Vater die | jMutter als Braut weggenommen hatte, ein Verhaltnis, das er j jals alter Frauenjager sofort wieder anknupft. Inzwischen j |hat sich in dem Durcheinander des Burgerkrieges ein j 417 | jFischhandler zum diktatorischen Fiihrer des Stadtchens er- klart. "In ganz Europa gehn solche Fischhandler herum und Itun Gewalt . . ., und die Kinder der Schwachen laufen zu den ! iFischhandlern uber" (S. 365). Als er versuchtj Innozentia, ! | | ^die siebzehnjahrige Tochter Antonios zu vergewaltigen, totet |ihn ihr jiingerer Bruder Jose. Ein letzter Versuch des j i i i VaterSj die Einheit der Familie wiederherzustellen und ge- | i meinsam nach Frankreich zu fliehen, scheitert an dem offeneh iWiderstreben seiner Frau, die lieber zuruck bei Pablo blei- j ben mochte. Gerade zu diesem Augenblick bricht der furcht- j I bare Luftangriff uber sie herein. Um die ausgezeichnete j Erzahlkunst des Romanciers noch weiter zu unterstreichen | seien hier einige eindrucksvolle Stellen des schrecklichen Erlebnisses, das Carlos zuteil wurde, zitiert: i Diese Flieger schossen auf die rennenden Leute, die schon die Luftschutzkeller verlassen batten. Da war ein Platz vor der Kirche, der Schafmarkt, hinter Hiirden standen sie, die Flieger schossen auf die Schafe mit Maschinengewehren, und die Schafen starben hilflos blokend wie Kinder . . . Und die Flieger schossen auf das blokende Vieh auf dem Viehmarkt; die Kiihe, die sanftaugigen, fielen um und muhten nicht mehr . . . So ein Flieger verschmaht nichts . Sie schwarmten uber ; alie Felder aus, in Reihen kamen sie herunter, ordent- | lichj wie sie es gelernt . . . Gernika brannt zu Asche. | Zu Asche brannte sein Volk . . . Und die stand still. ' Jede Minute war ein Tag, jede Stunde ein ganzes Leben. j Die Uhren tickten, als reichte ihr Pendel von Sonnen- | aufgang bis Sonnenuntergang, zwischen dem Tick und dem | Tack lagen Leben und Tod. Es brannte der Altar. Es i brannte die Kirche. Die Wolle auf den Schafen brannte 418 und das Haar auf des Schafers Kopf. Neben dem brennen- den Bahnhof brannte das Bordell, die Banke und die Banken brannten, unser Garten und unser Haus, und Larm und Rauch und Hitze . . . Viele Meilen weit blutete der Himmel unter Schmerzen. Da schleiften tote Telephon- drahte iiber zerbrochenen Hausern. Schwarze Baume hoben ihre Stumpfe wie Bettler. Keiner reichte ihnen einen Pfennig. Nackte liefen herum. Kein Heiliger teilte seinen Mantel. (S. 433-438) Trotz der erschiitternden Zeugenschaft der Unmenschlich- keit des Bombardements, das uns der junge Spanier in unaus- loschlichen Bildern vor Augen fuhrt, konnen wir nicht umhin, ( kontinuierlich die meisterhafte Erzahlweise des Autors zu registrieren. Als der grauenvolle Luftangriff voriiber ist, liegen der Vater, drei Sohne und Innozentia im Schutt be- graben, wahrend der Taugenichts Pablo mit der Mutter, Jose und der Schwester Modesta einfach fort gehen, ohne sich nach dem im Schutt liegenden Carlos umzusehen. Der Junge findet durch die Hilfe karitativer Verbande in Paris bei den Espinosas ein neues Heim und will Journalist werden. Er iwill alle Barbarei, die er erfahren hat, das Unglaublichste, das AuBerste in den Zeitungen berichten: "Ich will das schreiben. Das alles . Dieses Leben. Diese Kriege. Diese Mordmaschinen. Man muB es fur die Leute schreiben" (S. 470). Nicht langer leben wollte er, wenn er nicht die Auf- gabe hatte, groB zu werden und uber die Untat zu richten. "Ich will das Urteil sprechen iiber jene, die den Mord iiben, 419 iiber die falschen Zeugen und iiber alle Gleichgiiltigen in jder Welt. Die ihren Schrecken abschiitteln wie Wasser und denken: Was geht es mich an?" (S. 422). Hinsichtlich der jzeitlichen Ereignisse kann er keine Entschuldigung fiir die i iMenschen finden, einfach so ruhig weiter zu leben und er I ; jrichtet sich deswegen anklagend an den Erzahler: "Die Leutej ; i jvon Gernika beruhigten sich bald. LaB die Erde zu neun Zehntel versinken, die Uberlebenden werden sich bald be- iruhigen. Die Menschen gehn wie Schlafende durch die Welt. i iGibt es nichts, um sie aufzuwec'ken?" (S. 421). Dennoch kann der junge Spanier nicht glauben, daB alle Menschen schlecht j i i |sind. "Sind alle Morder? Mein Vater war ein guter Mann, ; und es muB mehr Leute geben, die eine bessere Welt verdie- nen. Die meisten Menschen wissen nicht, was mit ihnen ge- j 1 j schieht. Man muB sie aufklaren. So will ich es tun" (S. I 470). Uberhaupt gibt ihm der Widerspruch des menschlichen Handelns an sich ein Ratsel auf, das er nicht zu losen ver- mag. "Gut" und "Bose" widersprechen sich im Menschen auf die sonderbarste Weise. Trotz aller infamen Untaten des | jBurgerkrieges stoBt er immer wieder auf Taten, die seine ivorgefaBte Meinung negieren: j Mitten in der schlimmsten Verfolgung macht man die ewig | neue Erfahrung, wie viele gute Menschen es auf Erden | gibt . Hatte man sie bisher ubersehen? Oder dachte man, 420 unter den Schlagen des Bosen, diesem gliche alle Welt? Zwar, glauben Sie mir, es ist ein kleiner Trost, diese Begegnung mit den Guten. Man findet sie so vereinzelt, I so skrupelvoll, so mutlos. Und doch, was ware das Leben ! ohne sie? (S. 473) I i I iso rettet ihn ein alterer Soldat, als er zur ErschieSung auf J j i i |den Friedhof gefuhrt wird. "Bist du nicht aus der Apotheke ; | j hm Markt? Ich kannte deinen Vater. Stell dich als letzten i I I ; I jin der Reihe auf. Beim ersten Schufi fall um! Nicht schrei-i i en! Ich schiefie nochmals auf dich. Nicht schreien!" (S. j443) . Und nachdem Tausende von Frauen und Kindern durch den! 'Bombenangrif f umgekommen waren, werden zweitausenddrei- j hundert Kinder und auch tausend Frauen und Greise auf j | I Schiffen verladen und nach Frankreich gebracht. "Alle warenj wir gewogen, geimpft und gemessen. Jeder trug ein Papp- tafelchen um den Hals, darauf standen eine Nummer, der Name, jder Wohnort, das Alter . . . Das rote Kreuz wehte uber bei- den Schiffen . . . Die Kinder schrien: Vive la France!" (S. 445). Dieser menschliche Widerspruch von Barbarei und mitfuhlender Hilfsbereitschaft, von Gut und Bose, machen fur iCarlos die menschliche Natur undurchdringlich. j Inzwischen finden sich die Espinosas wieder in Paris zusammen. Als Carmen, ein Madchen, das er iiber alles liebt, |sich mit seinem Bruder Jose verlobt, versucht Carlos, ohne lErfolg, sich das Leben zu nehmen. Der nichtsnutzige Onkel — — 421 ! ! aber verfuhrt die Pflegemutter Suzanne Noel und geht mit ihr | I i jdurch, wahrend der Pflegevater Frangois, alt und mude ge- 1 Iworden, den Tod sucht. Resigniert meint Carlos am Schlufi jdes Romans: "Ich bin ja nur ein kleiner Junge. Und ich I ! jweiftj dafi ich nicht der einzige bin, dem die Menschen so | jmitgespielt haben. Und dafi ich mich umbringen wollte, war ! ; i jwirklich ein Fehler. Aber schaun Sie mich doch an! Was j kann aus mir noch werden?" (S. 497). Unzweifelhaft griff Hermann Kesten auf das aktuelle I i :Thema des spanischen Burgerkr ieges zuriick, um angesichts der I t ibegangenen Greuel und Unrechts gegenuber dem spanischen Volkj jdie Menschen aus ihrer Gleichgiiltigkeit aufzuriitteln. Mit groBem kunstlerischem Konnen beschreibt er das Schicksal der von dem Luftangriff Betroffenen, schweift jedoch nicht in j ! eine weite berichtartige realistische Darstellung der Vor- | t i I gange aus. "Kestens Spanien ist ebenso spanisch wie Schil- j 38 lers 'Tell' schweizerisch," stellt Die Zukunft fest. I Dadurch, dafi er die Handlung auf den engen Kreis einer Fa- milie beschranktj gelingt es ihnij den Burgerkrieg parallel izum Familienstreit laufen zu lassen. Der endgiiltige Bruch i i ider Familienbande stimmt zeitlich mit dem Bombenliberfall i ^frpie zukunft, 11 (17. Marz 1937)^ 7. 422 uberein. "Eine Revolution sieht von nahe wie ein Famiiien- zank aus . . . So sieht ein Biirgerkrieg aus: ein Zank unter i LBrudern" (Gernika, S. 394). Gleichzeitiq vertieft der Autor i I jaber auch das Thema seines Romans, indem er uber die Eror- j ; I •terung des Krieges hinausgeht und das "Menschliche an sich" j jbloBstellt. Gut und Bose existieren nebeneinander und wer- i ' i |den besonders bei den groBten Widerwartigkeiten wirksam. j Das Ziel des Menschen ist jedoch ungewiB und die Frage wird ! aufgeworfen, "ob er uberhaupt eine bessere Welt verdient als! ! 39 ' die, die er sich selbst immer wieder anrichtet." In der ostdeutschen Literaturkritik wird Kestens Roman nicht ohne i iVorbehalte aufgenommen. So finden wir in der von dem Kol- I ilektiv fur Literaturgeschichte herausgegebenen AbriB der i Spanienliteratur die den Ubertitel Bodo Uhse und Eduard Claudius tragt, das nachstehende Urteil: Die Unmenschlichkeit dieses iiberlegten faschistischen Massenmordes findet— ungeachtet gelungener Partien seiner Darstellungskunst im einzelnen— keine realisti- sche Gestaltung. Dieser Roman spiegelt bereits damals die Unklarheit der politischen Ansichten Kestens, der sich nach 1945 zum "freiheitlichen" Wortfiihrer des kal- ten Krieges gegen den Kommunismus machte. (S. 179)^® 39 Thomas Mann, Gesammelte Werke, X, 814. | ^Siehe auch Jarmatz, Literatur im Exil. S. 76. Jar- jmatz wirft Kesten vor, daB er sich in seinem Roman in Ab- 'seitigkeit verliere . o Dennoch mochte ich Kestens Die Kinder von Gernika eine der ibesten literarischen Schopfungen des Spanienkrieges nennen. jNicht nur geht dem Roman jegliche propagandistische Tendenz j | i ifxir diese oder jene Seite ab, sondern er verkorpert auch | (eine Uberzeitlichkeit, die ihn vor den meisten anderen J jliterarischen Spanienbeitragen auszeichnet. j j Im Anschlufi an diese Besprechung der Romane anlafilich j des spanischen Biirgerkrieges mussen noch eine Reihe von Werken erwahnt werden, in denen dieser Konflikt als Neben- ! motiv auftaucht, beziehungsweise sich mit dem Land nach dem l Fall der Republik befassen. Zu ihnen zahlt unter anderem j 41 Friedrich Wolfs Roman Zwei an der Grenze (1938), der uns ;die internationale Solidaritat mit den Spanienkampfern bis | I in die entlegensten Winkel der Erde schildert. Holzfaller j schicken aus den Bergen einen ganzen Sack getrockneter Pilze i herunter "fur Spanien." Anna Seghers, die, wie bereits fruher erwahnt, sich 1936 in Madrid aufhielt und 1937 am II. |Internationalen Schriftstellerkongrefl teilnahm, dessen Ta- gungen in Barcelona, Valencia und Madrid abgehalten wurden, Igab ihren Eindriicken in Spanien in mehreren ihrer Werke ^•*~Gesammelte Werke, Bd. X: Zwei an der Grenze (Berlin: Aufbau Verlag, 1961) . 424 jkiinstler ischen Ausdruck. Transit beruhrt das Schicksal j 1 Ispanischer Flvichtlinge in Frankreich, die vergebens auf ein l ! Ausreisevisum warten. Ihre Situation der Unentrinnbarkeit ! i I lerinnert uns an die Hauptfiguren Kafkas. Die Toten bleiben | ! I 42 . i Huncr und Die Entscheidung befassen sich mit der Aufbau- ; i j jarbeit in der Deutschen Demokratischen Republik, wobei ehe- j i : jrnaligen Spanienteilnehmern eine bedeutende Rolle zufallt. | 43 Und der Roman Die Messe des Barcelo von dem Schriftsteller jHanns Maassen stelIt den Widerstand des spanischen VoIkes i nach der Zusammenbruch der Republik dar. Die Erinnerung an I die heroischen Kampfe aus den Jahren 1936-1939 sind es vor I iallem, die den Kampfern angesichts aller Ruckschlage Kraft ,und neue Hoffnung einfloBen. Alle diese Werke kommen getreu] 'den Forderungen des "sozialistischen Realismus" nach. Nicht zuletzt verdient an dieser Stelle noch Ernst ] 44 . . ! Sommers historischer Roman Botschaft aus Granada gebiih- j rende Erwahnung, in welchem die Austreibung der Juden aus | 'Spanien im Jahre 1492 auf Veranlassung des beriichtigten 49 ; Anna Seghers, Transit (Berlin: Aufbau-Verlag, 1954); I Die Toten bleiben jung (Berlin: Aufbau-Verlag, 1956); Die lEntscheidunq (Berlin: Aufbau-Verlag, 1960). ! ^Halle-Saale: Mitteldeutscher Verlag, 1968. | ^Berlin: Judische Buchervereinigung, 1938. 425 GroBinquisitors Torquemada geschildert wird. Es wird nur !zu deutlich, daft der Autor in dem Romangeschehen eine IParallele zu den Vorgangen der Gegenwart ziehen will. So- I |wohl die Untaten der faschistischen Unterdriickung in Spanien lals auch die faschistische Barbarei in Deutschland finden jhier einen erschiitternden Niederschlag. Isabella von i jKastilien und Konig Ferdinand sind selbst den Forderungen I der Inquisition machtlos ausgeliefert und sehen zu, wie :300 000 Juden in Spanien blutig verfolgt werden. Unter !Thomas Torquemada ist das Getriebe eines furchtbaren Rader- werkes aufgebaut, das unheimlich s'icher arbeitend alle : "Unglaubigen" einkreist und ergreift. Besonders bedroht waren die getauften Juden, deren Riickfalle in ihren alten iGlauben denunziert wurden. i Man hatte Kirchenbesucher gesehen, die ihr Kreuz mit : verdachtiger Eile schlugen, man hatte Taufen beigewohnt, nach denen Mutter hastig das Wasser von den Gesichtern ihrer Kinder abwuchsen. Die Metzger lieferten verzeich- nisse ihrer Kunden aus und besonders derer, die kein Schweinefleisch bezogen . . . (Botschaft aus Granada, S . 84) |Der Generalinquisitor, Initiator der grausamsten Forderungen | jwird als "Antichrist" und leibhaftiger Teufel gezeichnet, i ;von dem die Kinder auf der StraBe singen, er decke seine i iKlauen mit den Armeln einer Kutte zu. Seine Gesichtsziige, 426 die gelbe von blaulichen Aderknaueln durchsetzte Stirn, die ierdfarbene Haut und die blutlosen Lippen rufen das Bild einer Fratze hervor. Sogar in der Natur lafit der "Schrecken ;Span.iens 1 1 seine Spuren zuruck: Dann hatte Colon den Eindruck, als bogen sich die Zweige | i erschrocken zuruck und das Gebusch wurde wel'k, sobald i 1 . i I die dunkle Kutte des Domimkaners die Blatter beruhrte. | i I | Selbst das Gras ertrug es nicht, von den Sohlen des ehe- | ; maligen Priors zu Santa Cruz niedergetreten zu werden. j Wahrend es sich sonst gleich aufrichtete, blieb es ge- ! knickt und wie verdorrt liegen. (S. 293) i ; i i Besonders gut dargestellt ist jedoch die verbannung j ; | :aller Juden aus Spanien, die trotz ihres unerschiitterlichen | ; i Glaubens der Ungewiftheit des Exils mit grower Skepsis ent- igegensahen: | Wer vermochte sich vorzustel.l^e.nwas nachher kam? Es ! war arger als der Tod. Im Tode gab es vielleicht ein jenseits. Wenn aber dreihunderttausend Menschen sich i an einem Tag in Staub verwandelten, in Staub auf den StraSen Frankreichs und Italiens, gab es jenseits der StraSen eine Art Leben? Gab es Luft, die man atmen konnte? Gab es eine Sprache, die anders als Arabisch und Kastilianisch klang? (S. 355) i Klagend und jammernd nehmen sie Abschied von ihrer Heimat, j jvon dem, was sie als wert erachteten: j Wie losten sich die einzelnen Menschen von dem los, was ! sie am schwersten zuriicklieBen, und wie verwendeten sie j die Zeit des Abschiedsnehmens? Es gab Menschen, die Tag | fur Tag in Synagogen zubrachten und Gott priesen, trotz- | dem er sie verstiefi. Andere hatten ein Leben damit aus- j gefullt, Sammlungen von Juwelen, Munzen oder Handschriften 427 anzulegen. Wer sein Herz an solche Dinge gehangt hatte, | fand mit zehn Tagen nicht sein Auskommen, wenn er jedes I Stuck nochmals zur Hand nehmen und sich an seine lange | und ereignisreiche Geschichte erinnern wollte. Der vor- i handene Stundenvorrat nahm rasend ab . . . Es war qual- 1 voll, sich auszumalen, wie der Augenblick der Ausreise i naher kam und nichts von dem getan war, was zu tun man sich vorgenommen hatte. (S. 355) i 1 : j [Besonders schwer ist es fur die Alten, sich von ihren Vaternj ! i ! | jloszusagen, die sie in den Judenfriedhofen zuriicklassen | ! . . i mussen: ! , Viele hundert Greise saBen in ihren Totengewandern auf i | den Grabhiigeln und weinten. Die weiBen Mantel verhiill- j ten ihre Gestalten. Sie lieBen nichts, als die Gesich- I ter frei. Die alten Manner hockten wie eine Schar rie- ! siger weiBer Vogel iiber den Grabern. Zuweilen kam ein j WindstoB, und dann war es, als versuchten sich welke ! Schwingen zu bewegen. Aber ihnen schien die Kraft zum Aufschwung zu fehlen. (S. 303) jDas Konnen des Dichters wird noch ferner unter Beweis ge- istellt, wenn er das Schicksal der Juden mit dem Suchen des i Seefahrers und Weltentdeckers Christoph Columbus in Bezie- hung setzt. Dieser fiihlt sich mit den verzweifelten Greisen ihinter der Mauer eins, denn seine Pilgerschaft war nicht jvollig verschieden von der Pilgerschaft der ausgetriebenen [ Juden. Nur ihn trieb es auszuziehen, wohingegen die Juden | jsich flehentlich an dem Boden festhielten, der sie nicht jmehr dulden wollte: 428 Er erinnerte sich an seine verzweifelten und einsamen Nachte, an sein hilfloses Suchen in alten Biichern, an ; seinen Selbstmordversuch, den er unternommen hatte, als ihm alles fehlgeschlagen war . . . Die Vision seiner | Kindheit uberkam ihn . . . Er fuhr auf kleinen segel- 1 losen Schiffen in den Untergang. Das Meer, auf dem er I trieb, hatte kein Ende . Es gab kein Vorwarts und kein : Zuruck. Es gab nur eine ewige Fahrt auf unendlicher Flache. (S. 305) ! I ; ;Und doch verspricht fur beide in der Zukunft die einzige i ! I : jHoffnung zu liegen. "Indien" wird dem unruhigen Streben j von Columbus ein Ende setzen, "Indien" wird keine Inquisi- ition kennen und Juden und Neuchristen konnten unangefochten j imiteinander leben. ; I Als einziger unter den zahlreichen Romanschriftstel- ' lern, die zum Spanienkrieg Stellung nahmen3 greift Ernst Sommer auf einen historischen Stoff zuruck. Hart kritisiert i i Klaus Jarmatz in seinem Beitrag diese Kunstform im Hinblick ieiner Auseinandersetzung mit der Gegenwart: Ihre subjektive Beziehungslosigkeit zu dem Grundproblem ! unserer Epoche, das Nicht-Finden des Anschlusses an die j progressiven Krafte der Nation, das daraus erwachsende Unverstandnis den Problemen der Gegenwart gegeniiber konnten auch nicht durch den Ausweg in die historische Dichtung uberwunden werden. (Literatur im Exil, S. 119) jDieser Unterstellung widerspricht meiner Ansicht nach jedoch |das hier behandelte Werk Botschaft aus Granada aufs scharf- •ste. Im Rahmen eines historischen Romans beschaftigt sich |der Autor mit einem Problem, das seine Parallele in der j 429 unmittelbaren Gegenwart hat. Unterdruckung und Verbannung jsind nicht nur das Schicksal Tausender in dem umkampften i iSpanien, sondern spiegeln nicht zuletzt auch Leid und Not ider aus Deutschland Vertriebenen wider . Besonders ein- drucksvoll und erschutternd beschreibt Sommer die Atmosphare | der vor dem Auszug Stehenden, ihr Abschiednehmen von der I lAlltaglichkeit der Heimat und die UngewiBheit des Exils . j I Zu Unrecht wirft man dem m Historie gekleideten Ge- sschehen einen "Mangel an Gegenwart" vor. Das Buch Botschaftl I i aus Granada setzt sich nicht nur erfolgreich mit einem ak- tuellen Problem auseinander, sondern war seiner Wirkung auf i ;den Leser nach zu schlieBen auch eine literarische Waffe im I j ;Kampf fur die Freiheit. Gleichzeitig verleiht das histori- | I . . | sche Thema dem Roman eine Aura der Uberzeitlichkeit^ die ihnj ; ! iohne Zweifel die meisten anderen Spanienbiicher mit ihrer oft| dokumentarischen zeitgebundenen Darstellung und propagan- j distischen Ton uberleben lassen wird. Die Untersuchung der sogenannten GroBen Prosa im Zu- sammenhang mit den zum Spanienkrieg entstandenen Werken jbietet uns im Gegensatz zu den anderen, ihrer Natur gemaB j jrestriktiveren Genres, eine panoramische Beleuchtung der Geschehnisse. Berichtartige Darstellungen und Tagebuch- iaufzeichnungen mit dokumentarisch-informativem Charakter 430 ’ |schildern die allgemeine Situation in Spanien* verfolgen die leinzelnen Etappen des Kampfes und lassen der heroischen I | jHaltung der antifaschistischen Kampfer eine ruhmvolle Rolle | Izukoramen. Aufklaren* Anklage* Aufriitteln und Werben fur die ! ISache der Republik* wenn auch zu einem Grofiteil aus links- Jgerichterter Perspektive und getragen von politischer Propa-i jganda* das ist die unverhiillte Absicht der Autoren. Diese j ! I ; I Ziige finden wir auch in den Romanen, in denen die unmittel- hare* reportageartige Schilderung des Kampfes trotz eines ! i 1 teilweisen Zurucktretens autobiographischer Ziige zugunsten betont fiktiver Gestaltung des Stoffes noch einen unerwartet; groSen Raum einnimmt. Neben der Form des Erfahrungsberichts, und dem dokumentarischen Hintergrund tritt in vielen Fallen j eine bewuSt kiinstlerische Behandlung der Tbemen hinzu* die I i von der politischen Erziehung eines jungen Menschen im Sinne der kommun ist ischen Partei iiber die Wandlung eines ehemali- gen Faschisten zur Auseinandersetzung mit dem Menschlichen an sich* beziehungsweise der Parallelsetzung des Biirger- krieges mit einem Familienstreit reicht. Schliefilich findet |das Spanienthema sogar eine historische Verklarung* die das |Thema der Unterdriickung und Vertreibung ins Uberzeitliche ierhebt. Gepaart mit diesen unterschiedlichen Darstellungs- I Iweisen des Spanienkrieges brachten die Autoren in 431 Ubereinstimmung mit dem epischen Charakter dieser Werke Analysen menschlichen Verhaltens, Reflexionen und indivi- duelle Haltungen zum Problem des Biirgerkrieges zum Nieder- schlag. Ungeachtet ihrer politischen Einstellungen stimmen sie als Exulanten alle in der psychologischen Bedeutung die ses Kampfes iiberein, und sehen hier zum erstenmal eine Chance, mit Waffen wirkungsvoll dem Faschismus gegeniiber treten zu konnen. ZUdem sehen sie in ihrem Widerstand eine Hoffnung, nicht nur Spanien, sondern Deutschland und uber- haupt die Welt von einer kommenden Katastrophe zu bewahren. Auch verkorpern sie das "andere Deutschland" und retten somit vor aller Welt die Ehre ihres Vaterlandes, dem eine neue Zukunft zugedacht ist. Fur viele der Exilschrift- steller bedeutete der Kampf dariiber hinaus ein Verfolgen politischer Zielsetzungen, eine Verwirklichung von Idealen und ein Kreuzzug fur eine neue gesellschaftliche Ordnung. jNicht nur parteiliche Richtlinien, die Idee des Internatio- nalen Klassenkampfes, bestimmen aber ausschlieBlich ihr Verhalten, sondern auch die schlichte echte menschliche Anteilnahme an dem Schicksal Spaniens und das Wissen um die weltweite Bedrohung durch den Faschismus klingen trotz poli tischen Untertonen an. Sozialistische und auch sogenannte biirgerliche Schriftsteller wie Hermann Kesten haben die 432 Gefahr erkannt und wenden sich unter dem Eindruck der Rea- litat einem aktuellen Thema zu. j Gleichzeitig erfuhren wir., wie die Vorgange in Spanien j i j i i jeine unterschiedlxche Emwirkung auf die Autoren selbst I ■ I jausgeubt haben. Wahrend uberzeugte Kommunisten wie Ludwig j ; i i iRenn und Bodo Uhse beispielsweise, ungeachtet a Her Ent- i tauschungen und Mifistande unbeirrt an einen letztlichen Siegj der Sache glaubten^ wurden andere wie Artur Kostler, Gustav ■ Regler und Alfred Kantorowicz durch ihre Erfahrungen in : i ispanien derart beeinflufit, daS sie sich schliefilich unter dem Eindruck der Erlebnisse vom Kommunismus lossagten. Das | damonische RuBland war dem guten auch in Spanien gefolgt. t Dafi jedoch der Krieg in Spanien zuerst gewonnen werden muSte, \am sich den MiSstanden in den eigenen Reihen zuwenden ;zu konnen, daran zweifelte keiner. Trotz dem eindeutig propagandistischen Grundton zahlreicher dieser Werke nimmt die kiinstlerische Gestaltungsweise eine nicht immer unter- geordnete Rolle an. Ahnen wir den Dichter in manchen Dar- .stellungen durch seine Sprache, den fesselnden Szenen, der lEinbeziehung der Natur und dem Gebrauch von Bildern, so jstellen auf der einen Seite die Werke von Renn und Kantoro- Iwicz als zeugniskraftige Beispiele des Geschehens Muster j jdieser Art des Berichts dar. Auf der anderen Seite bilden 433 vor allem die Beitrage von Kostler, Kesten und Sommer vor- I i 'bildliche Beispiele kunstierischen Schaffens . ErschloB j jKostler der Literatur die Welt des Todes und durchleuchtete i jalle menschlichen Regungen unter dessen Schatten, so schuf I |Kesten ein Werk, das trotz indirekter aktueller Stellungs- jnahme zu einem Zeitgeschehen das Menschliche an sich bloB- J I j jstellte und unumstritten literarischen Anspruch erhebt. j I I ' I Sommer aber kleidete auBerst wirkungsvoll das Thema Spanien ; ! 1 iund Faschismus in einen historischen Roman, der durch seine I j ! lAura der Uberzeitlichkeit ohne Zweifel im Gegensatz zu dem iGroBteil der zeitbedingten Spanienliteratur beinahe unbe- I | : jgrenzt fortwirken wird. j NACHWORT Wie die vorangegangene Untersuchung zum Thema "Der i | jspanische Biirgerkrieg und die deutsche Exi1-Literatur" j demonstriert, hat sich das Engagement deutscher Schrift- j | | jsteller kaum je so stark und uniform gezeigt, wie im Falle j dieses Konfliktes auf der Iberischen Halbinsel in den Jahrenj '1936-1939. Sei es aktiv im Kampf oder in Wort und Schrift, ; idie in der Emigration lebenden deutschen Autoren identifi- ! izierten sich mit der Sache der Republik und unterstiitzten ; diese in ihrem Ringen um Freiheit gegen den gemeinsamen jFeind Faschismus . Auch ergab der literarische Widerhall des I Biirgerkrieges, der selbst noch nach Beendigung des zweiten iWeltkrieges fortdauerte, eine Fiille und Reichtum von Dich- |tungen iiber Spanien, die bisher noch keine kritische Er- fassung erfahren hatten. Auf dem Wege einer kritischen Erhellung der Einwirkung des Burgerkrieges auf die Exilautoren war zunachst das Idemonstrativen Zusammenkommen der geistig Schaffenden 435 anlaftlich der beiden "Kongresse der Internationalen Schrift- Istellervereinigung zur Verteidigung der Kultur" von beson- jderer Bedeutung. Diese zum Teil in dem umkampften Land jabgehaltenen Tagungen waren Ausdruck der Solidaritat mit der Ispanischen Republik und offene Kampfansagen gegen den Fa- I ' i i :schismus. Zugleich ging es aber auch um eine Umwertung der i ! | jschriftstellerischen Rolle anlaftlich dieses Generalangriffes ;auf die Kultur. Ungeachtet ihrer politischen Uberzeugungen ' darin iiberein, daft sie aus ihrer traditionell isolierten i t i j I iStellung ihres Elfenbeinturmes heraustreten mufiten, um im , jHinblick auf die Ereignisse der Gegenwart Stellung zu neh- I jmen. Es gait der Wahrheit und der Gerechtigkeit mit gei- ; ;stigen und materiellen Waffen zum Siege zu verhelfen* um i : die Worte Heinrich Manns und Bertolt Brechts zu wiederholen. | Daft die Schriftsteller zur Aktion bereit sein miissen, bewiesen nicht nur die zahlreichen in den Reihen der Inter nationalen stehenden Autoren^ sondern auch auf eigene Ini- | ) tiative zuruckgehende groftangelegte Hilfsaktionen zugunsten ! i I des kriegesbedrangten Spanien, wie besonders im Falle von lErnst Tollers weltweitem Unternehmen. Ungeachtet aller I I lOpposition und Widerwartigkeiten verfolgte er eine Aufgabe |im Sinne der Menschlichkeit und Freiheit, ein Traum, dem | jdurch die Wirklichkeit zuletzt leider ein tragisches Ende . 436 zugedacht war. Dennoch kann dieser Ausgang dem personlichen i Einsatz des Autoren im Dienste der Humanitat keinen Abbruch i tun. Moralischer und finanzieller Beistand fur Spanien war : 1 ; l jauch das Resultat der Aus lands tourneen von Renn und Regler. j I Eine andere nicht zu unterschatzende Art der Unter- j i : jstutzung der spanischen Republik durch die Exilschrift- : i ; i jsteller erfolgte ferner in Form von journalistischen und | publizistischen Beitragen, die ihrem Wesen nach besonders | jdazu geeignet sind^ Ideen zu propagieren. Mit alien zur ; iVerfiigung stehenden Mitteln der Presse propagierten die sich ;mit dem Spanienkampf identifizierenden Dichter die Sache derj ^Republik und der Freiheit uberhaupt. Informierende Artikel,: Reportagen, Erlebnisberichte^ Aufrufe, Aufsatze und Essays iwurden dazu ausersehen, vor der ganzen gesitteten Welt ein !wahres Bild der Geschehnisse auf der Iberischen Halbinsel zu entrollen und sie zu einer gemeinsamen Aktion gegen die Aggression des Faschismus zu bewegen. Thomas Mann nannte den Kampf eine Auseinandersetzung zwischen "Interesse" und "Geistj" wahrend sein Bruder Heinrich Mann den Faschismus jals eine brutale, blinde und schadliche, der Intelligenz i lentgegengesetzte Kraft definierte. Die Abhangigkeit der jindividuellen Dichter von politischen Dogmen variiert dabei jmit unverkennbarer Bestimmtheit. Interpretiert der juberzeugte Kommunist Willi Bredel beispielsweise den Spa- l inienkrieg als einen Teil des sogenannten internationalen j Klassenkampfes, so glaubt Heinrich Mann an die Herbeifiihrung ieines sozialistischen Humanismus nach dem Vorbild Rufilands jin Spanien, wahrend der im Gegensatz zu seinem Schrift- j jstellerbruder weniger aktivere Thomas Mann, in keiner Hin- ! ; I sieht Parteimensch, ganz allgemein eine marxistische Lebens-j ! | form dem Faschismus vorzieht- Getragen ist diese schrift- j i ;stellerische Tatigkeit zugunsten des bedrangten Spaniens i sowohl von aufierstem Optimismus, als auch schlecht verhal- Itener Niedergeschlagenheit. Sahen Erika und Klaus Mann, um j ein Beispiel zu nennen, in Spanien der ersten Hoffnungs- schimmer nach fast funf Jahren des Herumgeworfenseins in j fremden Landern, so gelingt es Heinrich Mann nicht immer, j : I : I iseinen vorgegebenen Optimismus zu vertuschen. Auch wird ! i | dem Ausmafl der Widerstandsbewegung in Deutschland voreilig | i ! eine zu grofie Bedeutung zugemessen. Nicht zuletzt gebiihrt | ins'besondere den in diesem Zusammenhang entstandenen Auf- satzen und Essays zweifellos kiinstlerische Beachtung. I Die anschlieGende Beleuchtung der drei Hauptgattungen i iDrama, Lyrik und Pros a als liter ar is cher Nachhall des Burger- jkrieges zeigte uns im Theater ein Mittel, das wohl am besten jdazu geeignet ist, soziale und politische Ideen | 438 jdarzustellen. Bedingt durch das Fehlen eines Zugangs zu ;einem breiteren Publikum jedoch entstanden relativ wenige I iBiihnenwerke iiber den spanischen Burgerkrieg. Unter dieser iDramenproduktion, die ausschliefllich auf linksgerichtete LAutoren zuruckgeht^ spielen dramatische Kurzformen nach dem j I j jVorbild des Agitproptheaters eine bedeutende Rolle, die in I jVerbindung mit einer Geradlinigkeit der Handlung und Un- j kompliziertheit von Charakteren und Sprache deshalb auf oft j provisorischen Biihnen zur Auffuhrung kamen und unmittelbarenj : I propagandistischen Effekt erzielen konnten. Als einziges iWerk von literarischer Bedeutung kann in diesem Genre ei- | gentlich nur Bertolt Brechts Einakter Die Gewehre der Frau Carrar genannt werden, dessen Erfolg auch nicht ausblieb. iDas hier behandelte Thema des abtraglichen Abseitsstehens von Menschen in bezug auf das Geschehen des Tages bildet ein wichtiges Motiv in dem dramatischen Schaffen des Dichters. Im Gegensatz zum Drama fanden wir bei der Lyrik an- laSlich des Spanienkrieges eine Vielzahl von Werken, die nur in ihren grobsten Umrissen skizziert werden konnten. Durch jdie Umstande der Zeit waren die Verse Waffen im antifa- ■schistischen Kampf geworden, so daft sich die poetische Ge- istaltung des Spanienthemas in erster Linie als poetische jKampfdichtung widerspiegelt. Neben unmittelbar im Feuer des 439 Feindes komponierten Kampfliedern, die beriihmt geworden Isind, kommen in den Spaniengedichten alle wesentlichen As- t i jpekte des Kampfes gegen den Faschismus zur Behandlung. Be- j jkundung der Solidaritat, Aufruf zum Widerstand, Anklage und j I j I j iWerben fur die Sache in Spanienj das war der Grundgehalt I i Idieser Gebrauchsdichtung. UnmiBverstandlich traten dabei j Idie propagandist ischen Ziige hervor, oft getragen von ein- ! i ! deutig marxistischem Gedankengut. Wiederholt werden die ; Vorgange auf der Iberischen Halbinsel mit der russischen Oktoberrevolution gleichgesetzt und die Hervorhebung der Rolle Stalins in Spanien findet keine Grenze. Trotz dieser ; ;vorwiegend von Autoren der sogenannten Linken stammenden lyrischen Beitrage* zeichnet sich doch eine echte Anteil- j ! jnahme an dem Werdegang der Republik ab. Der allgemeine Kampf gegen den Faschismus uberschattet nicht selten partei- politische Bestrebungen. Was aber die poetische Darstel- j i lungskunst in diesem Zusammenhang anbelangt, so stiitzte man j ’ sich im allgemeinen auf traditionelle Formen. Interessante Novitaten waren indessen die sogenannten epischen Dichtungen Ivon Johannes R. Becher und Louis Furnberg* wohingegen Erich I I I Arendt den Flamenco m die deutsche Dichtkunst einfiihrte. |Eine kleine Zahl von Werken erreichte sogar frei von poli- i Itischer Propaganda hochste kiinstlerische Gestaltung. 440 Als nicht minder groB erwies sich auch der Anteil der !erzahlenden Prosa, die sich grundsatzlich wiederum in zwei I ! jHauptgruppen unterteilen lieB. Wie vorauszusehen nahm dabei jin der "Kleinen Prosa" die unmittelbare Schilderung der j jKampfe, Erlebnisse und Episoden den weitaus groBten Raum ! jein. Heroismus, Standhaftigkeit, Opfermut und Solidaritat ! jailer Freiheitlichgesinnten in diesem Kampf der Freiheit j Igegen die Niedertracht finden ihren gebiihrenden literari- \ ischen Niederschlag. DaB dabei die meisten Autoren ihre | ipropagandistisch-agitatorische Absicht in ihren Gestaltungen; des Spanienkampfes zum Ausdruck brachten, steht auBer Frage.i Dennoch ginge man zu weit, wollte man dieses epische Schaf- i ! ifen deutscher Exilschriftsteller anlaBlich des Spanien- I (krieges als zeitbedingte Beitrage entlassen. Vielfach wur- den namlich die dargestellten Themen im Sinne eines Biind- nisses zwischen Kampf und Kunst dichterisch erhellt. Bei- spielhaft hierfur war vor allem Egon Erwin Kischs Behandlung ; der Form der Reportage. Franz C. Weiskopf andererseits befaBte sich mit dem Spaniensujet in Anekdoten und nicht Izuletzt gelang dem Dichter Franz Werfel eine wirkungsvolle jBeleuchtung der Situation in Spanien, indem er seine Hand- jlung in eine Legende kleidete . Ein hoher literarischer Rang ijedoch war dieser "Kleinen Prosa" nicht zugeschrieben 441 worden. Neben ihrein informativ-dokumentarischen Charakter ist sie fur uns in erster Linie wertvoll als Ausdruck der i jHaltung der Exilautoren und ihrer Stellung im antifaschi- jstischen Kampf. Der Endeffekt dieser auf linksgerichtete ; 1 jund unparteiische Schriftsteller zuruckgehenden epischen j Jwerke war wiederum eine solidarische Bekundung zum Wider- ! jstand gegen den Faschismus . j Eine panoramische Beleuchtung des Spanienthemas hin- 'gegen erlebten wir in den der "Groflen Prosa" zugehorigen j iWerken. Berichtartige Darstellungen, Tagebuchaufzeichnungen und Romane gaben uns sowohl ein eindruckliches Bild des j Geschehens in Spanien., als auch spiegelten sie die unter- schiedliche Einwirkung des Krieges auf die individuellen i iAutoren wider. Glaubten Autoren wie Ludwig Renn, Bodo Uhse j ! I : i und Eduard Claudius unbeirrbar an ein letztlich siegreiches I ! Auskommen ihrer Sache, so blieben andere Autoren wie Artur Kostler, Gustav Regler und Alfred Kantorowicz nicht ohne Anfechtungen angesichts der Realitat in Spanien. Aber der : Kampf gegen den Faschismus erlitt dessen ungeachtet nicht jEinbuBe in seiner Vordringlichkeit. Eine ahnliche gemein- I |same Front gegen den Faschismus projizierten Werke von Her- jmann Kesten, Karl Otten und Ernst Sommer, die in verklarter j |Form, sei es in historischer Gestalt oder im Rahmen eines 442 Familienzankes das Schicksal der Republik und auch das Leben in der Emigration gestalteten. Ein Hauptthema aber schlagt jimmer wieder in zahlreichen dieser literariscben Beitrage |anj die Bedeutung des Spanienkampfes an sich fur die in eine lExilexistenz forcierten Schriftsteller. Der Kampf auf der t ! jlberischen Halbinsel bot nach langen Jahren des Ausge- i i jstoBenseins und hilflosen Wartens eine Gelegenheit, dem j ; I faschistischen Widersacher entgegentreten zu konnen. Was laber eine kiinstlerische Bewertung angeht, so war die "GroBe : Prosa" besonders ertragreichj wie zum Beispiel im Falle Artur Kostlers, Hermann Kestens und Ernst Sommers sichtbar j wurde. Ruckblickend kann festgestellt wardens daB diese Unter- isuchung den Nachweis erbrachte, welch unermeBliche Einwir- kung der Spanische Biirgerkrieg auf die exilierten deutschen Schriftsteller hatte. Sie nahmen unmittelbar am Kampf in Spanien teil^ unterstiitzten die Republik mit Wort und Tat und verarbeiteten dariiber hinaus den Spanienstoff litera- irisch. Wie nun bereits eingangs darauf hingewiesen wurde, ifanden diese Werke uber den Spanienkrieg verstandlicherweise |im Osten schon seit ihren ersten Anfangen eine auBerst |enthusiastische Aufnahme und gelten heute als ein wesent- i jlicher Bestandteil unter dem Begriff "sozialistischer 443 Realismus." DaB aber diese Spanienliteratur auch fur den •sogenannten Westen von auBerordentlicher Bedeutung ist^ soil | !in dem nachstehenden Exkurs noch einmal herausgestellt wer- ! jden. Obwohl die vorliegende Arbeit in ihrem Schwerpunkt jthematisch ausgerichtet ist und Fragen des Stils nur ober- i ; Iflachlich beruhrt, soil der Versuch einer Wertung sowohl dem; i | ! • [Inhalt nach, als auch in der Form unternommen werden. ! Berucksichtigt man^ daB ein GroBteil der angefiihrten jAutoren politisch links eingestellt war^ beziehungsweise im | I j ] i Geiste des Marxismus handelte und schrieb, so spielen wie ;erwartet parteipolitische und propagandistische Zuge in j diesen Werken eine betrachtliche Rolle. Dies zeigte sich ; i schon in Form von Schlagwortern auf den Kongressen der |Schriftsteller zur Verteidigung der Kultur. Im partei- ;politischen Sinne ausgebeutet wurde das Thema Spanien auch innerhalb der journalistischen und publizistischen Beitrage. Willi Bredel, Bodo Uhse^ Egon Erwin Kisch und Erich Weinert deuten den Krieg auf der Iberischen Halbinsel als einen Teil I des internationalen Klassenkampfes des Proletariats gegen |die kapitalistische Gesellschaftsordnung und preisen in oft ischematisierter Schwarz-WeiB-Zeichung, verbunden mit blindem i jldealismus die Sowjetunion als das groBe Vorbild einer neuen I Zukunft. Gefahrlich nahe steht ihnen Heinrich Mann mit 444 seinem sozialistischen Humanismus. Ahnlich politisch stark gefarbte Zuge lieSen sich auch in den Gattungen Drama, Lyrik | |und Prosa nachweisen. Nach dem im Dienste der Partei ste- | ! | I i ihenden Agitprop-Theaters sind die Buhenwerke von Ludwig | I | iRenn, Friedrich Wolf und Erich Weinert gebildet, wobei der j ! I ipropagandaeffekt im Mittelpunkt stand. Ebenso getragen von j j I politischer Zielsetzung aus lmksgerichteter Perspektive j fanden wir eine Vielzahl des poetischen Schaffens^ das wir jaus diesem Grunde auch als politische Kampfdichtung be- ; ■zeichneten. Hierzu zahlen unter anderem Dichter wie Johan- | I nes R. Becher, Louis Fiirnberg., Rudolf Leonhard und Erich i Arendt, um die prominentesten unter ihnen zu nennen. Galt ihre unmittelbare Unterstiitzung Spanien, so propagierten sie doch auch gleichzeitig die Sache des kommunistischen Welt- j | erneuerungsgedankens. Besonders gepragt von Propaganda war ! i I sowohl die Themenwahl^ als auch die detaillierten Darstel- i l i lungen von den Grauentaten der Faschisten. Das Elend der Bevolkerung und die Not der Kinder durch die Bombardements ^deutscher Flugzeige nimmt einen fast unerschopflichen Raum i ;ein. Nicht weniger starke politische und propagandistische i Untertone fanden auch im Rahmen der Prosa ihren Nieder- schlag. Eine nochmalige Aufzahlung der betreffenden Autoren I soil jedoch an dieser Stelle nicht beabsichtigt sein. In 445 der ostdeutschen Geschichte der Literatur fanden sie bereits eine ruhmvolle Aufnahme. Hand in Hand mit dem Verfolgen von ; i ipolitischen Zielen entstanden nicht selten propagandistischej ! “ j jWerke, die Betrachtungen literaturtheoretischer Art von I i ! Ivornherein ausschlieBen. Mehr als ein dokumentarischer und j j i ihistorischer Wert konnte in vielen Fallen dieser Literatur j jzum Tage nicht beigemessen werden. j ; i ; i Auf der positiven Seite hingegen konnen wir feststel- len, dafi in der deutschen Geschichte selten ein Ereignis ;eine so gemeinsame Front der geistig Schaffenden hervorge- rufen hat, wie im Falle des Spanischen Burgerkrieges. Im i [Kampf fur die Republik fanden wir neben einer GroSzahl von i linksgerichteten Autoren ebenso eine beachtliche Rexhe von isogenannten burgerlichen Schriftstellern, wie beispielsweise ; Thomas Mann, Erika und Klaus Mann, Franz Werfel, Hermann Kesten und Ernst Sommer. Besonders deutlich wurde dieses vereinte Einstehen fur eine Sache im Zusammenhang mit der Beleuchtung der Lyrik, wo wir eine Fiille von Dichternamen erwahnten, die wahrend des Spanienkampfes auf einer Seite ! standen, spater aber politisch weit auseinandergingen. An- i igesichts der Bedrohung durch den Faschismus schrieben selbst jAutoren wie Thomas Mann dem Marxismus eine positive politi- i jsche Kraft zu und auch der keineswegs linksgerichtete Franz 446 Werfel pflichtet im Grundsatzlichen und Allgemeinen der i jantifaschistischen Haltung der Spanienkampfer bei. Und hicht zuletzt glauben selbst Autoren wie Alfred Kantorowicz, Artur Kostler und Gustav Regler trotz ihrer Uberwiirfnisse j I | |mit der Partei, daB zuerst der Krieg in Spanien gewonnen ; jwerden miiBte, urn sich den MiBstanden in den eigenen Reihen ! jzuwenden zu konnen. Unter dem Druck der faschistischen | Machthaberschaft sagten sich, wie besonders in den Anspra- ! chen der Kongresse zum Ausdruck kam, Schriftsteller gleich ;welcher politischer Herkunft von ihrer traditionell iso- lierten Dichterexistenz los, um aktiv Bezug auf das Zeit- geschehen zu nehmen. Wie immer wieder in ihren Werken liber . den Spanienkrieg sichtbar wird, war der Kampf auf der Iberi- ;schen Halbinsel von nicht zu uberschatzender Bedeutung fiir die in der Verbannung Lebenden. Trotz verschiedener poli tischer Vorzeichen sahen sie nach vielen Jahren des Exils in fremden Landern endlich einen Hoffnungsschimmer, ihr Emi- ! : i I grantenschicksal beenden zu konnen. Ein erfolgreiches Aus- koitimen des Konfliktes in Spanien konnte auch die Befreiung j IDeutschlands von Hitler und dessen Machtherrschaft, ja j I IFrieden in der Welt viberhaupt mit sich bringen. DaB eine |neue Ordnung und Lebensform in Deutschland geschaffen werden jmuBte, darin bestand kein Zweifel. Welche enge Verbunden- 447 heit die Schriftsteller mit ihrer Heimat fuhlten, zeigte ‘ sich indessen selbst in den Werken iiberzeugter Marxisten t i I |wie Wxlli Bredel und Eduard Claudius. Hoffnungen und Ent- jtauschungen der Exilanten anlaftlich der Entwicklungen in j iSpanien spiegelten sich in dieser Spanienliteratur wider., ! I j jwenn auch besonders die vom Marxismus kommenden Autoren l i itrotz aller Riickschlage sich nicht leicht von dem Glauben | an einen Sieg abbringen lieften. Wiederholt iiberschattet auch bei eindeutig linksgerichteten Schriftstellern das echte menschliche Mitgefuhl fur das Schicksal des spanischen! t ' Volkes parteipolitische Bestrebungen. Erschutternde Zeit- j idokumente geben uns einen tiefen Einblick. in die spanische Situation und reflektieren eindriicklich die Atmosphare des antifaschistischen Kampfes. Politischer Idealismus und utopisches Festhalten an Uberzeugungen stehen dazu nicht im | i Widerspruch. | i Es besteht natiirlich kein Zweifel daran, dafi diese | ’ Spanienliteratur mit den immer wieder im Vordergrund stehen- ;den Grundzugen des Ausdrucks der Solidaritat, der Anklage^ jdes Aufriittelns und Werbens fur eine Sache, oft verbunden j jmit politischer Propaganda in gewissem Grade als Literatur i |zum Tage von nur historischem Interesse abgewertet werden jkann. Daneben gingen aber aus den Reihen der Exilschrift- 448 steller Werke von dauerhaftem Wert als bedeutender Beitrag zum Spanischen Biirgerkrieg hervor, Werke, die aus unserer i 'Literatur nicht mehr zu eliminieren sind. Erinnern mochte ich dabei noch einmal an die scharfsinnigen Durchleuchtungen| jund geistige Motivationen darstellenden Essays von Thomas ; lund Heinrich Mann, dem dramatischen Schaffens Brecht zum I I I jThema Spanienkrieg,; den unmittelbar im Feuer des Kampfes j entstandenen Liedern, die in ihrer Verbindung von Wort und ; Melodie beruhmt geworden sind und trotz ihres propagandi- j jstischen Charakters weit uber Propaganda hinausgehen. Auf dem Gebiete der Prosa aber entstand eine unerwartete Fulle \ yon Werken mit hohem literarischen Rang. Erwahnt seien hier; noch einmal die Namen Artur Kostler, Hermann Kesten und Ernst Sommer. Als Muster des Berichts gelten die Beitrage von Alfred Kantorowicz und Ludwig Renn. Auch wurde durch | 1 I j Egon Erwin Kisch die Form der Reportage in ein neues kunst- j | lerisches Licht geruckt. Ferner darf nicht vergessen wer- den, daB auch gute Propaganda kiinstlerische Anspriiche ; j stellt, um ein intellektuelles Publikum anzusprechen. Nicht jzuletzt wird aber der geheimn is voile Zeitfaktor selbst i dariiber entscheiden, welche Produkte dieses literarischen Schaffens zum Spanienkrieg in das Repertoire unseres Lite- jraturschatzes eingehen und welche Beitrage als politische 449 und zeitbedingte Literatur in eine zweitrangige Stellung 'sinken werden. Vor allem aber wurde sichtbar, daB die I ! I (schriftstellerische Tatigkeit in Bezug auf Spanien im Westen ; | jnicht als bloBe Ausdrucksform marxistisch Gesinnter ver- j : i i i istanden werden darf. Von groBtem Interesse wird die Spa- j inienliteratur aber immer dadurch bleiben, daB sie person- | | j iliche Bekenntnisse der Exilautoren wahrend einer diisteren | Epoche unserer Weltgeschichte, der Machtherrschaft des faschisraus 5 darstellen. Dieses Heraustreten der Dichter aus! , I i ihrer traditionellen isolierten Stellung, vun die Prinzipien j i der Menschheit zu verteidigen, kann selbst die Tatsache der | republikanischen Niederlage nicht beeintrachtigen. Der | I militarisch verlorene Krieg muB allein wegen des interna- tionalen Solidaritatsgefiihls, das er im antifaschistischen ’Kampf erweckte, positiv bewertet werden. Nicht zuletzt bewiesen diese deutschen ExiIschriftsteller mit ihrer Hal- tung vor aller Welt auch, daB nicht ganz Deutschland mit Hitler identisch gesetzt werden konnte. Darin ist gleich- Izeitig wohl eine der grundsatzlichen Effekte dieser Dichtung jiiber Spanien zu suchen. Das eigentliche Publikum, das durch | Idiese Spanienliteratur angesprochen wurde, blieb sicher mit jwenigen Ausnahmen zunachst auf den Emigrantenkreis selbst Ibeschrankt. DaB aber die von den Autoren mit richtiger 450 Vorausdeutung gezeichnete Weltkatastrophe durch ein gemein- sames Handeln aller freiheitlich Gesinnten der westlichen I iWelt hatte verhindert werden konnen, demonstriert die Frei- jlassung Artur Kostlers auf Druck freiheitlicher Krafte und jauch die giinstige weltweite Aufnahme von Ernst Tollers | t , I lUnternehmen zugunsten des spanischen Volkes. ! ; I ; Wenn nun auch diese vorliegende Untersuchung "Deutsche j ! Schriftsteller im Exil und der Spanische Burgerkrieg" bemuht1 war, ein bedeutendes Kapitel der deutschen Literaturge- j 'schichte zu erhellen, so kann sie doch angesichts der im .Zusammenhang mit diesem Thema zu losenden Fragen, lediglich j .einen Beitrag darstellen, diese Liicke zu schliefien. Vor- dringlich ist, daS zunachst noch weitere Quellen zu dem Ischriftstellerischen Engagement im Spanienkrieg von der Forschung aufgefunden werden. Einzelnen Dichtungen und j insbesondere die Lyrik innerhalb dieses Themenbereichs ver- | dienen dariiber hinaus eine detailliertere Beschaftigung, als ich dies im Rahmen dieser Arbeit vornehmen konnte. von jbesonderem Interesse ware auch ein Vergleich des Schaffens jder Autoren anlaSlich des Spanienkrieges und in Hinsicht auf idie kurz darauf folgende Erscheinung des zweiten Weltkrie- !ges. Regte der Konflikt in Spanien ein emotionelleres En gagement der Exilautoren an, als das in seiner Auswirkung 451 gemessen so bedeutend grofiere Ereignis? Nicht zuletzt aber fehlt vor allem der vergleichenden Literaturgeschichte eine | SDarstellung, die die Einwirkung des Spanienkampfes auf die ! ! jAutoren auf emer xnternationalen Ebene nachgeht. ■] ! B I B L I O G R A P H I E 1 ! 452 BIBLIOGRAPHIE Zeitschriften der Emigration Der deutsche Schriftsteller, Sonderheft: Spanien . Paris, Juli 1937. Deutsche VoIkszeitung. Paris, 1936-1939. Internationale Literatur. Moskau, 1936-1939. i Neuer Vorwarts. Karlstad, Paris, 1936-1939. j b a s Neue Tagebuch. Paris, 1936-1939. Lie Neue Weltbuhne. Prag, Brussel, Paris, 1936-1939. Las Wort. Moskau, 1936-1939. S Die Zukunft. Paris, 1938-1939. Kritische und allqemeine Werke zum Thema Spanien I Benson, Frederick R. Schriftsteller in Waffen. Die Lite ratur und der Spanische Burgerkrieq. Freiburg i/B: Atlantis, 1969. i_____________________. Writers in Arms. The Literary Impact of the Spanish Civil War. New York: New York Univer sity Press, 1967. 453 454 Berendsohn, Walter A. Die humanist is che Front. Einfiihrung in die deutsche Enviqrantenliteratur. Erster Teil: Von 1933 bis zum Kriegsausbruch 1939. Zurich: Europa Ver- j lag* 1946 . jBerthold, Werner, und Wilhelmi, Christa, Hrsg. Exil- Literatur 1933-1945. Eine Ausstellung aus Bestanden der Deutschen Bibliothek, Frankfurt am Main. Sammlung ! Exil-Literatur. Frankfurt a/M: Im Kommissionsverlag j i der Buchhandlervereinigung, 1966. Sonderveroffent- j | lichung der Deutschen Bibliothek, Nr. 1. { | ! jBrenner, Hildegard. "Deutsche Literatur im Exil 1933- | 1945 .1 1 In Handbuch der deutschen Gegenwarts literatur , j hrsg. Hermann Kunisch. Miinchen: Nymphenburger Verlags- buchhandlung, 1962^ . ; ! | i"Brigaden in Spanien." Beitrage zur Geschichte der deut- j schen Arbeiterbewegung, 5 (1966), 8 8 6-8 8 8 . ■ ; | Buttjes, Dieter. "Die deutschen Antifaschisten und ihre | Literatur uber den spanischen Burgerkr ieg ." Geplante i Dissertation, Universitat Marburg/Lahn. i Eckert, Horst. "Die Beitrage der deutschen emigrierten | | Schriftsteller in der 'Neuen Weltbuhne' von 1934-1939. j i Ein Beitrag zur Untersuchung der Beziehungen zwischen ! Volksfrontpolitik und Literatur." Unveroffentlichte Dissertation, Humboldt Universitat Berlin, 1963. I ! | Herting, Helga. "Spanien und die antifaschistische deutsche Literatur." Neue deutsche Literatur, 14 (1966), 13-24. : _______________ . "Die Widerspiegelung des Kampfes deutscher Interbrigadisten in der deutschen sozialistischen Literatur." In Interbrigadisten. Der Kampf deutscher Kommunisten und anderer Antifaschisten im national- i revolutionaren Krieg des spanischen Volkes 1936-1939, j - hrsg. von der Militarakademie Friedrich Engels. Ber- j lin: Deutscher Militarverlag, 1966. ;Institut fiir Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der | SED, Hrsg. Der Freiheitskampf des spanischen Volkes ! und die internationale Solidaritat. Dokumente und | Bilder zum nationalrevolutionaren Krieg des spanischen 455 | Volkes 1936-1939. Berlin: Dietz Verlag, 1956. I Jarmatz, Klaus. "Grundprobleme der deutschen antifaschisti- | schen Literatur 1933-1945." Unveroffentlichte Disser- 1 tation, Institut fur Gesellschaftswissenschaften beim ! ZKD/SED, Berlin, 1964. I ; . Literatur im Exil. Berlin: Dietz Verlag, j 1966. jKantorowicz, Alfred. "Fiinf Jahre deutscher Schutzverband. " | Das Wort, 12 (Dezember 1938), 60-75. | | | ____________________ . Deutsche Schicksale. Wien: Europa Verlag, 1964. ■ ____________________ . Deutsche Schicksale. Neue Portrats. 1 Berlin: A.K., 1945. Ost und West-Buchreihe, Bd. 14. i ’ j , ____________________ . Portrats. Deutsche Schicksale. Ber- ‘ lin: Chronos, 1947. ! ’ i ! i ____________________ . "Die spanische Tragodie." Freiheit ! und Recht, 12 (1966), 25-28. Kesten, Hermann. Deutsche Literatur im Exil. Briefe euro- | 3 ’ 1 - 1 ; paischer Autoren 1933-1949. Wien, Miinchen und Basel: Kurt Desch, 1964. i : | _________________. "Deutsche Literatur im Exil. Von der j Verantwortung des Schriftstellers." Deutsche Univer- j s ita ts ze itung, 11 (1956), 14-19. ! . Der Geist der Unruhe. Literarische Streifziige . Koln und Berlin: Kiepenheuer und Witsch, 1959 . ! Kirsch, Edgar. "Der spanische Freiheitskampf (1936-1939) im i Spiegel der antifaschistischen deutschen Literatur." ! wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther Uni- l versitat Halie-Wittenberg, 4 (1954), 99-119. 1 |Kollektiv fur Literaturgeschichte im Volkseigenen Verlag j Volk und Wissen, Hrsg. Bodo Uhse. Eduard Claudius. | AbriS der Spanien-Literatur. Berlin: Volk und Wissen, 456 1961. Schriftsteller der Gegenwart, Nr. 5. jLiith, Paul E. H. Literatur als Geschichte. Bd. 2. Wies- i baden: Limes Verlag, 1947. I jMilitarakademie Friedrich Engels, Hrsg. Interbrigadisten. Der Kampf deutscher Kommunisten und anderer Antifa- ! schisten im nationalrevolutionaren Krieg des spanischen | Volkes 1936-1939. Berlin: Deutscher Militarverlag, ; 1966 . j | : i ; j _________________________________________ . Pasaremos. Deut- j | sche Antifaschisten im nationalrevolutionaren Krieg des ' spanischen Volkes. Berlin: Deutscher Militarverlag, 1966 . Pfeiler, William K. German Literature in Exile. The Con cern of the Poets. Lincoln, Nebr.: University of : Nebraska Press, 1957. University of Nebraska Studies, N.S., Nr. 16. | | Reinecke, Karin. "Deutsche Schriftsteller im spanischen Burgerkrieg. Ein Beitrag zum deutschen Widerstand." Geplante Dissertation, Universitat Freiburg i/B. iSchwarz, Egon, und Matthias Wegner, Hrsg. Verbannung. Auf- zeichnungen deutscher Schriftsteller im Exil. Hamburg: Christian Wegner Verlag, 1964. Sternfeld, Wilhelm. "Die Emigrantenpresse." Deutsche Rund schau . 76 (1950), 250-259. ___________________ , und Eva Tiedemann, Hrsg. Deutsche Exil- Literatur 1933-1945. Eine Bio-Bibliographie. Heidel- : berg und Darmstadt: Lambert-Schneider Verlag, 1962. ;Thomas, Hugh. The Spanish Civil War. New York: Harper, ! 1961. iWalter, Hans-Albert. "No Pasaran. Deutsche Exilschrift- ! steller im Spanischen Burgerkrieg." Kurbiskern, 1 (1967), 5-27. 457 Wegner, Matthias . Exil und Literatur. Deutsche Schrift steller im Ausland 1933-1945. Bonn: Athenaum-Verlag, ! 1967. 19692 . I jweiskopf, Franz Carl. Unter fremden Himmeln. Berlin: j Dietz-Ver lag, 1948. | | I I i jwohlfeil, Rainer. "Der spanische Burgerkrieg 1936-1939. | ! Zur Deutung und Nachwirkung." Vierteljahrshefte fur j Zeitgeschichte, 2 (April 1968), 101-119. : Werke deutscher Exilautoren anlafilich des j Spanischen Biirqerkrieqes ! Anthologien ;Crossman, Richard, Hrsg. The God That Failed. New York: Bantam Books, Inc., 1959. Falcon, Irene de, Hrsg. Spanien. Sammelband iiber den Frei-i heitskampf des spanischen Volkes. Paris: Editions ' Promethee, 1938. jKantorowicz, Alfred, Hrsg. Tschapajew. Das Bataillon der 21 Nationen. Dargestellt in Aufzeichnungen seiner Mit- kampfer. Madrid: Imprenta Colectiva Torrent, 1938] Berlin: Verlag des Ministeriums fur nationale Vertei- ! digung, 1956. Kirsch, Hans Christian. Der spanische Burgerkrieg in Augen- zeugenberichten. Dtisseldorf: Karl Rauch, 1967. Marquardt, Hans, Hrsg. Rote Zitadellen. Der Spanische i Freiheitskampf 1936-1939. Eine Anthologie. Berlin: Neues Leben, 1961. iMohr, Otto, Hrsg. Das Wort der Verfolqten. Gedichte und i Prosa, Briefe und Aufrufe deutscher Fluchtlinqe von H. Heine und G. Herwegh bis zu B. Brecht und Th. Mann. j Basel: Mundus, 1945. 458 jpayne, Robert, Hrsg. The Civil War in Spain 1936-1939. | Greenwich, Conn.: FawcettWorld Library, 1964. I iWeinert, Erich, Hrsg. Die Fahne der Solidaritat. Deutsche 1 Schriftsteller in der spanischen Freiheitsarmee. Ber- | lin: Aufbau Verlag, 1953. ! Journalistische und publi- | zistische Beitrage ] | jBalk, Theodor. "Am Ebro." Die Neue Weltbuhne, 25 (Juni j j 1938), 787-789. | ______________. "Internationale des Faschismus?" Die Neue Weltbuhne, 47 (November 1936), 1486-1490. i jBloch, Ernst. "Emir Franco als Nationalist." Die Neue j Weltbuhne. 42 (Oktober 1936), 1314-1317. j ;_____________ . "Entzauberte Medusa." Die Neue Weltbuhne, 14j (April 1937), 412-^125. ! | . "Fabius Cunctator und Franco." Die Neue Weltbuhne, 29 (Juli 1937), 897-901. i _. "Neue Einschatzung der Nazis." Die Neue Weltbuhne, 8 (Februar 1937), 229-233. :Bloch, Ernst. "Neuer Adel." Die Neue Weltbuhne, 4 (Januar 1937), 99-102. Bredel, Willi. "Adelante! Pasaremos!" In Der Freiheits- kampf des spanischen Volkes und die internationale Solidaritat, hrsg. von Institut fur Marxismus-Leninis- mus beim Zentralkomitee der SED. Berlin: Dietz Ver lag, 1956. I I______________. "Die Hospitaler der Internationalen." Die ! Neue Weltbuhne, 35 (August 1937), 1109-1111. ________ . "Tortosa." Die Neue Weltbuhne, 33 (August 1938), 1040-1043. 459 Frei, Bruno. "Die groSe Luge." Die Neue Weltbuhne, 10 (Marz 1937), 302-305 . ! ____________. "Von der deutschen Ehre." Der deutsche ! Schriftsteller (Paris), Sonderheft (Juli 1937), 11. ! |"Gegen die Scheiterhaufen," Begrufiung. Der deutsche Schriftsteller (Paris), Sonderheft (Juli 1937), 10. i jHass, Rudolf. "Guernica und das deutsche Volk." Die Neue | Weltbuhne, 19 (Mai 1937), 599. i jKantorowicz, Alfred. "Madrider Tagebuch." Per deutsche I Schriftsteller (Paris), Sonderheft (Juli 1937), 7-8. Kersten, Kurt "Deutsch-spanische Erinnerungen." Der deutsche Schriftsteller (Paris), Sonderheft (Juli | 1937), 4. . "London interveniert in Spanien." Die Neue Weltbuhne, 36 (September 1938), 1040-104-3. Kisch, Egon Erwin. "Ein Bild der Zukunft erscheint mir I ..." Der deutsche Schriftsteller (Paris), Sonder heft (Juli 1937), 6 . Kostler, Artur. "Die Geschichte der Belagerung des Alca zar ..." Der deutsche Schriftsteller (Paris), Son derheft (Juli 1937), 6 . Kurella, Alfred. "Malaga (von Amedeo Ugolini)." Das Wort, 12 (Dezember 1938), 31-47. Mann, Erika und Klaus. "Solidaritat. Freunde in alien | Landern." Die Zukunft, 6 (Februar 1939), 37-40. i _______________________. "Zuriick von Spanien . " Das Wort, 10 | (Oktober 1938), 39-43. IMann, Heinrich. "Die deutsche Volksfront." Die Neue Welt- ! biihne. 22 (Mai 1937), 549-552 . ! _______________ . "Es ist moglich, den Frieden zu erhalten." Der deutsche Schriftsteller (Paris), Sonderheft (Juli j 1937), 10. 460 Mann, Heinrich. "Es ist Zeit." Die Neue Weltbuhne, 3 (Januar 1937), 72-75 . I ________________. "Die Herren vom Militar." Die Neue Welt- ; buhne, 11 (Marz 1937), 321-326 . ; ________________. Der Mut. Paris: Verlag 10 Mai, 1939. i ________________. "Rettung der Zivilisation . " Die Neue we It-I buhne, 43 (Oktober 1936), 1345-1348. j ! ________________. "Riickblick." Die Zukunft, 1 (Januar 1939),j ; 6 . | . "Schluflwort." Der deutsche Schriftsteller ' (Paris), Sonderheft (Juli 1937), 12. : | i ________________. "Spanische Lehren." Die Neue Weltbuhne, 15; (April 1937), 449-453. Mann, Thomas. Briefe 1937-1947. Frankfurt a/M: Fischer Verlag, 1963. j ; _____________. "Fur das republikanische Spanien." Der j deutsche Schriftsteller (Paris), Sonderheft (Juli j 1937), 1. ! _____________. Gesammelte Werke. Bd. X-XII: Reden und Aufsatze. Frankfurt a/M: Fischer Verlag, 1960. Marchwitza, Hans. "Es ist hier der schonste Friihling . . ." Der deutsche Schriftsteller (Paris), Sonderheft (Juli 1937), 5. j ; _________________ . "Aus einem Brief von Hans Marchwitza (Spanien)." Das Wort, 7 (Juni 1937), 108. , :Marcuse, Ludwig. "Miguel de Unamuno. Der zweite Don Quichotte." Das Wort, 5 (November 1936), 65-70. I jMehring, Walter. "Graf Keyserling und Spanien." Die Neue ; Weltbuhne. 15 (April 1937), 472-473. 461 Regler, Gustav. "Ich bin immer wieder glucklich ..." Der deutsche Schriftsteller (Paris), Sonderheft (Juli 1937), 5. ;Seghers, Anna. "Hans Beimler." Der deutsche Schriftsteller (Paris), Sonderheft (Juli 1937), 3. j ; ! I i jUhse, Bodo . "Grabrede auf den Gefreiten Franke." Der j deutsche Schriftsteller (Paris), Sonderheft (Juli 1937), 9. i | ! ___________. "tiber die spanischen Milizen." Das Wort, 1 ! i (Januar 1937), 104-105. | : [ Weinert, Erich. "Ein Brief des Teniente Miguel Nunez." Das Wort, 12 (Dezember 1938), 25-28. |Weiskopf, Franz Carl. "Federico Garcia Lorca." Das Wort, 2! (Februar 1937), 59-61. ! i : _______________________. "Federico Garcia Lorca." Die Neue Weltbuhne, 2 (Januar 1937), 52-53. . "Franco." Die Neue Weltbuhne, 42 j (Oktober 1936), 1334. ' _______________________. "Zeitungen von der Front." Die Neue ! ' Weltbuhne, 36 (September 1938), 1135-1138. j I Wolff, Use. "Friihling am Jamara." Die Neue Weltbuhne. 16 (April 1937), 495-^197. ____________. "Spanische Frauen." Die Neue Weltbuhne, 11 (Marz 1937), 334-335. i Drama j Brecht, Bertolt. Gesammelte Werke. Bd. Ill: Stucke. Frankfurt a/M: Suhrkamp Verlag, 1967. ! ; ________________ . Gesammelte Werke. Bd. VII: Stucke aus ! dem Exil. Frankfurt a/Mj Suhrkamp Verlag, 1957. 462~] Renn, Ludwig. "Mein Maultier, meine Frau und meine ziege.1 1 Das Wort, 9 (September 1938), 74-80. jwolf, Friedrich. Ausgewahlte Werke. Bd. X: Horspiele und Laienspiele. Berlin: Aufbau Verlag, 1955. I ; _________________. Gesammelte Dramen. Bd. V. Berlin: Auf bau Verlag, 1955. : i . Gesammelte Werke. Bd. VI: Dramen. Ber- I | lin: Aufbau Verlag, 1960. ! [ j i _________________. Gesammelte Werke in sechzehn Banden. Bd. j V: Dramen. Berlin: Aufbau, 1960. j . "Die Newa kommti" Das Wort, 11 (November ‘ 1937), 110-117. I Lyr ik !Arendt, Erich. Bergwindballade. Gedichte des spanischen Burgerkrieqes . Berlin: Dietz Verlag, 1952 . Becher, Johannes R. Ausgewahlte Dichtung aus der Zeit der Verbannung 1933-1945. Berlin: Aufbau Verlag, 1946. _. Gesammelte Werke. Bd. IV. Herausge- geben von der Deutschen Akademie der Kiinste zu Berlin. i Berlin und Weimar: Aufbau Verlag, 1966. ____________________. Der Gliicksucher und die sieben Lasten . Berlin: Aufbau Verlag, 1958. i ____________________. Romane in Versen. Berlin: Aufbau Verlag, 1946. . "Spanien." Die Neue Weltbuhne, 43 | (Oktober 1936), 1367. jBloch, Ernst. "Jamara-Front." Das Wort, 7 (Juli 1937), 105 . I l ‘ Blum, Klara. "Letzte Fahrt." Das Wort. 1 (Januar 1938), I 16 . 463 Busch, Ernst, Hrsg. Kampflieder. Battle Songs. Canzoni di guerra. Chansons de guerre. Madrid: Diana, 1937. Detsinyi, Ludwig. "Funfzehn gefallene Genossen." Die Neue Weltbuhne. 23 (Juni 1937), 727. _________________ . "Die Italiener." Die Neue Weltbuhne. 21 (Mai 1937), 665. Fiirnberg, Louis. Holle, Hafl, Liebe. Berlin: Dietz Verlag, 1960. . Die spanische Hochzeit. Berlin: Dietz Verlag, 1956 . Heym, Stefan. "In Spanien— Sturmfuhrer Kaleike— Das Opfer— Internationale Brigade." Das Wort, 4-5 (April-Mai 1937), 8 6-8 8 . | _____________ . "Sturmfuhrer Kaleike uber Franco." Die Neue j Weltbuhne, 6 (Februar 1937), 175. Kerr, Alfred. "Die Illegalen." Die Neue Weltbuhne, 23 (Juni 1937), 818. Kurella, Alfred. "Nachte Spaniens (von Braccialarghe)— Auf der Durchreise— Salud] (von E. E. und J. K.)— Der Tag des Siegs (von Marcel Tourmente)." Das Wort, 5 (Mai 1938), 94-98. Leonhard, Rudolf. Spanische Gedichte und Tagebuchblatter. Paris: Editions Promethee, 1938. | Mehring, Walter. "Hymne auf die Sieger von Guernica." Das Neue Tagebuch, 19 (8 . Mai 1937), 453. Moench, Adrian. "Spanische Balladen." Die Neue Weltbuhne. 11 (Marz 1939), 336. Olden, Balder. "Der schwarze Uberlaufer (von Antonio Garcia Luque)— Der gepanzerte Zug (von Jose Herrera Petere)." Das Wort, 6 (Dezember 1936), 6-7. Renn, Ludwig. "Spanien." Der deutsche Schriftsteller (Paris), Sonderheft (Juli 1937), 5. 464 Riese, Hertha• "Nichts Neues in Spanien." Die Neue Welt buhne , 26 (Juli 1938), 821. ISchnog, Karl. "Grufl an die Internationale Brigade." Das Wort, 6 (Juni 1937), 99. ISylt, Peter. "Den unbekannten Genossen in Mussolinis Inter vent ionsarmee." Das Wort. 6 (Juni 1937), 28. ; | j ; 'Viertel, Berthold. "Denn Spanien." Die Neue Weltbuhne, 37 j (September 1937), 1163. | I i Weinert, Erich. "Aus Spanien (von Louis de Tapia)." Die Neue Weltbuhne, 18 (Mai 1938), 571. ! _______________ . "Vorwarts, Fiinftes Regiment! (von Louis de Tapia)." Das Wort, 1 (Januar 1937), 8 . Zimmering, Max. Im herben Morgenwind. Gedichte. Berlin: Dietz Verlag, 1953. ! ; Prosa Balk, Theodor. Das verlorene Manuskript. Mexico: El Libro i Libre, 1943. Bredel, Willi. Begegnung am Ebro. Aufzeichnungen eines Kriegskomissars. Paris: Editions du 10 Mai, 1939. ______________ . Die Enkel. Berlin: Aufbau Verlag, 1967. Brendt, E. [Eduard Claudius]. "Das Opfer." Das Wort, 2 (Februar 1938), 56-63. iClaudius, Eduard. Griine Oliven und nackte Berge. Miinchen: ! Verlag Kurt Desch, o.D. i Deutsch, Julius. Ein weiter Weg. Lebenserinnerungen. Zurich, Leipzig und Wien: Amalthea, 1960. j jFrohlau, Axel. "Brot." Das Wort, 1 (Januar 1938), 9-15. i ] jGeorg, Manfred. "Der Marsch durch die Stadt." Das Wort, 10 | (Oktober 1938), 3-7. 465 Georg, Manfred. "Warum Mister Flint das Gewehr nahm." Das Wort, 1 (Januar 1938), 3-8. Gorrish, Walter. Um Spaniens Freiheit. Berlin: Aufbau Verlag, 1946. Spatere Ausgabe unter dem Titel Mich Durstet, 1956. Kantorowicz, Alfred. "Otto Brunners Verwundung." Die Neue Weltbuhne. 27 (Juli 1938), 849-851. j ' j _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ . Spanisches Kriegstagebuch. Berlin: ! Aufbau Verlag, 1949. i I ____________________ . Spanisches Kriegstagebuch. Koln: | Wissenschaft und Politik, 1966 . | ! j ____________________ . "Tschapa jew, " Ausziige . Das Wort, 3 I (Marz 1938), 40^19. ! i I |Kast, Peter. "Der Parteiauftrag." In Rote Zitadellen, ! hrsg. von H. Marquardt. Berlin: Neues Leben, 1961. i j I jKesten, Hermann. "Gernica," Auszug. Die Zukunft. 8 (Dezem- j ber 1938), 8 . I I . Die Kinder von Gernika. Amsterdam: | Allert de Lange, 1939; Wien und Miinchen: Verlag Kurt Desch, 1960. j | . "Die Kinder von Gernika. Ein Kapitel aus dem gleichnamigen Roman." Das Wort, 11 (November j 1938), 3-20. jKisch, Egon Erwin. "Die drei Kiihe." Das Wort, 4 (April | 1938), 13-24. __________________ . "Im ausgeraumten Prado." Die Neue Welt buhne , 39 (September 1937), 122 0-1224. __________________ . Soldaten am Meeresstrand. Eine Repor tage . Valencia: Imprenat La Semana Grafica, 1936. _____________ . Unter Spaniens Himmel. Ausgewahlt von Gisela Kisch. Berlin: Deutscher Militarverlag, 1961. 466 Kostler, Artur. L'Espacme ensanqlantee. Un Livre noir sur 1 'Espagne . Paris: Editions du Carrefour, 1953. . Menschenopfer unerhort. Ein Schwarzbuch uber Spanien. Paris: Editions du Carrefour, 1937. __________ . Ein spanisches Testament. Zurich: Europa Verlag, 1938. __________ . Spanish Testament. London: Gollancz, ! 1937. iKurella, Alfred. "Wiederkehr." Das Wort, 8 (August 1938), 70-78. ________________ . Wo liegt Madrid? Berlin: Verlag des Ministeriums fur nationale Verteidigung, 1956. Leonhard, Rudolf. "Carmen." Das Wort, 8 (August 1937), 4-8 . : . "El Hel." Das Wort, 5 (November 1936), 7-15 . Der Tod des Don Quichote. Geschichten aus dem spanischen Burgerkrieg. Zurich: Stauffacher, 1938. ____________ . "Wolf Wolff." Das Wort, 9 (September 1938), 81-86. Loewenstein, Hubertus Prinz von. Als Katholik im republi- kanischen Spanien. Zurich: Stauffacher Verlag, 1938. Englische Ausgabe: A Catholic in Republican Spain. ' London: Gollancz, 1937. ' . "Spanienfahrt eines Christen." Die Neue Weltbuhne, 37 (September 1937), j 1182-1187; 40 (September 1937), 1254-1258. IMaassen, Hanns. Die Messe des Barcelo. Halle/Saale: Mit- teldeutscher Verlag, 1968. | I . Die Sohne des Tschapajew. Berlin: Verlag des Ministeriums fur nationale Verteidigung, 1960. 467 jMann, Klaus. Per Wendepunkt. Frankfurt a/M: Fischer Ver- lag, 1958. jMarchwitza, Hans. "Araganda ." Das Wort, 8 (August 1938) , 64-69. | ___________________ . Unter uns . Erzahlungen aus der Welt der I Schachte. Berlin: Tribune Verlag, 1954. ; -• - | i _________________ . "Vor Teruel." Das Wort, 10 (Oktober I ; 1938), 7-12. | i jMerin, Peter. "Die geheimnisvoile Hand." Die Neue Welt- j buhne, 2 (Januar 1937) , 44-46. j i _. Spanien zwischen Tod und Geburt. Zurich: Jean Christoph Verlag, 1937. ; ; _____________. "Spanische Erlebnisse." Die Neue Weltbuhne, j 2 (Januar 1937), 44-48. , Mohr, E . Wir im fernen Vaterland geboren . . . Die Centuria' Thalmann. Paris: Editions Promethee, 1938. I Otten, Karl. Torquemadas Schatten. Stockholm: Bermann- : Fischer Verlag^ 1938. Pozner, Vladimir. "Spanien— erste Liebe." Neue deutsche Literatur, 14 (1966), 62-65. Regler, Gustav. The Great Crusade. New York und Toronto: ! Longmans^ Green and Co.j 1940. . Das Ohr des Malchus . Eine Lebensge- schichte. Koln und Berlin: Kiepenheuer und Witsch, 1 1958. i________________. The Owl of Minerva. New York: Farrar, | Straus und Cudahy, 1960. I I________________. "Romanzero, " Riickiibersetzung aus dem Spa- nischen. Das Wort, 5 (Mai 1938), 92. I I 468 Renn, Ludwig. Der spanische Krieg. Berlin: Aufbau Verlag, 1955. Spatere Ausgabe unter dem Titel Im Spanischen Krieg, 1963. Seghers, Anna. Die Entscheidung. Berlin: Aufbau Verlag, 1960. ______________ . Die Kraft der Schwachen. Berlin: Luchter- hand, 1965. I ______________ . Die Toten bleiben jung. Berlin: Aufbau Verlag, 1956 . ______________ . Transit. Berlin: Aufbau Verlag, 1954. j jSiemsen, Anna. "Spanien." Das Buch, 2 (Juni 1938), 13. ______________ . Spanisches Bilderbuch. Mit 26 Bildern. Paris: Editions Nouvelles Internationales, 1937. jSommer, Ernst. Botschaft aus Granada. Berlin: Jiidische I Buch-Vereinigung, 1938. Spielhagen, Franz. Spione und Verschw5rer in Spanien. Nach offiziellen nationalsozialistischen Dokumenten. Paris : Editions du Carrefour, 1936. Uhse, Bodo. "Das erste Gefecht." Das Wort, 4 (April 1938), | 5-13. |___________. Die erste Schlacht. Aus der Geschichte des ‘ Bataillons Edgar Andre in Spanien. Paris: Editions j du Carrefour, 1938. i j ___________. Leutnant Bertram. Berlin: Verlag Volk und I Welt, 1950. ___________. Reise in einem blauen Schwan. Berlin: Aufbau Verlag, 1959. ___________. "Spanische Episode . " Das Wort. 6 (Dezember 1936), 8-12 . Weinert, Erich.' Camaradas. Ein Spanienbuch. Berlin: Ver lag Volk und Welt, 1960. 469 Weiskopf, Franz Carl. Gesammelte Werke. Bd. VI: Anek- doten und Erzahlungen. Berlin: Dietz verlag, 196 0. . "Das goldene Apfelchen." Das Wort, 12 (Dezember 1938), 12-16. . Die Unbesiegbaren. Berichte, Anek- doten, Legenden. 1933-1945. New York: Aurora Verlag, 1945 . Werfel, Franz. Gesammelte Werke. Bd. II: Erzahlungen aus zwei Welten. Frankfurt a/M: Fischer Verlag, 1954. Wolf, Friedrich. Gesammelte Werke. Bd. X: Zwei an der Grenze. Berlin: Aufbau Verlag, 1961. I ________________ . Die lebendige Mauer. Erzahlungen. Skiz- zen. Lebensbilder. Satiren. Dialoge. Berlin: Verlag des Ministeriums fur nationale Verteidigung, 1957 . Ziegler, Bernhard. "Rosina." Das Wort, 1 (Januar 1938), 11-15. Zielonka, Paul. "Mein Spanien-Tagebuch." Neue deutsche Literatur, 14 (1966), 43-61. Sekundarliteratur zu einzelnen Autoren, Rezensionen Andersen-Nexo, Martin. "Die Gewehre der Frau Carrar. Ein j deutscher Emigrantendichter uber den spanischen Volks- kampf." Das Wort, 6 (Juni 1938), 139-142. Arnold, Maria. "Drei Spanienbiicher— Ilja Ehrenburg: No pasaran; Edwin Erich Dwinger: Spanische Silhouetten; Peter Merin: Spanien zwischen Tod und Geburt," Re zensionen. Das Wort, 10 (Oktober 1937), 45-51. Bock, Lilli, Hrsg. Willi Bredel. Leben und Werk. Berlin: Volk und Wissen, 1967. Schriftsteller der Gegenwart, Nr . 12 . 470 Brecht, Bertolt. "Die Dialektik auf dem Theater." Ver- suche, 15 (1957), 96f. Deutsch, Julius. "Bucher uber Spanien." Der Kampf, 1 (Januar 193S), 24-2 7. Die Deutsche Akademie der Kunste zu Berlin, Hrsg. Erich Weinert. Dichter und Tribun 1890-1953. Berlin und Weimar: Aufbau Verlag, 1965. Engel, Rudolf, Hrsg. Erich Weinert erzahlt. Berichte und Bilder aus seinem Leben. Berlin: Volk und Welt, 1955. Erich Weinert. Ein Dichter unserer Zeit. Aufsatze aus drei Jahrzehnten. Berlin: Volk und Welt, 1960. Esslin, Martin. Brecht. The Man and His Work. Garden City, N. Y.: Doubleday and Co., 1961. Ewen, Frederic. Bertolt Brecht. His Life, His Art and His | Times. New York: The Citadel Press, 1967. Frei, Bruno. "Das Bataillon der 21 Nationen," Rezension. Die Neue Weltbiihne, 19 (Mai 1938), 601-603, ____________. "Spanisches Testament," Rezension. Die Neue Weltbiihne, 12 (Marz 1938), 377-378. I Hilscher, Eberhard. "Johann R. Bechers Exiljahre." Wei- marer Beitrage, 4 (1958), 487-512. jHiifner, Agnes. Brecht in Frankreich 1930-1963. Verbrei- ! tung, Aufnahme und Wirkung. Stuttgart: Metzlersche | Verlagsbuchhandlung, 1968. i jjehser, Werner. Friedrich Wolf. Leben und Werk. Berlin: Volk und Wissen, 1965. Schriftsteller der Gegenwart, Nr . 17 . Kantorowicz, Alfred. "Egon Erwin Kisch." In Kisch- Kalender, hrsg. von F. C. Weiskopf. Berlin: Aufbau Verlag, 1956. "Karl Otten. Torquemadas Schatten," Rezension. Das Buch, 5 (April 1939), 11. 471 Kollektiv fur Literaturgeschichte im Volkseigenen Verlag Volk und Wissen, Hrsg. Hans Marchwitza. Otto Gotsche. Leben und Werk. Berlin: Volk und Wissen, 1961. Schriftsteller der Gegenwart, Nr. 7. ______________________ . Johannes R. Becker. Leben und Werk. Berlin: Volk und Wissen, 1960. Schriftsteller der Gegenwart, Nr. 1. ____________________________________. Ludwig Renn. Erich Maria Remarque. Leben und Werk. Berlin: Volk und Wissen, 1961. Schriftsteller der Gegenwart, Nr. 5. ____________________________________. Willi Bredel. Leben und Werk. Berlin: Volk und Wissen, 1967. Schriftsteller der Gegenwart, Nr. 12. Kurella, Alfred. "Im Kampf fur Spanien," Rezension. Das j Wort, 3 (Marz 1937), 87-90. i j j Ludwiq Renn. Zum 70. Geburtstag. Berlin: Aufbau Verlag, | 1959. jLukacs, Georg. "Der Meister der Reportage." In Kisch- l Kalender, hrsg. von F. C. Weiskopf. Berlin: Aufbau Verlag, 1956. Mittenzwei, Werner. Bertolt Brecht. Berlin: Aufbau Ver lag, 1962 . Neugebauer, Heinz, Hrsg. Anna Seghers. Leben und Werk. Berlin: Volk und Wissen, 1960. Schriftsteller der Gegenwart, Nr. 4. j_________________________. Egon Erwin Kisch, Franz Carl Weiskopf. Leben und Werk. Berlin: Volk und Wissen, 1963 . Niemeyer, Wilhelm. "Hermann Kesten und Frankreich." Anta- res, 5 (1957), 3-12. "Peter Merin. Spanien zwischen Tod und Geburt," Rezension. Das Wort, 10 (Oktober 1937), 98. 472 Pollatschek, Walter. Das Buhnenwerk Friedrich Wolfs. Ein Spiegel der Geschichte des VoIkes. Berlin: Henschel Verlag, 1958. Poschmann, Henri. Louis Furnberqs Leben und Werk. Berlin: Volk und Wissen, 1967. Reich-Ranicki, Marcel. Die Ungeliebten. Sieben Emiqranten. Pfullingen: Guenther Neske, 1968. j Renn, Ludwig. "Ludwig Renn: Daten meines Lebens." Aufbau, 5 (1949), 367f. _____________. Personlicher Brief an den Verfasser vom 14. Dezember 1969 . I _____________. Personlicher Brief an den Verfasser vom 11. j Januar 1970. | | | ____________ . Personlicher Brief an den Verfasser vom 25. j Februar 1970. ! ____________ . Personlicher Brief an den Verfasser vom 13. I Marz 1970. | I Rischbieter, Henning. Brecht I. Hannover: Friedrich Ver lag, 1966. Friedrichs Dramatiker des Welttheaters, Bd. 13 . Ruhle, Jurgen. Literatur und Revolution. Die Schrift steller und der Kommunismus. Koln und Berlin: Kiepen- ! heuer und Witsch, 1960. ______________. "Der rote Reporter." Forum, 6 (1959), 57- 69 . Scheer, Maximilian. "Der neue Brecht," Rezension. Die Neue Weltbuhne, 45 (November 1937), 1430-1431. Schlenstedt, Dieter. Die Reportage bei Egon Erwin Kisch. Berlin: Riitten und Loening, 1959. Seghers, Anna. "Helene Weigel spielt in Paris." Inter nationale Literatur, 4 (1938), 126-127. 473 "Spanien, Anna Siemsen," Rezension. Das Buch, 2 (Juni 1938), 13 . "Spanien auf Kestensch," Rezension. Die Zukunft, 11 (Marz 1937), 7. "Die Todesstunde . Spanisches Testament," Rezension. Neuer Vorwarts, 249 (Marz 1938), 4. I "Tschapajew. Das Bataillon der 21 Nationen," Rezension. Das Buch, 3 (Oktober 1938), 22-2 3. "Tschapajew. Das Bataillon der 21 Nationen," Rezension. Die Neue Weltbiihne, 19 (Mai 1938) . i Utitz, Emil. Egon Erwin Kisch, der klassische Journalist. Berlin: Aufbau Verlag, 1956. Walter, Victor. "Begegnung mit Bredel." Die Neue Welt- biihne, 8 (Februar 1939), 249-251. | Weintraub, Stanley. The Last Great Crusade. New York: Weybright and Talley, 1968. i ! (Weiskopf, Franz Carl. "Garibaldi in Spanien," Rezension. | Die Neue Weltbiihne. 53 (Dezember 1937), 1685-1687 . | i _____________________. "Hispanica— Soldaten am Meeres- strand, " Rezension. Die Neue Weltbiihne, 10 (Marz 1938), 731-732. ! j _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _, Hrsg. Kisch-Kalender. Berlin: Auf- i bau Verlag, 1956. jWeifi, Ernst. "Begegnung am Ebro." Die Zukunft, 5 (Februar ' 1939 ), 6 . Wertheim, Ursula. "Balladeske Motive in Louis Fiirnbergs Dichtung Die Spanische Hochzeit." Neue Deutsche Lite ratur , 11 (1963), 72-85. "Willi Bredel. Begegnung am Ebro," Rezension. Das Buch, 6 (September 1939), 13. 474 Willi Bredel. Dokumente seines Lebens. Berlin: Aufbau Verlag, 1961. Wolf, Friedrich. Gesammelte Werke. Bd. XIV: Aufsatze. Berlin: Aufbau Verlag, 1960. Wolfenstein, Alfred. "Spanische Gedichte. Rudolf Leon hard," Rezension. Die Neue Weltbiihne, 1 (Januar 1939), 25-26 . Das Engagement der Dichter in bezug auf Konqresse und Hilfsaktionen "Am siebenten Februar veranstaltet der SDS eine Kundge- bung ..." Die Neue Weltbiihne, 2 (Januar 1938), 59. jBredel, Willi. "Vorwort zum KongreS in Valencia.” Das ! Wort, 9 (September 1937), 3-7. i | "Cox Proposes Pope Pius as Head of Spain Relief." New York | Herald Tribune, 5. Dezember 1938, S. 7. "Dritter KongreB der Schriftsteller." Das Wort, 10 ,£0kto- ber 1938), 109-127. "Ernst Toller, 46, German Exile, Hangs Himself." New York Herald Tribune, 23. Mai 1939. "Exiled German Poet Proposes Democratic Pool to Feed Spain." The Washington Post. 20. Dezember 1938. ! I "Expatriated German Seeks Aid for Spanish." The Washington | Star (D. C.), 20. Dezember 1938. "Food for Civilians in Spain. Suggested International Ac tion." The Times (London), 12. November 1938. "Food for Spanish Children." New York Times, 3. Dezember 1938. "German Poet Asks U. S. Help for Spaniards. Toller Offers Plan for Government to Aid Civilians. Quakers Would Handle Funds for Assisting Both Sides." Baltimore Sun, 17. Dezember 1938. 475 Grosz, George. Ein kleines Ja und ein grofies Nein. Sein Leben von ihm selbst erzahlt. Hamburg: Rowohlt, 1955. "Hilfskomitee ehemaliger Spanienkampfer." Die Neue Welt- buhne, 45 (November 1937) , 1414. "Hilfskomitee fiir die ehemaligen deutschen und osterreichi- schen Kampfer in der spanischen Volksarmee." Die Neue Weltbiihne, 47 (November 1938) , 1496. "Humane Intervention in Spain." New York Herald Tribune, 2. Dezember 1938. Kersten, Kurt. "Zum Ende Ernst Tollers." Die Zukunft, 22 | (Juni 1939), 6 . I Kronacherj Alwin. "[Ernst Toller] Vom Gefangnis auf die Buhne." Die Zukunft, 22 (Juni 1939), 6 . Lore, Ludwig. "Ernst Toller Fulfills Dream to Aid Spain." j New York Post, 30. November 1938. j ■ i ! Ludwig, Emil. "Radionachricht von Tollers Tod." Das Neue I Taqebuch, 24 (10.Juni 1939), 572. i j"Madrid-Washington." The New Statesman and Nation, N.S. 16, j Nr. 398 ( 8 . Oktober 1938), 521-522 . ! Mehring, Walter. "Mein Freund Ernst Toller." Die Zukunft, 22 (Juni 1939), 6 . jOberman, Karl. "Vorwort zum II. Internationalen Kongrefi der | Schriftsteller." Das Wort, 10 (Oktober 1937), 3-8. "Pariser KongreS der Schriftsteller," Ansprachen. Das Wort, 10 (Oktober 1938), 109-127. Paul, Carol L. "The Relationship between the American Lib eral Press and the German Writers in Exile 1933-1945." Geplante Dissertation, University of Southern Califor nia. [In progress.] Pinthus, Kurt. "Life and Death of Ernst Toller." Books Abroad, 16 (Winter 1940), 5. 476 "[Renn, Ludwig] Arrives from Europe." New York Times. 6. Oktober 1937 . Roder, Dr. "Ernst Toller und der Erzbischof." Die Buch- besprechunq, 2 (Dezember 1938), 352. Spalek, John M. Ernst Toller and His Critics . A Bibliogra phy . Charlottesville, Va.: Bibliographical Society of the University of Virginia, 1968. ! _______________ . "Der NachlaB Tollers." Literaturwissen- schaftliches Jahrbuch der Gorresgesellschaft, N.F., 6 (1965), 259ff. | _______________, und Wolfgang Friihwald. "Ernst Tollers I amerikanische Vortragsreise 1936-1937. Mit bisher j unveroffentlichten Texten und einem Anhang. " Litera- j turwissenschaftliches Jahrbuch der Gorresgesellschaft, j N.F., 6 (1965), 267-311. I ! "Spanish Civilians to Get U. S. Flour. Committee of Ten Is I Formed at Request of Roosevelt to Ship 600,000 Bar- I rels." New York Times, 30. Dezember 1938. "Suffering Knows No Politics." New York Post, 7. Dezember 1938. --- "Surplus Food for Spain." New Masses (New York), 13. De zember 1938. ^Thompson, Dorothy. "Intervene with Food." New York Herald j Tribune, 30. November 1938, S. 21. "Time-Tide Diary." Time and Tide, 2 0 (27. Mai 1939), 686. Toller, Ernst. "Am Sender von Madrid." Die Neue Weltbiihne, 39 (September 1938), 1219-122 0. _. "Ankunft in Spanien Ende Juli 1938 ..." Personliche Aufzeichnungen des Verfassers, Maschinen- geschrieben. Toller-NachlaB, Yale University Library. I _. "Ende Juli 1938, nach zwei Jahren Krieg kam ich nach Spanien . . ." Artikel ohne Titel, Maschinen- geschrieben. Toller-NachlaB, Yale University Library. 477 Toller, Ernst. Personlicher Brief an Betty Frankenstein vom 22 . Februar 1939. . Personlicher Brief an den Botschafter Spa- niens Senor Azcarate vom 7. Oktober 1938. . Personlicher Brief an Mr. H.'N. Brailsford vom 22 . November 1938. . "Zum Kongreft." Das Wort, 10 (Oktober 1938)* 126 . "Toller, Penniless, Found Hanged." News Chronicle (London), 23. Mai 1939. iUhse, Bodo. "Zu Ernst Tollers Tod." Pariser Tageszeitung, Nr. 1019, 10. Juni 1939, S. 4. I "Zweiter Internationaler Kongreft der Schriftsteller," An- ! sprachen. Das Wort, 10 (Oktober 1937), 52-92. Sonstige informative Beitrage zum Thema Spanien Arnold, Maria. "Das Neueste aus Spanien." Die Neue Welt- biihne, 13 (Marz 1937), 411. "Bisher haben im Radio Libertad gesprochen: Kisch, Bredel, Weinert." Die Neue Weltbiihne. 29 (Juli 1937), 92 0. Bloomsbury, John. "Eine Feier in London— Ludwig Renn." Die Neue Weltbiihne, 21 (Mai 1939), 667. Brecht, Bertolt. "Brief an die Generalversammlung des SDS." Die Neue Weltbiihne, 46 (November 1937), 1464. "Briefe aus Spanien." Die Neue Weltbiihne, 4 (Januar 1938), 124 . Dets, Ludwig. "Briefe aus Spanien." Das Wort, 8 (August 1937), 110. 478 Frei, Bruno. "Spanien-Film." Die Neue Weltbiihne, 11 (Marz 1937), 344-345. Hannes. "Aus einem Brief von Hans Marchwitza (Spanien)." Das Wort. 7 (Juli 1937), 108. Leonhard, Rudolf. "Brief." Die Neue Weltbiihne, 42 (Oktober 1938), 1336. _________________ . "Brief." Die Neue Weltbiihne, 52 (Dezem ber 1938), 1656. Matthews, Herbert L. "Hungarian Red General with Loyalists Slain) Brigade's Political Commissar Is Wounded." New York Times, 16. Juni 1937. "Schutzverband deutscher Schriftsteller." Die Neue Welt- biihne, 19 (Mai 1939), 572 . "SDS-Lesung aus Spanienbiichern. Egon Erwin Kisch, Anna Seghers, Gustav Regler, Rudolf Leonhard, Bodo Uhse, Willi Bredel, Alfred Kantorowicz." Die Neue We 1tbuhne, 4 (Januar 1939), 4. "Verbitterter Leser." Die Neue Weltbiihne, 50 (Dezember 1938), 1592. i i Frontzeitungen j AMI. j Der Freiwillige. I Ataquemos. Informacion. Informationen der Internationalen Briqaden. Kampfender Antifaschist. Nachrichten aus Spanien. 479 Pasaremos. Rote Sturmfahne. Schiitzengrabenzeitunq. Die spanische Revolution. Taqesnachrichten der Internationalen Brigaden. La Volontaire de la Liberte.
Asset Metadata
Creator
Mack, Gerhard Georg (author)
Core Title
Der Spanische Burgerkrieg Und Die Deutsche Exil-Literatur. (German Text)
Contributor
Digitized by ProQuest
(provenance)
Degree
Doctor of Philosophy
Degree Program
German
Publisher
University of Southern California
(original),
University of Southern California. Libraries
(digital)
Tag
Literature, Modern,OAI-PMH Harvest
Language
English
Advisor
Von Hofe, Harold (
committee chair
), Belle, Rene F. (
committee member
), Schnauber, Cornelius (
committee member
)
Permanent Link (DOI)
https://doi.org/10.25549/usctheses-c18-475407
Unique identifier
UC11362816
Identifier
7217486.pdf (filename),usctheses-c18-475407 (legacy record id)
Legacy Identifier
7217486
Dmrecord
475407
Document Type
Dissertation
Rights
Mack, Gerhard Georg
Type
texts
Source
University of Southern California
(contributing entity),
University of Southern California Dissertations and Theses
(collection)
Access Conditions
The author retains rights to his/her dissertation, thesis or other graduate work according to U.S. copyright law. Electronic access is being provided by the USC Libraries in agreement with the au...
Repository Name
University of Southern California Digital Library
Repository Location
USC Digital Library, University of Southern California, University Park Campus, Los Angeles, California 90089, USA
Tags
Literature, Modern
Linked assets
University of Southern California Dissertations and Theses